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Der Status des GGf im Arbeits-, Steuer- und Sozialversicherungsrecht
von Peter Rosenbauer, Nürnberg, und Dr. Claudia Veh, SLPM Schweizer Leben PensionsManagement, Garching
| Bei (Autohaus-)Gesellschafter-Geschäftsführern (GGf) spielt es eine große Rolle, ob sie als beherrschend oder nicht beherrschend eingestuft werden. Dabei wird in der Praxis bei den Begrifflichkeiten oft nicht genau unterschieden, um welchen Regelungskreis es geht. Der folgende Beitrag beschreibt daher den Status des GGf im Arbeits-, Steuer- und Sozialversicherungsrecht. Denn die falsche Einschätzung des Status kann beträchtliche Konsequenzen nach sich ziehen. |
Status im Arbeitsrecht: Unternehmer oder Arbeitnehmer?
Im Arbeitsrecht spricht man weniger von beherrschend oder nicht beherrschend, sondern treffender von Unternehmer bzw. Arbeitnehmer.
Stimmrechte entscheiden über den Status
Für die Frage, ob der GGf als Unternehmer oder Arbeitnehmer einzustufen ist, kommt es primär auf die Stimmrechte an. Diese stimmen in der Regel mit den Beteiligungsverhältnissen überein. Als Unternehmer bzw. als arbeitsrechtlich beherrschend gilt er dann, wenn er aufgrund seiner Stimmrechte maßgeblichen Einfluss auf die Leitung des Unternehmens ausüben kann.
- Werden Entscheidungen mit einfacher Mehrheit getroffen, ist ein GGf damit Unternehmer, wenn er über mindestens 50 Prozent Stimmrechte verfügt. Denn ab dieser Beteiligungshöhe kann er Entscheidungen verhindern.
- Sind in einem Unternehmen mehrere GGf tätig, werden für die Frage des arbeitsrechtlichen Status die Anteile bzw. Stimmrechte wegen unterstellter gleichgerichteter Interessen zusammengerechnet. Nur wenn die Addition der Stimmrechte mindestens 50 Prozent ergibt, gelten die GGf als Unternehmer.
- Wichtig | Nicht zusammengerechnet werden die Anteile mehrerer GGf jedoch, wenn ein GGf mindestens 50 Prozent der Stimmrechte/Anteile hat. In diesem Fall ist dieser GGf Unternehmer; für die anderen GGf erfolgt die Prüfung entsprechend den vorstehenden Grundsätzen. Zudem werden GGf mit einer Beteiligung von weniger als zehn Prozent nicht mit in die Addition einbezogen. Diese haben aufgrund der geringen Beteiligung stets Arbeitnehmerstatus.
Arbeitnehmerstatus ‒ Betriebsrentengesetz gilt
Der arbeitsrechtliche Status des GGf ist elementar bei der Frage, ob das Betriebsrentengesetz als Arbeitnehmerschutzgesetz für den GGf gilt. Hat er Arbeitnehmerstatus, erfüllt er den persönlichen Geltungsbereich des BetrAVG.
Damit die Regelungen des BetrAVG auch tatsächlich für ihn gelten, ist es neben der Erfüllung des persönlichen Geltungsbereichs nötig, dass die Zusage in den sachlichen Geltungsbereich des BetrAVG fällt. Dies ist der Fall, wenn die Versorgungszusage aufgrund seiner Tätigkeit für das Unternehmen erteilt wurde, nicht aufgrund seiner Gesellschafterstellung (BAG, Urteil vom 11.11.2014, Az. 3 AZR 404/13, Abruf-Nr. 209401).
Bei der Frage, ob der sachliche Geltungsbereich erfüllt ist, bestehen Abgrenzungsfragen. Als erfüllt sollte der sachliche Geltungsbereich immer gelten, wenn neben dem GGf auch nicht am Gesellschaftsvermögen des Unternehmens beteiligte Arbeitnehmer eine Versorgungszusage erhalten haben.
Ist der GGf Unternehmer oder ist der sachliche Geltungsbereich nicht erfüllt, gilt das BetrAVG für ihn nicht. Damit müssen die im BetrAVG geregelten Punkte explizit vertraglich festgelegt werden. Z. B.
- die Unverfallbarkeit dem Grunde und der Höhe nach (§§ 1b und 2 BetrAVG),
- die Abfindung (§ 3 BetrAVG),
- die Übertragung bei Arbeitgeberwechsel (§ 4 BetrAVG),
- die Möglichkeit der vorgezogenen Altersversorgung (§ 6 BetrAVG) und
- die Anpassung laufender Leistungen (§ 16 BetrAVG).
Da der gesetzliche Insolvenzschutz über den PSV für den GGf mit Unternehmerstatus nicht gilt (§§ 7 ff. BetrAVG), muss auf privatrechtlicher Basis ein Insolvenzschutz hergestellt werden. Es bietet sich die Verpfändung von Rückdeckungstiteln oder das Einbringen von Rückdeckungstiteln in eine Treuhand-Lösung (CTA ‒ Contractual Trust Arrangement) an.
Keine Möglichkeit besteht, sich vertraglich dem PSV anzuschließen. Selbst wenn das Unternehmen Beiträge zum PSV leistet, wird im Insolvenzfall der PSV nicht in die erdienten Anwartschaften einsteigen, wenn er nach Prüfung der Unterlagen zu dem Ergebnis kommt, dass er nicht zuständig ist. Beitrags- und Leistungspflicht korrespondieren hier nicht.
PRAXISTIPPS |
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Der mit nur zehn Prozent beteiligte mitarbeitende Sohn (Arbeitnehmer-Status) übernimmt sukzessive Anteile des Vaters am Autohaus. Schließlich rutscht er mit 50 Prozent Beteiligung in die Rolle des GGf (Unternehmer-Status). Ab Übernahme des Unternehmer-Status‘ ist die Zusage nicht mehr vollumfänglich über den PSV gesichert, sondern nur noch in Höhe der als Arbeitnehmer erdienten Anwartschaften. Die jährlichen Meldungen an den PSV über die Bemessungsgrundlage für die Beitragserhebung sind entsprechend anzupassen. |
Status des GGf im Steuerrecht: beherrschend oder nicht?
Bekanntlich hat die Finanzverwaltung anspruchsvolle Voraussetzungen für die steuerliche Anerkennung von Versorgungszusagen von GGf. Dabei sind die Anforderungen bei beherrschenden GGf strenger als bei nicht beherrschenden.
Für die Frage der steuerlichen Beherrschung kommt es auf die Verteilung der Stimmrechte an. Um beherrschend zu sein, muss der GGf über die Mehrheit der Stimmrechte verfügen. Dann kann er eine Entscheidung durchsetzen.
Bei Beschlussfassung mit einfacher Mehrheit genügen 51 Prozent Beteiligung bzw. Stimmrechte, um aus steuerlicher Sicht beherrschend zu sein. Allerdings können auch geringere Beteiligungen zum beherrschenden Status führen, wenn gleichgerichtete Interessen vorliegen. Dies ist z. B. der Fall, wenn drei GGf mit je 33,33 Prozent Beteiligung eine Versorgungszusage erhalten sollen. Dann ist davon auszugehen, dass sie mit gleichgerichteten Interessen handeln und in dieser Situation einen beherrschenden Status haben.
PRAXISTIPP | Die Unterscheidung zwischen beherrschend und nicht beherrschend macht sich an verschiedenen Punkten bemerkbar:
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Status des GGf im SV-Recht: beherrschend oder nicht?
In § 7 Abs. 1 SGB IV wird der allgemeine Beschäftigungsbegriff als Legaldefinition normiert. Eine Beschäftigung setzt prinzipiell die persönliche Abhängigkeit des Arbeitnehmers vom Arbeitgeber voraus; des Weiteren die Tätigkeit nach Weisungen sowie die Eingliederung in die Arbeitsorganisation respektive in den Betrieb des Arbeit- oder Weisungsgebers.
Das BSG beurteilt die Einstufung der Beschäftigung mit der Fremdbestimmtheit der Arbeit durch die Eingliederung des Arbeitnehmers in den Betrieb.
Ein GGf ist nicht als klassischer Arbeitnehmer einzuordnen, da er die ihm übertragenen Arbeitgeberpflichten wahrnimmt. Er ist nach § 35 Abs. 1 GmbHG der gesetzliche und organschaftliche Vertreter der Gesellschaft, sofern er als Organ der GmbH als juristische Person bestellt wurde, wobei er nach § 37 GmbHG dem Weisungsrecht der Gesellschafter unterliegt. Das GmbHG normiert somit das Weisungsrecht gegenüber dem GGf, weshalb zu prüfen ist, ob der GGf die rechtliche Möglichkeit hat, Weisungen in der Gesellschafterversammlung zu verhindern oder ob er die Geschicke der Gesellschaft einseitig bestimmen kann.
„Kopf und Seele“-Rechtsprechung obsolet
Früher war es nach der Rechtsprechung sozialversicherungsrechtlich bedeutend, wenn der Geschäftsführer aufgrund seiner alleinigen Fachkenntnisse verbunden mit besonderen Branchenkenntnissen „Kopf und Seele“ einer Familien-Gesellschaft war. Dies führte dazu, dass der GGf auch mit einer Minderbeteiligung aufgrund der unterstellten abstrakten Rechtsmacht bzw. seiner faktischen Machtposition als sozialversicherungsfrei eingestuft wurde.
Das BSG hat jedoch die „Kopf- und Seele“-Rechtsprechung im Jahr 2012 ausdrücklich aufgehoben (BSG, Urteile vom 29.08.2012, Az. B 12 KR 25/10 R, Abruf-Nr. 122755, Az. B 12 R 14/10 R, Abruf-Nr. 209403). Konkretisiert und bestätigt hat es diese Rechtsprechung im Jahr 2015 (BSG, Urteil vom 29.07.2015, Az. B 12 KE 23/13 R) sowie im Jahr 2018 (BSG, Urteile vom 14.03.2018, Az. B 12 KR 13/17 R, Abruf-Nr. 200204, Az. B 12 R 5/16 R, Abruf-Nr. 200205). Die familiäre Rücksichtnahme bzw. Verbundenheit sei nicht mehr statusrelevant.
Die bisherigen statusrelevanten verwandtschaftlichen Beziehungen verbunden mit dem alleinigen Fachwissen und der unterstellten Weisungsfreiheit des GGf sind bei der Statusbeurteilung nicht mehr maßgeblich. Das BSG stellte mit dem „Schönwetter-Urteil“ klar, dass die familiäre Rücksichtnahme nur so lange gewahrt bleibt, wie Einvernehmen unter den Familienmitgliedern besteht. Bei familiären Zerwürfnissen kommt allein die den einzelnen Familienmitgliedern zustehende Rechtsmacht zum Tragen. Auch die Übernahme von Bürgschaften wird nicht mehr als Indiz für eine selbstständige Tätigkeit angesehen.
Allein Rechtsmacht des GGf entscheidend
Aufgrund der eindeutigen und bestätigenden Rechtsprechung des BSG (Urteile vom 14.03.2018, Az. B 12 KR 13/17 R, Abruf-Nr. 200204, Az. B 12 R 5/16 R, Abruf-Nr. 200205) kommt es bei der sozialversicherungsrechtlichen Beurteilung nur noch darauf an, ob der GGf
- die erforderliche Rechtsmacht hat und
- nicht genehme Beschlüsse der Gesellschafterversammlung verhindern oder eigene Entscheidungen durchsetzen kann.
Wichtig | Die fehlende Rechtsmacht spricht somit für eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung und eine nicht beherrschende Stellung.
Mehrheitsgesellschafter
Ein GGf ist nur dann nicht als abhängig Beschäftigter und als beherrschender GGf im Sinne des Sozialversicherungsrechts einzustufen, wenn er die Rechtsmacht besitzt, die Geschicke der Gesellschaft zu bestimmen. Das wird regelmäßig angenommen, wenn er mehr als 50 Prozent (Mehrheitsgesellschafter) der Anteile am Stammkapital verbunden mit den Stimmrechten hält.
Minderheitsgesellschafter
Ausnahmsweise, so das BSG, ist die Rechtsmacht auch anzunehmen, wenn der GGf exakt 50 Prozent der Anteile am Stammkapital hält. Sofern ein mitarbeitender angestellter Gesellschafter, z. B. ein Prokurist ohne Geschäftsführerfunktion, nur 50 Prozent der Anteile am Stammkapital hält, ist er als abhängig Beschäftigter einzustufen, weil er als Angestellter der Dienstaufsicht und dem Weisungsrecht der Geschäftsführung unterliegt.
PRAXISTIPPS |
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Knackpunkt: Stimmbindungsvereinbarungen oder -abreden
Stimmbindungsvereinbarungen oder -abreden, die außerhalb der Satzung getroffen werden, sind für die Statusbeurteilung ohne Bedeutung. Denn sie können von den Gesellschaftern jederzeit aus wichtigem Grund (vgl. § 626 BGB) gekündigt werden.
Schuldrechtliche Vereinbarungen sind deshalb nicht geeignet, um die sich aus dem Gesellschaftsvertrag ergebenden Rechtsmachtverhältnisse mit sozialversicherungsrechtlicher Wirkung zu verschieben (BSG, Urteil vom 11.11.2015, Az. B 12 KR 13/14 R, Abruf-Nr. 146310). Zu beachten ist, dass außerhalb des Gesellschaftsvertrags vereinbarte Stimmrechtsvereinbarungen, z. B. im Arbeits- und Steuerrecht, zulässig sind.
Knackpunkt: Gleichgerichtete Interessen
Des Weiteren werden auch gleichmäßig oder nahezu gleichmäßig beteiligte GGf aufgrund unterstellter gleichgerichteter Interessen einer GmbH nach der aktuellen Rechtsprechung nicht mehr ‒ analog dem Steuerrecht ‒ als sozialversicherungsfrei eingestuft (BSG, Urteile vom 04.07.2007, Az. B 11a AL 5/06 R, Abruf-Nr. 209404, Az. B 11a AL 45/06 R, Abruf-Nr. 209405).
Fremdgeschäftsführer
Fremdgeschäftsführer, die nur als Organ der Gesellschaft nach § 35 Abs. 1 GmbHG bestellt sind, ohne Beteiligung am Stammkapital der Gesellschaft, sind als abhängig und sozialversicherungspflichtige Beschäftigte einzustufen. Denn sie unterliegen dem Weisungsrecht der Gesellschafterversammlung.
Statusfeststellungsverfahren nach § 7a Abs. 1 S. 1 SGB IV
Sollte der Status des GGf in der Vergangenheit noch nicht verbindlich festgestellt worden sein, sollte in Zweifelsfällen ein Statusfeststellungsverfahren bei der Clearingstelle der Deutschen Rentenversicherung erwogen werden. Denn bei Betriebsprüfungen durch die Rentenversicherungsträger entstehen Nachzahlungsforderungen in bis zu sechsstelliger Höhe, wenn sich die Einstufung des GGf als sozialversicherungsrechtlich nicht korrekt herausstellt.
Haben sich wesentliche Änderungen der Verhältnisse nach § 48 SGB X ergeben oder ergeben sich solche, kann ein Statusfeststellungsbescheid als Verwaltungsakt, der durch die Clearingstelle oder die Einzugsstelle erteilt wurde, zu Ungunsten der Betroffenen in seiner Bestandskraft mit Wirkung für die Zukunft aufgehoben werden.
Vermehrt treten Änderungen der tatsächlichen Verhältnisse ‒ die unbewusst aus Unkenntnis der Rechtslage nicht beachtet werden ‒ durch eine Veränderung der Beteiligungsverhältnisse auf, was zur Sozialversicherungspflicht des GGf verbunden mit Nachzahlungen von Sozialversicherungsbeiträgen führen kann.
PRAXISTIPP | Vor jeder wesentlichen Änderung der tatsächlichen Verhältnisse, z. B. bei Änderung der Stimmrechte oder bei Aufnahme weiterer Gesellschafter, sollte der sozialversicherungsrechtliche Status des GGf neu beurteilt werden. Ein Statusfeststellungsverfahren sollte eingeleitet werden. |
Ein Steuerberater als erster Ansprechpartner seiner Mandanten hat keine Vertretungsberechtigung im Statusfeststellungsverfahren nach § 7a Abs. 1 S. 1 SGB IV, um den sozialversicherungsrechtlichen Status eines Erwerbstätigen gegenüber der Deutschen Rentenversicherung Bund zu klären (BSG, Urteil vom 05.03.2014, Az. B 12 R 7/12 R, Abruf-Nr. 142995).
FAZIT | Ob ein GGf als beherrschend oder nicht beherrschend eingestuft wird, ist grundsätzlich im Arbeits-, Steuer- und Sozialversicherungsrecht getrennt zu prüfen. Nicht immer hat ein GGf in allen drei Rechtsgebieten denselben Status. Im eigenen Interesse des GGf sowie im Interesse des Unternehmens sollte Klarheit herrschen über die korrekte Einstufung, um das Dienstverhältnisses, die bAV sowie etwaige sozialversicherungsrechtliche Regelungen passend auszugestalten. |