· Fachbeitrag · GmbH/Pensionszusage
Pensionszusagen bei GmbH in der Krise (Teil 2): Schadensminimierung und Handlungsoptionen
von Dr. Claudia Veh, KPMG AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, München
| Die Corona-Pandemie stellt zahlreiche Branchen vor große wirtschaftliche Herausforderungen. VVP erläutert in einer dreiteiligen Serie, welche Auswirkungen die Krise auf die Pensionszusage des Gesellschafter-Geschäftsführers (GGf) mit sich bringt. Der zweite Teil beleuchtet, welche Möglichkeiten in einer wirtschaftlichen Krise der GmbH bestehen, mit Pensionszusagen umzugehen, um den Schaden zu minimieren. |
Niedrigzinsphase und Finanzierungslücken
Die Niedrigzinsphase bewirkt seit etlichen Jahren bei Unternehmen mit Direktzusagen eine bilanzielle Schieflage. Die sinkenden Rechnungszinsen in der Handels- und internationalen Bilanz lassen die Pensionsrückstellungen in astronomische Höhen steigen. Dies stellt viele Unternehmen vor Probleme. Etwaiges saldierungsfähiges Rückdeckungskapital steigt regelmäßig nicht so stark wie die Rückstellungen. Das erhöht den Bilanzausweis und verschlechtert das bilanzielle Funding.
Pensionszusagen von GGf wurden in vielen Fällen aus verschiedenen Gründen nicht kongruent rückgedeckt. Hier bestehen nun Finanzierungslücken. Unternehmen müssen im Leistungsfall den nicht ausfinanzierten Teil der Zusage aus dem laufenden Ertrag oder anderen Quellen finanzieren. Das ist in vielen Fällen bewusst so gewählt und installiert worden. Doch wenn sich die wirtschaftliche Situation des Unternehmens nun z. B. aufgrund externer Faktoren deutlich verschlechtert, stellen die zusätzlichen Belastungen aus der Zusage eine Bürde dar, vor allem wenn der Leistungsfall wie das Erreichen der Altersgrenze schon eingetreten ist bzw. in naher Zukunft eintreten wird. Auch die hohen (zinsbedingten) Zuführungen zu den Pensionsrückstellungen belasten ein angeschlagenes Unternehmen stärker als ein gesundes.
Damit verstärkt die wirtschaftliche Krise infolge der Corona-Pandemie vielerorts den bereits bestehenden Handlungsdruck auf Pensionszusagen. Das geht so weit, dass viele Unternehmen nun konkret nach einer Lösung suchen. Ziel ist, die negativen Wirkungen der Pensionszusage auf die Bilanz und die Liquidität des Unternehmens zu reduzieren bzw. zu beseitigen.
Wechsel des Durchführungswegs
Eine Möglichkeit ist der Wechsel des Durchführungswegs. Im Allgemeinen wird hier für Anwärter ein Kombi-Modell gewählt: Dabei wird
- der erdiente Teil der Versorgungsanwartschaft (Past Service) auf den Pensionsfonds und
- der noch zu erdienende Teil (Future Service) auf eine (in der Regel rückgedeckte) Unterstützungskasse ausgelagert.
Damit lässt sich steuer- und handelsbilanziell die Pensionsrückstellung beseitigen. Dabei muss steuerbilanziell der Teil des Einmalbeitrags an den Pensionsfonds, der die auf den Past Service entfallenden aufgelösten Pensionsrückstellungen übersteigt, zwar grundsätzlich sofort bezahlt werden. Er kann jedoch erst über die folgenden zehn Jahre gleichmäßig verteilt als Betriebsausgaben abgezogen werden (BMF, Schreiben vom 10.07.2015, Az. IV C 6 ‒ S 2144/07/10003, Abruf-Nr. 178134).
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Der Past Service einer Direktzusage wird auf einen Pensionsfonds und der Future Service auf eine Unterstützungskasse ausgelagert. Die Pensionsrückstellungen haben am vorherigen Bilanztermin 100.000 Euro betragen. Von der Zusage sind 60 Prozent erdient (Past Service), 40 Prozent sind nicht erdient (Future Service).
Bei der Auslagerung des Past Service sind vom zu leistenden Beitrag nur 60.000 Euro (60 Prozent von 100.000 Euro) sofort betriebsausgabenwirksam, der Rest ist über die folgenden zehn Jahre gleichmäßig als Betriebsausgaben zu verteilen. |
Ein Wechsel für Past und Future Service zur Unterstützungskasse würde aufgrund der laufenden Dotierung für Anwärter bewirken, dass handelsbilanziell für eine gewisse Zeit noch Pensionsrückstellungen auszuweisen sind. Daher wird diese Variante im Allgemeinen verworfen.
Die komplette Zusage, also Past- und Future Service auf den Pensionsfonds auszulagern, kann funktionieren. Und zwar, wenn
- der Beitrag für den Future Service innerhalb der steuerfreien Grenzen von acht Prozent der BBG nach § 3 Nr. 63 EStG liegt (nur vier Prozent der BBG sind sv-frei; das spielt bei GGf, wenn sie sv-frei sind, keine Rolle) und
- der Pensionsfonds eine laufende Dotierung nach § 3 Nr. 63 EStG anbietet.
Im Endeffekt ist das Kombi-Modell Pensionsfonds/Unterstützungskasse sehr häufig in der Praxis das präferierte Outsourcing-Modell. Mit der Auslagerung ist allerdings ein oft hoher Liquiditätsabfluss verbunden. Bestehendes ‒ für die Finanzierung reserviertes ‒ Vermögen z. B. in Form von Rückdeckungsversicherungen erleichtert die Auslagerung regelmäßig, weil dieses Kapital ohnehin für die Erfüllung der Pensionszusage gedacht bzw. reserviert war.
Reduktion der Pensionszusage ‒ Verzicht auf Anwartschaft
In vielen Unternehmen ist in Zeiten einer Krise allerdings nicht genug Liquidität für eine Auslagerung vorhanden. Es erscheint auch unwahrscheinlich, dass die Finanzierungslücke im Leistungsfall geschlossen werden kann. Hier bietet sich der Verzicht auf Anwartschaften aus der Pensionszusage an.
Verzicht auf Future Service
Bei nicht betrieblich veranlasstem Verzicht lässt sich ohne steuerlich unerwünschte Konsequenzen wie verdeckte Einlage und lohnsteuerlichen Zufluss nur auf den Future Service verzichten. Der Verzicht bewirkt eine gewisse bilanzielle Entlastung sowie einen geringeren Finanzierungsbedarf für die Zusage. Wermutstropfen: Der GGf hat dann eine geringere Altersversorgung.
Verzicht auf Past Service
Gerade bei GGf, die bereits in der Vergangenheit auf den Future Service verzichtet haben und bei denen die Corona-Pandemie nun weitere Einschnitte erfordert, wird jetzt konkret ein Verzicht im Bereich des Past Service geprüft. Dieser bleibt ohne die erwähnten ‒ unerwünschten ‒ steuerlichen Folgen, wenn er betrieblich veranlasst ist. Die Finanzverwaltung stellt an die betriebliche Veranlassung aber hohe Anforderungen.
PRAXISTIPP | Beim Verzicht auf den Past Service sollte verlässlich nachgewiesen und dokumentiert werden, dass durch den Verzicht eine drohende bilanzielle Überschuldung abgewendet werden konnte. Es sollte sich aus der Situation heraus glaubhaft ergeben, dass in solch einem Fall auch ein Fremd-Geschäftsführer, also ein Geschäftsführer, der nicht am Unternehmen beteiligt ist, mit dem Verzicht einverstanden gewesen wäre. |
Inhaltliche Umgestaltung der Pensionszusage
In den meisten Fällen existieren eine oder mehrere Rückdeckungsversicherungen zu Pensionszusagen von GGf. Das gilt auch bei Leistungszusagen. Allerdings reichen diese meist nicht, es droht eine Finanzierungslücke.
Umgestaltung einer Leistungszusage in beitragsorientierte Leistungszusage
Diese Lücke kann mittels einer inhaltlichen Umgestaltung vermieden werden. Konkret: Statt bisher eine konkrete Leistung zuzusagen, wird die Pensionszusage über einen Nachtrag samt Gesellschafterbeschluss in eine versicherungsrückgedeckte beitragsorientierte Leistungszusage umgestaltet. Die Höhe der zugesagten Leistungen richtet sich nach den Leistungen der Rückdeckungsversicherung. Dies gilt auch beim vorzeitigen Ausscheiden.
Eine strikt versicherungsrückgedeckte beitragsorientierte Zusage lässt sich handelsbilanziell als wertpapiergebundene Zusage einstufen. Somit sind der Aktivwert der Rückdeckungsversicherung und der Passivwert der Pensionsverpflichtung in Höhe des Aktivwerts der Rückdeckungsversicherung zu bilanzieren (vgl. IDW-RS HFA 30 n. F). Es ergibt sich folglich zwar eine Bilanzverlängerung, aber keine Gewinnauswirkung. Sofern die Rückdeckungsversicherung verpfändet bzw. in einem CTA (Contractual Trust Arrangement) gesichert ist, saldieren sich beide Werte und werden lediglich mit ihrer Höhe im Anhang zur Handelsbilanz angegeben (vgl. § 246 Abs. 2 S. 2 und § 285 Nr. 25 HGB). Diese bilanziellen Aspekte haben ihren Charme. Allerdings lässt sich dieses Modell nur unter bestimmten Voraussetzungen realisieren:
- Es muss anhand eines Barwertvergleichs dokumentiert werden, dass der Barwert der erdienten Anwartschaften aus der bisherigen Leistungszusage zum Umstellungszeitpunkt nicht höher ist als der Barwert der beitragsorientierten Leistungszusage. Für den Fall des vorzeitigen Ausscheidens muss sichergestellt sein, dass die unverfallbare Anwartschaft nicht geringer ist als der zum Umstellungstermin erdiente Teil der Zusage. Sonst läge ein Eingriff in den Past Service vor, was ‒ wie erwähnt ‒ nur bei betrieblich veranlasstem Verzicht ohne negative steuerliche Folgen möglich ist.
- Dieses Modell funktioniert nur, wenn es auch entsprechende Rückdeckungstitel gibt und diese auch bedient werden können. Aus praktischen Überlegungen heraus ist die Umstellung in eine beitragsorientierte Leistungszusage nur sinnvoll, wenn es nur eine oder maximal zwei Rückdeckungsversicherungen gibt. Sind es mehr, evtl. noch bei verschiedenen Gesellschaften, mit unterschiedlichen Tarifen, Leistungen und Ablaufterminen, würde die Zusage zu unübersichtlich; das würde auch Probleme bei der jährlichen Ermittlung der Pensionsrückstellungen mit sich bringen.
Aufnahme einer Kapitaloption bzw. Umgestaltung in Kapitalzusage
Eine weitere inhaltliche Umgestaltung, die mittelfristig eine Entlastung bringt, ist die Aufnahme einer Kapitaloption bei Eintritt des Versorgungsfalls bzw. die Umgestaltung in eine Kapitalzusage. Das ist besonders dann attraktiv, wenn der GGf nicht mehr allzu lange bis zum Pensionsalter hat, d. h. der Effekt aus der finalen Erledigung der Zusage greifbar ist, und das Unternehmen auch das Kapital hat, um eine einmalige Kapitalleistung zu erbringen. Nach wie vor wird hier regelmäßig noch auf den steuerlichen Barwert mit sechs Prozent Rechnungszins abgestellt; inzwischen findet man aber auch häufig eine Kapitalisierung mit dem handelsbilanziellen Rechnungszins.
PRAXISTIPP | Die Abfindung bzw. Kapitalisierung muss rechtzeitig vor Eintritt des Versorgungsfalls in der Zusage vorgesehen sein. Denn eine „spontan“ vereinbarte Abfindung ist beim beherrschenden GGf regelmäßig eine vGA (BFH, Urteil vom 11.09.2013, Az. I R 28/13, Abruf-Nr. 140982). |
Vorzeitige Kapitalabfindung der Zusage?
Eine vorzeitige Abfindung der Zusage mit einer einmaligen Kapitalzahlung, also ohne Eintritt eines Leistungsfalls, scheidet regelmäßig als Lösung aus. Denn die Abfindung im laufenden Arbeitsverhältnis ist mit einem hohen vGA-Risiko behaftet. Grund: Die Zahlung wird geleistet, ohne dass sich ein in der Zusage abgedecktes Risiko (Tod, Invalidität, Erreichen der Altersgrenze) realisiert hat. Daher sieht die Finanzverwaltung eine solche Abfindung häufig als vGA an. Es gibt sogar Fälle, da nimmt sie gleichzeitig einen Verzicht auf die Zusage mit den Folgen „lohnsteuerlicher Zufluss“ und „verdeckte Einlage“ an.
FAZIT | Die Corona-Pandemie verschärft den Handlungsdruck auf GmbH und ihre Pensionszusagen. Viele GmbH müssen theoretische Worst-case-Szenarien jetzt in der Praxis umsetzen. Dazu gehören der Wechsel des Durchführungswegs, die Reduzierung der Zusage sowie deren inhaltliche Umgestaltung. GmbH sollten ihr geplantes Vorgehen im Vorfeld steuerlich genau prüfen. |
Weiterführender Hinweis
- Beitrag „Pensionszusagen bei GmbH in der Krise (Teil 1): Gehaltsabsenkung und Handlungsoptionen“, VVP 2/2021, Seite 11 → Abruf-Nr. 47004436; Details zum Insolvenzschutz in VVP 4/2021.