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· Fachbeitrag · Gratifikation

Die fünf häufigsten Irrtümer zum Weihnachtsgeld

| Jeder zweite ArbN erhält in Deutschland Weihnachtsgeld im Sinne einer zusätzlichen Lohnausschüttung. Doch um das Geld, das meist mit dem Novembergehalt ausbezahlt wird, ranken sich viele Irrtümer. AA Arbeitsrecht aktiv stellt die fünf häufigsten Irrtümer vor und gibt Tipps an die Hand, die für ArbG beim Umgang mit dem Weihnachtsgeld entscheidend sind. |

1. Ist der ArbG stets verpflichtet, Weihnachtsgeld zu zahlen?

Nein. Es besteht kein gesetzlicher Anspruch auf eine Gratifikation. Ein solcher Anspruch kann sich aber aus einem Tarifvertrag, einer Betriebsvereinbarung, einem Einzelarbeitsvertrag, aber auch aus Betriebsübung oder dem arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz ergeben.

2. Bleibt es nach dreimaliger Zahlung beim Weihnachtsgeld?

Die Arbeitsgerichte erkennen grundsätzlich einen Anspruch des ArbN kraft betrieblicher Übung nach dreimaliger vorbehaltloser Zahlung des Weihnachtsgelds an. Allerdings kann der ArbG seinen Bindungswillen durch einen wirksamen Freiwilligkeitsvorbehalt im Arbeitsvertrag ausschließen. Er kann sich bei Auszahlung der Gratifikation eine Bestätigung vom ArbN unterzeichnen lassen, dass es sich um eine freiwillige und jederzeit widerrufliche Leistung handelt, die keine Rechtsansprüche für die Zukunft begründet. Der bloße Hinweis auf die Freiwilligkeit der Leistung reicht dabei nicht aus.

 

Musterformulierung / Weihnachtsgeld im Arbeitsvertrag, Teil 1

Soweit dem ArbN Sonderzuwendungen, wie eine Weihnachtsgratifikation, gewährt werden, erfolgt dies auf ausschließlich freiwilliger Grundlage. Dies gilt auch für eine übertarifliche Zulage zur tariflichen Gratifikation. Diese Zahlungen erfolgen ohne Begründung eines Rechtsanspruchs für die Zukunft, auch bei wiederholter Zahlung. ...

 

Beim Verfassen der Vertragsklauseln müssen Sie das Transparenzgebot beachten. Eine missverständliche Formulierung führt zur Unwirksamkeit (BAG 8.12.10, 10 AZR 671/09, Abruf-Nr. 104136). Im entschiedenen Fall enthielt der Vertrag die Klausel, dass die Gratifikation freiwillig und ohne jede rechtliche Verpflichtung erfolge und jederzeit und ohne Wahrung einer besonderen Frist widerrufbar sei. Die Verknüpfung von Freiwilligkeit und Widerruf war für die BAG-Richter nicht eindeutig. Auch darf die Gesamtregelung nicht intransparent sein (BAG 30.7.08, 10 AZR 606/07, Abruf-Nr. 082690).

3. Muss das Weihnachtsgeld bei jedem ArbN gleich hoch sein?

Meist ergibt sich die Höhe des Weihnachtsgelds aus der maßgebenden tariflichen, betrieblichen oder einzelvertraglichen Regelung. Der ArbG kann hierbei nach freiem Ermessen die jeweilige Höhe festlegen. Innerbetrieblich muss er sich jedoch an den Gleichbehandlungsgrundsatz halten. Das heißt, eine unterschiedliche Behandlung von ArbN ist nur bei Vorliegen eines sachlichen Grunds möglich. Abstufungen nach Betriebszugehörigkeit, Familienstand oder Kinderzahl sind jedoch generell möglich.

4. Kann das Weihnachtsgeld zurückgefordert werden?

Das Weihnachtsgeld kann nur zurückgefordert werden ‒ zum Beispiel wenn das Arbeitsverhältnis kurz nach Erhalt des Geldes beendet wird ‒ , wenn der ArbG dies mit dem ArbN entsprechend vereinbart hat. Das BAG hat hierfür Regeln für einzelvertraglich vereinbarte Rückzahlungsklauseln bei Weihnachtsgratifikationen aufgestellt:

 

  • Keine Rückzahlung möglich bei Gratifikationen bis zu 100 EUR.
  • Bei Gratifikationen über 100 EUR, aber weniger als einem Bruttomonatsgehalt kann eine Rückzahlungsvereinbarung für den Fall getroffen werden, dass der ArbN vor dem 31.3. des Folgejahres ausscheidet.
  • Bei einer Weihnachtsgratifikation von mindestens einem Bruttomonatsgehalt sind Bindungen über den 31.3. des Folgejahres zulässig. Es kommt hierbei auf die Kündigungsfristen für den ArbN an. Bei einer Kündigungsfrist zum Quartalsende gilt eine Bindung in der Regel bis zum 30.6., bei einer gesetzlichen Kündigungsfrist bis zum 30.4.
  • Rückzahlungsklauseln über den 30.6. des Folgejahres hinaus sind unzulässig.

 

Streitig ist, ob eine Rückzahlungsvereinbarung zulässig ist, wenn der ArbG das Arbeitsverhältnis betriebsbedingt kündigt. Dies soll grundsätzlich möglich sein (BAG 18.1.12, 10 AZR 667/10, Abruf-Nr. 120368). Auch hier muss die Regelung eindeutig und transparent sein.

5. Ist eine ausdrückliche Vereinbarung überflüssiger Luxus?

Ohne eine eindeutige Vereinbarung hat der ArbG keinen Anspruch auf Rückzahlung der Weihnachtsgratifikation. Diese sollte zusätzlich zum oben genannten Passus in den Arbeitsvertrag aufgenommen werden:

 

Musterformulierung / Weihnachtsgeld im Arbeitsvertrag, Teil 2

... Ist das Arbeitsverhältnis zum Zeitpunkt des Auszahlungstags ‒ soweit Tarifvertraglich nicht anders geregelt, ist dies der 30.11. des Jahres ‒ gekündigt, so entfällt die Gratifikation. Wird das Arbeitsverhältnis vor dem 31.3. des folgenden Jahres beendet, weil es von dem ArbN oder vom ArbG aus Gründen, die im Verhalten des ArbN liegen, gekündigt worden ist, so ist die Gratifikation bzw. der übertarifliche Anteil zurückzuzahlen; er kann vom ArbG unter Beachtung der Pfändungsfreigrenze mit Vergütungszahlungen verrechnet werden. Diese Rückzahlungsvereinbarung gilt nicht, wenn die Gratifikation 100 EUR nicht übersteigt. Sie gilt auch nicht, wenn der ArbN ein Recht zur außerordentlichen Kündigung hat und er sich bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses hierauf beruft.

Die vorstehende Regelung findet entsprechende Anwendung auf alle freiwilligen Leistungen mit Gratifikationscharakter.

 
Quelle: Seite 196 | ID 44940558