· Fachbeitrag · Haftung
Tax-Compliance-Management-System:Ein Thema für Stiftungen?
von StB Jens Krieger, berät für Mazars schwerpunktmäßig gemeinnützige Konzerne
| Stiftungsvorstände und Kuratoriumsmitglieder sind vielfach verunsichert, welche Konsequenzen sich aus der aktuellen Diskussion über Tax-Compliance-Management-Systeme für ihre ‒ teils ehrenamtliche ‒ Tätigkeit in einer Stiftung ergeben. Hierfür erscheint es wichtig, zunächst zu verstehen, welche ‒ eingeschränkte ‒ Bedeutung ein solches System im Fall nachträglich festzustellender Mehrsteuern hat. |
1. Hintergrund
In den letzten Jahren hat die Finanzverwaltung durch den Ankauf von Steuer-CDs und spektakuläre Durchsuchungsaktionen den Bürger medienwirksam an seine Steuerpflichten erinnert. Auch der Gesetzgeber wurde tätig und verschärfte die gesetzlichen Grundlagen zur Sanktionierung von vorsätzlicher oder leichtfertiger Steuerverkürzung. Die strafbefreiende Wirkung einer Selbstanzeige wurde in diesem Zusammenhang an verschärfte Bedingungen (z. B. vollständige Nacherklärung für zehn Jahre) geknüpft und im Falle des Überschreitens bestimmter Sperrbeträge (jetzt 25.000 EUR je Tat, § 371 Abs. 1 Nr. 3 AO) sogar weitgehend ausgeschlossen.
Die Komplexität des Steuerrechts und von Organisationen kann dazu führen, dass Steuererklärungen korrigiert werden müssen oder nachträglich Sachverhalte erkannt werden die zu besteuern sind. Die Risiken werden umso größer, je komplexer die Organisation und ihre Tätigkeit ist. Soweit kein Vorsatz vorliegt, ermöglicht § 153 AO ‒ ohne strafrechtliche Konsequenzen ‒ die Korrektur versehentlich falscher Erklärungen.
2. BMF-Schreiben
Seit der Änderung der Vorschriften zur strafbefreienden Selbstanzeige zum 1.1.15 besteht in der Praxis erhebliche Unsicherheit darüber, wie die Selbstanzeige bei
- Steuerhinterziehung (§ 371 AO)
- von der einfachen Berichtigung fehlerhafter Steuererklärungen (§ 153 AO)
abgegrenzt werden kann.
Dieses wurde durch die damaligen Koalitionsfraktionen bereits im Gesetzgebungsverfahren erkannt und das BMF gebeten, hierzu durch eine Stellungnahme für mehr Rechtssicherheit zu sorgen (BT-Drucksache 18/3439).
Mit Schreiben vom 23.5.16 hat das BMF bundesweit Verwaltungsgrundsätze hinsichtlich der Berichtigung von fehlerhaften Steuererklärungen nach § 153 AO veröffentlicht. In diesem Schreiben findet sich folgender Satz:
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Hat der Steuerpflichtige ein innerbetriebliches Kontrollsystem eingerichtet, das der Erfüllung der steuerlichen Pflichten dient, kann dies ggf. ein Indiz darstellen, dass gegen das Vorliegen des Vorsatzes oder der Leichtfertigkeit sprechen kann, jedoch befreit dieses nicht von einer Prüfung des jeweiligen Einzelfalls (Tz 2.6 S. 6). |
In der Diskussion wird dieser Satz häufig zitiert und als Argument dafür angebracht, dass Organisationen ein Tax-Compliance-Management-System (TCMS) aufbauen müssten, um steuerstrafrechtliche Risiken zu minimieren.
3. Tax-Compliance-Management-System
Wie ein innerbetriebliches Kontrollsystem zur Sicherstellung der steuerlichen Pflichten aussehen soll wurde von der Finanzverwaltung angesichts der Vielfalt der tatsächlichen Geschäftsmodelle und der damit einhergehenden Steuerpflichten bewusst offengelassen.
Im Mai 2017 veröffentlichte das Institut der Wirtschaftsprüfer (IDW) einen Praxishinweis zur „Ausgestaltung und Prüfung eines Tax-Compliance-Management-Systems“. Wie alle Management-Systeme wird ausgehend von einer Wertentscheidung der Geschäftsführung ‒ hier zur aktiven Befolgung steuerlicher Pflichten ‒ ein Bündel von Maßnahmenfeldern beschrieben, in denen steuerrelevante Prozesse zu bestimmen, dokumentieren und umzusetzen sind.
In seiner Komplexität ist ein solches System auf das Management großer Unternehmen ausgerichtet und greift viele Prozesse und Verfahren auf, die ein dort regelmäßig vorhandenes Internes Kontrollsystem (IKS) ohnehin bereits umfasst. Sofern ein TCMS nach den Grundsätzen des IDW eingerichtet wurde oder mit dem Aufbau konkret begonnen wurde, soll die erwähnte verdachtsbefreiende Indizwirkung greifen.
4. Bedeutung
Eine Steuerstraftat wird verwirklicht, wenn objektive (Steuerverkürzung, unterlassene, falsche oder unvollständige Angabe steuererheblicher Tatsachen) und subjektive (Vorsatz, bedingter Vorsatz) Tatbestandsmerkmale erfüllt sind. Das Vorhandensein eines TCMS bezieht sich damit nur auf eines der Tatbestandsmerkmale, welches der Finanzbeamte bei Eingang einer nach § 153 AO berichtigten Erklärung, die zu Mehrsteuern führt, prüfen muss.
Da das Vorhandensein und die Wirksamkeit eines TCMS lediglich ein Indiz bei der Entscheidung im pflichtgemäßen Ermessen darstellt, wird der Beamte auch die übrigen Umstände des Falls zu berücksichtigen haben. Im Ergebnis wird er den Fall an die Straf- und Bußgeldstelle weitergeben, die ihrerseits wiederum prüft und entscheidet, ob sie es bei einer Vorermittlung belässt oder den Fall an die Staatsanwaltschaft abgibt.
Die Verwaltungsanweisungen des BMF sind verpflichtende Verfahrensvorschriften nur für die Finanzverwaltung mittels derer die Gleichmäßigkeit der Besteuerung sichergestellt werden soll. Gleichwohl dient die Veröffentlichung auch dazu, den Steuerpflichtigen transparent zu machen, wie die Finanzverwaltung einzelne Themen zu behandeln gedenkt.
Beachten Sie | Anwendungspflichtig ist allerdings nur die Finanzverwaltung. Nicht an diese Verwaltungsanweisungen gebunden sind die für das Steuerstrafverfahren zuständigen Staatsanwaltschaften und Strafgerichte.
Die Bedeutung des zitierten Absatzes beschränkt sich damit auf das steuerliche Verfahren vor Einleitung eines Strafverfahrens, namentlich die Beurteilung, ob aufgrund einer vom Steuerpflichtigen eingereichten, nach § 153 AO geänderten, Steuererklärung, die zu einem mehr an Steuern führt, ein Strafverfahren einzuleiten ist. Es dürfte allerdings davon auszugehen sein, dass die verdachtsbefreiende Indizwirkung eines TCMS auch an anderer Stelle des Steuerverfahrens durch die Finanzbeamten zu berücksichtigen sein wird, beispielsweise wenn im Rahmen von Betriebsprüfungen Sachverhalte bekannt werden, die zu Mehrsteuern führen.
5. Umsetzung
Bisher wurden keine Überlegungen veröffentlicht, wie die Vorgaben der Finanzverwaltung und des IDW in ein praxistaugliches und auf unterschiedliche Organisationsgrößen skalierbares System umgesetzt werden können. Diese Übersetzungsleistung bleibt den Steuerpflichtigen und ggf. ihren Beratern vorbehalten.
Ausgangspunkt aller Überlegungen muss dabei das Verständnis des Vorstands bzw. der Verantwortlichen für die steuerlichen Verhältnisse der Stiftung, mögliche Risiken und steuererhebliche Tatsachen sein. Eine aktualisierende Bestandsaufnahme stellt bereits eine erste Praxismaßnahme für ein TCMS dar.
PRAXISHINWEISE |
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Weiterführender Hinweis
- Bilanzierung und Kapitalerhalt: Rechnungslegung für kleine und mittlere Stiftungen, Cornelius, SB 14, 10