Praxiswissen auf den Punkt gebracht.
logo
  • Meine Produkte
    Bitte melden Sie sich an, um Ihre Produkte zu sehen.
Menu Menu
MyIww MyIww

· Fachbeitrag · Handelsrechtlicher Jahresabschluss

Ertragsteuerbezogene Angabepflichten im Anhang

von Prof. Dr. Hanno Kirsch, Meldorf

| Die ertragsteuerbezogenen Angabepflichten stellen im Anhang des handelsrechtlichen Jahresabschlusses ein vergleichsweise neues Arbeitsfeld dar. Sie sind erst durch die Novellierung des HGB durch das BilMoG entstanden und wurden durch das BilRUG nochmals erweitert. Der folgende Beitrag stellt die relevanten Angabevorschriften systematisch zusammen und zeigt anhand eines Musterfalls, worauf zu achten ist. |

1. Übersicht

Zu den ertragsteuerbezogenen handelsrechtlichen Angabepflichten zählen insbesondere:

 

  • Angabe, auf welchen Differenzen oder steuerlichen Verlustvorträgen die latenten Steuern beruhen und mit welchen Steuersätzen die Bewertung erfolgt ist (§ 285 Nr. 29 HGB)
  • Falls latente Steuerschulden in der Bilanz angesetzt werden: die latenten Steuersalden am Ende des Geschäftsjahrs und die im Laufe des Geschäftsjahrs erfolgten Änderungen dieser Salden (§ 285 Nr. 30 HGB)
  • Angabe der Ausschüttungssperre bei einem aktivierten Überhang von aktiven über die passiven latenten Steuern (§§ 285 Nr. 28 i. V. mit 268 Abs. 8 S. 2 HGB)

 

Allerdings haben nicht alle zur Aufstellung eines Anhangs verpflichteten Kapitalgesellschaften und Personenhandelsgesellschaften i. S. des § 264a HGB diese Angabepflichten zu erfüllen. Vielmehr ist der durch das HGB vorgeschriebene Pflicht-Umfang abhängig von der Unternehmensgröße, der Ausübung des Aktivierungswahlrechts eines Überhangs der aktiven über die passiven latenten Steuern (vgl. § 274 Abs. 1 S. 2 HGB) sowie der Ausübung des Saldierungswahlrechts der aktiven und passiven latenten Steuern (vgl. § 274 Abs. 1 S. 3 HGB).

 

MERKE | Kleine Kapitalgesellschaften i. S. des § 267 Abs. 1 HGB, die nach § 288 Abs. 1 Nr. 1 HGB keine der oben genannten Angabepflichten zu erfüllen haben, müssen beim Ansatz von aktiven und/oder passiven latenten Steuern (vgl. jedoch das Wahlrecht zum Verzicht auf die Steuerabgrenzung nach § 274 HGB gem. § 274a Nr. 4 HGB) dennoch die auf die Bilanzposten angewandten Bilanzierungs- und Bewertungsmethoden angeben (vgl. § 284 Abs. 2 Nr. 1 HGB). Dies dürfte zumindest qualitative Beschreibungen zu den zugrunde liegenden Differenzen und den in den Steuerabgrenzungssatz einbezogenen Steuerarten (z. B. bei Kapitalgesellschaften: KöSt inkl. SoliZ und GewSt bzw. bei Personenhandelsgesellschaften: GewSt) beinhalten.

 

2. Latente Steuern: Angabe der Differenzen, steuerlichen Verlustvorträge sowie der angewendeten Steuersätze

Zumindest große Kapitalgesellschaften bzw. Personenhandelsgesellschaften i. S. des § 264a HGB (vgl. zur Befreiung § 288 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 2 S. 1 HGB) müssen angeben,

  • auf welchen Differenzen oder steuerlichen Verlustvorträgen die latenten Steuern beruhen und
  • mit welchen Steuersätzen deren Bewertung erfolgt ist.

 

Die Angabepflicht des § 285 Nr. 29 HGB ist für die hierzu verpflichteten Unternehmen unabhängig davon, ob latente Steuern bilanziell angesetzt wurden oder eine Saldierung aktiver mit passiven latenten Steuern stattgefunden hat (vgl. Grottel in Beck’scher Bilanz-Kommentar, 12. Aufl. 2020, § 285 HGB, Rz. 831).

 

Dabei müssen zumindest die wesentlichen temporären Differenzen angegeben werden, in dem die Art der Vermögensgegenstände bzw. Schulden oder Sonderposten genannt werden, aus denen die aktiven oder passiven latenten Steuern resultieren (vgl. Grottel a. a. O., Rz. 833). Bei steuerlichen Verlustvorträgen ist insbesondere anzugeben, ob hierin auch Zinsvorträge (vgl. § 4h Abs. 1 S. 5 EStG) enthalten sind (vgl. z. B. Müller in Haufe Bil-Komm, 10. Aufl. 2019, § 285 HGB, Rz. 176), und ob die ‒ nach der Regierungsbegründung zum BilMoG ‒ den steuerlichen Verlustvorträgen gleichgestellten Steuergutschriften ebenfalls in die Steuerabgrenzung eingegangen sind (vgl. BT-Drs. 16/10067, 67).

 

In Bezug auf den anzuwendenden Steuersatz ist zunächst anzugeben, welche Steuerarten in den zur Steuerabgrenzung verwendeten Steuersatz einbezogen worden sind. Da die Steuerabgrenzung mit den unternehmensindividuellen Steuersätzen durchzuführen ist, sind diese hierunter anzugeben. Betroffen ist insbesondere die Gewerbesteuer wegen deren Abhängigkeit von den gemeindlichen Hebesätzen. Sowohl für die Steuerabgrenzung als auch die Angabepflicht ist der durchschnittlich angewandte Hebesatz zu verwenden (ebenso Grottel a. a. O., Rz. 835). Weiterhin ist auch über Änderungen des zur Steuerabgrenzung verwendeten Steuersatzes gegenüber dem Vorjahr zu berichten.

 

MERKE | Umstritten ist hingegen, ob auch eine steuerliche Überleitungsrechnung durch § 285 Nr. 29 HGB abgedeckt ist (befürwortend z. B. Müller a. a. O., Rz. 176; ebenso BT-Drs. 16/10067, S. 68 sowie DRS 18.67; hingegen als freiwillig im Jahresabschluss einstufend Grottel a. a. O., Rz. 836; vgl. im Übrigen Abschnitt 4).

 

3. Stand der Steuersalden und deren Entwicklung im Geschäftsjahr

Nach § 285 Nr. 30 HGB haben zumindest mittelgroße und große Kapitalgesellschaften (einschl. entsprechend großer Personenhandelsgesellschaften i. S. des § 264a HGB) beim Ausweis latenter Steuerschulden in der Bilanz die latenten Steuersalden am Ende des Geschäftsjahrs und die im Laufe des Geschäftsjahrs erfolgten Änderungen dieser Salden anzugeben (zur Befreiung kleiner Gesellschaften vgl. § 288 Abs. 1 Nr. 1 HGB). Da die Berichtspflicht an einen passiven Saldo anknüpft, ergibt sich bei einer Saldierung von aktiven mit passiven latenten Steuern nur dann eine Pflicht nach § 285 Nr. 30 HGB, wenn sich ein passiver Überhang ergibt. Falls in den passiven latenten Steuer(schulde)n aktive Differenzen verrechnet worden sind, müssen diese ebenso wie die passiven Differenzen mit ihrem Wert zum Ende des Geschäftsjahrs sowie die im Laufe des Geschäftsjahrs eingetretenen Änderungen dargestellt werden (vgl. Lüdenbach/Freiberg, StuB 2015, 572; Kirsch, BBK 2015, 326).

 

Umstritten ist im Schrifttum die Interpretation bzw. Reichweite des im Plural verwendeten Begriffs der „Steuersalden“ in Bezug auf die Art der Steuersalden. Die Mehrheitsmeinung hält es wohl für ausreichend, wenn ‒ bei der Saldierung von aktiven und passiven latenten Steuern und einem passiven Überhang ‒ allein die Entwicklung aller aktiven latenten und aller passiven latenten Steuern, d. h. ohne Differenzierung nach zugrunde liegenden Sachverhalten (wie Art der temporären Differenzen, Verlustvorträgen), dargestellt wird (stellvertretend Grottel a. a. O., Rz. 853; Müller a. a. O., Rz. 180).

 

Kritisch ist hiergegen einzuwenden, dass der zusätzliche Aussagegehalt einer solch undifferenzierten Saldendarstellung äußerst begrenzt ist. Bei einem unsaldierten Ausweis von latenten Steuern ist kein zusätzlicher Erkenntniswert mehr vorhanden, da auch die Veränderung der Salden dann unmittelbar aus dem Vergleich mit dem Vorjahreswert des Bilanzpostens „passive latente Steuern“ entnommen werden kann. Daher wird im Schrifttum eine weitergehende Untergliederung der Steuerdifferenzen und der Ursachen für deren Entwicklung (z. B. Entstehung/Auflösung von Differenzen, Veränderung von Steuersätzen) zumeist als wünschenswert angesehen (vgl. Grottel a. a. O., Rz. 853).

4. Steuerliche Überleitungsrechnung

Die steuerliche Überleitungsrechnung zeigt die Unterschiede

  • zwischen dem auf Basis des (handelsrechtlichen) Ergebnisses vor Steuern erwarteten (Ertrag-)Steueraufwand (Produkt aus dem Ergebnis vor Steuern und dem anzuwendenden Steuersatz für das betreffende Jahr) und
  • dem in der GuV tatsächlich ausgewiesenen (Ertrag-)Steueraufwand auf.

 

Eine solche Überleitungsrechnung ist „zu einer sinnvollen und umfassenden Information der Abschlussadressaten erforderlich, … um ein Verständnis für die in der Bilanz ausgewiesenen Posten zu erzeugen“ (BT-Drs. 16/10067, S. 68). Da der in der GuV ausgewiesene Ertragsteueraufwand stets auch latente Steueraufwendungen/-erträge umfasst, können in einer solchen Überleitungsrechnung nur solche Überleitungsposten aufgeführt werden, die nicht der latenten Steuerabgrenzung unterliegen (können).

 

Die in einer steuerlichen Überleitungsrechnung für den Jahresabschluss typischerweise auftretenden Posten lassen sich folgenden Kategorien zuordnen:

 

  • Permanente Differenzen zwischen dem handelsrechtlichen Ergebnis vor Steuern und dem zu versteuernden Einkommen (z. B. nicht abzugsfähige Betriebsausgaben),

 

  • aktive temporäre Differenzen und steuerliche Verlustvorträge, die aufgrund fehlender Ansatzvoraussetzungen nicht oder nicht in voller Höhe angesetzt werden (vgl. die Ansatzbeschränkung nach § 274 Abs. 1 S. 4 HGB),

 

  • periodenfremde, nicht abgrenzbare bzw. abgegrenzte Effekte (u. a. Wirkung einer Veränderung des künftig anzuwendenden Steuersatzes auf die zum Ende einer Periode bestehenden latenten Steuersalden).

5. Angaben zur Ausschüttungssperre

Weiterhin müssen mittelgroße und große Kapitalgesellschaften (einschl. entsprechend großer Personenhandelsgesellschaften i. S. des § 264a HGB) den Gesamtbetrag der Ausschüttungssperren nach § 268 Abs. 8 HGB angeben sowie eine Aufgliederung nach den einzelnen Tatbeständen vornehmen (vgl. § 285 Nr. 28 HGB sowie § 288 Abs. 1 Nr. 1 HGB zur Befreiung kleiner Gesellschaften). Hierzu gehört auch die Ausschüttungssperre beim bilanziellen Ansatz aktiver latenter Steuern (vgl. § 268 Abs. 8 S. 2 HGB).

 

Bei der Erfüllung der Angabepflicht ist zu beachten, dass die beiden anderen unter § 268 Abs. 8 HGB genannten Ausschüttungssperren regelmäßig um passive latente Steuern vermindert werden. Sofern diese passiven latenten Steuern mit den aktiven latenten Steuern verrechnet ausgewiesen wurden und sich insgesamt ein angesetzter aktiver Überhang ergibt, sind jedoch nach § 285 Nr. 28 HGB die aktiven latenten Steuern nach Umgliederung der verrechneten passiven latenten Steuern in die anderen Ausschüttungssperren zu berichten. Denn anderenfalls würde eine unzulässige doppelte Berücksichtigung der passiven latenten Steuern vorliegen (vgl. Hoffmann/Lüdenbach, NWB Kommentar Bilanzierung, 11. Aufl. 2020, § 285 HGB, Rz. 183).

 

  • Beispiel

Ein Unternehmen hat in der Handelsbilanz selbst geschaffene immaterielle Vermögensgegenstände i. H. von 1.000 GE ausgewiesen. Zugleich hat es einen ansatzfähigen und angesetzten steuerlichen Verlustvortrag (2.000 GE). Bei einem Steuersatz von 30 % werden saldiert 300 GE aktive latente Steuern in der Handelsbilanz ausgewiesen.

 

Nach § 285 Nr. 28 i. V. mit § 268 Abs. 8 HGB sind folgende Ausschüttungssperren anzugeben:

 

  • Gesamtbetrag der Ausschüttungssperren nach § 268 Abs. 8 HGB: 1.300 GE
  • Ausschüttungssperre wegen Aktivierung selbst geschaffener immaterieller Vermögensgegenstände abzüglich hierauf zuzurechnender passiver latenter Steuern (§ 268 Abs. 8 S. 1 HGB) i. H. von 700 GE (1.000 GE abzüglich 300 GE passive latente Steuern)
  • Ausschüttungssperre wegen bilanziell ausgewiesener aktiver latenter Steuern (§ 268 Abs. 8 S. 2 HGB): 600 GE, die sich aus 300 GE (bilanzieller Ausweis) zuzüglich 300 GE im Saldo enthaltener und in die Ausschüttungssperre nach § 268 Abs. 8 S. 1 HGB umgegliederte passive latente Steuern zusammensetzen.
 

6. Musterfall

U (Kapitalgesellschaft) weist im Jahresabschluss für das Geschäftsjahr 01 ein Ergebnis vor Ertragsteuern i. H. von 2.000.000 EUR auf. Für die Berechnung der effektiven und latenten Ertragsteuern sowie die Erfüllung der steuer-lichen Angabepflichten im Jahresabschluss 01 sind weiterhin folgende Angaben relevant:

 

  • Im handelsrechtlichen Ergebnis ist der Gewinn aus der Veräußerung eines Grundstücks mit aufstehendem Gebäude i. H. von 1,5 Mio. EUR enthalten. Die Voraussetzungen zur Bildung einer § 6b-EStG-Rücklage liegen vor.

 

  • Im handelsrechtlichen Ergebnis 01 ist der Ertrag aus der vollständigen Auflösung einer zum 1.1.01 bestehenden Rückstellung für drohende Verluste aus schwebenden Geschäften i. H. von 300.000 EUR enthalten.

 

  • Das handelsrechtliche Ergebnis 01 hat sich durch eine Abschreibung nach § 253 Abs. 3 S. 6 HGB auf Wertpapiere des Finanzanlagevermögens i. H. von 200.000 EUR verringert.

 

  • Die handelsrechtlichen Abschreibungen auf aktivierte selbst geschaffene immaterielle Vermögensgegenstände des Anlagevermögens betragen 150.000 EUR. Zum 31.12.00 betrug der handelsrechtliche Buchwert der selbst geschaffenen immateriellen Vermögensgegenstände 300.000 EUR. In 01 fanden keine Aktivierungen selbst geschaffener immaterieller Vermögensgegenstände des Anlagevermögens statt.

 

  • Das handelsrechtliche Ergebnis enthält einen Veräußerungsgewinn aus einer Beteiligung an einer anderen Kapitalgesellschaft (700.000 EUR), für die das körperschaft- und gewerbesteuerliche Schachtelprivileg gilt.

 

  • Die nicht abzugsfähigen Geschenke und Bewirtungskosten betrugen 60.000 EUR.

 

U unterliegt einem gewerbesteuerlichen Hebesatz von 450 %. U hatte im handelsrechtlichen Jahresabschluss per 31.12.00 weder aktive noch passive latente Steuern bilanziell angesetzt. Ein negatives zu versteuerndes Einkommen soll ausschließlich vortragsfähig sein.

 

6.1 Ermittlung des effektiven (Ertrag-)Steueraufwands

Der effektive Steueraufwand leitet sich vom zu versteuernden Einkommen ab. Hierbei ist zu unterscheiden, ob U eine § 6b-EStG-Rücklage bildet (= steuerliches Wahlrecht, das unabhängig vom Handelsrecht allein in der Steuerbilanz ausgeübt werden kann (vgl. § 5 Abs. 1 S. 1 HS. 2 EStG)). In der Handelsbilanz darf eine Rücklage nach § 6b EStG nicht gebildet werden.

 

In Abhängigkeit der Bildung einer § 6b-EStG-Rücklage ergibt sich folgende Ermittlung des zu versteuernden Einkommens:

 

  • Abb. 1: Ermittlung des zu versteuernden Einkommens
mit Bildung einer § 6b-EStG-RL
ohne Bildung einer § 6b-EStG-RL

handelsrechtliches Ergebnis vor Steuern

2.000.000 EUR

2.000.000 EUR

Bildung einer § 6b-EStG-Rücklage

‒ 1.500.000 EUR

Eliminierung der Auflösung einer nur handelsrechtlich gebildeten Drohverlustrückstellung (§ 5 Abs. 4a EStG)

‒ 300.000 EUR

‒ 300.000 EUR

Eliminierung der Abschreibung der Wertpapiere wegen voraussichtlich nicht dauernder Wertminderung (§ 6 Abs. 1 Nr. 2 S. 2 EStG)

+ 200.000 EUR

+ 200.000 EUR

Eliminierung der Abschreibung auf die steuerlich nicht aktivierten selbst geschaffenen immateriellen Vermögensgegenstände (§ 5 Abs. 2 EStG)

+ 150.000 EUR

+ 150.000 EUR

Steuerbilanzgewinn

550.000 EUR

2.050.000 EUR

  • ‒ steuerfreier Veräußerungsgewinn einer Beteiligung an einer anderen Kapitalgesellschaft

‒ 700.000 EUR

‒ 700.000 EUR

  • + nicht abziehbare Betriebsausgaben aus Veräußerungsgewinnen (5 %)

+ 35.000 EUR

+ 35.000 EUR

nicht abziehbare Betriebsausgaben

+ 60.000 EUR

+ 60.000 EUR

zu versteuerndes Einkommen

‒ 55.000 EUR

1.445.000 EUR

 

Der Ertragsteuersatz ermittelt sich aus dem Körperschaftsteuersatz und dem Gewerbesteuersatz (abgeleitet als Produkt von Hebesatz und Steuermesszahl). Dieser beträgt im Beispiel 31,575 % (15 % × 1,055 + 450 % × 3,5 %). Daraus ergibt sich bei Bildung einer § 6b-EStG-Rücklage ein effektiver Steuer-

aufwand i. H. von 0 EUR. Bei einem Verzicht auf die Bildung einer § 6b-EStG-Rücklage beträgt der effektive Steueraufwand 456.259 EUR.

 

6.2 Ermittlung der latenten Steuerdifferenzen per 31.12.01 und Entwicklung der Steuersalden im Geschäftsjahr 01

Die folgende Abbildung zeigt in Abhängigkeit der § 6b-EStG-Rücklage den Stand und die Entwicklung der einzelnen latenten Steuerdifferenzen auf:

 

  • Abb. 2: Stand + Entwicklung der latenten Steuerdifferenzen in 01
Stand zu Beginn 01
Veränderung 01
Stand zum Ende 01

aktive latente Steuern aus Drohverlustrückstellung

94.725 EUR

‒ 94.725 EUR

0 EUR

aktive latente Steuern auf Abschreibung auf Finanzanlagen

63.150 EUR

63.150 EUR

passive latente Steuern auf selbst geschaffene immaterielle Vermögensgegenstände des AV

‒ 94.725 EUR

47.362 EUR

‒ 47.363 EUR

Steuersaldo ohne Bildung einer § 6b-EStG-Rücklage

15.787 EUR

15.787 EUR

passive latente Steuern auf § 6b-EStG-Rücklage

‒ 473.625 EUR

‒ 473.625 EUR

steuerlicher Verlust-vortrag

17.366 EUR

17.366 EUR

Steuersaldo mit Bildung einer § 6b-EStG-Rücklage

‒ 440.472 EUR

‒ 440.472 EUR

 

Sofern U auf die Bildung einer § 6b-EStG-Rücklage verzichtet, ergibt sich keine Angabepflicht nach § 285 Nr. 30 HGB, da sich zum Ende des Geschäftsjahrs nur eine aktive Differenz (15.787 EUR) ergibt, welche nicht die Berichtspflicht nach § 285 Nr. 30 HGB auslöst. Bildet U hingegen eine § 6b-EStG-Rücklage, kann die Angabepflicht nach § 285 Nr. 30 HGB durch Offenlegung von Abb. 2 (ohne die Zwischensumme „Steuersaldo ohne Bildung einer § 6b-EStG-Rücklage“) oder ‒ wie unter Abschnitt 3 erwähnt ‒ durch Ausweis der aggregierten aktiven und passiven Differenzen erfüllt werden (siehe Abb. 3).

 

  • Abb. 3: Stand + Entwicklung der latenten Steuerdifferenzen in 01 bei § 6b-EStG-Rücklage und aggregiertem Differenzenausweis
Stand zu Beginn 01
Veränderung 01
Stand zum Ende 01

aktive Differenzen

94.725 EUR

‒ 14.209 EUR

80.516 EUR

passive Differenzen

‒ 94.725 EUR

‒ 426.263 EUR

‒ 520.988 EUR

passive latente Steuern (Überhang über aktive latente Steuern)

‒ 440.472 EUR

‒ 440.472 EUR

 

6.3 Ermittlung latenter Ertragsteuern und des Ertragsteueraufwands lt. GuV

Hier ist zu unterscheiden, ob eine Rücklage nach § 6b EStG gebildet wurde oder nicht:

 

  • Keine Bildung einer § 6b-EStG-Rücklage: U hat gem. § 274 Abs. 1 S. 2 HGB das Wahlrecht entweder den Überhang der aktiven über die passiven latenten Steuern zu aktivieren (15.787 EUR, vgl. Abb. 2) oder hierauf zu verzichten (0 EUR).

 

  • Bildung einer § 6b-EStG-Rücklage: Wie Abb. 2 bzw. Abb. 3 zu entnehmen ist, beträgt der latente Steueraufwand 440.472 EUR. Abb. 4 zeigt die Höhe des sich in den einzelnen Varianten ergebenden handelsrechtlich ausgewiesenen Ertragsteueraufwands:

 

  • Abb. 4: Ermittlung des Ertragsteueraufwands in der GuV 01 nach HGB
keine Bildung einer § 6b-EStG-Rücklage
Bildung einer § 6b-EStG-Rücklage
kein Ansatz aktiver latenter Steuern
Ansatz aktiver latenter Steuern

Ergebnis vor Steuern (HGB)

2.000.000 EUR

2.000.000 EUR

2.000.000 EUR

effektiver Steueraufwand

456.259 EUR

456.259 EUR

0 EUR

latenter Steueraufwand

0 EUR

‒ 15.787 EUR

440.472 EUR

Ertragsteueraufwand (GuV)

456.259 EUR

440.472 EUR

440.472 EUR

 

Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass nach § 274 Abs. 2 S. 3 HGB der Aufwand oder Ertrag aus der Veränderung bilanzierter latenter Steuern in der GuV gesondert unter dem Posten „Steuern vom Einkommen und vom Ertrag“ auszuweisen ist (vorletzte Zeile in Abb. 4).

 

6.4 Steuerliche Überleitungsrechnung

Da sich die Bildung der § 6b-EStG-Rücklage nicht auf das handelsrechtliche Ergebnis vor Steuern (2.000.000 EUR) auswirkt, ergibt sich in allen betrachteten Varianten derselbe erwartete Steueraufwand i. H. von 631.500 EUR. Abb. 5 zeigt die im Einzelnen auszuweisenden Überleitungsposten, um ausgehend vom erwarteten Steueraufwand zu dem insgesamt in der GuV ausgewiesenen Ertragsteueraufwand (Abb. 4) zu gelangen.

 

  • Abb. 5: Steuerliche Überleitungsrechnung für das Geschäftsjahr 01
keine Bildung einer § 6b-EStG-Rücklage
Bildung einer § 6b-EStG-Rücklage
kein Ansatz aktiver latenter Steuern
Ansatz aktiver latenter Steuern

Ergebnis vor Steuern (HGB)

2.000.000 EUR

2.000.000 EUR

2.000.000 EUR

  • × anzuwendender Steuersatz

× 31,575 %

× 31,575 %

× 31,575 %

  • = erwarteter Steueraufwand

631.500 EUR

631.500 EUR

631.500 EUR

  • ‒ Steuereffekt auf steuerfreie Veräußerungsgewinne Beteiligung (665 TEUR)

‒ 209.973 EUR

t‒ 209.973 EUR

‒ 209.973 EUR

  • + Steuereffekt auf nicht abzugsfähige Betriebsausgaben

+ 18.945 EUR

+ 18.945 EUR

+ 18.945 EUR

  • + Steuereffekt auf unterlassene Bildung einer aktiven latenten Steuer

+ 15.787 EUR

  • = Ertragsteueraufwand (GuV)

456.259 EUR

440.472 EUR

440.472 EUR

 

FAZIT | Bereits das vergleichsweise einfache Fallbeispiel macht deutlich, dass nicht nur die Erfassung und Bildung der latenten Steuern, sondern auch die diese begleitenden Anhangangaben, insbesondere bei einer steuerlichen Überleitungsrechnung, umfangreich und mit komplexen Berechnungen verbunden sein können. Da die Angabepflichten unmittelbar miteinander sowie mit der Berechnung der latenten Steuern verknüpft sind, lässt sich die steuerliche Überleitungsrechnung zugleich auch als ein Instrument zur Kontrolle der stringenten Abbildung der steuerlichen Informationen im (Jahres-)Abschluss begreifen.

 
Quelle: Seite 227 | ID 46663658