· Fachbeitrag · Hausrecht
So setzen Sie rechtssicher ein Hausverbot in der Apotheke durch
von Dr. jur. Bettina Mecking, Düsseldorf
| Der Kunde und Patient ist König, aber in der Apotheke muss man sich nicht alles gefallen lassen. In der COVID-19-Krise wurde bei Einführung der Maskenpflicht sogleich die Frage laut, ob Personen, die keinen Mund- und Nasenschutz tragen wollen, vom Aufsuchen der Apotheke abgehalten und ggf. mit einem Hausverbot belegt werden dürfen. Auch Kunden, die z. B. randalieren, ausfällig werden oder etwas stehlen, sind in der Apotheke nicht gern gesehen. Müssen Apotheken solche „Problemkunden“ bedienen? In einer Apotheke Hausverbot zu bekommen, ist durchaus möglich. |
Was ist ein Hausverbot?
Das Hausrecht bzw. Hausverbot umfasst die Befugnis des Rechteinhabers, frei darüber zu entscheiden, wer sein Eigentum betreten oder darin bzw. darauf verweilen darf. Ausgangspunkt für ein Hausverbot ist der Straftatbestand des Hausfriedensbruchs (§ 123 Strafgesetzbuch [StGB]).
„Wer in die Wohnung, in die Geschäftsräume oder […] widerrechtlich eindringt oder wer, wenn er ohne Befugnis darin verweilt, auf die Aufforderung des Berechtigten sich nicht entfernt, wird [...] bestraft.“ |
Das Hausrecht hat zunächst der Eigentümer des Gebäudes und hieraus abgeleitet dessen Mieter als Besitzer inne. Bei einer Apotheke fällt das Hausrecht dem Inhaber zu, in einer OHG-Apotheke sämtlichen Gesellschaftern.
PRAXISTIPP | In einer Apotheke empfiehlt es sich, dass nicht lediglich der Leiter, sondern ggf. auch bestimmte Mitarbeiter ermächtigt sind, eigenständig ein Hausverbot auszusprechen. Um im Team vorbereitet zu sein, sollten das Vorgehen in einer derartigen Situation sowie die Ermächtigten schriftlich festgehalten werden. So können sich alle Beteiligten hieran orientieren und im Fall der Fälle mit der erforderlichen Sicherheit auftreten. |
Hausverbot für Geschäftsräume unterliegt Sonderregelungen
Wer für Geschäftsräume ein Hausverbot erteilen will, sieht sich Sonderregelungen ausgesetzt. Hier ist kein willkürlicher Ausschluss einzelner Personen möglich. Vielmehr muss ein sachlicher Grund bestehen, der den Ausschluss legitimiert. Ohne einen solchen liegt rechtlich „verbotene Willkür“ vor. Das bedeutet: Sie müssen erst einmal jeden in die Apotheke lassen, solange er ein übliches Käuferverhalten an den Tag legt. Auch Besuche von Testkunden müssen geduldet werden. Es soll schon Apotheken gegeben haben, die Schnäppchenjägern ein Hausverbot erteilt haben, die allzu oft die beworbenen Rabattangebote genutzt haben.
Falls Kunden handgreiflich werden, dürfen Sie sich selbstverständlich wehren. Allerdings gilt hier das Gleiche wie bei der Erteilung eines Hausverbots: Die Reaktion sollte verhältnismäßig ausfallen ‒ hüten Sie sich vor Überreaktionen. Unabdingbar ist, dass Sie die gesundheitliche Lage des Patienten einschätzen, losgelöst von der Tatsache, dass er eventuell aggressiv auftritt. Sofern der Patient in einem akuten Notfall dringender Hilfe bedarf und er anderswo nicht ausreichend oder rechtzeitig versorgt werden könnte, ist ihm zu helfen.
Für Apotheken gilt ein Kontrahierungszwang
Apotheken sind mit Blick auf die Erteilung eines Hausverbots „ein ganz besonderes Geschäft“. Für sie existiert nämlich ein Kontrahierungszwang, der mit der Privatautonomie des Apothekenleiters als Kaufmann kollidiert. Mit dem Kontrahierungszwang wird die grundsätzliche Vertragsfreiheit, d. h. seine Entscheidung, mit wem der Apotheker Geschäfte macht und mit wem nicht, zugunsten der Sicherstellung der Arzneimittelversorgung „für jedermann” stark eingeschränkt. Der allgemeine Arzneimittelversorgungsauftrag ist in § 1 Abs. 1 Apothekengesetz (ApoG) verankert.
Kontrahierungszwang für verschreibungspflichtige Arzneimittel
Der Kontrahierungszwang in der Apotheke ist für verschreibungspflichtige Arzneimittel explizit in § 17 Abs. 4 Apothekenbetriebsordnung (ApBetrO) festgeschrieben und um eine Zeitkomponente konkretisiert ‒ ärztliche Verschreibungen sind „in angemessener Zeit zu beliefern”. Damit besteht die Abgabeverpflichtung ausschließlich für Arzneimittel und nicht etwa für alle Produkte in einer Apotheke.
Lediglich ein vorläufiges Abgabeverbot aufgrund von Bedenken nach § 17 Abs. 5 ApBetrO könnte den Kontrahierungszwang temporär unterbrechen. Das könnte z. B. bei bedenklichen Arzneimitteln der Fall sein. Denn gemäß § 5 Arzneimittelgesetz (AMG) besteht für Arzneimittel, bei denen trotz bestimmungsgemäßen Gebrauchs ein begründeter Verdacht auf schädliche Wirkungen besteht, ein striktes Abgabeverbot. In der Praxis kommt dies beispielsweise auch bei obsoleten Rezepturen vor, die bei der Plausibilitätskontrolle durchfallen. Ebenfalls vom Kontrahierungszwang ausgenommen sind Arzneimittel nach § 8 AMG. Davon sind Arzneimittel mit geminderter Qualität umfasst, z. B. instabile Zubereitungen, gefälschte Arzneimittel (Stichwort: securPharm) oder abgelaufene Arzneimittel.
Kontrahierungszwang für nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel
Der Kontrahierungszwang greift im Bereich der nicht verschreibungspflichtigen Arzneimittel nur bedingt. Bei der Abgabe verschreibungsfreier Arzneimittel kommt dem Apotheker naturgemäß ein fachlicher Ermessensspielraum zu. Zwar umfasst der Versorgungsauftrag des Apothekers auch die Selbstmedikation, jedoch ist die Abgabe stets an die Eignung des Arzneimittels im Einzelfall geknüpft (§ 20 Abs. 2 S. 4 ApBetrO). Insofern könnten z. B. Bedenken bez. therapiegefährdender Wechselwirkungen die Abgabe des Arzneimittels verhindern. Auch hat das pharmazeutische Personal Arzneimittelmissbrauch in geeigneter Weise entgegenzutreten. Bereits der Verdacht begründet ein Abgabeverbot (§ 17 Abs. 8 ApBetrO).
Hausverbot in der Apotheke ist zulässig
Trotz der zu beachtenden rechtlichen Aspekte ist ein Hausverbot in der Apotheke zulässig. Dabei ist regelmäßig eine Abwägung der Interessen durchzuführen. So hängt es von den individuellen Rahmenbedingungen des Einzelfalls ab, ob ein Hausverbot aufrechterhalten werden kann. Hier sind u. a. die folgenden Fragen zu stellen:
- Was hat zum Hausverbot geführt? (Beleidigung, Gewalt etc.)
- Wo liegt die nächste Apotheke? (regionale Versorgungssituation)
Die Ablehnung eines Patienten aus generellen Erwägungen (z. B. Zugehörigkeit zu einer bestimmten Krankenkasse, Nationalität, Geschlecht etc.) ist jedenfalls immer unzulässig. Dies ergibt sich neben dem Kontrahierungszwang auch aus dem Antidiskriminierungsgesetz, wonach jedem gleichermaßen der Zugang zu Waren und Dienstleistungen zu gewähren ist.
Hausverbot schriftlich erteilen
Um auf der sicheren Seite zu sein, sollte ein Hausverbot nicht nur mündlich, sondern auch schriftlich erteilt werden. Gleichwohl darf ein individuelles Hausverbot nicht öffentlich bekannt gemacht werden, z. B. durch Aushänge in der Apotheke.
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Hausverbot
Sehr geehrte/r Frau/Herr …,
hiermit erteile ich Ihnen mit sofortiger Wirkung wegen Ihrer Verfehlungen am … in den Räumlichkeiten unserer Apotheke Hausverbot.
Sollten Sie die Apothekenräumlichkeiten ungeachtet dessen trotzdem betreten, wird unverzüglich Anzeige wegen Hausfriedensbruchs gegen Sie erstattet.
Name und Unterschrift/Apothekenstempel |
Wenn einem Patienten ein Hausverbot erteilt wurde, stellt bereits das Betreten der Apotheke einen Hausfriedensbruch i. S. d. § 123 StGB dar ‒ er macht sich strafbar. Wenn ein Hausverbot ohne zeitliche Begrenzung ausgesprochen wird, gilt es nämlich auf unbestimmte Zeit.
Was ist zu tun, wenn der Patient nicht gehen möchte?
Sobald ein Patient von einer hierzu ermächtigten Person zum Verlassen der Apotheke aufgefordert wurde und er der Aufforderung nicht nachkommt, begeht er einen Hausfriedensbruch und macht sich strafbar. Das Apothekenteam sollte aber davon absehen, das Hausverbot selbst durchzusetzen. Ein polizeiliches Einschreiten ist in jedem Fall zulässig und geboten.
Was ist zu tun, nachdem der Patient gegangen ist?
Der Hausfriedensbruch wird nur auf Strafantrag des Geschädigten verfolgt. Die Staatsanwaltschaft leitet keine Ermittlungen von Amts wegen ein. Sofern eine Apothekenleitung die strafrechtliche Verfolgung des Patienten wünscht (z. B. bei Wiederholungstätern), muss zeitnah bei der örtlich zuständigen Staatsanwaltschaft ein Strafantrag gestellt werden. Eine bloße Strafanzeige bei der Polizei reicht nicht aus.
PRAXISTIPP | Um im späteren Streitfall etwaigen Vorwürfen des Patienten oder Nachfragen seitens der Staatsanwaltschaft sachlich entgegentreten zu können, ist eine detaillierte Dokumentation der Situation unabdingbar. Der schriftliche Vermerk sollte neben dem tatsächlichen Ablauf auch die Namen und Daten etwaiger Zeugen ‒ eigene Mitarbeiter, weitere Patienten, herbeigerufene Polizeibeamte ‒ umfassen. So sind Sie für juristische Auseinandersetzungen gerüstet. |
Mögliche rechtliche Folgen eines Hausverbots für die Apotheke
Abgewiesenen Patienten bleibt es unbenommen, selbst Strafanzeige zu stellen. In Betracht kommt ‒ je nach der konkreten Situation ‒ beispielsweise eine Strafanzeige wegen unterlassener Hilfeleistung, Beleidigung, Körperverletzung oder Nötigung. Ob die Staatsanwaltschaft als Strafverfolgungsbehörde hinreichenden Anlass sieht zu ermitteln, wird von der vom Patienten geschilderten Situation abhängen.
Fazit: keine falsche Scheu vor dem Hausverbot
So unangenehm und belastend die Krisensituation auch ist ‒ es ist Ihr gutes Recht, aggressive Patienten der Apotheke zu verweisen und hierfür polizeiliche Hilfe in Anspruch zu nehmen. Es empfiehlt sich die folgende Vorgehensweise:
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