Praxiswissen auf den Punkt gebracht.
logo
  • Meine Produkte
    Bitte melden Sie sich an, um Ihre Produkte zu sehen.
Menu Menu
MyIww MyIww

· Fachbeitrag · Hofübergabe

Nießbrauch bei Übertragung eines L+F-Betriebs

von Prof. Dr. Gerd Brüggemann, Münster

| Zu den ertragsteuerlichen Folgen der Übertragung von L+F-Betrieben mit Nießbrauchsrechten sind in diesem Jahr wichtige Entscheidungen ergangen. Insbesondere das Urteil des BFH zur Aufdeckung stiller Reserven bei der Übertragung von Gewerbebetrieben unter Nießbrauchsvorbehalt ( BFH 25.1.17, X R 59/14, DStR 17, 1308) hatte zu Unsicherheiten geführt und die Frage aufgeworfen, ob sich daraus Auswirkungen auf die Beurteilung des Nießbrauchs als Gestaltungsinstrument ergeben. Der folgende Musterfall geht auf der Grundlage der aktuellen Rechtsprechung auf notwendige Abgrenzungsfragen ein. |

1. Musterfall

Ehemann E war Inhaber eines landwirtschaftlichen Betriebs. Es handelte sich um einen Hof i. S. d. Höfeordnung. E hatte den zum Betrieb gehörenden Grundbesitz an fremde Dritte verpachtet und erzielte aus der Betriebsverpachtung Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft. Mit notariell beurkundetem Hofüberlassungsvertrag von November 02 übertrug E den Hof an seinen Sohn S. E behielt sich ein lebenslanges unentgeltliches Nießbrauchsrecht an dem überlassenen Grundbesitz vor. Darüber hinaus wurde seiner Ehefrau ein durch seinen Tod aufschiebend bedingtes unentgeltliches Nießbrauchsrecht an dem überlassenen Grundbesitz im Hofüberlassungsvertrag eingeräumt. E erhielt somit aufgrund des Nießbrauchs auch nach Abschluss des Hofüberlassungsvertrags die Pachteinnahmen, die er weiterhin als Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft versteuerte.

 

E verstarb im Jahr 06. Mit seinem Tod ging das in dem Hofüberlassungsvertrag eingeräumte Nießbrauchsrecht vollumfänglich auf Ehefrau F über. Auch sie erklärte als Nießbrauchsberechtigte aus der Verpachtung Einkünfte aus § 13 EStG, die sie durch Betriebsvermögensvergleich für das landwirtschaftliche Wirtschaftsjahr ermittelte.

 

Mit Vertrag von Dezember 08 veräußerte S die Hofstelle sowie einen Teil des Grund und Bodens mit Wirkung zum 1.7.09 an H. Der Vertrag stand unter der aufschiebenden Bedingung, dass sich H mit der Klägerin über die Entlassung des verkauften Grundbesitzes aus der Pfandhaft für ihr Nießbrauchsrecht einigte. Mit weiterem Vertrag von Dezember 08 vereinbarten H und F, dass diese den von H erworbenen Grundbesitz gegen Zahlung eines im Wirtschaftsjahr 09/10 fälligen Betrags aus der Pfandhaft entlässt.

 

F fragt ihren Steuerberater, ob die von H geleistete Zahlung in ihrer Gewinnermittlung für das Wirtschaftsjahr 09/10 als Betriebseinnahme zu berücksichtigen ist oder ob die getroffene Vereinbarung zur Ablösung des Nießbrauchsrechts auf privater Vermögensebene erfolgte und somit nicht den Einkünften aus Land- und Forstwirtschaft zuzurechnen ist.

2. Folgen der Übertragung unter Nießbrauchsvorbehalt

E war bis zur Übertragung mit notariell beurkundetem Hofüberlassungsvertrag von November 02 Inhaber eines landwirtschaftlichen Betriebs (Hof i. S. d. Höfeordnung). Den zum Betrieb gehörenden Grundbesitz (Betriebsgrundstücke) hatte er an fremde Dritte verpachtet und daraus Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft erzielt. Ein solcher land- und forstwirtschaftlicher Betrieb kann grundsätzlich unentgeltlich im Wege der vorweggenommenen Erbfolge übertragen werden.

 

MERKE | Die unentgeltliche Übertragung führt weder zu einer Entnahme noch zu einer Betriebsaufgabe. Der Betrieb wird vielmehr steuerrechtlich unverändert vom Rechtsnachfolger fortgeführt (BFH 26.2.87, IV R 325/84, BStBl II 87, 772 m. w. N.). Der Rechtsnachfolger ist an die Buchwerte des Rechtsvorgängers gebunden (§ 6 Abs. 3 S. 1 EStG). Auch ein ruhender, verpachteter und noch nicht aufgegebener Betrieb kann Übertragungsgegenstand i. S. d. § 6 Abs. 3 S. 1 EStG sein.

 

Die steuerrechtliche Einordnung der von H geleisteten Zahlung zur Entlassung aus der Pfandhaft hängt letztlich davon ab, ob F als Nießbraucherin noch Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft erzielt oder aus Vermietung und Verpachtung. Dies wiederum beurteilt sich danach, wie die Übertragung des land- und forstwirtschaftlichen Betriebs unter Nießbrauchsvorbehalt von E auf S zu werten ist. Sie könnte als

  • begünstigte Betriebsveräußerung (mit Freibetrag und Tarifermäßigung),
  • begünstigte Betriebsaufgabe (mit Freibetrag und Tarifermäßigung),
  • Entnahme (Versteuerung der stillen Reserven als laufender Gewinn) oder
  • unentgeltliche Betriebsübertragung

 

zu beurteilen sein. Ist der land- und forstwirtschaftliche Betrieb veräußert, aufgegeben oder entnommen worden, führt die Zahlung zur Entlassung aus der Pfandhaft (= Ablösung des Nießbrauchs) zu Einkünften aus Vermietung und Verpachtung. Liegt hingegen eine unentgeltliche Betriebsübertragung vor, führt die Zahlung zur Entlassung aus der Pfandhaft zu einer Betriebseinnahme.

 

2.1 Übertragung unter Nießbrauchsvorbehalt keine Betriebsveräußerung

Eine unentgeltliche Übertragung des Hofes einschließlich der verpachteten Flächen gemäß § 6 Abs. 3 S. 1 EStG zu Buchwerten liegt nicht vor, wenn S den Buchwert übersteigende Gegenleistungen für die Übertragung des Hofes zu erbringen hat.

 

Bei solchen aus dem Vermögen des S zu erbringenden Gegenleistungen kämen eine Abfindung an E, etwaige Gleichstellungsgelder an Geschwister des S oder die Übernahme privater Verbindlichkeiten in Betracht. Da nichts derartiges vereinbart war, spricht erst einmal nichts gegen eine unentgeltliche Übertragung. Auch der anlässlich des Hofüberlassungsvertrags bewilligte unentgeltliche lebenslange Nießbrauch stellt nach ständiger Rechtsprechung des BFH keine zur Entgeltlichkeit führende Gegenleistung dar. Dies gilt für die Übertragung land- und forstwirtschaftlicher Betriebe und gewerblicher Betriebe gleichermaßen (BFH 8.5.19, VI R 26/17, DStR 19, 2020; BFH 25.1.17, X R 59/14, DStR 17, 1308; für Grundstücke im Privatvermögen ebenso BMF 30.9.13 [Nießbrauchserlass], BStBl I 13, 1184, Rz. 40).

 

2.2 Übertragung unter Nießbrauchsvorbehalt keine Betriebsaufgabe/Entnahme

Der BFH (8.5.19, VI R 26/17) hat klargestellt, dass die unentgeltliche Übertragung eines ruhenden land- und forstwirtschaftlichen Verpachtungsbetriebs unter Vorbehalt des Nießbrauchs auch nicht zur Betriebsaufgabe oder Entnahme führt. Er verweist zur Begründung auf seine ständige Rechtsprechung, wonach bei den Einkünften aus Land- und Forstwirtschaft die Bestellung eines Nießbrauchs zur Folge hat, dass zwei Betriebe entstehen, nämlich

  • ein ruhender Betrieb in der Hand des nunmehrigen Eigentümers (des Nießbrauchsverpflichteten) und

 

Soweit der X. Senat (BFH 25.1.17, X R 59/14, DStR 17, 1308) im Falle der Übertragung eines Gewerbebetriebs unter Nießbrauchsvorbehalt mangels Einstellung der gewerblichen Tätigkeit zur Aufdeckung stiller Reserven kommt, will der VI. Senat diese Rechtsprechung nicht auf die Land- und Forstwirtschaft übertragen. Der VI. Senat äußert gegen die Rechtsauffassung des X. Senates zwar erhebliche Bedenken, sieht sich aber ‒ bezogen auf den Streitfall ‒ zu dessen Wertungen nicht im Widerspruch.

 

Insoweit geht der VI. Senat davon aus, dass auch der X. Senat in der Übertragung eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebs unter Nießbrauchsvorbehalt ‒ auch bei einem Verpachtungsbetrieb ‒ keine Aufgabe des Betriebs des vormaligen Eigentümers und nunmehrigen Nießbrauchsberechtigten sieht.

 

PRAXISTIPP | Der X. Senat (BFH 25.1.17, X R 59/14, DStR 17, 1308) grenzt in seinen Entscheidungsgründen deutlich zwischen Land- und Forstwirtschaft und Gewerbebetrieb ab. Für Gewerbebetriebe hat er die Frage, ob der Übertragungsvertrag unter Nießbrauchsvorbehalt zu einer begünstigten Betriebsaufgabe oder zu einer als laufender Gewinn zu besteuernden Entnahme des übertragenen Grundstücks führt, allerdings nicht ausdrücklich entschieden. Er hat vielmehr dahinstehen lassen, ob das FA und das FG den Entnahmegewinn zu Recht als steuerbegünstigten Aufgabegewinn behandelt und die Tarifbegünstigung des § 34 Abs. 3 EStG gewährt haben, weil ihm eine Verböserung der Steuerfestsetzung versagt war.

 

Da der VI. Senat (BFH 8.5.19, VI R 26/17) davon ausgeht, dass seine Entscheidung der Rechtsprechung des X. Senats (BFH 25.1.17, X R 59/14) nicht widerspricht, stellte sich für ihn ebenso wie zuvor für den X. Senat auch nicht die Frage, ob eine Anrufung des Großen Senates wegen Divergenz in der Rechtsprechung erforderlich sei.

 

MERKE | Die sich gegen eine Betriebsaufgabe oder Entnahme aussprechende Rechtsprechung des VI. Senates basiert auf dem vom BFH entwickelten Grundgedanken, dass bei den Einkünften aus Land- und Forstwirtschaft die Bestellung eines Nießbrauchs zur Folge hat, dass mit dem ruhenden Betrieb in der Hand des nunmehrigen Eigentümers (Nießbrauchsverpflichteter) und dem wirtschaftenden Betrieb des Nießbrauchers zwei Betriebe entstehen.

 

Der BFH verweist hierzu auf seine eigene bisherige Rechtsprechung sowie auf die des IV. Senates zur (unentgeltlichen) Übertragung eines aktiv betriebenen land- und forstwirtschaftlichen Betriebs unter Vorbehalt des Nießbrauchs und hält sie auch bei der im Musterfall vorliegenden Übertragung eines Verpachtungsbetriebs für anwendbar. Eine Zwangsbetriebsaufgabe oder Zwangsentnahme tritt somit weder bei der Übertragung eines aktiv betriebenen noch bei der Übertragung eines ruhenden Betriebs der Land- und Forstwirtschaft unter Nießbrauchsvorbehalt ein.

 

2.3 Unentgeltliche Übertragung unter Nießbrauchsvorbehalt

Eine Betriebsaufgabe im land- und forstwirtschaftlichen Bereich liegt auch dann nicht vor, wenn der Nießbrauchsberechtigte seine bisherige land- und forstwirtschaftliche Tätigkeit nicht in einem wirtschaftenden Betrieb fortführt, sondern die wesentlichen Betriebsgrundlagen aufgrund des ihm vorbehaltenen Nießbrauchs weiterhin selbst verpachtet. Demnach handelt es sich bei der unentgeltlichen Übertragung eines solchen land- und forstwirtschaftlichen Betriebs unter Nießbrauchsvorbehalt um einen Fall des § 6 Abs. 3 S. 1 EStG. Dies gilt

  • sowohl für den Fall, dass die Hofübergabe unter Vorbehaltsnießbrauch und gleichzeitiger Verpachtung des Betriebs an den Hofnachfolger („Rheinische Hofübergabe“) erfolgt (BFH 24.2.05, IV R 28/00, BFH/NV 05, 1062 m. w. N.),

 

  • als auch für den Fall, dass die Verpachtung des Betriebs an einen Dritten erfolgt. Denn für die Möglichkeit der Wiederaufnahme der aktiven Bewirtschaftung des ruhenden Betriebs, die für die Einräumung des Wahlrechts zur Betriebsaufgabe entscheidend ist, ist es grundsätzlich ohne Bedeutung, ob die Verpachtung an den neuen Eigentümer und Hofnachfolger oder an Dritte erfolgt.

 

Da die Bestellung des Nießbrauchs an einem aktiv bewirtschafteten Betrieb grundsätzlich zur Folge hat, dass zwei Betriebe entstehen (ein ruhender in der Hand des nunmehrigen Eigentümers und Nießbrauchsverpflichteten sowie ein wirtschaftender in der Hand des Nießbrauchsberechtigten), führt die Bestellung eines Nießbrauchs an einem verpachteten Betrieb nach Auffassung des VI. Senates dazu, dass drei Betriebe entstehen:

 

  • ein ruhender Betrieb in der Hand des nunmehrigen Eigentümers (und Nießbrauchsverpflichteten),
  • ein ruhender Betrieb in der Hand des Nießbrauchsberechtigten und bisherigen Eigentümers und
  • ein wirtschaftender Betrieb in der Hand des Pächters.

 

Aus dieser Dreiteilung ergibt sich für den VI. Senat aber nicht, dass der bisherige Betriebsinhaber durch die Übertragung unter Nießbrauchsvorbehalt seinen ruhenden Verpachtungsbetrieb zwangsweise aufgegeben oder einzelne Wirtschaftsgüter entnommen hat.

 

MERKE | Der BFH verneint eine Betriebsaufgabe bei der Bestellung eines Nießbrauchs im Rahmen der Generationennachfolge an einem aktiv bewirtschafteten Eigentumsbetrieb. Die Begründung: Er geht von einer lediglich vorübergehenden Aufspaltung des Betriebs in einen ruhenden und einen wirtschaftenden aus, der sich mit dem späteren Wegfall des Nießbrauchs in der Person des Rechtsnachfolgers wiedervereinigt. Beide Vorgänge unterstellt er dem Anwendungsbereich des § 6 Abs. 3 EStG (BFH 7.4.16, IV R 38/13, BStBl II 16, 765, Rz. 28).

 

Beachten Sie | Diese Betrachtung gilt für den VI. Senat gleichermaßen, wenn ein ruhender Betrieb unter Nießbrauchsvorbehalt übertragen wird, die Wiederaufnahme der aktiven Bewirtschaftung des Betriebs durch den Nießbrauchsberechtigten und/oder den Eigentümer möglich ist und die Aufgabe des Betriebs nicht ausdrücklich erklärt wurde.

 

Zur Abgrenzung von anderen Entscheidungen des BFH ist insoweit wichtig zu wissen:

 

  • Soweit ein land- und forstwirtschaftlicher Betrieb unentgeltlich im Wege der vorweggenommenen Erbfolge unter Nießbrauchsvorbehalt übertragen wird, mindert sich bei der Weiterveräußerung des landwirtschaftlichen und forstwirtschaftlichen Betriebs der erzielte betriebliche Veräußerungsgewinn nicht, wenn mit einem Teil des Kaufpreises das Nießbrauchsrecht abgelöst wird (BFH 26.2.87, IV R 325/84, BStBl II 87, 772).

 

  • Erwirbt der Käufer eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebs im Wege eines entgeltlichen Erwerbs nur das Eigentum, wird aber zu keinem Zeitpunkt als Land- und Forstwirt tätig, erzielt er im Fall der sofortigen Verpachtung des erworbenen Betriebs von vornherein nur Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung (BFH 20.4.89, IV R 95/87, BStBl II 89, 863; ebenso BFH 29.3.17, VI R 82/14, Rz. 17, m. w. N.; siehe auch BFH, Beschluss 19.9.17, IV B 85/16, Rz. 19).

 

Ergebnis: Da im Musterfall weder E noch S die Aufgabe des Verpachtungsbetriebs erklärt haben, ging dieser mit dem Tod des E im Jahr 06 unentgeltlich auf F über. Zwar erlosch der Nießbrauch des E gemäß § 1061 S. 1 BGB mit dessen Tod. Gleichzeitig erstarkte aber der aufschiebend bedingte Nießbrauch der F, den sich E in dem Hofüberlassungsvertrag ebenfalls vorbehalten und der F unentgeltlich zugewandt hatte, zum Vollrecht. M. E. hat F den Nießbrauch durch eine Schenkung auf den Todesfall als Zuwendungsnießbrauch erworben. Damit betrieb F aufgrund des ihr zugewandten Nießbrauchs den auf sie unentgeltlich übergegangenen Verpachtungsbetrieb. Der in § 6 Abs. 3 EStG zum Ausdruck gebrachte Grundsatz findet auch auf die unentgeltliche Übertragung des Rechts zur Nutzung eines Betriebs in der Form der Bestellung eines dinglichen Nießbrauchs am Unternehmen entsprechende Anwendung.

 

Da der Verpachtungsbetrieb von S auch nicht durch die Veräußerung der Hofstelle an einen Dritten aufgegeben worden war, war die Zahlung für die (teilweise) Ablösung des zum (notwendigen) Betriebsvermögen der F gehörenden Nießbrauchs im Wirtschaftsjahr 09/10 betrieblich veranlasst. Da die Klägerin für den Nießbrauch in ihrer Bilanz keinen Buchwert ansetzen konnte, ist wegen der Entlassung des verkauften Grundbesitzes aus der Pfandhaft andererseits keine Betriebsvermögensminderung eingetreten. Somit ist der volle Ablösungsbetrag als Betriebseinnahme zu erfassen.

3. Annex: Übertragung von verpachteten Flächen auf verschiedene Erwerber

In einer nicht rechtskräftigen Entscheidung geht das FG Münster (22.5.19, 7 K 802/18 E, EFG 19, 1288, Rev. BFH: VI R 24/19) davon aus, dass bei der Übertragung von Flächen, die bisher einen ruhenden landwirtschaftlichen Betrieb darstellen und im Rahmen der vorweggenommenen Erbfolge an zwei Erwerber übertragen werden, keine Betriebsverkleinerung, sondern eine der Betriebsaufgabe (§ 16 Abs. 3 EStG) gleichgestellte Betriebszerschlagung vorliegt.

 

  • Sachverhalt

Die Mutter war Eigentümerin verschiedener Grundstücke, die sie als Rechtsnachfolgerin ihres im Jahre 07 verstorbenen Ehemannes geerbt hatte und im Rahmen eines ruhenden landwirtschaftlichen Betriebs verpachtete. Sie betrieb keine aktive Land- und Forstwirtschaft. Mit notariellem Vertrag übertrug sie sämtliche zu ihrem Betrieb gehörenden Grundstücke auf ihre Töchter T1 und T2. T1 erhielt etwa 29.300 qm und T2 etwa 11.500 qm.

 

Laut der notariellen Urkunde erfolgten die Übertragungen im Wege der vorweggenommenen Erbfolge und in Anrechnung auf etwaige Pflichtteilsansprüche der Übernehmerinnen. Der Besitzübergang wurde auf den Tag des Vertragsabschlusses bestimmt. Tochter T2 erklärte sich im Hinblick auf den ihr übertragenen Grundbesitz für abgefunden und verzichtete für sich und ihre Abkömmlinge auf alle Ausgleichs-, Pflichtteils- und Pflichtteilsergänzungsansprüche.

 

MERKE | Eine Betriebsaufgabe i. S. d. § 16 Abs. 3 EStG liegt vor, wenn ein Steuerpflichtiger sich entschließt, seine betriebliche Tätigkeit einzustellen und seinen Betrieb als selbstständigen Organismus des Wirtschaftslebens aufzulösen. Zudem muss er in Ausführung dieses Entschlusses alle wesentlichen Grundlagen des Betriebs in einem einheitlichen Vorgang innerhalb kurzer Zeit an verschiedene Abnehmer veräußern oder in das Privatvermögen überführen.

 

Diese Definition gilt nach § 14 S. 2 EStG auch für die Aufgabe eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebs. Werden daher sämtliche landwirtschaftliche Nutzflächen an (verschiedene) Dritte übertragen, wird ein landwirtschaftlicher (Eigentums-)Betrieb mit der Übertragung aufgegeben. Denn der Grund und Boden ist für dessen Betriebsfortführung unerlässlich.

 

Von einer solchen Betriebszerschlagung ist die Übertragung eines zuvor durch Entnahme von Grundstücken zur Abfindung weichender Erben verkleinerten Betriebs abzugrenzen, die nach § 6 Abs. 3 EStG unter Fortführung der Buchwerte stattfinden kann. Gegenstand der Übertragung nach § 6 Abs. 3 EStG ist in einem solchen Fall die betriebliche Sachgesamtheit in dem Umfang, den sie im Zeitpunkt des wirtschaftlichen Übergangs des verkleinerten Betriebs hat. Vorherige Veränderungen des Betriebsvermögens, etwa in Gestalt von Entnahmen oder Veräußerungen, stehen der Buchwertübertragung nicht entgegen, sofern diese nicht den Untergang der Sachgesamtheit als funktionsfähige betriebliche Einheit bewirkt haben (BFH 14.7.16, IV R 19/13, BFH/NV 16, 1702).

 

Beachten Sie | Die bloße Verkleinerung eines Eigentumsbetriebs führt somit im Regelfall nicht zur Betriebsaufgabe. Dies soll nach Auffassung des BFH sogar dann gelten, wenn die verbleibenden landwirtschaftlich genutzten Flächen eine ertragreiche Bewirtschaftung nicht mehr ermöglichen (BFH 17.5.18, VI R 66/15; BFH 16.11.17, VI R 63/15).

 

Im Gegensatz hierzu kommt es nach Auffassung des FG Münster aber dann zu einer Betriebsaufgabe, wenn ‒ wie im entschiedenen Fall ‒ im Wege vorweggenommener Erbfolge die Betriebsgrundstücke auf mehrere nicht mitunternehmerschaftlich verbundene Einzelrechtsnachfolger übertragen werden. Das FG Münster geht insoweit davon aus, dass die Mutter vor dem wirtschaftlichen Übergang des Grundbesitzes auf ihre Töchter einen landwirtschaftlichen (Eigentums-)Betrieb unterhielt. Dieser umfasste ausschließlich den in dem notariellen Übertragungsvertrag aufgeführten Grundbesitz. Demzufolge übertrug sie die zu diesem Zeitpunkt bestehende betriebliche Sachgesamtheit zeitgleich auf ihre beiden Töchter.

 

Von ihrem gesamten landwirtschaftlichen Grundbesitz hat die Mutter rd. 72 % (29.300 qm zu 40.800 qm) auf ihre Tochter T1 und rd. 28 % (11.500 qm zu 40.800 qm) auf ihre Tochter T2 übertragen. Der Anteil des auf die Tochter T2 übertragenen Grundbesitzes betrug ‒ gemessen an dem auf die Tochter T1 übertragenen Grundbesitz ‒ sogar rd. 39 % (11.500 qm zu 29.300 qm). Auch nach der absoluten Größe handelt es sich bei dem auf die Tochter T2 übertragenen Grundbesitz nicht um eine geringfügige Teilfläche. Aufgrund dieser verhältnismäßigen Anteile ging das FG Münster daher davon aus, dass die Mutter durch die Übertragung der Grundstücke auf ihre beiden Töchter den (ruhenden) landwirtschaftlichen Betrieb zerschlagen hat.

 

GESTALTUNGSTIPP | Hätte die Mutter die kleinere Fläche zur Abfindung ihrer Tochter T2 entnommen und später den um die entnommenen Flächen verkleinerten landwirtschaftlichen (Eigentums-)Betrieb auf ihre Tochter T1 übertragen, hätte das FG Münster möglicherweise eine unentgeltliche Betriebsübertragung an T1 angenommen. Eine entsprechende Willensäußerung der Mutter konnte das FG Münster der notariellen Übertragungsurkunde aber nicht entnehmen. Gegen eine Übertragung einer betrieblichen Sachgesamtheit i. S. d. § 6 Abs. 3 EStG spricht nach Auffassung des FG Münster zudem, dass die Mutter jedenfalls infolge der Übertragung von rund 28 % des landwirtschaftlichen Grundbesitzes auf ihre Tochter T2 nicht (mehr) alle wesentlichen Betriebsgrundlagen ihres landwirtschaftlichen Betriebs auf ihre Tochter T1 übertragen hat.

 

Festzuhalten bleibt, dass ein Steuerpflichtiger bei der Übertragung eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebs grundsätzlich Einzelwirtschaftsgüter zurückbehalten kann. Dies steht einer Betriebsübertragung jedenfalls nicht entgegen, soweit es sich bei den zurückbehaltenen (Einzel-)Wirtschaftsgütern nicht um wesentliche Betriebsgrundlagen handelt.

 

Beachten Sie | Behält ein Steuerpflichtiger hingegen wesentliche Betriebsgrundlagen zurück, so liegt keine Betriebsübertragung im Ganzen i. S. d. § 6 Abs. 3 EStG, sondern eine Betriebsaufgabe vor (Schmidt/Kulosa EStG § 14 Rz. 24 m. w. N.).

 

Behält ein Steuerpflichtiger bei der Übertragung eines landwirtschaftlichen Betriebs Grundbesitz zurück, ist dies für eine Betriebsübertragung im Ganzen i. S. d. § 6 Abs. 3 EStG schädlich, wenn es sich bei diesem Grundbesitz um wesentliche Betriebsgrundlagen handelt. Nach der Rechtsprechung des BFH stellen geringfügige Teilflächen (bis zu 10 %) keine wesentlichen Betriebsgrundlagen dar (BFH 24.2.05, IV R 28/00, BFH/NV 05, 1062; Schmidt/Kulosa, EStG, § 14 Rz. 3).

 

Der Senat hat die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zugelassen. Die einzelnen Kriterien zur Abgrenzung einer Betriebszerschlagung einerseits und einer Übertragung eines (zuvor) lediglich verkleinerten Betriebs andererseits sind noch nicht hinreichend durch die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs geklärt.

 

Weiterführende Hinweise

  • Zum Vorbehaltsnießbrauch bei unentgeltlicher Übertragung eines verpachteten land- und fortwirtschaftlichen Betriebs siehe BFH 8.5.19, VI R 26/17, DStR 19, 2020
  • S. auch Pflüger, Besteuerung der Aufgabe eines L+F-Betriebs als unerwartete Steuerfalle, GStB 19, 39 ff. zu BFH 17.5.18, VI R 66/15
  • Zur angedachten Realteilung eines Verpachtungsbetriebs siehe auch Böttcher, Strenge Spielregeln für die steuerneutrale Übertragung eines L+F-Betriebs, GStB 19, 176
Quelle: Seite 279 | ID 46194230