· Fachbeitrag · Hybride Gestaltungen
BFH entscheidet u. a. zur Abgrenzung zwischen eigen- und fremdkapitalähnlichen Genussrechten
von Dr. Christian Kahlenberg, M.Sc./LL.M./StB/FBIStR, Flick Gocke Schaumburg, Berlin/Bonn
| Mit Urteil vom 14.8.19 hat sich der BFH (I R 44/17, DStR 20, 1307) mit zwei unterschiedlichen, grenzüberschreitenden Finanzierungsstrukturen befasst und dabei seine bisherige (einschlägige) Rechtsprechung weiter präzisiert. Danach führen Genussrechte nur dann zu steuerfreien Bezügen i. S. d. § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG, wenn der Genussrechtsinhaber kumulativ sowohl am Gewinn als auch am Liquidationserlös beteiligt ist. Der vorliegende Beitrag arbeitet die zentralen Abgrenzungskriterien heraus, liefert praktische Hinweise zu Fallabwandlungen und gibt einen Ausblick über die bevorstehenden Neuerungen im Rahmen des ATADUmsG. |
1. Steuerliche Behandlung von Genussrechtsvergütungen
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Eine inländische AG war im Streitjahr 2005 u. a. zu jeweils 100 % an der kanadischen X-A und der britischen X-C beteiligt. Die X-C wandelte in 2003 eigene Geschäftsanteile in sog. Preference Shares (Vorzugsaktien) um, welche die AG mit Anteilskaufvertrag in 2003 an die kanadische X-D (Tochtergesellschaft der X-C) veräußerte.
Zur Begleichung des Kaufpreises gab die X-D neue Anteile (Common Shares) aus, welche die AG in 2004 an ihre kanadische Tochter (X-A) veräußerte. Die Kaufpreisschuld beglich die X-A durch Ausgabe von Genussrechten (Jouissance Rights), die im Wesentlichen folgende Bedingungen vorsahen:
Die AG behandelte die Genussrechtsausschüttungen als steuerfrei gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG i. V. m. § 8b Abs. 1 S. 1 KStG. Aus kanadischer Sicht wurden die Genussrechte als Fremdkapital eingestuft und die Vergütung dementsprechend einer kanadischen Quellensteuer von 10 % unterworfen. Das Finanzamt unterwarf die Vergütung indessen als Zinsen i. S. d. § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG der Besteuerung. |

In seiner Entscheidung bestätigte der BFH die Ansicht der Finanzverwaltung.
Nach dem Wortlaut des § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG i. V. m. § 8 Abs. 3 S. 2 Variante 2 KStG ist von sog. beteiligungsähnlichen Genussrechten nur dann auszugehen, wenn der Genussrechtsinhaber (kumulativ) sowohl am Gewinn als auch am Liquidationserlös der auszahlenden Gesellschaft beteiligt ist (so bereits BFH 19.1.94, I R 67/92, BStBl II 96, 77). Vorliegend lag zwar eine Beteiligung am Gewinn, aber keine Beteiligung am Liquidationserlös vor.
MERKE | Für die Beteiligung am Liquidationserlös ist auf das Abwicklungsendvermögen i. S. d. § 11 KStG abzustellen, d. h. auf die Beteiligung an einem etwaigen Liquidations-(mehr-)erlös. Die gewinnabhängige Vergütung begründet allein keine solche Beteiligung am Liquidationserlös. |
Die Stellung der AG als Alleingesellschafterin reicht nicht für eine Beteiligung am Liquidationserlös aus. Diese Beteiligung muss sich vielmehr aus dem Genussrecht selbst ergeben. Die für eine Mitunternehmerschaft entwickelten Kriterien (Mitunternehmerinitiative und -risiko) sind nicht entscheidungserheblich. Eine bloße Nachrangvereinbarung ist ebenso nicht ausreichend (BFH 14.6.05, VIII R 73/03, BStBl II 05, 861).
MERKE | Die von der Finanzverwaltung vertretene Ansicht, wonach eine Beteiligung am Liquidationserlös bei hinreichender Laufzeit von 30 Jahren angenommen wird (BMF 8.12.86, IV B 7 - S 2742 - 26/86), hat der BFH explizit abgelehnt. Eine wirtschaftliche Betrachtung widerspreche dem klaren Regelungswortlaut. |
Auch das vereinbarte Wandlungsrecht begründet keine ausreichende Beteiligung an den stillen Reserven. Dies gilt unabhängig davon, dass eine Ausübung des Wandlungsrechts wahrscheinlich ist, weil etwa der Wert der zu liefernden Anteile zum Zeitpunkt der Fälligkeit über dem Nennbetrag des Genussrechtskapitals liegt.
Beachten Sie | Die steuerliche Qualifizierung einer Wandelschuldverschreibung als Fremd- oder Eigenkapital ändert sich erst mit Ausübung des Wandlungsrechts. Zunächst handelt es sich bei der Wandelschuldverschreibung um Fremdkapital und erst nach dem „Tausch“ des (Fremd-)Kapitals in Anteile liegt originäres Eigenkapital in Form von Anteilen vor.
Mangels Beteiligung am Liquidationserlös sind die Genussrechtsvergütungen als steuerpflichtige Zinsen i. S. d. § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG zu behandeln. Diese können auch gemäß Art. 11 Abs. 1 i. V. m. Abs. 4 DBA-Kanada in Deutschland besteuert werden, weil es sich abkommensrechtlich um (gewinnabhängige) Forderungen handelt. Maßgebend ist insofern die anwenderstaatsorientierte Sichtweise (vgl. schon BFH 6.6.12, I R 6, 8/11, BStBl II 13, 111).
2. Steuerliche Behandlung von Vorzugsdividenden
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Die inländische AG war ferner über eine US-Tochtergesellschaft (X-I) an der US-X-B (mittelbar) beteiligt. Die Stammaktien der X-B wurden in 2005 in sog. Shares of Class A Common Stock (Class-A Shares) und Shares of Class B Common Stock (Class-B Shares) umgewandelt. Die X-I veräußerte ihre Class-B Shares, die mit einer Vorzugsdividende ausgestattet waren, an die X-H, eine in Deutschland ansässige Enkelgesellschaft der AG. Gleichzeitig räumte die X-I der X-H das Recht ein, ihr die erworbenen Class-B Shares zum Rückkauf anzudienen (Put Option). Darüber hinaus verpflichtete sich die X-F GmbH, eine deutsche Tochtergesellschaft der AG, in einer Terminverkaufsvereinbarung, sämtliche Anteile der X-H GmbH an die X-I zu veräußern. Während die X-H GmbH vom Andienungsrecht (Put Option) keinen Gebrauch machte, wurde das Termingeschäft in 2015 abgewickelt.
Die AG behandelte die auf Ebene ihrer Organgesellschaft (X-H) vereinnahmte Vorzugsdividende als steuerfreie Bezüge i. S. d. § 15 S. 1 Nr. 2 S. 2 i. V. m. § 8b Abs. 1 KStG a. F. Das FA behandelte ‒ mit der Begründung, dass das wirtschaftliche Eigentum an den Class-B Shares nicht auf die X-H übergegangen sei ‒ die Vorzugsdividende hingegen als steuerpflichtige Zinsen i. S. d. § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG. Dem widersprach das FG, ging aber dennoch aufgrund der Annahme eines Missbrauchs von Gestaltungsmöglichkeiten i. S. v. § 42 AO von steuerpflichtigen Zinsen aus. |

Nach Ansicht des BFH sind die Vorzugsdividenden steuerfrei gemäß § 15 S. 1 Nr. 2 S. 2 i. V. m. § 8b Abs. 1 und Abs. 5 KStG, weil die X-H GmbH (auch) das wirtschaftliche Eigentum (§ 39 Abs. 2 Nr. 1 S. 1 AO) an den Vorzugsaktien (Class-B Shares) der X-B erlangt hatte. Anteilseigner ist derjenige, dem die Kapitalgesellschaftsanteile im Zeitpunkt des Gewinnverteilungsbeschlusses gemäß § 39 AO zuzurechnen sind. Steuerlich ist dabei das wirtschaftliche Eigentum, d. h. die tatsächliche Sachherrschaft, entscheidend.
MERKE | Bei Übertragungen wird der Käufer dann wirtschaftlicher Eigentümer, wenn dieser aufgrund eines Rechtsgeschäfts eine rechtlich geschützte, auf den Erwerb des Rechts gerichtete Position erworben hat, die ihm gegen seinen Willen nicht mehr entzogen werden kann. Darüber hinaus müssen die mit dem Anteil verbundenen wesentlichen Rechte wie Stimmrechte und Gewinnansprüche sowie das Risiko einer Wertminderung (z. B. Substanzverluste) und die Chance einer Wertsteigerung auf ihn übergegangen sein (BFH 24.1.12, IX R 69/10, BFH/NV 12, 1099 m. w. N.). Die Beurteilung ist nach dem Gesamtbild der Verhältnisse im jeweiligen Einzelfall zu bestimmen, d. h., die vorstehend genannten Voraussetzungen müssen nicht kumulativ erfüllt sein. |
Die Put-Option und der Terminverkauf führen weder einzeln noch in der Gesamtschau zu einer rechtlich abgesicherten Rechtsposition der X-I auf Rückerwerb der Vorzugsaktien (Class-B Shares). Bei der Put-Option handelte es sich lediglich um ein Andienungsrecht. Gegenstand des Terminverkaufs waren dagegen nicht die Class-B Shares selbst, sondern die Anteile an der X-H GmbH. Die juristischen Vermögensebenen sind strikt voneinander zu trennen. Mit anderen Worten: Der Erwerb der Anteile an der X-H GmbH kann nicht mit dem Erwerb des wirtschaftlichen Eigentums an Anteilen einer ihrer Tochtergesellschaften (hier Class-B Shares) gleichgesetzt werden.
Beachten Sie | Bei den Vorzugsaktien (Class-B Shares) und den dem Terminverkauf zugrunde liegenden Anteilen an der X-H GmbH handelt es sich auch der Höhe nach um verschiedene Wirtschaftsgüter, weshalb insbesondere die BFH-Rechtsprechung zur wechselseitigen Option (sog. Doppeloption: BFH 11.7.06, VIII R 32/04, BStBl II 17, 296) sowie zur Wertpapierleihe (BFH 18.8.15, I R 88/13, BStBl II 16, 961) auf den vorliegenden Sachverhalt nicht übertragbar sind.
Die Zwischenschaltung der X-H GmbH stellt ferner keinen Gestaltungsmissbrauch i. S. v. § 42 AO dar. Weder sind die Rechtsprechungsgrundsätze zu sog. Basisgesellschaften vorliegend einschlägig, da es sich bei der X-H GmbH um eine inländische Gesellschaft handelt, noch ist die Erzielung von Steuervorteilen im Ausland (steuerlich abzugsfähiger Zinsaufwand) eine für § 42 AO relevante Steuerminderung. Der doppelte steuerliche Vorteil ‒ Steuerbefreiung für Dividenden im Inland bei gleichzeitigem steuerlichen Zinsabzug im Ausland ‒ ist letztlich Ausfluss der divergierenden Einordnung der Class-B Shares durch die betroffenen Staaten und daher nicht rechtsmissbräuchlich. Und schließlich wurde die X-H GmbH nicht nur vorübergehend ‒ „geschäftsvorfallbezogen“ ‒ zwischengeschaltet. Die Zwischenschaltung war vielmehr auf Dauer angelegt.
Die Steuerbefreiung ergibt sich schließlich auch aus dem abkommensrechtlichen Schachtelprivileg nach Art. 10 Abs. 1 i. V. m. Art. 23 Abs. 2 Buchst. a) S. 3 DBA-USA, das für gewerbesteuerliche Zwecke maßgebend ist (keine Hinzurechnung gemäß § 8 Nr. 5 GewStG). Daher ist es unbeachtlich, dass die X-H GmbH zu Beginn des Erhebungszeitraums 2005 nicht die maßgebende 10 %-Beteiligung am Nennkapital aufwies.
3. Konsequenzen für die Praxis
3.1 Maßgebende Abgrenzungskriterien
Auch wenn die Vorgaben des BFH zur Abgrenzung von beteiligungs- und obligationsähnlichen Genussrechten nicht neu sind (s. bereits BFH 19.1.94, I R 67/92; 12.12.12, I R 27/12), präzisiert der BFH mit der vorliegenden Entscheidung die Anforderungen an das Kriterium der Beteiligung am Liquidationserlös und sorgt damit für Rechtssicherheit. Die hiesige Abgrenzungsfrage ist in der Praxis von entscheidender Bedeutung, weil die entsprechende Einordnung letztlich maßgebend für die steuerliche Beurteilung der korrespondierenden Vergütungen ist:
- Vergütungen für beteiligungsähnliche Genussrechte sind beim Schuldner nicht abziehbar und beim Gläubiger entsprechend steuerbefreit.
- Vergütungen auf obligationsähnliche Genussrechte sind beim Schuldner (als Zinsaufwand) grundsätzlich steuerlich abziehbar und beim Gläubiger entsprechend steuerpflichtig.
Von beteiligungsähnlichen Genussrechten ist auszugehen, wenn ‒ kumulativ ‒ eine Beteiligung am Gewinn und am Liquidationserlös gegeben ist. Eine Beteiligung am Gewinn liegt etwa dann vor, wenn der Emittent bzw. Vergütungsgläubiger eine gewinn- oder umsatzabhängige Vergütung erhält ‒ die Vereinbarung einer anteilig festen Zinsgebühr ist unschädlich. Für die Beteiligung am Liquidationserlös nimmt der BFH eine streng formaljuristische Betrachtung vor, indem er strikt auf eine Beteiligung am Abwicklungsvermögen besteht. Mithin muss im Genussrechtsvertrag eindeutig geregelt sein, dass der Emittent auch an einem Liquidationsmehrerlös partizipiert ‒ in welcher Höhe dürfte unerheblich sein. M. E. sollte ausreichen, wenn die Beteiligung am Abwicklungsvermögen nur auf bestimmte Wirtschaftsgüter (Werttreiber) beschränkt ist. Die Vereinbarung selbst sollte genügen, d. h., es kann nicht darauf ankommen, ob der Abwicklungsfall tatsächlich eintritt. Wirtschaftlich betrachtete Substitute ‒ wie etwa Laufzeit oder Umwandlungsrechte ‒ sind nach Ansicht des BFH unerheblich.
3.2 Beurteilung von Outbound-Finanzierungsstrukturen
Der vorliegende Fall zu Genussrechtsvergütungen betraf eine Outbound-Finanzierungsstruktur und mangels Beteiligung am Liquidationserlös die Vergütung auf ein obligationsähnliches Genussrecht, weshalb der BFH zutreffend von steuerpflichtigen Zinseinkünften ausging.
Beachten Sie | Für gewinnabhängige (abziehbare) Forderungen sehen einige deutsche DBA ein uneingeschränktes Besteuerungsrecht zugunsten des Quellenstaates vor. Die Quellensteuer ist in Deutschland vollumfänglich anzurechnen (Kahlenberg/Kopec, IStR 14, 164).
Hätten die Vertragsparteien im Genussrechtsvertrag dagegen die Beteiligung der AG am Erlös bei Liquidation der X-A vereinbart, hätte ein beteiligungsähnliches Genussrecht vorgelegen. Das hätte zur Folge gehabt, dass die betreffende Vergütung im Streitfall gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG i. V. m. § 8 Abs. 3 S. 2 2. Variante KStG steuerfrei zu stellen gewesen wäre ‒ und zwar ungeachtet der Behandlung der Vergütung in Kanada.
Falls die nämliche Vergütung in Deutschland steuerfrei zu stellen ist, kann auch keine ausländische Quellensteuer, z. B. aufgrund der Einordnung der Vergütung als Zinsen durch den Quellenstaat, angerechnet oder abgezogen werden.
MERKE | Mit Wirkung ab VZ 2014 wird die Steuerbefreiung für Vergütungen auf eigenkapitalähnliche Genussrechte nicht mehr losgelöst von der Behandlung im ausländischen Quellenstaat gewährt. Seither ist die Regelung des § 8b Abs. 1 S. 2 KStG beachtlich, wonach die Steuerbefreiung gemäß § 8b Abs. 1 KStG suspendiert wird, „[…] soweit die Bezüge das Einkommen der leistenden Körperschaft nicht gemindert haben“. Auf die vorliegende Streitfallabwandlung (eigenkapitalähnliches Genussrecht) übertragen wären die Vergütungen bis einschließlich VZ 2013 steuerfrei gewesen, ab VZ 2014 aber steuerpflichtig. Dieses sog. Korrespondenzprinzip gilt bisher nur für Einkommen- bzw. Körperschaftsteuerzwecke. In der Gewerbesteuer ist es bisher nicht verankert, sodass lediglich die Belastung mit Körperschaftsteuer drohen würde. Die Schachtelstrafe gemäß § 8b Abs. 5 KStG kommt dann aber nicht zur Anwendung. |
Falls die nämliche Vergütung nach innerstaatlichem Recht steuerpflichtig ist, wären anschließend die Bestimmungen des DBA-Kanada zu prüfen. Sollte Deutschland hiernach zur Steuerfreistellung verpflichtet sein (Art. 23 Abs. 2 Buchst. a) S. 2 DBA-Kanada ‒ vorbehaltlich der Anwendung von Protokollziffer 9), wird das abkommensrechtliche Schachtelprivileg letztlich durch § 8b Abs. 1 S. 3 KStG suspendiert, wonach § 8b Abs. 1 S. 2 KStG „ungeachtet“ der Regelungen eines einschlägigen DBA gilt.
MERKE | Mittlerweile enthalten alle ‒ seit 2004 ‒ abgeschlossenen oder verhandelten deutschen DBA (mit Freistellungsmethode) eine entsprechende Korrespondenzregel auch für abkommensrechtliche Schachteldividenden (Kahlenberg/Kopec, IStR 14, 160). |
Im Ergebnis lässt sich daher festhalten, dass Vergütungen auf eigenkapitalähnliche Genussrechte nur dann gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG i. V. m. § 8 Abs. 3 S. 2 2. Variante KStG steuerfrei sind, wenn diese im Quellenstaat nicht steuerlich abgezogen wurden. Wurde ein solcher steuerlicher Abzug beansprucht, ist die Steuerbefreiung ‒ zumindest für Zwecke der Körperschaftsteuer ‒ insoweit zu verwehren mit der Folge, dass auch eine ausländische Quellensteuer angerechnet werden kann und § 8b Abs. 5 KStG keine Anwendung findet. Gewerbesteuerlich sind die Voraussetzungen des § 9 Nr. 7 GewStG autonom zu prüfen.
3.3 Beurteilung von Inbound-Finanzierungsstrukturen
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Die kanadische X-A Inc. ist zu 100 % an der deutschen D-GmbH beteiligt und gewährt dieser ein Genussrecht zu den im Sachverhalt Teil 1 (I R 44/17) genannten Vergütungen, d. h. insbesondere 40-jährige Laufzeit, variable Verzinsung, Wandlungsrecht etc. |

Vor dem Hintergrund der hiesigen Entscheidung ist die Genussrechtsvereinbarung als Fremdkapitalüberlassung einzustufen mit der Folge, dass die geleisteten Vergütungen als Zinsen das Einkommen der D-GmbH mindern.
MERKE | Die D-GmbH hat auf Verlangen der Finanzbehörde den Empfänger zu benennen. Andernfalls wird der Betriebsausgabenabzug schon gemäß § 160 AO nicht gewährt. Darüber hinaus ist ein Betriebsausgabenabzug nur in den Grenzen des § 4h EStG i. V. m. § 8a KStG möglich. |
Beachten Sie | Der entscheidende (wirtschaftliche) Vorteil der Genussrechtsvereinbarung gegenüber einer klassischen Darlehensvereinbarung liegt darin, dass die X-A Inc. eine weitaus höhere Vergütung erzielen kann, ohne gleichzeitig die D-GmbH dem Risiko einer Einkommenskorrektur gemäß § 1 Abs. 1 AStG auszusetzen.
Die X-A Inc. ist mit der variablen Genussrechtsvergütung in Deutschland beschränkt körperschaftsteuerpflichtig (§ 2 Nr. 1 i. V. m. § 8 Abs. 1 KStG i. V. m. § 49 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. c) Doppelbuchst. bb) EStG), weshalb die D-GmbH zum KESt-Abzug verpflichtet ist (§ 43 Abs. 1 Nr. 7 EStG). Abkommensrechtlich wird der zulässige Quellensteuersatz auf 10 % beschränkt (Art. 11 Abs. 2 DBA-Kanada). Sofern keine Freistellungsbescheinigung der X-A Inc. vorliegt (§ 50d Abs. 2 EStG), muss die X-A Inc. einen Antrag auf Erstattung der übersteigenden Steuer von 15 % beim BZSt einreichen. Als letzte Hürde erweist sich in der Praxis schließlich noch § 50d Abs. 3 EStG ‒ ungeachtet der diversen unionsrechtlichen Zweifel.
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Die Genussrechtsvereinbarung sieht außerdem die Beteiligung der X-A Inc. an einem möglichen Liquidationsgewinn vor. |
In diesem Fall liegt ein beteiligungsähnliches Genussrecht mit der Folge vor, dass die betreffende Vergütung auf Ebene der D-GmbH steuerlich nicht abzugsfähig ist (§ 8 Abs. 3 S. 2 2. Variante KStG).
Korrespondierend dazu erzielt die X-A Inc. einen (beschränkt steuerpflichtigen) Beteiligungsertrag gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 1 i. V. m. § 49 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. a) EStG und gleichzeitiger KESt-Abzugsverpflichtung der D-GmbH (§ 43 Abs. 1 Nr. 1 EStG). Auch in diesem Fall besteht ‒ ohne Freistellungsbescheinigung ‒ die Möglichkeit der Erstattung der überhöhten deutschen Quellensteuer (20 % gemäß Art. 10 Abs. 2 Buchst. a DBA-Kanada i. V. m. § 50d Abs. 1 EStG) vorbehaltlich der Prüfung nach § 50d Abs. 3 EStG.
4. Ausblick: Geplante Änderungen i. R. d. ATADUmsG
Im Rahmen des ATADUmsG plant der Gesetzgeber, die Vorgaben der Änderungsrichtlinie 2017/952/EU in nationales Recht umzusetzen. Mit einem neuen § 4k EStG-E soll sog. hybriden Gestaltungen vorgebeugt werden, die zum sog. Deduction-/Non-Inclusion-Effekt oder Double-Deduction-Effekt führen können (zum Entwurf von Anti-Hybrid-Regeln durch das ATADUmsG s. auch ausführlich Loose, PIStB 20, 73). Für hybride Finanzierungsstrukturen ist § 4k Abs. 1 EStG-E relevant, wonach Aufwendungen für die Nutzung bzw. Übertragung von Kapitalvermögen nicht abzugsfähig sind, soweit die korrespondierenden Erträge im Ausland niedrig oder nicht besteuert werden und die Besteuerungsinkongruenz auf einer abweichenden steuerlichen Qualifikation oder Zurechnung des Kapitalvermögens beruht. Nach dem Regelungsentwurf muss tatbestandsmäßig eine abweichende steuerliche Qualifikation oder Zurechnung des Kapitalvermögens kausal für eine Besteuerungsinkongruenz sein. Die Vorschrift richtet sich ausschließlich an Inbound-Finanzierungsstrukturen zwischen nahestehenden Personen bzw. sog. strukturierten Gestaltungen.
Für Outbound-Finanzierungsstrukturen ist lediglich eine Ergänzung in § 8b Abs. 1 S. 3 KStG für hybride Übertragungen angedacht (hierzu Rüsch, IStR 20, 371). Danach soll die Steuerbefreiung nach § 8b Abs. 1 KStG nicht gewährt werden, soweit Bezüge das Einkommen einer anderen Person aufgrund einer vom deutschen Recht abweichenden steuerlichen Zurechnung von Kapitalvermögen mindern und die dieser anderen Person zugerechneten Erträge niedriger besteuert werden, als dies bei Zurechnung nach deutschem Verständnis der Fall wäre. Die Regelung zielt damit ausdrücklich auf Zurechnungskonflikte ab, die bei Wertpapierpensionsgeschäften oder Repo-Geschäften auftreten können, weil das bisherige Korrespondenzprinzip in § 8b Abs. 1 S. 2 KStG tatbestandlich nicht einschlägig ist.
Beachten Sie | Daneben sind eine Reihe weiterer Anti-Hybrid-Regelungen geplant, wodurch die Beratung grenzüberschreitender Gesellschafts- und Finanzierungsstrukturen drastisch verkompliziert wird. Zukünftig sind die deutschen Steuerfolgen von der steuerlichen Behandlung im Ausland abhängig, was insbesondere verfahrensseitig eine Herausforderung darstellen wird.