· Fachbeitrag · Immobiliarvollstreckung
Aufteilung des Versteigerungserlöses nach Unzulässigerklärung der Zwangsvollstreckung
von Dipl.-Rechtspfleger Peter Mock, Koblenz
| Der BGH hat im Rahmen eines Zwangsversteigerungsverfahrens eine bislang noch nicht geklärte Frage entschieden. Lesen Sie im Folgenden die Einzelheiten: |
Sachverhalt
Gläubiger G. betreibt die Zwangsversteigerung aus dem im Grundbuch eingetragenen Recht III/1 wegen 100.000 EUR. Ihm gehört darüber hinaus noch das Recht III/2 in Höhe von 50.000 EUR. Hieraus betreibt er jedoch nicht die Zwangsversteigerung. Das Grundstück wird Ersteher E. zu 200.000 EUR lastenfrei zugeschlagen.
Nach der Zuschlagsverkündung, aber noch vor dem Termin zur Verteilung des Versteigerungserlöses, legt Schuldner S. dem Vollstreckungsgericht ein Urteil des Prozessgerichts vor, wonach die Zwangsvollstreckung aus dem Recht III/1 für unzulässig erklärt wird. Es stellt sich die Frage, ob der auf das erloschene Recht III/2 zuzuteilende Betrag S. oder G. zusteht.
Entscheidungsgründe
Der BGH hat mit folgenden Leitsätzen Klartext gesprochen (20.2.20, V ZB 131/19, Abruf-Nr. 215525):
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Relevanz für die Praxis
Die Verkündung des Zuschlags (§ 89 ZVG) stellt im Zwangsversteigerungsverfahren eine Zäsur dar:
- Im Zeitraum zwischen Versteigerungsbeendigung und Zuschlagserteilung gilt: Nach § 33 ZVG darf noch nach dem Schluss der Versteigerung die „Entscheidung durch Versagung des Zuschlags gegeben werden“, wenn ein Grund zur Aufhebung oder zur einstweiligen Einstellung des Verfahrens oder zur Aufhebung des Termins vorliegt.
- Nach Zuschlagsverkündung gilt: Es kommt weder eine Einstellung noch eine Aufhebung des Verfahrens in Betracht, weil hierdurch das Objekt der Zwangsversteigerung der Disposition des betreibenden Gläubigers im Interesse einer eindeutigen dinglichen Zuordnung entzogen ist.
PRAXISTIPP | Diese zeitliche Grenze für die Einstellung und die Aufhebung des gesamten Zwangsversteigerungsverfahrens gilt nicht nur für die Fälle der §§ 29 ff. ZVG (z. B. Antragsrücknahme), sondern auch für sonstige Aufhebungs- und Einstellungsgründe einschließlich einer Aufhebung gemäß den §§ 775, 776 ZPO.
Vorliegend war die Phase nach Zuschlagsverkündung zu beachten. Dies hatte zur Folge, dass der Versteigerungserlös nach §§ 105 ff. ZVG zu verteilen war. In diesem Zusammenhang erstellt das Vollstreckungsgericht daher einen Teilungsplan (§ 114 ZVG).
Beachten Sie | Hat der Schuldner Einwendungen gegen einen im Rahmen der Verteilung gemäß § 114 ZVG zu berücksichtigenden vollstreckbaren Anspruch, sind diese Einwendungen gemäß § 115 Abs. 3 ZVG nach §§ 767, 769, 770 ZPO zu erledigen. Dies gilt auch für den vollstreckbaren Anspruch, aus dem der Gläubiger die Zwangsvollstreckung betreibt (hier das Recht III/1).
MERKE | Liegt eine Entscheidung gemäß § 767 ZPO allerdings nicht bereits im Zeitpunkt der Aufstellung des Teilungsplans vor (§ 113 ZVG), kann der Schuldner die Ausführung des Teilungsplans bezogen auf die Vollstreckungsforderung durch eine einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung gemäß § 769 Abs. 1 ZPO oder gemäß § 769 Abs. 2 ZPO verhindern. Hierdurch kann er eine Hilfszuteilung gemäß § 124 Abs. 1 ZVG analog und eine Hinterlegung des entsprechenden Erlösanteils gemäß § 124 Abs. 2, § 120 ZVG erreichen.
Nach Vorlage der stattgebenden Entscheidung gemäß § 767 ZPO ist der hinterlegte Betrag an den Vollstreckungsschuldner auszuzahlen. Deshalb ist der Erlösanteil, der auf das Recht III/1 entfällt, an den Schuldner auszuzahlen. |
Die Einstellung der Zwangsvollstreckung aus dem Vollstreckungstitel bzgl. des Rechts III/1 bewirkt nicht, dass dem Schuldner auch der Teil des Vollstreckungserlöses zusteht, der auf das nach § 91 Abs. 1 ZVG erloschene (weitere) Recht III/2 entfällt, aus der die Zwangsvollstreckung gerade nicht betrieben worden ist.
Vielmehr ist dieser Erlösanteil dem (formellen) Gläubiger III/2 zuzuteilen, es sei denn, eine solche Zuteilung ist wegen eines für begründet erklärten Widerspruchs (§ 115 Abs. 1 S. 2 ZVG i. V. m. §§ 876 bis 882 ZPO) oder wegen einer begründeten Vollstreckungsgegenklage (§ 115 Abs. 3 ZVG i. V. m. § 767 ZPO) ausgeschlossen.
Dies führt im Ausgangsfall dazu, dass der Schuldner keinen Anspruch auf Auszahlung des auf das Recht III/2 entfallenden Erlösanteils von 50.000 EUR hat.
Der BGH weist ausdrücklich auf Folgendes hin: Die Zuteilung des Versteigerungserlöses an einen Grundbuchgläubiger ist unabhängig davon vorzunehmen, ob es sich hierbei um einen Dritten oder um den die Zwangsvollstreckung betreibenden Gläubiger handelt. Von solchen Zufälligkeiten kann die rechtliche Beurteilung nicht abhängig gemacht werden.
Beachten Sie | In beiden Fällen steht der anteilige Versteigerungserlös dem Schuldner nicht zu.
Dass der Vollstreckungsgläubiger die Zwangsvollstreckung aus einem (anderen) Recht (hier: III/1) nicht mehr betreiben darf, wird bei der Verteilung des auf die Vollstreckungsforderung entfallenden Erlösanteils hinreichend berücksichtigt. Ist der Gläubiger zugleich Inhaber eines (weiteren) Rechts (hier: III/2), steht er insoweit einem anderen Grundbuchgläubiger gleich und muss deshalb auch entsprechend behandelt werden.
MERKE | Dass der Schuldner den auf das Recht III/2 entfallenden Erlösanteil im Versteigerungsverfahren nicht beanspruchen kann, schließt allerdings etwaige materiell-rechtliche Ansprüche gegen den Gläubiger III/2 wegen Einwendungen gegen das Grundpfandrecht nicht aus. Diese müssten aber in einem Erkenntnisverfahren geltend gemacht werden. |
Weiterführende Hinweise
- „Vergessene“ Zinsen bei der Zwangssicherungshypothek, VE 20, 104
- Zwangsversteigerung gegen mehrere Schuldner, VE 20, 79
- Wenn die Bank die Löschungsbewilligung schon vor Jahren erteilt hat ..., VE 20, 6
- Miteigentümer als Beteiligte der Zwangsversteigerung, VE 19, 11
- Prozesskostenhilfe für Teilungsversteigerung, VE 18, 175
- Voreiliger Antrag auf Teilungsversteigerung: Finanzamt kann mitkassieren, VE 18, 116
- BGH klärt: So sind Gebote bei unterschiedlich belasteten Miteigentumsanteilen zu erstellen, VE 17, 62
- Taktische Möglichkeiten bei der Teilungsversteigerung nutzen, VE 16, 219