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· Fachbeitrag · Jahresabschluss

Ist für die gesetzliche Pflicht zur Einführung der XRechnung eine Rückstellung zu bilden?

von WP StB Dipl.-Kfm. Lukas Graf, Meißen

| Mit § 4a des Gesetzes zur Förderung der elektronischen Verwaltung (E-Government-Gesetz ‒ EGovG) hat der Gesetzgeber den elektronischen Rechnungsempfang geregelt. Das in der Praxis bislang eher stiefmütterlich bearbeitete Thema dürfte in den nächsten Monaten jedoch ins Rollen kommen. Der Beitrag beschäftigt sich mit der Einführung der XRechnung und geht der Frage nach, ob hierfür eine Rückstellung in Betracht kommt. |

1. Vorbemerkungen

Nach § 4a Abs. 1 EGovG sind Rechnungen im Zusammenhang mit öffentlichen Aufträgen elektronisch einzureichen. Die Regelungen des EGovG sind für Bundesministerien und Verfassungsorgane bereits seit dem 27.11.18 in Kraft. Für die übrigen Bundesstellen wird dies ab dem 27.11.19 der Fall sein. Ein Jahr später (ab dem 27.11.20) sind dann alle Lieferanten des Bundes verpflichtet, ihre Rechnungen ausschließlich elektronisch zu übermitteln.

 

Eine Rechnung gilt nur dann als elektronisch, wenn sie in einem strukturierten elektronischen Format ausgestellt, übermittelt und empfangen wird. Das Format muss dabei eine automatische und elektronische Verarbeitung der Rechnung ermöglichen (§ 4a Abs. 2 EGovG).

 

MERKE | Es genügt also nicht, Rechnungen als PDF, TIFF oder Scan zu verschicken, da diese Formate nicht automatisch verarbeitet werden können.

 

Beachten Sie | Wegen § 4a Abs. 3 EGovG wurden die Einzelheiten zur Umsetzung in einer Verordnung geregelt (vgl. hierzu die Verordnung über die elektronische Rechnungsstellung im öffentlichen Auftragswesen des Bundes (E-Rechnungsverordnung ‒ ERechV) vom 13.10.17, BGBl I 17, 3555).

 

Als richtige elektronische Rechnung gilt künftig die XRechnung, die die Möglichkeit des Austauschs eines strukturierten Datensatzes bietet. Bei deren Einführung geht es nicht um eine Digitalisierung im Sinne einer Überführung von Papier in ein elektronisches Abbild, also der Überführung von Akten in ein Dokumenten-Management-System. Das Ziel ist weit anspruchsvoller: Umgesetzt werden soll eine Automatisierung der Rechnungslegung!

 

Die XRechnung ist dabei nicht der erste Standard für eine elektronische Rechnung (es gibt schon lange Rechnungen in den Formaten EDI, EDIFACT etc.). Die Bedeutung der XRechnung liegt gegenüber alten Standards darin, dass sie allgemeine Verbreitung finden wird (z. B. sind die gesamte Bauwirtschaft und alle Autohäuser betroffen, aber auch viele weitere Branchen).

 

Es handelt sich nicht um ein Bürokratiemonster, sondern um eine bedeutsame wirtschaftliche Chance für die Privatwirtschaft: Neben der XRechnung, die ohne eine Visualisierung, also ein Rechnungsbild, auskommt, gibt es mit der ZUGFeRD-Rechnung einen kompatiblen Zwilling mit PDF-Rechnungsbild.

 

Damit kann auch die Privatwirtschaft mithilfe eines weitgehend einheitlichen elektronischen Rechnungsformats die Automatisierung der laufenden Buchführung umsetzen, da die Ablaufprozesse für die XRechnung und die ZUGFeRD-Rechnung nahezu identisch sind. Die Vorteile sind klar: kein Porto, automatische Rechnungsprüfung, Buchung in Echtzeit, schnellere Prozesse, weniger und damit für andere Zwecke freiwerdendes Personal und automatische Controllingmöglichkeiten.

2. Kosten der Umstellung

Für die Erstellung elektronischer Rechnungen als PDF-, TIFF- oder Scan-Dateien fallen heute praktisch keine Kosten mehr an. Die Software ist meist frei verfügbar und kann kostenlos lizenziert werden. Deshalb stellt sich die Frage, ob die Einführung einer elektronischen Rechnung überhaupt eine wirtschaftliche Last darstellt, wenn es lediglich um einen Druckbefehl geht, der in der Erzeugung einer elektronischen Rechnung mündet. Selbst wenn es sich bei der XRechnung um ein neues Format handelt, könnte eine Rückstellungsbildung mangels Wesentlichkeit völlig ausscheiden.

 

Dies ist indes nicht der Fall: Die Kosten der Einführung der XRechnungen können ‒ je nach Ausgestaltung der Softwareeinführung ‒ sehr erheblich sein. Ein Hilfsprogramm, mit dem man händisch ein paar wenige XRechnungen für eine Handvoll öffentliche Kunden erstellt, wird in der Tat preiswert am Markt zu haben sein. Anders sieht es jedoch aus, wenn die XRechnung durch ein individuelles Warenwirtschaftsprogramm erstellt werden soll und dazu umfangreiche Programmierungen im Stammdatenbereich bzw. bei den Softwareprozessen erforderlich werden. Die dafür notwendigen Änderungen an einer Individualsoftware, insbesondere wenn diese Software schon Jahrzehnte alt ist, können ganz erheblich sein.

 

Viele Software-Anbieter sind bereits vorbereitet ‒ z. B. ermöglicht die DATEV bereits heute ohne Zusatzkosten den Versand von XRechnungen oder ZUGFeRD-Rechnungen. Ein Einführungsprojekt kann hier oft mit wenig Aufwand im Bereich der Stammdaten sowie der Anpassung des internen Fakturaprozesses umgesetzt werden. Aber: Bei gewachsenen Softwarestrukturen sowie fehlender Softwareentwicklungsperspektive können sich indes auch existenzbedrohende Umstände für nicht wandlungsfähige Unternehmen ergeben.

 

MERKE | Entsprechend § 3 Abs. 3 ERechV gilt die Pflicht zur elektronischen Rechnungslegung nicht für Rechnungen, die nach Erfüllung eines Direktauftrags bis zu einem Betrag von 1.000 EUR gestellt werden. Dabei ist es nicht zulässig, Großaufträge in mehrere Rechnungen unterhalb der 1.000-EUR-Grenze aufzuteilen. Betroffen von der Pflicht zur elektronischen Rechnungsschreibung sind alle Unternehmer i. S. des § 14 Abs. 1 BGB, die Leistungen an die öffentliche Hand erbringen. Als öffentliche Hand gelten alle Einheiten, die unter § 159 GWB bzw. § 99 Nr. 2 GWB fallen, also vereinfachend der Bund bzw. dessen Körperschaften.

 

Die Einführungspflicht ergibt sich aus dem Gesetz. Damit ist für die nächsten Jahresabschlüsse zu fragen, ob eine Rückstellung für die Einführung der XRechnung zulässig und geboten ist.

3. Rückstellung in Handels- und Steuerbilanz

Eine Rückstellung ist anzusetzen für Verpflichtungen, die dem Grunde und/oder der Höhe nach unsicher sind. Die Rechtsprechung lässt einen Rückstellungsansatz zu, wenn

  • eine Außenverpflichtung vorliegt,
  • eine Inanspruchnahme wahrscheinlich ist und
  • die Verpflichtung in der Vergangenheit wirtschaftlich verursacht oder rechtlich voll entstanden ist.

 

Fraglich ist bereits, ob (in vollem Umfang) eine Außenverpflichtung vorliegt. Zwar ist die Verpflichtung, der öffentlichen Hand eine elektronische Rechnung zu erteilen, unstreitig eine Außenverpflichtung. Dies ist im Übrigen auch höchstrichterlich geklärt. Denn nach dem BFH (25.2.86, VIII R 134/80) dürfen für die Abrechnungsverpflichtung nach VOB Rückstellungen handels- und steuerrechtlich gebildet werden. Wesentliche Urteilsgründe waren hier, dass es sich um eine Nebenpflicht aus VOB/B handelte, die anders als bei Standard-Fakturaprozessen nicht mit einem unerheblichen Aufwand verbunden war. Das bautypische Aufmaß ist ein Bauabnahmeprozess, der ‒ insbesondere bei größeren Bauten ‒ erheblichen Aufwand erfordert. Der BFH hat hier entschieden, dass die Abrechnungsverpflichtung zu Vollkosten anzusetzen ist.

 

Beachten Sie | Zu bedenken ist, dass viele XRechnungen Standardrechnungen sind, die nur einen geringen Aufwand machen werden. Dies gilt selbstverständlich nicht für XRechnungen, die nach VOB/B für den Baubereich ‒ einem der Hauptanwendungsgebiete der XRechnung ‒ zu erstellen sind.

 

Viel kritischer ist die Frage, ob z. B. die Umprogrammierung eines individuellen Warenwirtschaftssystems als Außenverpflichtung aufgefasst werden kann. Denn es besteht ja keine Pflicht gegenüber der öffentlichen Hand, die XRechnung im Rahmen eines effizienten Fakturaprozesses zu erstellen. Es könnte eingewandt werden, dass preiswerte Programme am Markt zu lizenzieren sind. Dem kann indes erwidert werden, dass der Kaufmann bei vielen Rechnungen an öffentliche Auftraggeber nur dann wirtschaftlich handelt, wenn er effiziente Softwareprozesse einführt. Es bleibt deshalb streitbehaftet, wie umfangreich die Außenverpflichtung ist.

 

Eine Verpflichtung ist stets erst dann anzusetzen, wenn sie rechtlich voll entstanden ist oder wenn sie davor wirtschaftlich verursacht ist. Hier ist anzuführen, dass eine rechtliche Pflicht zur Übermittlung elektronischer Rechnungen ab dem 27.11.20 unstreitig besteht. Somit ist die Pflicht an diesem Tag rechtlich voll entstanden. Es ist deshalb zu fragen, ob die Verpflichtung nicht bereits davor wirtschaftlich verursacht ist. Doch dies hat der BFH (19.5.87, VIII R 327/83) im sogenannten Hubschrauberfall generell abgelehnt.

 

Für Hubschrauber besteht eine Wartungspflicht nach einer bestimmten Anzahl von Flugstunden. Wird diese Wartung nicht vorgenommen, darf der Hubschrauber nicht mehr betrieben werden. Der BFH hat ‒ zu Recht ‒ eine Rückstellung abgelehnt, da eine Wartung nur vorgenommen wird, wenn der Kaufmann den Hubschrauber weiter betreiben will. Damit war die Verpflichtung zukunftsorientiert.

 

Die Hubschrauberfall-Urteilsgrundsätze gelten auch für die Verpflichtung zur Abrechnung in Form einer XRechnung. Damit sind umfangreiche Softwareprojekte nach den Kriterien des Hubschrauberfalls zu beurteilen und damit nicht rückstellungsfähig. Es gibt jedoch auch den Ausnahmefall, dass ein Kaufmann wegen langfristig bestehender Verträge in eine solche Abrechnungspflicht hineinwächst. In diesem Fall kann er sich der Abrechnungspflicht nicht entziehen. Deshalb dürfte unstreitig sein, dass in einer Liquidationsbilanz eine entsprechende Verpflichtung anzusetzen ist. Allerdings spricht eine Liquidationsabsicht nicht für ein umfangreiches Software-Projekt, sondern ganz eindeutig nur für eine Minimallösung. Die Rückstellung dafür dürfte sich in vielen Fällen im unbedeutenden Bereich bewegen.

 

Eine Rückstellung ist zudem nicht zulässig, wenn sie zu Anschaffungs- oder Herstellungskosten führt. Die Aufwendungen für eine Software sind dann keine Anschaffungs- oder Herstellungskosten, wenn sie Erhaltungsaufwand darstellen.

 

MERKE | Die Umstellung eines Rechnungsschreibungsmoduls von einer Papierrechnung auf eine XRechnung stellt eindeutig keine über den ursprünglichen Zustand hinausgehende wesentliche Verbesserung dar. Vielmehr wird die Software auf den neuen Mindeststandard gebracht. Softwareupdates sind deshalb stets als Aufwand zu buchen. Soweit nach dem 27.11.20 öffentliche Leistungen erbracht werden und bis zum 31.12.20 kein Softwareupdate erfolgt, kann deshalb eine Instandhaltungsrückstellung gebildet werden, wenn das Update bis zum 31.3.21 vorgenommen wird. Nach der hier vertretenen Auffassung ist entsprechend der Urteilsgründe zur Abrechnungsverpflichtung nach VOB/B auch darüber hinaus zwingend eine Rückstellung zu bilden.

 

Anders ist es zu beurteilen, wenn eine Erweiterung einer Software vorliegt. Werden z. B. Rechnungen bisher mit einer Textverarbeitungssoftware angefertigt, so ist die erstmalige Lizenzierung einer Rechnungsschreibungssoftware im Rahmen der eingesetzten Fibu-Software eindeutig eine Erweiterung. Diese Erweiterung führt zu Anschaffungs- oder Herstellungskosten, für die eine Rückstellung ausgeschlossen ist.

 

FAZIT | Die Erstellung der XRechnung wird bei geringen Fallzahlen vermutlich relativ preiswert möglich sein. In einzelnen Fällen kann die XRechnung jedoch auch ein umfangreiches Softwareprojekt mit erheblichen Kosten nach sich ziehen. Dennoch sind Rückstellungen ‒ außer in seltenen Einzelfällen und in geringem Umfang ‒ trotz einer gesetzlichen Pflicht zur elektronischen Rechnungserteilung nach der hier vertretenen Auffassung nicht zulässig. Zur Vermeidung von Imageschäden bei einem öffentlichen Auftraggeber und der ggf. komplexen Softwareumstellung ist eine zügige Umsetzung der neuen Anforderungen zu empfehlen.

 
Quelle: Seite 231 | ID 45991084