· Fachbeitrag · Kapitalgesellschaften
BMF präzisiert die Regeln zum fortführungsgebundenen Verlustvortrag nach § 8d KStG (Teil 2)
von StB Dipl.-Finw. (FH) Dennis Liboschik, Dortmund
| Kürzlich hat sich das BMF (18.3.21, IV C 2 - S 2745-b/19/10002:002, Abruf-Nr. 222251 ) zu den Kriterien des § 8d KStG (fortführungsgebundener Verlustvortrag) umfassend geäußert. Im 1. Teil des Beitrags ( MBP 21, 123 ) wurden die Einstiegsvoraussetzungen und die Besonderheiten bei der Antragstellung betrachtet. In diesem Teil geht es nun um die Beurteilung eines schädlichen Ereignisses im Nachbetrachtungs- sowie im Beobachtungszeitraum B (Fälle des § 8d Abs. 2 KStG). |
1. Schädliches Ereignis nach § 8d Abs. 2 KStG
§ 8d KStG erfordert u. a., dass
- die Körperschaft seit ihrer Gründung oder seit dem Beginn des dritten VZ, der dem VZ des schädlichen Beteiligungserwerbs vorausgeht, bis zum schädlichen Beteiligungserwerb (= Beobachtungszeitraum A) ausschließlich denselben Geschäftsbetrieb unterhält und
- von dem zuvor genannten Zeitpunkt bis zum Schluss des VZ des schädlichen Beteiligungserwerbs (= Beobachtungszeitraum B) kein Ereignis i. S. des § 8d Abs. 2 KStG stattgefunden hat.
Beachten Sie | Aber auch der Zeitraum nach dem VZ des schädlichen Erwerbs bis zur finalen Verrechnung des kompletten fortführungsgebundenen Verlustvortrags steht noch im Fokus der Überwachung durch die Finanzverwaltung (Nachbetrachtungszeitraum).
§ 8d Abs. 2 S. 1 KStG nennt als schädliches Ereignis die Einstellung des Geschäftsbetriebs. Ein anderes schädliches Ereignis liegt nach S. 2 vor, wenn
- der Geschäftsbetrieb ruhend gestellt wird,
- der Geschäftsbetrieb einer andersartigen Zweckbestimmung zugeführt wird,
- die Körperschaft einen zusätzlichen Geschäftsbetrieb aufnimmt,
- die Körperschaft sich an einer Mitunternehmerschaft beteiligt,
- die Körperschaft die Stellung eines Organträgers i. S. des § 14 Abs. 1 KStG einnimmt oder
- auf die Körperschaft Wirtschaftsgüter übertragen werden, die sie zu einem geringeren als dem gemeinen Wert ansetzt.
Bei der Einstellung des Geschäftsbetriebs oder bei Eintritt eines schädlichen Ereignisses i. S. des § 8d Abs. 2 S. 2 KStG im Nachbetrachtungszeitraum geht der auf den Schluss des vorhergehenden VZ festgestellte fortführungsgebundene Verlustvortrag unter. Erfolgen diese Ereignisse jedoch im Beobachtungszeitraum B, ist § 8d KStG gar nicht erst anzuwenden.
Eine Kürzung des fortführungsgebundenen Verlustvortrags unterbleibt nach § 8d Abs. 2 S. 1 HS 2 KStG i. V. mit § 8c Abs. 1 S. 5 bis 8 KStG, soweit im Inland steuerpflichtige stille Reserven vorhanden sind. Der danach verbleibende Verlustvortrag ist nicht mehr als fortführungsgebundener Verlustvortrag gesondert auszuweisen und festzustellen. Bei der entsprechenden Anwendung der Stille-Reserven-Klausel des § 8c Abs. 1 S. 5 bis 8 KStG sind die zum Schluss des dem schädlichen Ereignis vorangegangenen VZ vorhandenen stillen Reserven zugrunde zu legen (BMF 18.3.21, Rz. 68 f.).
Bei unterjährigem Eintritt eines schädlichen Ereignisses wird der zum Schluss des vorangehenden VZ festgestellte fortführungsgebundene Verlustvortrag gekürzt. Eine Kürzung laufender Verluste, die bis zum Eintritt des jeweiligen schädlichen Ereignisses entstanden sind, oder eine Verrechnung von bis zum Eintritt des jeweiligen schädlichen Ereignisses entstandenen positiven Ergebnissen mit dem zuletzt festgestellten fortführungsgebundenen Verlustvortrag erfolgt nicht (BMF 18.3.21, Rz. 67).
2. Einstellung des Geschäftsbetriebs
Ein Geschäftsbetrieb wird eingestellt, wenn er nach den Grundsätzen der Betriebsaufgabe beendet wird. Erforderlich ist eine Willensentscheidung oder Handlung, die darauf gerichtet ist, dass der Betrieb als selbstständiger Organismus nicht mehr in seiner bisherigen Form bestehen bleiben soll. Der Geschäftsbetrieb muss wirtschaftlich aufgehört haben, werbend tätig zu sein (BMF 18.3.21, Rz. 63).
Eine Einstellung des Geschäftsbetriebs liegt nach Ansicht des BMF bereits vor, wenn die verbleibende Tätigkeit im Vergleich zur bisherigen Tätigkeit nur noch unwesentlich ist. Davon kann grundsätzlich ausgegangen werden, wenn sich der Umsatz im Vergleich zur bisherigen Tätigkeit um mehr als 90 % reduziert.
MERKE | Stellt die Verlustkörperschaft, deren einheitlicher Geschäftsbetrieb mehrere selbstständige Betätigungen umfasst (vgl. hierzu Teil 1 des Beitrags), eine Betätigung ein und verbleibt noch mindestens eine Betätigung, führt diese Einstellung nicht ‒ auch nicht quotal ‒ zu einem Untergang des zuletzt festgestellten fortführungsgebundenen Verlustvortrags nach § 8d Abs. 2 KStG. Der Geschäftsbetrieb mit seiner verbleibenden Betätigung ist dann der maßgebliche Geschäftsbetrieb der Verlustkörperschaft. Entsprechendes gilt für die Ausgliederung (BMF 18.3.21, Rz. 65). |
3. Ruhendstellung des Geschäftsbetriebs
Als Ruhendstellung des Geschäftsbetriebs gilt die unternehmerische Entscheidung, den Geschäftsbetrieb trotz Möglichkeit der Fortführung nicht weiterzuführen. Somit ist es nur folgerichtig, dass z. B. vorübergehende Betriebsschließungen wegen behördlicher Anordnung bzw. als Maßnahme des Gesundheitsschutzes unschädlich sind für die weitere Anwendung des § 8d KStG. Dies gilt auch bei temporären, krankheitsbedingten Unterbrechungen bei personenabhängigen Tätigkeiten (BMF 18.3.21, Rz. 26).
Allerdings ist die Verpachtung eines Geschäftsbetriebs im Ganzen einer schädlichen Ruhendstellung gleichgestellt. Auch eine nur zeitweise Ruhendstellung ist für die Anwendung des § 8d KStG schädlich. Davon ausgenommen sind jedoch unwesentliche, kurze Betriebsunterbrechungen (z. B. vierwöchige Betriebsferien, Schließung eines Ladenlokals für sechs Wochen wegen umfassender Renovierungsarbeiten) oder branchenspezifische Unterbrechungen (z. B. Schließung eines Eiscafés in den Wintermonaten).
4. Zuführung zu einer andersartigen Zweckbestimmung
Ein wesentliches Tatbestandsmerkmal, das die Finanzgerichte wegen der Auslegbarkeit der Begrifflichkeiten künftig beschäftigen dürfte, ist die schädliche Zuführung des Geschäftsbetriebs zu einer anderen Zweckbestimmung.
Die Grundaussage ist (BMF 18.3.21, Rz. 31), dass die Körperschaft die Zweckbestimmung ihres Geschäftsbetriebs und damit ihre Branche nicht wesentlich verändern darf. Ein schädlicher Branchenwechsel liegt bei einer wesentlichen Änderung der wirtschaftlichen Betätigung bzw. des tatsächlichen Gegenstands des Unternehmens vor. Die Änderung des satzungsmäßigen Unternehmensgegenstands wertet das BMF als ein Indiz für einen Branchenwechsel (Ausnahme: redaktionelle Anpassungen).
Beachten Sie | Solange ein Sach- und Förderzusammenhang bestehen bleibt, ist eine Anpassung an dauerhaft veränderte wirtschaftliche oder gesellschaftliche Rahmenbedingungen unschädlich.
|
|
|
Während die Kriterien „Einstellung und Ruhendstellung des Geschäftsbetriebs“ recht eindeutig auszulegen sind, wird es bei dem Terminus „Zuführung des Geschäftsbetriebs zu einer andersartigen Zweckbestimmung“ schon deutlich schwieriger. Die voranstehenden Ausführungen und Beispiele lassen lediglich Tendenzen erkennen. Etwaige Änderungen des Geschäftsmodells sollten vor diesem Hintergrund gut durchdacht und wohlüberlegt sein.
5. Aufnahme eines zusätzlichen Geschäftsbetriebs
Ob eine schädliche Aufnahme eines zusätzlichen Geschäftsbetriebs i. S. des § 8d Abs. 2 S. 2 Nr. 3 KStG vorliegt, bestimmt sich nach den Grundsätzen der Rz. 16 ff. (vgl. hierzu auch die Ausführungen im 1. Teil des Beitrags). Danach liegt keine schädliche Aufnahme eines zusätzlichen Geschäftsbetriebs vor, wenn die zusätzliche Betätigung entweder in einem Förder- und Sachzusammenhang mit dem vorhandenen Geschäftsbetrieb steht oder wirtschaftlich nicht ins Gewicht fällt. Organische Veränderungen eines wachsenden Unternehmens stellen keine schädliche Aufnahme eines zusätzlichen Geschäftsbetriebs dar (BMF 18.3.21, Rz. 33).
MERKE | Ein bereits vorhandener Geschäftsbetrieb, der bisher wirtschaftlich nicht ins Gewicht fällt und an Bedeutung zunimmt, kann als Aufnahme eines zusätzlichen Geschäftsbetriebs angesehen werden! |
|
Die V-GmbH betreibt ein Restaurant und eröffnet in einer anderen Stadt ein weiteres Restaurant. Der Auftritt beider Restaurants erfolgt unter dem gleichen Markennamen bei gleichem Speise- und Getränkeangebot. Es gelten einheitliche Qualitäts- und Servicestandards. Der Wareneinkauf erfolgt zentral für beide Restaurants.
Lösung: Die angebotenen Dienstleistungen und Produkte geben hier dem Geschäftsbetrieb ihr Gepräge. Durch die einheitlichen Qualitäts- und Servicestandards wird ein hoher Wiedererkennungswert beim Kunden erreicht. Beide Restaurants stehen daher im gegenseitigen Förder- und Sachzusammenhang, sodass die Eröffnung des zweiten Restaurants kein schädliches Ergebnis i. S. des § 8d Abs. 2 KStG darstellt. |
Wird ein Betrieb oder Teilbetrieb im Rahmen eines Umwandlungsvorgangs übertragen und werden die Werte mit dem gemeinen Wert angesetzt, kann dies eine schädliche Aufnahme eines zusätzlichen Geschäftsbetriebs beim übernehmenden Rechtsträger darstellen, wenn es sich aus der Sicht des übernehmenden Rechtsträgers um einen selbstständigen Geschäftsbetrieb handelt.
Werden die übernommenen Wirtschaftsgüter dagegen mit dem Buch- oder Zwischenwert angesetzt, liegt bereits ein schädliches Ereignis i. S. des § 8d Abs. 2 S. 2 Nr. 6 KStG vor. Auf die Beurteilung, ob ein selbstständiger Geschäftsbetrieb vorliegt, kommt es in diesen Fällen nicht an.
Auch das Ereignis „Aufnahme eines zusätzlichen Geschäftsbetriebs“ ist und bleibt auslegungsbedürftig. Eine derart klare Konstellation, wie im o. g. Beispiel der Finanzverwaltung, dürfte in der Praxis eher die Ausnahme sein.
6. Beteiligung an einer Mitunternehmerschaft
Unter § 8d Abs. 2 S. 2 Nr. 4 KStG fallen sowohl Mitunternehmerschaften i. S. des § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 EStG (einschließlich atypisch stiller Beteiligungen) als auch gewerblich infizierte sowie gewerblich geprägte Personengesellschaften (§ 15 Abs. 3 Nr. 1 und Nr. 2 EStG). Auf die Höhe oder die wirtschaftliche Bedeutung der Beteiligung kommt es nicht an.
MERKE | Vermögensverwaltende Personengesellschaften und typisch stille Beteiligungen stellen keine Mitunternehmerschaften dar und werden von § 8d Abs. 2 S. 2 Nr. 4 KStG nicht erfasst. Ausnahme: Das Halten von Beteiligungen an vermögensverwaltenden Personengesellschaften ist so bedeutsam, dass darin ein weiterer selbstständiger Geschäftsbetrieb zu sehen ist (schädliches Ereignis i. S. des § 8d Abs. 2 S. 2 Nr. 3 KStG; BMF 18.3.21, Rz. 40). |
7. Einnahme der Stellung eines Organträgers
Wird die Stellung eines Organträgers eingenommen, ist dies für § 8d KStG schädlich. Dies gilt auch, wenn die Gesellschaft in einer Organschaftskette sowohl Organträger als auch Organgesellschaft ist. Die Stellung einer Organgesellschaft i. S. des § 14 Abs. 1 oder § 17 Abs. 1 KStG ist jedoch unschädlich.
8. Übertragung von Wirtschaftsgütern unterhalb des gemeinen Werts
Die Übertragung von Wirtschaftsgütern im Rahmen eines Umwandlungsvorgangs stellt ein schädliches Ereignis i. S. des § 8d Abs. 2 S. 2 Nr. 6 KStG dar, wenn sie mit einem geringeren als dem gemeinen Wert (also mit einem Buch- oder Zwischenwert) angesetzt werden.
FAZIT | Das BMF hat zur Auslegung der schädlichen Ereignisse (§ 8d Abs. 2 KStG) im Nachbetrachtungs- sowie im Beobachtungszeitraum B ausführlich Stellung bezogen. Während manche Ereignisse klar definiert sind (z. B. Beteiligung an einer Mitunternehmerschaft), sind andere Kriterien auslegungsbedürftig und mangels einschlägiger Rechtsprechung nicht klar abgrenzbar (z. B. die Aufnahme eines weiteren Geschäftsbetriebs). In Zweifelsfällen sollten die betroffenen Unternehmen die bisherige Geschäftstätigkeit fortführen und etwaige neue Geschäftszweige besser in einer neu gegründeten Schwestergesellschaft abbilden. |