· Fachbeitrag · Kfz-Kaskoversicherung
Glasschaden: Kürzung auf „übliche Preise“?
| Bei Kaskoschäden ist wegen entsprechender vertraglicher Regelungen zwischen dem VN und dem Kasko-VR die Klage aus abgetretenem Recht zwar möglich, doch sie steht auf tönernen Füßen. Das wissen die VR. Daher trauen sie sich da noch mehr zu kürzen, als bei Haftpflichtschäden. In diesem Zusammenhang erreichte uns eine Leserfrage zum Glasschaden |
Frage: Mein Mandant betreibt eine Werkstatt. Er hat seit Monaten Probleme bei Kaskoschadensfällen, gerade auch bei Frontscheiben. Sein Stundenverrechnungssatz wird auf meistens 90 EUR gekürzt. Auf Nachfrage heißt es, das sei der übliche Preis. Mehr werde deshalb nicht erstattet. Manchmal heißt es schon im Abrechnungsschreiben, der Stundensatz liege über der „Prüfgrenze“ des VR. Wie weit ist das rechtlich haltbar, und wer legt gegebenenfalls die Üblichkeit fest?
Antwort: Zunächst gilt wie immer, dass der Kasko-VR nicht „die Rechnung“ kürzt, sondern den Erstattungsanspruch des Werkstattkunden. Denn theoretisch zahlt der Kunde die Rechnung und lässt sich das Geld vom VR minus Selbstbeteiligung erstatten. Die Direktabrechnung der Werkstatt mit dem Kasko-VR kürzt nur den Zahlungsweg ab.
1. Den Maßstab bildet der Kaskovertrag
Also kommt es allein darauf an, was der Kunde in seiner Rolle als VN mit seinem Kasko-VR vertraglich vereinbart hat. Es mag ja schon einzelne Gesellschaften geben, die Erstattungshöchstsätze in ihr Vertragswerk aufgenommen haben. Aber gesehen haben wir einen solchen Vertrag noch nicht.
Wenn das so wäre, müsste der Kunde die Differenz bei der Werkstatt selbst bezahlen. Denn wenn er sich auf eine solche Deckelung eingelassen hat („habe ich gar nicht gelesen“ zählt nicht. Wer Verträge ungelesen unterschreibt, hat Pech gehabt.), bindet das die Werkstatt rechtlich in keiner Weise. Das ist dann allenfalls eine Frage der Kundenbindung.
2. Enthält der Vertrag keine Obergrenze, zählt die Rechnung
Enthält der Kaskovertrag aber keine Obergrenze, muss der VR die entstandenen Kosten erstatten (AG Köln 30.6.09, 263 C 480/08, Abruf-Nr. 092389). Dass da noch § 13 AKB steht, liegt daran, dass das Urteil so alt ist. Bei in dieser Frage gleichem Inhalt waren da die AKB noch anders sortiert.
3. Üblichkeit bei ordnungsgemäßem Auftrag ohne Bedeutung
Auf die Frage der werkvertraglichen Üblichkeit kommt es nur an, wenn kein Preis vereinbart wurde (§ 632 Abs. 2 BGB). Wenn die Werkstatt ihre Preise nach den Regeln der Preisangabenverordnung ordnungsgemäß ausgehängt hat und ihre allgemeinen Reparaturbedingungen auf den Aushang verweisen, stellt sich die Üblichkeitsfrage gar nicht.
Wichtig | Wenn die Werkstatt aber auf Zuruf gearbeitet hat und die Preise zwischen ihr und ihrem Kunden nicht vereinbart sind, kommt es doch auf die Üblichkeit an.
Allerdings wird die Üblichkeit nicht von einseitigen Vorstellungen des VR bestimmt. Sie wird vielmehr von den Verhältnissen in der Region geprägt. Es kommt also darauf an, was die Mitbewerber berechnen.
Und alles was in einer sich daraus ergebenden Bandbreite liegt, ist üblich. Der Durchschnitt ist keine Obergrenze, denn der setzt sich ja zwangsläufig aus Drüber und Drunter zusammen, sonst wäre es kein Durchschnitt.
Allerdings: Ausreißerpreise hingegen wären außerhalb des Üblichen. So sagt der BGH im Urteil vom 4.4.06 (X ZR 122/05, Rz. 10, Abruf-Nr. 061058), in dem es um Sachverständigenhonorar ging:
„Als übliche Vergütung kann vor diesem Hintergrund nicht nur ein fester Satz oder gar ein fester Betrag herangezogen werden. Sind die Leistungen einem als einheitlich empfundenen Wirtschaftsbereich zuzuordnen, wie es etwa bei Leistungen aus den Gewerken der Handwerker oder ‒ wie im vorliegenden Fall ‒ bei Sachverständigen der Fall sein wird, kann sich eine Üblichkeit im Sinne des § 632 Abs. 2 BGB auch über eine im Markt verbreitete Berechnungsregel ergeben. Darüber hinaus ist die übliche Vergütung regelmäßig nicht auf einen festen Betrag oder Satz festgelegt, sondern bewegt sich innerhalb einer bestimmten Bandbreite, neben die darüber hinaus aus der Betrachtung auszuscheidende und daher unerhebliche ‚Ausreißer‘ treten können.“
4. Wie setzt man sich gegenüber dem Kasko-VR durch?
Wenn die Werkstatt Kaufmann ist, also z. B. eine GmbH, gilt das Abtretungsgenehmigungserfordernis aus dem Kaskovertrag nicht. Dem steht dann § 354a Abs. 1 HGB entgegen. Dann kann die Werkstatt also eine Klage aus abgetretenem Recht riskieren. Aber Achtung: Das am häufigsten verwendete Abtretungsformular klammert Kaskofälle ausdrücklich aus. Da müssen sie noch mal genau hinschauen. Auch ist oft nur der Anspruch gegen „den gegnerischen VR“ im Abtretungstext vorgesehen. Dann haben Sie gar keine Abtretung des Kaskoanspruchs.
In diesen und in allen anderen Fällen müssen Sie den Kunden selbst ins Boot holen, damit der die Differenz gegen seinen VR einklagt.
Das hinzubekommen, ist oft nicht leicht. Das weiß der VR, deshalb pokert er hoch. Doch sind wir ziemlich sicher, dass er auf Klagezustellung hin zahlen wird. Denn noch ein paar Urteile wie das aus Köln wird er kaum haben wollen.
Weiterführender Hinweis
- Die Sonderausgabe „Die Abrechnung von Kfz-Kaskoschäden“ finden Sie im Download-Bereich von VK (vk.iww.de) unter dem Gliederungspunkt Kfz-Versicherung.