· Fachbeitrag · Kfz-Kaskoversicherung
Kaskoversicherung und Abtretung: Ein Massenproblem und seine Lösungsmöglichkeiten
| Bei der Beratung von Werkstätten stellt sich immer wieder die Frage, wie diese den Anspruchskürzungen bei Kaskoschäden etwas entgegensetzen können. Denn das ist das größte und immer noch verbleibende Problem, wenn man es erst einmal geschafft hat, den Kunden bei Haftpflichtschäden erfolgreich eine anwaltliche Betreuung zu empfehlen. Und nach Möglichkeit soll die Lösung so gestaltet sein, dass der Kunde in keiner Weise belastet wird. |
1. Es gibt nur einen sicheren Weg
Der einzig sichere Weg ist aber nicht ohne Belastung des Kunden möglich. Denn der lautet: Der Kunde in seiner Rolle als VN setzt sich selbst gegen seinen Kasko-VR durch. Nur so kann der nachfolgend beschriebenen Problematik, dass Abtretungen der Ansprüche bei Kaskoschäden sehr dünnes Eis sind, begegnet werden.
Allerdings muss der VR entstehende Anwaltskosten erst dann erstatten, wenn er in Verzug ist. Im Ergebnis heißt das: Erst, wenn er sich nach der wesentlichen Zahlung bezüglich der von ihm gekürzten Positionen querstellt, kommt eine Anwaltskostenerstattung in Betracht. Für die Anwälte ist das nicht kostendeckend.
Also gehen einige Werkstätten den Weg, das eigene Personal hinsichtlich der Kaskoabwicklung zu entlasten und einem Anwalt eine Pauschale für die Betreuung des Kunden zu bezahlen. Die eingesparten Personalkosten zzgl. der Mehrerlöse wegen dann korrekter Regulierung des VR übersteigen, wie man hört, die Kosten für die Pauschale deutlich. Doch, und insoweit stößt dieser Weg nicht überall auf Begeisterung: Ohne Mitwirkung des Kunden geht das nicht. Und es ist schon schwer genug, den Kunden beim Haftpflichtschaden gegen den gegnerischen VR in Stellung zu bringen. Noch schwieriger ist es dann gegen den eigenen.
2. Wo ist das Problem mit den Abtretungen?
Abtretungen der Ansprüche gegen den Kasko-VR sind schon aus Rechtsgründen problematisch. Denn in nahezu jedem Kaskovertrag findet sich eine Regelung, dass eine Abtretung ohne die Genehmigung des VR unwirksam ist. Über diese Hürde kann man in einigen Fällen aber mit verschiedenen Kniffen hinwegkommen.
Doch das jedenfalls derzeitige Kernproblem liegt bereits an der Wurzel: Im am häufigsten verwendeten über die Kfz-Innungen und daraufhin durch die EDV-Systeme der Hersteller und Verbände zur Verfügung gestellten Abtretungsformular ist lediglich eine Abtretung für Haftpflichtschäden formuliert.
Denn dort geht es immer um den Anspruch gegen den Fahrer, Halter und VR des unfallgegnerischen Fahrzeugs. Der Text ist insoweit eindeutig und keiner erweiternden Auslegung fähig. Es gibt also bereits nach dem Formulartext keine Abtretung der Ansprüche des Kunden gegen den eigenen Kasko-VR. Der Gestalter dieses Formulars hat sich dabei offenbar gedacht, dass sich die Verwender des Formulars nicht in Sicherheit wiegen sollen, eine wirksame Abtretung der Kaskoansprüche in den Händen zu haben.
PRAXISTIPP | Prüfen Sie das verwendete Formular. Lesen Sie den Text der Abtretungspassage. Wenn es dort auch nur um die Ansprüche gegen die Unfallgegner geht, hat sich jede weitere Überlegung, wie ohne Mitwirkung des Kunden der Anspruch durchsetzbar ist, erledigt. Denn wenn die Werkstatt schon gar keine Abtretung der Kaskoansprüche hat, ist der Anspruch gegen den Kasko-VR noch immer in den Händen des Kunden. |
Ohne dessen Mitwirkung geht also gar nichts. Wenn es bei der Maxime bleibt, dass der Kunde keinesfalls mehr einbezogen werden darf (Warum eigentlich nicht? Schließlich ist er der Auftraggeber, und was kann die Werkstatt dazu, dass sein VR nicht vertragsgemäß reguliert?), ist das Thema durch.
a) Aber der VR hat doch an uns gezahlt …
In Gesprächen darüber ist die Standardreaktion des Werkstattmitarbeiters ein beherztes „Aber die haben doch den für richtig gehaltenen Teil des Anspruchs an uns gezahlt“. Doch das hilft der Werkstatt in diesem Zusammenhang nicht, denn das Formular enthält unabhängig von der Abtretungspassage auch eine Zahlungsanweisung. Die bestimmt nur, wohin gezahlt werden soll. Ein Forderungsübergang vom Kunden auf die Werkstatt ist damit nicht verbunden. Ganz vereinfacht gesagt, ist das nur die Angabe der Kontonummer, wo das Geld hin soll.
Um sich aber erfolgreich gegen den VR durchsetzen zu können, muss die Werkstatt Forderungsinhaber sein.
b) Ein besseres Formular muss her
Für die Zukunft braucht die Werkstatt folglich ein Formular. Eines, dass mit Unterzeichnung durch den Kunden auch dessen Kaskoansprüche an sie überträgt, soweit das rechtlich möglich ist. Ein solches Formular (Reparaturkosten-Übernahmebestätigung einschließlich Zahlungsanweisung und Abtretung) hält Vogel-Forma (https://vogel-forma.de/) unter dem Bestellcode ABZ1 bereit. Das Formular kann in geeigneten Fällen auch in laufenden Vorgängen helfen, wenn der Kunde es nachträglich unterzeichnet.
c) Doch auch, wenn das Formular das richtige ist, gibt es eine Hürde
Das richtige Formular schafft zwar eine Basis, doch am Ziel ist man damit noch lange nicht. Denn in den Kaskoversicherungsbedingungen (AKB) gibt es die Regelung, dass eine Abtretung ohne Genehmigung des VR unwirksam ist. Und üblicherweise genehmigen VR die Abtretung nicht ausdrücklich. Warum sollten sie es auch tun, wenn man sich durch Nichtgenehmigung eine durchsetzungswillige Werkstatt vom Hals halten kann?
d) Manchmal geht es aber doch
Das Abtretungsgenehmigungserfordernis geht jedoch ins Leere, wenn der Kunde, also der VN, Kaufmann ist. Jede GmbH ist z. B. Kaufmann im Sinne des Handelsgesetzbuchs (HGB), und jeder eingetragene Kaufmann ist das auch. Wenn das versicherte Fahrzeug zum Betriebsvermögen gehört, ist der Kaskoversicherungsvertrag ein kaufmännisches Geschäft, denn der VR ist per se Kaufmann.
Für solche kaufmännischen Geschäfte regelt § 354a Abs. 1 HGB: „Ist die Abtretung einer Geldforderung durch Vereinbarung mit dem Schuldner gemäß § 399 BGB ausgeschlossen und ist das Rechtsgeschäft, das diese Forderung begründet hat, für beide Teile ein Handelsgeschäft, oder ist der Schuldner eine juristische Person des öffentlichen Rechts oder ein öffentlich-rechtliches Sondervermögen, so ist die Abtretung gleichwohl wirksam. Der Schuldner kann jedoch mit befreiender Wirkung an den bisherigen Gläubiger leisten. Abweichende Vereinbarungen sind unwirksam.“
Das ist also das Verbot des Abtretungsverbots im kaufmännischen Geschäftsverkehr, und das gilt für Abtretungsgenehmigungserfordernisse in gleicher Weise. Und diese Regelung ist auf die Abtretungshürde im Kaskovertrag anwendbar (OLG Hamm 5.12.97, 20 U 230/96, VersR 99, 44; OLG Köln 20.11.01, 9 U 39/00, Abruf-Nr. 192996; AG Paderborn 16.8.16, 54 C 98/16, Abruf-Nr. 192677).
Das bedeutet: Wenn der Kunde Kaufmann ist (je nach Marktsegment ist das gar nicht so selten) und die Werkstatt ein korrektes Abtretungsformular hat, das den Kaskoanspruch umfasst, kann sie aus eigener Kraft gegen den Kasko-VR vorgehen und ihn, wenn nötig, auch verklagen.
Das ist dann eine gute Basis, um sich auch bei Kaskoversicherern Respekt zu verschaffen, die es bisher ja gewohnt sind, dass bei Kaskoansprüchen zwar viel telefoniert und geschrieben wird, am Ende aber nichts passiert.
e) Sehr dünnes Eis ist die stillschweigende Genehmigung
Manche Gerichte sehen in der Zahlung des VR an die Werkstatt in der vom VR für richtig gehaltenen Höhe eine stillschweigende, aber ausreichende Genehmigung der Abtretung (OLG Köln 27.1.14, 9 U 149/13, Abruf-Nr. 142008; AG Köln 30.6.09, 263 C 480/08, Abruf-Nr. 092389; AG Düsseldorf 16.12.15, 53 C 233/15, Abruf-Nr. 146172).
Doch es gibt VR, die darauf vorsorglich reagieren. Sie schreiben begleitend zur Zahlung, dass sie der Abtretung ausdrücklich widersprechen und die Zahlung an die Werkstatt nur aufgrund der Zahlungsanweisung erfolgt. Werkstätten nehmen diesen Text oft gar nicht wahr, weil es Ihnen gleichgültig ist, warum das Geld kommt, wenn es kommt. Aber das führt dazu, dass die Rechtsprechung zur stillschweigenden Genehmigung nicht greift.
Dann ist der Weg über die Abtretung verschlossen, und es geht wie oben in diesem Beitrag beschrieben nur mit der Mitwirkung des Kunden.