· Fachbeitrag · Kirchensteuer
Kirchensteuerbelastung optimieren und Erstattung von den Kirchen sichern!
von Dr. Stephan Peters, Warendorf
| Wurde auf ausgeschüttete Dividenden aufgrund vorherigen Kirchenaustritts keine Kirchensteuer einbehalten, ist im Rahmen des späteren Veranlagungsverfahrens Kirchensteuer auch für diese zunächst nicht mit Kirchensteuer belasteten Einkünfte aus Kapitalvermögen im Wege der Zwölftelung festzusetzen und zu zahlen (FG Köln 25.2.16, 11 K 1650/12). |
1. Sachverhalt
Streitig war die Erhebung von Kirchensteuer auf Kapitalerträge, die den klagenden Eheleuten nach ihrem Austritt aus der evangelischen Kirche zugeflossen sind.

Am 24.6.10 sind die Eheleute aus der evangelischen Kirche ausgetreten. Am 31.7.10 erhielten die Eheleute eine Dividendenzahlung. Von dieser Dividendenzahlung wurden Kapitalertragsteuer und Solidaritätszuschlag, aber aufgrund des Kirchenaustritts keine Kirchensteuer einbehalten.
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Besteht die Kirchensteuerpflicht nicht während des gesamten Kalenderjahres, wird für jeden Kalendermonat, in dem die Kirchensteuerpflicht gegeben ist, je ein Zwölftel des Betrages erhoben, der sich bei ganzjähriger Kirchensteuerpflicht als Jahressteuerschuld ergeben würde. […] Soweit Kirchensteuer als Zuschlag zur Kapitalertragsteuer durch den Kirchensteuerabzugsverpflichteten einbehalten wird, ist entscheidend, ob der Gläubiger der Kapitalerträge im Zeitpunkt der Abzugsverpflichtung kirchensteuerpflichtig ist; eine Zwölftelung findet nicht statt (Ähnliche Regelungen enthalten auch die Kirchensteuergesetze der übrigen Bundesländer). |
Mit ihrer Einkommensteuererklärung beantragten die Steuerpflichtigen sodann die Günstigerprüfung für sämtliche Kapitalerträge und die Berücksichtigung des Sparer-Pauschbetrags. Das FA unterwarf die Kapitalerträge sodann dem individuellen Steuersatz unter Berücksichtigung des Sparer-Pauschbetrags. Darüber hinaus erhob das FA anteilig für die Monate Januar bis Juni, also die Zeit bis zum Kirchenaustritt, auch Kirchensteuer auf die nach § 32d EStG versteuerten Kapitalerträge i. H. v. rd. 1.800 EUR.
Gegen die Erhebung der Kirchensteuer auf die Kapitalerträge wandten sich die Eheleute im Einspruchsverfahren ohne Erfolg. Sie waren der Ansicht, dass die Erhebung der Kirchensteuer unzulässig und insoweit keine Zwölftelung vorzunehmen sei.
2. Entscheidung
Die Kläger hatten keinen Erfolg! Zur Begründung weist das Gericht darauf hin, dass die Kirchensteuerfestsetzung auf die Dividendenzahlung rechtmäßig ist, „weil die Kirchensteuer nicht als Zuschlag zur Kapitalertragsteuer erhoben wurde“. Demnach gibt es zwei Möglichkeiten:
- Wird die Kirchensteuer als Zuschlag zur Kapitalertragsteuer einbehalten, kommt es für die Frage der Kirchensteuerpflicht maßgeblich darauf an, ob der Gläubiger der Kapitalerträge zum Zeitpunkt der Abzugsverpflichtung kirchensteuerpflichtig ist. In diesem Fall findet im Rahmen des Kapitalertragsteuerabzugsverfahren keine Zwölftelung statt! Somit war der vorliegend erfolgte Kapitalertragsteuerabzug ohne Erhebung der Kirchensteuer als Zuschlag zur Kapitalertragsteuer zunächst korrekt. Bei dieser Regelung handelt es sich um eine Vereinfachungsregelung zur Erhebung der Kirchensteuer, weshalb diese Rechtsfolge auch nur für die Erhebung der Kirchensteuer als Zuschlag zur Kapitalertragsteuer gelte, so das Gericht. Insbesondere könne der zum Abzug Verpflichtete praktisch auch deshalb keine Zwölftelung vornehmen, weil er im weiteren Verlauf des Jahres erfolgende Veränderungen der Kirchensteuerpflicht durch Ein- oder Austritt noch nicht kennen kann.
- Wird die Kirchensteuer nicht als Zuschlag zur Kapitalertragsteuer durch Abzug vom Kapitalertrag erhoben, erfolgt die Festsetzung der Kirchensteuer am Jahresende. Dies sei typischerweise der Fall, wenn während des gesamten Veranlagungszeitraums eine Kirchensteuerpflicht bestand und die Kirchensteuer nicht einbehalten wurde. Wird die Kirchensteuer aufgrund Sperrvermerks oder sonstigen Gründen bei bestehender Kirchensteuerpflicht demnach nicht abgeführt, hat eine Veranlagung zu erfolgen.
- Das Gleiche gelte auch für den vorliegenden Fall. Da die Kirchensteuer aufgrund der Regelungen zum Einbehalt der Kirchensteuer als Zuschlag zur Kapitalertragsteuer nicht einbehalten wurde, war die Festsetzung der zeitanteiligen Kirchensteuer im Wege der Veranlagung durchzuführen. Dies ergebe sich aus der Systematik des § 51a Abs. 2b ‒ d EStG. Ist daher kein Abzug durchgeführt worden, obwohl zumindest anteilig eine Kirchensteuerpflicht bestand, ist die Kirchensteuer ‒ wie vorliegend erfolgt ‒ zeitanteilig für die Dauer der Mitgliedschaft nach der Zwölftelung gemäß § 5 Abs. 2 S. 1 KiStG NRW festzusetzen und zu erheben. Unter Beachtung dieser Vorgaben war die Entscheidung des FA nicht zu beanstanden.
3. Anmerkungen zur Entscheidung
In Zeiten zunehmender Kirchenaustritte beschäftigt sich die Entscheidung mit einer durchaus praktischen Problematik. In der Praxis wird vor dem Zufluss größerer Dividendenzahlung oftmals der Austritt aus einer Religionsgemeinschaft erwogen. Dieser Austritt kann jedoch nur seine volle Wirksamkeit entfalten, wenn er rechtzeitig erfolgt, also im dem Zufluss der Dividendenzahlung vorangehenden Veranlagungszeitraum. Nur dann entfällt die Kirchensteuer für den Zufluss im darauf folgenden Veranlagungszeitraum vollständig.
Erfolgt der Kirchenaustritt unterjährig, führt dies im Ergebnis auch zu einer Reduzierung der Kirchensteuer. Allerdings je nach landesgesetzlicher Regelung regelmäßig nur zu einer anteiligen Reduzierung (Bsp.: Zwölftelung NRW). Genau an diesem Punkt setzt die Entscheidung des FG Köln an und stellt klar, dass die Zwölftelregelung auch nicht durch die Regelungen zum automatischen Einbehalt der Kirchensteuer als Zuschlag zur Kapitalertragsteuer (§ 5 Abs. 2 S. 4 KiStG NRW) verdrängt werden kann und auch diese Dividenden der Kirchensteuer unterliegen. Dieses Ergebnis wird auch in der Literatur befürwortet (Meyering, DStR 13, 2608). Insoweit ist es auch konsequent, dass das Gericht nicht mehr auf die Frage der Wirkungen des Antrags auf Günstigerprüfung nach § 32d Abs. 6 EStG und des Antrags auf Berücksichtigung des Sparer-Pauschbetrags eingegangen ist.
Voraussetzung ist in diesen Fällen, dass die Anlage KAP ausgefüllt und beim FA eingereicht wird, damit das entsprechende Veranlagungsverfahren angestoßen wird. Die Verkürzung von Kirchensteuer führt in NRW gemäß § 8 Abs. 2 KiStG NRW nicht zu einer Ordnungswidrigkeit oder Straftat, weil die Regelungen des Achten Teils der Abgabenordnung (Straf- und Bußgeldvorschriften, Straf- und Bußgeldverfahren) keine Anwendung finden. Ob die „Hinterziehung“ von Kirchensteuer den Straftatbestand des Betrugs gemäß § 263 StGB erfüllt, hat der BGH (17.4.08, 5 StR 547/07, Rz. 11 ff.) ausdrücklich offengelassen. Allerdings wiesen die Richter beim BGH ausdrücklich darauf hin, dass § 370 AO im Verhältnis zu § 263 StGB für den Tatbestand der Steuerhinterziehung keine abschließende Sonderregelung entfalte und sich auch sonst keine zwingenden Gründe gegen eine Anwendung des § 263 StGB aufdrängen würden.
Auf Kirchensteuer werden in NRW aufgrund der landesrechtlichen Vorschriften gemäß § 8 Abs. 2 KiStG NRW auch keine Verspätungszuschläge (§ 152 AO), Zinsen (u. a. nach § 233a AO) und Säumniszuschläge (§ 240 AO) erhoben.
4. Relevanz für die Praxis
Während sich durch einen unterjährigen Kirchenaustritt anteilige Kirchensteuer sparen lässt, gibt es weitere Möglichkeiten durch Austritt oder Billigkeitsanträge bei den Diözesen oder Landeskirchen einen Teilerlass von Kirchensteuer zu erwirken.
4.1 Kirchenaustritt
Beabsichtigen Steuerpflichtige ohnehin aus einer Religionsgemeinschaft mit Kirchensteuerpflicht auszutreten und zeichnen sich in Zukunft hohe steuerpflichtige Einkünfte ab, so kann ein beabsichtigter Austritt in dem den hohen Einkünften vorangehenden Veranlagungszeitraum vorgezogen werden. Dadurch unterliegen die hohen Einkünfte im folgenden Veranlagungszeitraum nicht der Kirchensteuer. Aus haftungsrechtlicher Sicht kann der Berater sogar verpflichtet sein, über die Folgen eines frühzeitigen Kirchenaustritts hinzuweisen.
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In diesem Fall hatte der BGH über die Frage zu entscheiden, ob der Steuerberater seinen Mandanten auf die steuerlichen Folgen eines Kirchenaustritts in Anbetracht einer anstehenden Gewinnausschüttung hinweisen muss:
Sachverhalt: Der beklagte Steuerberater war ständig mit der steuerlichen Beratung und Betreuung der Kläger und der X-GmbH, an der die Kläger beteiligt waren, beauftragt. Nachdem in den Jahren 1999 und 2000 über die Ausschüttung eines im Jahr 1998 entstandenen Gewinns der GmbH gesprochen wurde, war zunächst von einer Ausschüttung abgesehen worden. Mit Schreiben aus dem Jahr 2001 empfahl der Steuerberater vor dem Hintergrund des Wechsels vom Anrechnungs- zum Halbeinkünfteverfahren den Gewinn zum 31.12.01 auszuschütten. Dadurch könne ein steuerlicher Nachteil i. H. v. rd. 170.000 DM vermieden werden. Auf die dabei entstehende Kirchensteuer wies der Steuerberater nicht hin! Infolge der Ausschüttung mussten die Kläger Kirchensteuer i. H. v. 153.000 DM zahlen. Mit Wirkung zum 30.12.03 traten die Kläger aus der Kirche aus und nahmen in der Folge ihren Steuerberater auf Schadenersatz in Anspruch, weil dieser sie nicht auf die kirchensteuerrechtlichen Folgen hingewiesen habe. |
Dem Grunde nach gingen die Richter beim BGH davon aus, dass der Berater seine Pflichten aus dem Beratungsverhältnis verletzt hat. Zwar sei ein Steuerberater nicht verpflichtet, seinem Mandanten den Kirchenaustritt zu empfehlen. Hat er aufgrund des erteilten Auftrags indes die steuerlichen Vor- und Nachteile verschiedener Gestaltungsmöglichkeiten darzustellen, so muss er in der Regel auch auf die anfallende Kirchensteuer hinweisen, jedenfalls wenn diese das übliche Maß übersteigt. In dieser Konstellation sei die Kirchensteuerbelastung für den Steuerpflichtigen relevant, um verschiedene Gestaltungen gegeneinander abwägen und eine sachgerechte Entscheidung treffen zu können.
Nur ausnahmsweise konnte der Steuerberater nicht in Anspruch genommen werden, weil die Kläger nicht nachweisen konnten, dass sie bei sachgerechter Beratung tatsächlich rechtzeitig aus der Kirche ausgetreten wären und die Kirchensteuer deshalb entfallen wäre. Es konnte auch nicht unterstellt werden, dass die Kläger bei vollständiger Beratung aus der Kirche ausgetreten wären, insbesondere weil neben dem Kirchenaustritt mehrere verschiedene Handlungsalternativen zur Vermeidung einer hohen Kirchensteuerbelastung bestanden hätten, so das Gericht.
FAZIT | Der Steuerberater ist zwar nicht verpflichtet, dem Mandanten den Austritt aus der Kirche zu empfehlen, sollte aber im Zweifel auch auf Fragen der Kirchensteuer hinweisen, um haftungsrechtliche Auseinandersetzungen zu vermeiden. Dies gilt insbesondere, wenn aufgrund des Zusammenspiels aus § 10 EStG und den Regelungen zum Teilerlass von Kirchensteuer bei außerordentlichen Einkünften ein Erstattungsüberhang entstehen kann, der gegebenenfalls neue steuerlichen Konsequenzen im Jahr der Erstattung begründen kann. |
4.2 Antrag auf Kappung der Kirchensteuer
Um kirchenfiskalische Austritte aus finanziellen Gründen unattraktiv zu machen, gelten in allen Bundesländern (ausgenommen Bayern) Kappungsgrenzen für die Bemessung der Kirchensteuer. Die Höhe der Kappungsgrenze variiert zwischen den Bundesländern und liegt zwischen 2,75 % und 4 % des zu versteuernden Einkommens. Während die Kappungsgrenze in einigen Bundesländern automatisch berücksichtigt wird, bedarf es in anderen Bundesländern eines gesonderten Antrags bei der zuständigen Diözese oder Landeskirche.
Sowohl die Höhe der Kappungsgrenze als auch die inhaltlichen und formalen Anforderungen und die Ausgestaltung der Kappung variieren je nach Kirche und Bundesland und sind im Einzelfall zu prüfen. Aktuell gewähren die Kirchen in Bayern keine Begünstigung in Form einer Kappungsgrenze. Automatisch gewährt wird die Kappungsgrenze in den Bundesländern Brandenburg, Berlin, Bremen, Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, Sachsen, Sachsen-Anhalt, Schleswig-Holstein und Thüringen. Auf Antrag gewähren die Kirchen in Nordrhein-Westfalen, Baden-Württemberg, Hessen, Rheinland-Pfalz und im Saarland eine entsprechende Kappung.
Sofern ein Steuerpflichtiger über die positiven Folgen eines frühzeitigen Austritts aus der Kirche hingewiesen wird, aber für die Vergangenheit weiterhin die Kappungsgrenze in Anspruch genommen werden soll, sollte insoweit darauf hingewiesen werden, dass Voraussetzung für die Inanspruchnahme der Kappungsregelung regelmäßig die Mitgliedschaft in einer Kirche zum Zeitpunkt der Antragstellung ist. Nach einem Kirchenaustritt wird die Kappung daher regelmäßig nicht mehr für die vor dem Kirchenaustritt liegenden Veranlagungszeiträume gewährt.
Ob sich ein solcher formloser Antrag lohnt, ist anhand der konkreten Fallgestaltung im Einzelfall zu prüfen. Grundsätzlich lohnt sich ein entsprechender Antrag in Nordrhein-Westfalen bei Steuerpflichtigen, die einzeln veranlagt werden, ab einem zu versteuernden Jahreseinkommen von über 270.000 EUR und bei Verheirateten von über 540.000 EUR. Insbesondere bei hohen kirchensteuerpflichtigen Einkommen ist diese Thematik relevant und kann im Einzelfall zu nicht unerheblichen Auswirkungen führen.
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A ist evangelisch und hat ein zu versteuerndes Einkommen i. H. v. 4.5 Mio. EUR. Darauf entfällt eine Einkommensteuer i. H. v. rund 2 Mio. EUR. Bei 9 % Kirchensteuer entsteht darauf eine Kirchensteuer i. H. v. rd. 180.000 EUR. Weil in dem Bundesland eine Kappung der Kirchensteuer auf 3,5 % des zu versteuernden Einkommens gilt, erhält A eine Kirchensteuererstattung i. H. v. rund 23.000 EUR. | ||
EUR | EUR | |
zvE | 4.500.000 | |
ESt (44,62 %) | 2.007.921 | |
ev. KiSt (9,00 %) | 180.713 | |
KiSt höchstens 3,50 % vom zvE | 157.500 | |
Erstattung wegen Kappung | 23.213 |
Da es sich um eine Billigkeitsmaßnahme der Kirchen handelt, haben Steuerpflichtige keinen Anspruch auf einen entsprechenden Erlass.
Folgende Voraussetzungen formuliert die evangelische Landeskirche im Rheinland:
- Kirchenmitgliedschaft zum Zeitpunkt der Antragstellung
- Formloser schriftlicher Antrag
- Kopie des Einkommensteuerbescheids
- Fristen beachten (ev. Kirche Rheinland: binnen vier Jahre ab Bestandskraft des Steuerbescheids)
- Nachweis der vollständigen Kirchensteuerzahlung
Während die evangelischen Landeskirchen die Möglichkeit der Kappung und die Voraussetzungen transparent auf ihren Internetauftritten veröffentlichen, ist die katholische Kirche insoweit zurückhaltender. Es empfiehlt sich unbedingt die Prüfung im Einzelfall und die Kontaktaufnahme zu der regional zuständigen Kirche. Insbesondere die Fristen zur Geltendmachung der Kappung sind unterschiedlich. Bei der evangelischen Landeskirche in Baden „soll“ der Antrag beispielsweise binnen eines Jahres nach Durchführung der Einkommensteuerveranlagung gestellt werden.
4.3 Außerordentliche Einkünfte
Sind in den der Einkommensteuer unterworfenen Einkünften außerordentliche Einkünfte (insbesondere Abfindungszahlungen, Veräußerungsgewinne) i. S. d. § 34 EStG enthalten, kann ebenfalls ein Antrag auf Teilerlass der Kirchensteuer bei den Landeskirchen oder Diözesen beantragt werden. Entsprechende Formulare zur Beantragung des Teilerlasses sind in vielen Fällen bei den zuständigen Stellen (Diözese, Bistum, Landeskirchen usw.) online abrufbar.
4.4 Erstattungsüberhang infolge von Billigkeitsmaßnahmen
Sowohl beim unterjährigen Kirchenaustritt als auch bei den Billigkeitsmaßnahmen aufgrund Eingreifens der Kappungsgrenze oder wegen der Besteuerung von außerordentlichen Einkünften kommt es nach Ablauf des jeweiligen Veranlagungszeitraums zu einer Erstattung von Kirchensteuer, sofern der begehrte Teilerlass gewährt wird. Diese Kirchensteuererstattung kann im Jahr der Erstattung ‒ insbesondere bei der Erstattung von Kirchensteuer infolge hoher außerordentlicher Einkünfte ‒ zu einem sogenannten Kirchensteuer-Erstattungsüberhang führen (§ 10 Abs. 4b EStG). Von einem Erstattungsüberhang spricht man, wenn die erstatteten Aufwendungen die geleisteten Aufwendungen übersteigen.
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A hat im Jahr 2018 ein zvE i. H. v. 2.500.000 EUR. Hintergrund des hohen zvE ist die Veräußerung seiner Firma im Jahr 2018 für 2.400.000 EUR. A zahlt nach Veranlagung durch das FA rd. 80.000 EUR Kirchensteuer. Aufgrund eines entsprechenden Antrags erstattet die zuständige Kirchensteuerstelle im Jahr 2019 gezahlte Kirchensteuer i. H. v. 40.000 EUR. Aufgrund einer Angestelltentätigkeit hatte A im Jahr 2019 Kirchensteueraufwendungen i. H. v. nur 1.500 EUR. |
Gemäß § 10 Abs. 4b S. 2 EStG ist die erstattete Kirchensteuer zunächst mit anderen im Rahmen der jeweiligen Nummer (hier § 10 Abs. 4b S. 2 EStG) anzusetzenden Aufwendungen zu verrechnen. Ein verbleibender Betrag ist gemäß § 10 Abs. 4b S. 3 EStG dem Gesamtbetrag der Einkünfte hinzuzurechnen.
Für den vorliegenden Fall bedeutet dies, dass ein Betrag i. H. v. 38.500 EUR dem Gesamtbetrag der Einkünfte hinzuzurechnen ist. Der BFH hat insoweit klargestellt, dass der Erstattungsüberhang erst nach Abzug eines Verlustvortrags berücksichtigt werden kann (BFH 12.3.19, IX R 34/17). Beträgt der Gesamtbetrag der Einkünfte nach Verlustverrechnung demnach 0 EUR, kann es aufgrund eines erst nach Verlustverrechnung hinzuzurechnenden Erstattungsüberhangs trotzdem zu einer Einkommensteuerschuld kommen. Nach einer Entscheidung des FG Niedersachsen kann erstattete Kirchensteuer nur dann zu einem Erstattungsüberhang führen und ist demnach nur dann dem Gesamtbetrag der Einkünfte hinzuzurechnen, wenn die Kirchensteuer zuvor als Sonderausgabe abgezogen wurde (FG Niedersachsen 21.11.18, 2 K 25/17).
FAZIT | Weil die Kirchensteuer als Zuschlag zur Einkommensteuer erhoben wird und die Zuständigkeit für die Kirchensteuer nicht ausschließlich bei der Finanzverwaltung, sondern insbesondere im Bereich Billigkeitsmaßnahmen bei den jeweiligen Landeskirchen liegt, ist die Optimierung von Steuersachverhalten im Hinblick auf die Kirchensteuer nicht immer einfach zu koordinieren. Im Einzelfall kann sich insbesondere bei außerordentlichen Einkünften und hohen Einkommen ein Antrag auf Teilerlass von Kirchensteuer bei den jeweiligen Landeskirchen lohnen.
Auch wenn ‒ wie in Bayern ‒ ein solches Verfahren nicht zwingend vorgesehen ist, kann selbstverständlich ein entsprechender Antrag gestellt werden. Das Thema Kirchensteuer ist somit sowohl aus Sicht der Steuerpflichtigen als auch aus Sicht des Beraters nicht zuletzt aufgrund der Entscheidung des BGH (18.5.06, IX ZR 53/05) zur Beraterhaftung ein spannendes Thema. |
Zum Autor | Dieser Beitrag wurde vom Autor nicht in dienstlicher Eigenschaft verfasst, sondern gibt ausschließlich die persönliche Auffassung des Autors wieder.