· Fachbeitrag · Kostenfestsetzung
JVEG: So wird die Partei im Einzelnen entschädigt
von Wolf Schulenburg, geprüfter Rechts- und Notarfachwirt, Berlin
| In RVG prof. 17, 179, haben wir über die mögliche Entschädigung einer Partei nach dem Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetz (JVEG) im Kostenfestsetzungsverfahren berichtet. Der folgende Beitrag schließt hieran an und befasst sich mit den einzelnen Ansprüchen. |
1. Fahrtkostenersatz
Das JVEG unterscheidet zwischen Aufwendungen für den ÖPNV (§ 5 Abs. 1 JVEG) und denjenigen eines eigenen oder unentgeltlich überlassenen Kfz(§ 5 Abs. 2 JVEG). Grundsätzlich ist die Partei bei der Wahl des Beförderungsmittels frei. Allerdings gilt: Bei der Ermittlung des Fahrtkostenersatzes ist die objektiv erforderliche Fahrtstrecke zugrunde zu legen.
MERKE | Was objektiv erforderlich ist, richtet sich nach der sog. Kostenminimierungspflicht. So muss die Partei z. B. nicht zwingend immer die kürzeste Strecke wählen, wenn eine längere Strecke die schnellere ist oder im Einzelfall sogar entstandene Mehrkosten vermieden wurden. Straßensperrungen oder regelmäßiger Verkehrsstau können z. B. Umwege und damit höhere Kosten objektiv erforderlich machen. Auch eine Flugreise kann notwendige Reisekosten (Übernachtung, Verdienstausfall usw.) ersparen. Den Nachweis der Notwendigkeit muss die Partei führen (BayLSG 11.11.16, L 15 RF 26/16). |
a) Aufwendungen für den ÖPNV
Kosten des ÖPNV sind solche der Eisen- und Straßenbahn, S- und U-Bahn, des Fernlinien-/Busses, Schiffs oder auch des Flugzeugs. Grundsätzlich gilt: Es können nur tatsächlich entstandene Kosten geltend gemacht werden. Soweit also z. B. Fahrttickets von einem Dritten (z. B. Arbeitgeber) zur Verfügung gestellt werden oder die Partei eine Freifahrtberechtigung (z. B. als Polizeibeamter, Eisen- oder Straßenbahner, ggf. Stewardess oder Flugbegleiter) hat, besteht kein Erstattungsanspruch.
PRAXISHINWEIS | Die Kosten für die Anschaffung einer Bahncard sind weder anteilig erstattungsfähig, noch können in diesem Fall die Kosten eines Tickets erstattet verlangt werden, die die Partei ohne eine Bahncard hätte zahlen müssen (Meyer/Höver/Bach/Oberlack, JVEG, 26 Aufl., § 5 Rn. 8; NK-GK/Simon/Pannen, 2. Aufl., JVEG § 5 Rn. 18). Für Zeit-, Bezirks-, Netz- oder Verbundkarten gilt dasselbe, soweit die Partei sie nicht aus Anlass der Reise beschafft hat. |
Die Entschädigung für den ÖPNV umfasst dabei die Benutzung der 1. Klasse bei der Bahn sowie etwaige Kosten für Platzreservierung und notwendiges Gepäck. Auch eine Reisegepäckversicherung zählt dazu (ggf. als „sonstige Aufwendungen“ nach § 7 Abs. 1: Meyer/Höver/Bach/Oberlack, a. a. O., Rn. 13).
b) Benutzung eines Kfz
- Benutzung des eigenen Kfz: Hier beträgt die Entschädigung 0,25 EUR pro gefahrenen Kilometer (§ 5 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 JVEG). Damit werden die Abnutzungs-, Anschaffungs-, Betriebs- und Unterhaltungskosten sowie der Wertverlust abgegolten (Hagen Schneider, JVEG, § 5 Rn. 26). Die aus Anlass der Reise regelmäßig anfallenden „baren Auslagen“ (z. B. Park- oder Mautgebühren, Fährkosten) sind neben der Pauschale gesondert zu ersetzen. Gemeint ist hier nicht die zwingend „bare“ Zahlung, sondern ein tatsächlicher Geldfluss, mag er auch mittels Kreditkarte, Handy, PayPal o. Ä. erfolgen (LSG München 3.6.14, L 15 SF 402/13 E).
- Benutzung eines unentgeltlich von einem Dritten überlassenen Kfz: Die Pauschale wird nur gewährt, wenn die Partei zumindest Treibstoffkosten hatte. Übernimmt also z. B. der Dritte sämtliche Kosten, scheidet eine Entschädigung für die Partei aus. Der Dritte selbst besitzt keinen Erstattungsanspruch gegenüber dem Gegner.
- Mitnahme im fremden Kfz: Ein Anspruch auf die Pauschale besteht, wenn die Partei für die Mitnahme einen Anteil an den Betriebskosten (z. B. Benzingeld) zahlen musste. Die Pauschale ist in diesen Fällen aber auf die Höhe der tatsächlichen Kosten (Anteil) beschränkt.
c) Mietwagen, Taxi
Benutzt die Partei einen Mietwagen oder ein Taxi, sind diese Kosten erstattungsfähig, solange sie sich im Rahmen des § 5 Abs. 1 JVEG oder § 5 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 JVEG bewegen (vgl. § 5 Abs. 2 S. 3 JVEG; höhere Kosten aber nach § 5 Abs. 3 JVEG möglich: vgl. LSG München 4.11.14, L 15 SF 198/14). Die Kosten der andernfalls entstandenen notwendigen (fiktiven) Kosten sind somit den tatsächlichen gegenüberzustellen.
d) Benutzung durch mehrere Personen
Nutzen mehrere erstattungsberechtigte Personen ein Kfz, ist die Pauschale nach § 5 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 JVEG auf die Personen (z. B. kopfteilig) zu verteilen. Die Pauschale kann also insgesamt nur einmal beansprucht werden (§ 5 Abs. 2 S. 2 JVEG). Diese Einschränkung gilt also nicht, wenn eine gar nicht erstattungsberechtigte weitere Person im Kfz mitfährt. Dann kann die erstattungsberechtigte Partei ihre vollen Fahrkosten geltend machen.
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Die gemeinsam verklagten Eheleute E 1 und E 2 aus Berlin nehmen an einem Gerichtstermin in Frankfurt a. M. teil. Sie reisen gemeinsam in ihrem Kfz (rd. 1.100 km). E 1 und E 2 obsiegen in dem Rechtsstreit und machen nun u. a. ihren jeweiligen Fahrtkostenersatz geltend. Er beträgt insgesamt 275 EUR (1.100 km x 0,25 EUR).
Lösung Aufgrund § 5 Abs. 2 S. 2 JVEG ist der Betrag in Höhe von 137,50 EUR auf den Erstattungsanspruch eines jeden Ehepartners zu verteilen. |
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Der Beklagte B nimmt an dem Gerichtstermin in Frankfurt a. M. teil. Er reist mit seinem Kfz (rd. 1.100 km) und nimmt in diesem zugleich einen Freund F kostenlos mit. B obsiegt in dem Rechtsstreit und macht nun u. a. seinen Fahrtkostenersatz geltend. Er beträgt insgesamt 275 EUR (1.100 km x 0,25 EUR).
Lösung § 5 Abs. 2 S. 2 JVEG spielt hier keine Rolle, weil F keine erstattungsberechtigte Person i. S. d. JVEG ist. |
e) Höhere Kosten als nach § 5 Abs. 1, 2 JVEG
Höhere Kosten können im Einzelfall erstattungsfähig sein, wenn besondere Umstände vorlagen oder soweit dadurch andere erstattungsfähige Kosten vermieden worden sind (§ 5 Abs. 3 JVEG). Das gilt speziell z. B. bei höheren Flugkosten: Sie können andere Kosten (z. B. Übernachtungskosten, Aufwands- oder die in §§ 20 bis 22 JVEG genannten Entschädigungen) durch die geringere Reisezeit erspart haben. Besondere Umstände können in diesem Fall aber auch weite Auslandsreisen oder die Unsicherheit des Landweges sein. Aber auch Eilfälle, ungewöhnlich schlechte Verkehrsverhältnisse oder körperliche Gebrechen können „besondere Umstände“ darstellen.
f) Anderer Reiseort als in Ladung oder Terminsmitteilung angegeben
Grundsätzlich kann die Partei eine Erstattung nur für die Reise von und zu dem Ort verlangen, der in der Ladung oder Terminsmitteilung angegeben ist. Andernfalls muss die Partei dem Gericht dies unverzüglich anzeigen (§ 5 Abs. 5 JVEG).
MERKE | Teilt die Partei dies aber nicht oder nur verspätet mit, hat das nicht etwa zur Folge, dass sie die Fahrtkosten von oder zu dem anderen Ort nun nicht mehr erstattet verlangen kann. Denn Sinn und Zweck der Vorschrift ist es, dem Gericht durch die Anzeige die Möglichkeit der Entscheidung zu geben, ob es die Partei von dem persönlichen Erscheinen entbindet. Erfolgt demnach keine oder keine unverzügliche Anzeige der Partei und hätte das Gericht sie aber trotz der Anreise von dem anderen Ort zum Termin geladen, spielt das Fehlen dieser Anzeige demnach keine Rolle. Die ggf. höheren Fahrtkosten sind danach erstattungsfähig (OLG Celle RVGprof. 13, 26; LG Potsdam AGS 13, 442; zum ZSEG: OLG Dresden JurBüro 98, 269). |
2. Entschädigung für Aufwand nach § 6 JVEG
Die Bestimmung regelt zwei Dinge: das Tagegeld und das Übernachtungsgeld. Grundvoraussetzung des Anspruchs ist, dass die Partei an einen anderen Ort, als ihren Wohn- oder Geschäftsort, reist oder dort übernachtet.
Ausgeschlossen ist eine Entschädigung aber, wenn sich die Partei aus anderen Gründen bereits am Ort des Termins (z. B. Urlaub, Kurort, Kurs- oder Tagungsort) aufhält, also nicht erst für den Termin anreisen muss.
Mit dem Tagegeld werden pauschaliert die weiteren Kosten abgedeckt, die infolge einer längeren Abwesenheitszeit vom Wohnort oder der Arbeitsstelle entstehen, also insbesondere die Kosten für Verpflegung.
Kosten dafür können also nicht gesondert geltend gemacht werden. Sie sind mit der Pauschale abgegolten.
MERKE | Das gilt insbesondere für die Kosten eines Frühstücks (z. B. im Hotel oder der Pension). Es ist durch § 6 Abs. 1 JVEG abgegolten und kann nicht gesondert beim Übernachtungsgeld (s. nachfolgend) geltend gemacht werden. |
Die Höhe des Tagesgeldes ergibt sich aus dem in § 6 Abs. 1 JVEG genannten § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 5 S. 2 EStG, der wiederum auf § 9 Abs. 4a EStG verweist:
- Abwesenheit (ohne Übernachtung) von min. 8 Stunden = 12 EUR
- Abwesenheit (mit Übernachtung) je Anreise- und Abreisetag = 12 EUR
- Abwesenheit je Kalendertag = 24 EUR
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Die Partei P reist am 1.3.17 aus Berlin nach Frankfurt a. M. und noch am selben Tag wieder zurück. Die Abwesenheit beträgt mehr als 8 Stunden.
Lösung Da P nicht übernachtet, steht ihr eine Aufwandsentschädigung von 12 EUR zu. |
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Die Partei P reist am 1.3.17 aus Berlin nach Frankfurt a. M. und übernachtet dort. Sie fährt am 2.3.17 wieder zurück.
Lösung P kann eine Aufwandsentschädigung von 2 x 12 EUR = 24 EUR geltend machen. |
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Die Partei P reist am 1.3.17 aus Berlin nach Frankfurt a. M. und übernachtet dort. Sie fährt erst am 3.3.17 wieder zurück.
Lösung P kann eine Aufwandsentschädigung für den An- (1.3.) und Abreisetag (3.3.) von 2 x 12 EUR + für den Aufenthalt von einem Tag (2.3.) 24 EUR = insgesamt somit 48 EUR geltend machen. |
MERKE | Wird der Partei vom einem Dritten (z. B. Arbeitgeber, Verwandte, Bekannte oder Freunde) eine Mahlzeit zur Verfügung gestellt, mindern sich die o. g. Pauschalen nach § 9 Abs. 4a S. 8 HS. 1 EStG wie folgt:
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Zu beachten ist dabei aber, dass die Kürzung die jeweils ermittelte Pauschale nicht übersteigen darf (§ 9 Abs. 4a S. 8 HS. 2 EStG).
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Im Beispiel 4 übernachtet die Partei P bei ihrem Bekannten B, wo sie am Anreisetag ein Abendessen und morgens noch ein Frühstück erhält.
Lösung Die Pauschale für den Anreisetag von 12 EUR ist um 9,60 EUR, diejenige des Abreisetages von 12 EUR um 4,80 EUR zu kürzen. Anstelle der im Beispiel 2 berechneten 24 EUR kann P lediglich 9,60 EUR Aufwandsentschädigung geltend machen. |
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Im Beispiel 5 übernachtet die Partei P bei ihrem Bekannten B, wo sie am Anreisetag (1.3.) ein Abendessen und in den beiden Folgetagen jeweils ein Frühstück, Mittag- und Abendessen erhält.
Lösung Die Pauschale für den Anreisetag (1.3.) von 12 EUR ist um 9,60 EUR, diejenige des Tages des Aufenthalts (2.3.) von 24 EUR um 24 EUR und diejenige des Abreisetags (3.3.) von 12 EUR um 12 EUR (Achtung: nicht etwa um 24 EUR, vgl. 2. HS. des § 9 Abs. 4a S. 8 EStG!) zu kürzen. Anstelle der im Beispiel 3 berechneten 48 EUR kann P daher lediglich 2,40 EUR Aufwandsentschädigung beanspruchen. |
Weiterführende Hinweise
- Entschädigung für die Partei nach dem JVEG, RVG prof. 17, 179
- Zeugen- und Sachverständigenvorschuss, RVG prof. 17, 121
- Aktuelles zu den Reisekosten einer Partei, RVG prof. 15, 51
- Partei muss nicht mit ihrem Anwalt anreisen, RVG prof. 14, 38