· Fachbeitrag · Kostenrecht
Kostenerstattungsanspruch bei Selbstvertretung
von VRiOLG Frank-Michael Goebel
| Ein Rechtsanwalt ist nicht davor gefeit, auch selbst einmal in eine Rechtsstreitigkeit involviert zu sein. Er ist gleichsam Verbraucher, Verkehrsteilnehmer oder Nachbar. Aber auch in beruflichen Angelegenheiten kann er schnell in die Situation der Selbstvertretung kommen, wenn er Vergütungsansprüche verfolgen oder Regressansprüche abwehren muss. Für alle Fälle stellt sich die Frage, ob und in welcher Weise er einen Anspruch auf Ersatz der eigenen Rechtsverfolgungskosten hat. Hiermit hat sich das OLG Köln in einer Entscheidung befasst, die positive Aussichten für den Rechtsanwalt bietet. |
Sachverhalt
In einem Vorprozess hatte die Rechtsanwältin den Beklagten und dessen Ehefrau vertreten. Der Prozess endete mit einem außergerichtlichen Vergleich, den die Rechtsanwältin für den Beklagten und dessen Ehefrau unterzeichnete. Sie hatte sich im Rechtsstreit zuvor schriftsätzlich bestellt und anwaltlich versichert, ordnungsgemäß bevollmächtigt zu sein. Der Beklagte hatte die Bevollmächtigung seiner ‒ nun ehemaligen ‒ Rechtsanwältin im dann zugrunde liegenden Rechtsstreit im Hinblick auf die außergerichtliche Vereinbarung bestritten. Eingangs ihrer zeugenschaftlichen Vernehmung im Termin zur mündlichen Verhandlung berief sich die von der Klägerin benannte Rechtsanwältin auf ein Zeugnisverweigerungsrecht aufgrund anwaltlicher Verschwiegenheitspflicht gegenüber dem Beklagten und dessen Ehefrau infolge des Vorprozesses. Der im Termin persönlich anwesende Beklagte gab keine Entbindungserklärung ab.
Es kam dann zu einem Zwischenstreit über die Berechtigung zur Zeugnisverweigerung, wobei das LG die Rechtsanwältin als Zeugin lud. Im Termin erklärte sie, da sie lediglich eine Zeugenladung erhalten habe, habe sie sich nicht auf einen Zwischenstreit, in dem sie Partei sei, vorbereiten können. Die Sache wurde u. a. deswegen vertagt. Zum neuen Termin wurde sie wiederum als Zeugin geladen, während es im Protokoll bei der Benennung der Erschienenen u. a. heißt: „ ... die Zeugin ... als Partei des Zwischenstreits.“ Dem Protokoll ist weiter zu entnehmen, dass, nachdem der Klägervertreter seinen Antrag gestellt hatte, die Rechtsanwältin beantragte „festzustellen, dass sie zur Zeugnisverweigerung berechtigt ist und der Klägerin die Kosten des Zwischenstreits aufzuerlegen.“
Mit Zwischenurteil vom 30.9.16 erklärte das LG die Zeugnisverweigerung der Rechtsanwältin für rechtmäßig. Die Kosten des Zwischenstreits legte es der Klägerin auf und setzte den Streitwert nach dem der Hauptsache auf 105.021 EUR fest. Die sofortige Beschwerde der Klägerin gegen die Entscheidung des LG wies das OLG kostenpflichtig zurück.

Die Rechtsanwältin war nun der Auffassung, ihr stünde die Vergütung eines Verfahrensbevollmächtigten in Höhe von insgesamt 4.698,50 EUR für den Zwischenstreit und 918,09 EUR für das Beschwerdeverfahren zu. Die Klägerin als Kostenschuldnerin macht demgegenüber geltend, die Rechtsanwältin sei nur als Zeugin geladen worden und könne deshalb auch nur als solche vergütet werden. Sie habe im Verlauf des Termins auch nicht erklärt, dass sie sich selbst vertrete, auch nicht konkludent. Die Vertretung sei auch nicht notwendig gewesen.
Das LG hat die Kostenfestsetzung antragsgemäß vorgenommen. Im Zwischenstreit habe die Rechtsanwältin die Stellung einer Partei innegehabt, nicht nur die einer Zeugin. Da sie auch einen anderen Anwalt hätte beauftragen können, sie zu vertreten, sei sie als sich selbst vertretende Rechtsanwältin zu honorieren.
Entscheidungsgründe
Das OLG ist der Auffassung der Rechtspflegerin beim LG gefolgt und hat die zulässige sofortige Beschwerde weitgehend zurückgewiesen. Allein die festgesetzte Umsatzsteuer war nicht festzusetzen. Kurz und prägnant lässt sich die Entscheidung wie folgt zusammenfassen.
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Erste Frage: Muss sich der RA selbst bestellen?
Der Rechtsanwalt als Partei kann nach Ansicht des OLG Köln gemäß § 78 Abs. 4 ZPO verlangen, so behandelt zu werden, wie ein Rechtsanwalt. Eine ausdrückliche Bestellung zum Prozessvertreter sei nicht erforderlich (KG NJW 55, 593; MüKo/Toussaint, ZPO, 5. Aufl., § 78 Rn. 29). Zumindest könne sich die Absicht, als Rechtsanwalt auftreten zu wollen, aus den Umständen ergeben (Musielak/Voit/Weth, ZPO, 14. Aufl., § 78 Rn. 27). Dabei sei im Zweifel anzunehmen, dass der Anwalt als solcher vor Gericht auftritt (BFH DB 85, 28). Die Personenverschiedenheit von Rechtsanwalt und Mandant ist kein kennzeichnendes Merkmal des Anwaltsmandats (BGH NJW 11, 232).
PRAXISTIPP | Um diese Frage nicht zum Problem werden zu lassen, kann es sich empfehlen, kurz darzustellen, dass man sich als Anwalt selbst vertritt. |
Zweite Frage: Welcher Erstattungsanspruch besteht?
Im Normalfall hat der Rechtsanwalt gegen einen Dritten, seinen Mandanten, einen Vergütungsanspruch, der zugleich den Erstattungsrahmen umschreibt. Das ist bei der Selbstvertretung des Rechtsanwalts gerade nicht der Fall. Erlangt der Rechtsanwalt im Falle der Selbstvertretung einen Kostenerstattungsanspruch dem Grunde nach, bestimmt allerdings § 91 Abs. 2 S. 3 ZPO, dass er diejenigen Gebühren und Auslagen erstattet verlangen kann, die er erhalten würde, wenn er einen Dritten vertreten hätte.
MERKE | Die Logik, die hinter § 91 Abs. 2 S. 3 ZPO steht, ist einfacher Natur: Hätte der Rechtsanwalt sich nicht selbst vertreten, hätte er in dieser Zeit ein vergütungspflichtiges Mandat bearbeiten können. Zudem hätte er sich in gleicher Weise wie jede sonstige Partei durch einen Rechtsanwalt erstattungspflichtig vertreten lassen können. Im Fall der Selbstvertretung soll der Schädiger zulasten des geschädigten Rechtsanwalts nicht besser stehen. Man darf wohl von einem allgemeinen Rechtsgedanken sprechen. Es verhält sich nicht anders, wenn der Kfz-Meister sein bei einem Verkehrsunfall beschädigtes Fahrzeug selbst fachgerecht repariert oder ein Inkassounternehmen sich selbst vertritt. |
Zeuge wird im Zwischenstreit zur Partei
Voraussetzung eines Erstattungsanspruchs ist also, dass der Rechtsanwalt Partei ist und sich selbst vertritt. Im Rahmen der Rechtsverfolgung oder -verteidigung als Kläger oder Beklagter steht das nicht in Frage. Im Fall des OLG Köln war die Rechtsanwältin aber Zeugin im Ausgangsverfahren. Im Zwischenverfahren wurde nun über ihr Zeugnisverweigerungsrecht gestritten.
Parteien des Zwischenstreits sind der Zeuge und der Beweisführer, nicht aber dessen Prozessgegner (Zöller/Greger, ZPO, 32. Aufl., § 387 Rn. 3). Der Zeuge erhält für seine Teilnahme am Termin keine Zeugenentschädigung, dies selbst dann nicht, wenn er, etwa weil er auf sein Zeugnisverweigerungsrecht verzichtet, doch noch sogleich vernommen wird (RGZ 43, 409; Zöller/Greger, a. a. O.). Die Kosten des Zwischenstreitverfahrens trägt bei berechtigter Weigerung der Beweisführer, anderenfalls der Zeuge (Zöller/Greger, a. a. O., Rn. 5).
Dass die Rechtsanwältin hier die beiden in Rede stehenden Termine als sich selbst vertretende Rechtsanwältin wahrgenommen hat, ergibt sich ohne Weiteres aus den Umständen des hier zu entscheidenden Einzelfalls. Im ersten Termin erklärte sie, dass sie, was insoweit zutrifft, lediglich als Zeugin geladen worden sei. Obwohl sie im Rahmen des Zwischenstreits eine Parteistellung innehabe, habe sie sich nicht entsprechend vorbereitet. Unter anderem deswegen wurde der Termin vertagt. Die Frage, inwieweit die Rechtsanwältin einer besonderen Vorbereitung bedurft hätte, kann dahinstehen. Aus dem Umstand, dass sie betont hat, im betreffenden Termin eine Parteistellung innezuhaben, ergibt sich nach Ansicht des OLG Köln, dass sie, ohne dies explizit zu erklären, als sich selbst vertretende Rechtsanwältin erschienen war.
Diese Einschätzung wird vertieft durch den Inhalt des Protokolls des zweiten Termins. Hier hat die Rechtsanwältin nämlich einen Haupt- und Kostenantrag gestellt, was nur einer Partei zusteht. Wenn auch das Verfahren gemäß § 387 ZPO nicht dem Anwaltszwang unterliegt, ist das Verhalten und das Prozesshandeln der Rechtsanwältin als anwaltstypisch zu bezeichnen und lässt ohne Weiteres den Schluss darauf zu, dass sie nicht nur als sich selbst vertretende Partei, sondern auch als sich selbst vertretende Rechtsanwältin erschienen und aufgetreten ist.
MERKE | Das steht im Einklang mit § 612 Abs. 1 BGB. Eine Vergütung gilt danach als stillschweigend vereinbart, wenn die Dienstleistung den Umständen nach nur gegen eine Vergütung zu erwarten ist. Wird ein Rechtsanwalt rechtlich tätig, muss im Regelfall von dem Verlangen nach einer Vergütung ausgegangen werden. |
Relevanz für die Praxis
Das OLG kam so zwanglos zu dem überzeugenden Ergebnis, dass der Rechtsanwältin aufgrund der vom LG getroffenen Kostengrundentscheidung gegen die Klägerin ein Kostenerstattungsanspruch gemäß § 91 Abs. 2 S. 3, Abs. 1 ZPO zusteht. Dasselbe gilt für das Beschwerdeverfahren, das die Klägerin gegen den Erlass des Endurteils durch das LG eingeleitet hatte.
Der Höhe nach hat die sofortige Beschwerde der Klägerin aber insoweit Erfolg, als die Rechtspflegerin die Umsatzsteuer in Höhe von 896,77 EUR (750,18 EUR + 146,59 EUR) mit festgesetzt hat. Vertritt sich ein Rechtsanwalt selbst in eigener Sache, liegt kein steuerbarer Umsatz vor, wenn die Angelegenheit zu seinem beruflichen Bereich gehört. In einem solchen Fall liegt mangels Ausführung von Leistungen für Zwecke „außerhalb des Unternehmens“ kein der Umsatzsteuer unterliegender Eigenverbrauch nach § 3 Abs. 9a Nr. 2 UStG vor (BGH NJW-RR 05, 363; OLG Hamburg MDR 99, 764; OLG München MDR 03, 177; KG RVGreport 04, 354, 355; Zöller/Herget, ZPO, § 91 Rn. 13 „Umsatzsteuer“). So lag die konkrete Tätigkeit, weil der Streit um eine anwaltliche Tätigkeit der Rechtsanwältin geführt wurde, im beruflichen Kontext. Damit besteht das Vorsteuerabzugsrecht.
PRAXISTIPP | Dies müssen Sie also im Einzelfall prüfen. Bei einem Verkehrsunfall ohne beruflichen Bezug oder einer mangelhaften privaten Kaufsache wäre die Umsatzsteuer erstattungsfähig. |