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· Fachbeitrag · Krankheits-ABC

Der Herz-Kreislauf-Patient beim Zahnarzt (Teil 1)

von Caroline-Kristina Havers, Fachwirtin für zahnärztliches Praxismanagement sowie Marketing im Sozial- und Gesundheitswesen, Dortmund

| Patienten mit einer Herz-Kreislauf-Erkrankung bedürfen besonderer Fürsorge. Daher werden auf nahezu jedem käuflich zu erwerbenden Anamnesebogen für die Zahnarztpraxis Fragen nach Bluthochdruck, Herzerkrankungen und einem vorhandenen Herzschrittmacher gestellt. Ein Patient, der diese Fragen bejaht, kann ein Risikopatient sein. Das bedeutet, dass vor, während oder nach der Behandlung ggf. Vorsichtsmaßnahmen getroffen werden müssen, damit der Patient durch die geplante zahnärztliche Behandlung nicht gefährdet wird. |

Häufige Herz-Kreislauf-Erkrankungen

Welche Maßnahmen getroffen werden müssen, hängt von der Erkrankung des Patienten und der Art der Behandlung ab. Einige der häufigsten Herz-Kreislauf-Erkrankungen sind Bluthochdruck (arterielle Hypertonie), Herzinsuffizienz, Herzklappenerkrankungen, Herzrhythmusstörungen und Herzinfarkt. Was diese Erkrankungen ausmacht und wie sie sich auf Behandlungen in Zahnarztpraxen auswirken, wird nachfolgend erläutert.

Bluthochdruck

Der normale Blutdruckwert beträgt bei einem Erwachsenen 120/80 mmHg (Millimeter Quecksilbersäule). Im Ruhezustand sinkt der Blutdruck leicht, bei Stress und Anstrengung steigt er an. Ab 140/90 mmHg spricht man von Bluthochdruck. Die „Deutsche Hochdruckliga e.V. DHL® / Deutsche Gesellschaft für Hypertonie und Prävention“ teilt Bluthochdruck in folgende Kategorien ein:

 

  • Bluthochdruckkategorien laut DHL
Kategorie
Systolisch („oberer“ Wert)mmHg
Diastolisch („unterer“ Wert)mmHg

optimal

 < 120

< 80

normal

120-129

80-84

hoch normal

130-139

85-89

leichter Bluthochdruck (Grad 1)

140-159

90-99

mittelschwerer Bluthochdruck (Grad 2)

160-179

100-109

schwerer Bluthochdruck (Grad 3)

> 180

> 110

isolierter systolischer Bluthochdruck

> 140

< 90

 

Bluthochdruck wird durch verschiedene Risikofaktoren begünstigt.Übergewicht, Diabetes, Rauchen, Stress und zu hoher Alkoholkonsum können zu einer Hypertonie führen, aber auch familiäre Veranlagung, Bewegungsmangel, hoher Salzkonsum und Fettstoffwechselstörungen. Schlaganfall, Herzinfarkt und Diabetes sind häufige Folgeerkrankungen der arteriellen Hypertonie.

 

Symptome einer Hypertonie

Ein Patient kann lange Zeit mit Bluthochdruck leben, ohne dass irgendwelche Symptome auftreten. Sie treten oft erst dann auf, wenn bereits Schäden an den kleinen Blutgefäßen entstanden sind. Symptome einer Hypertonie können sein: Nasenbluten, Schweißausbrüche, Kopfschmerzen, Konzentrations- und Sehstörungen, Übelkeit und Erbrechen, Herzrasen und Engegefühl in der Herzgegend sowie Kreislaufprobleme (Schwindel).

 

Bluthochdruck wird am häufigsten mit ACE-Hemmern, Betablockern, Diuretika, Kalziumantagonisten und Sartanen (Angiotensin-Antagonisten) behandelt.

 

Hypertonie in der Zahnarztpraxis - was ist zu beachten?

Ein Patient mit Bluthochdruck bedeutet für die Behandlung in der Zahnarztpraxis z. B. eine erhöhte Blutungsneigung bei chirurgischen Eingriffen, Zahnfleischwucherungen durch Kalziumantagonisten (arterielle Blutdrucksenker) und ggf. Mundtrockenheit durch Wassertabletten (Diuretika). Besondere Vorsicht ist bei der Anwendung von Anästhetika mit Adrenalin geboten, da das Adrenalin den Blutdruck zusätzlich erhöhen kann.

 

PRAXISHINWEIS | Hypertonie ist eine Kontraindikation für eine ambulante Vollnarkose!

 

Herzinsuffizienz

In Deutschland sterben jährlich ca. 57.000 Menschen an den Folgen einer Herzschwäche bzw. Herzinsuffizienz. Von einer solchen spricht man, wenn das Herz die notwendige Pumpleistung zur Versorgung des Organismus nicht mehr erbringen kann. Die Folge ist, dass das Gefäßsystem nicht mehr ausreichend mit Blut gefüllt wird, was zu einer Unterversorgung des Körpers mit Sauerstoff und Nährstoffen führt. Dadurch zieht sich das Herz unkoordiniert zusammen und dies führt zu einer erneuten Verschlechterung der Pumpleistung.

 

Da das Herz versucht, sich an die neue Situation anzupassen, nimmt es an Muskelmasse und Dicke zu (Herzmuskelhypertrophie). Auch die Herzhöhlen dehnen sich aus, dadurch wird das gesamte Herz größer (Dilatation). Jedoch werden die verdickten Herzwände mit der Zeit starrer und durch die Dehnung der Herzhöhlen verschlechtert sich die Kontraktionskraft erneut.

 

Ursachen einer Herzinsuffizienz gibt es viele; die häufigsten sind Bluthochdruck, Durchblutungsstörungen des Herzens, koronare Herzkrankheit und Herzinfarkt(e).

 

Eingeteilt wird die chronische Herzinsuffizienz abhängig von den klinischen Symptomen in verschiedene Schweregrade. Diese Stadieneinteilung wurde von der New York Heart Association (NYHA) entwickelt:

 

  • Chronische Herzinsuffizienz: Stadieneinteilung laut NYHA
Stadium 
Beschreibung 

Keine körperliche Einschränkung. Die alltägliche körperliche Belastung verursacht keine übermäßige Erschöpfung, Rhythmusstörungen, Luftnot oder Angina pectoris. 

II 

Leichte Einschränkung der körperlichen Belastbarkeit. Keine Beschwerden in Ruhe, aber Erschöpfung, Rhythmusstörungen, Luftnot oder Angina pectoris bei alltäglicher körperlicher Belastung. 

III 

Stärkere Einschränkung der körperlichen Leistungsfähigkeit bei gewohnter Tätigkeit; keine Beschwerden in Ruhe. Erschöpfung, Rhythmusstörungen, Luftnot oder Angina pectoris bei geringer körperlicher Belastung. 

IV 

Beschwerden bei allen körperlichen Aktivitäten und in Ruhe; Patient ist bettlägerig. 

 

Eine Herzinsuffizienz wird in der Regel mit ACE-Hemmern, Angiotensinrezeptorblockern (ARB), Diuretika, Betablockern, Aldosteron-Antagonisten, Blutverdünnern und Digitalispräparaten oder einer Kombination dieser Medikamente behandelt.

 

Der Zahnarzt kann eine Herzinsuffizienz auch daran erkennen, dass sich durch die Sauerstoffunterversorgung die Schleimhäute und Lippen, aber auch die Haut und Fingernägel bläulich verfärben. Man spricht dabei von Blausucht (Zyanose). Viele Patienten mit einer Herzinsuffizienz leiden auch an Schlafapnoe. Beide Erkrankungen können sich gegenseitig verschlimmern. Auch bei der Behandlung eines Patienten mit einer Herzinsuffizienz - oder überhaupt einer Herzerkrankung - sollte möglichst adrenalinfreies Anästhetikum verwendet werden.

Herzklappenerkrankungen

Man unterscheidet zwischen Klappenstenose, bei der die Herzklappe verengt ist, und einer Klappeninsuffizienz, bei der die Herzklappe nicht mehr richtig schließt. Durch beide Erkrankungen wird der reguläre Blutfluss im Herzen behindert. Je nach Schweregrad des Klappenfehlers kann sich eine Herzinsuffizienz entwickeln.

 

Ursachen und Symptome von Herzklappenfehlern

Bei ca. einem Prozent der Erkrankten ist der Herzklappenfehler angeboren. Erworbene Schädigungen können durch Infektionen des Herzmuskels, Entzündungen der Herzklappen (z. B. durch eine Endokarditis), Verkalkungen der Klappen im Alter oder die Folgeerscheinung eines Herzinfarkts sein. Diesen Patienten wird in der Regel durch den Kardiologen ein Herzpass ausgestellt.

 

Symptome eines Herzklappenfehlers äußern sich unterschiedlich - je nachdem, welche Herzklappe(n) wie stark und in welcher Art betroffen ist. Durch die Undichtigkeit bzw. Verengung ist die Leistung des Herzens beeinträchtigt. Dies kann zunächst symptomlos verlaufen, sich aber auch z. B. durch Kurzatmigkeit, Schwindelgefühl, Herzrhythmusstörungen und Druckgefühl in der Brust äußern.

 

Da ein Herzklappenfehler ein mechanischer Defekt ist, können Medikamente diesen nicht heilen, wohl aber die Beschwerden lindern. Dafür werden Diuretika, ACE-Hemmer, AT1-Antagonisten, Betablocker, Verapamil (Antiarrhythmika) und Digitalispräparate verwendet. Bei Vorhofflimmern wird ein Blutgerinnungshemmer zur Verhinderung einer Blutgerinnselbildung eingesetzt. Dies sollte vom Zahnarzt z. B. bei der Planung eines chirurgischen Eingriffs beachtet werden.

 

Patient mit Herzklappenfehler: Was muss die Zahnarztpraxis beachten?

Ob ein Patient an einem Herzklappenfehler leidet oder daran operiert wurde, ist eine für den Zahnarzt wichtige Information. Bei allen Patienten mit einer Herzklappenerkrankung - auch wenn eine neue Klappe eingesetzt worden ist - besteht ein Endokarditis-Risiko.

 

Ein besonders hohes Risiko liegt bei mechanischen oder biologischen Herzklappenprothesen, angeborenen, mit „Blausucht“ einhergehenden Herzfehlern und bereits früher abgelaufener bakterieller Endokarditis vor. Rücksprache mit dem Kardiologen oder ein Blick in den Herzpass (wenn vorhanden) können wichtige Informationen über die Erkrankungsform und das Endokarditis-Risiko liefern.

 

Eine Endokarditis-Prophylaxe ist bei allen Eingriffen in der Zahnarztpraxis notwendig, bei denen es zu einer Blutung kommen kann. Dies sind z. B. folgende Behandlungen:

 

  • Zahnsteinentfernung und professionelle Zahnreinigung
  • Injektionen
  • Zahnfleischbehandlungen (z. B. das Einbringen von Antibiotika in die Zahnfleischtasche)
  • Präparationen, bei denen das Zahnfleisch tangiert wird
  • Extraktionen
  • Chirurgische Eingriffe
  • Wurzelbehandlungen
  • Zahnimplantationen oder Reimplantationen

 

Für die Endokarditisprophylaxe werden Penicilline - insbesondere das Amoxicillin - verordnet. Bei einer Penicillinallergie ist Clindamycin eine geeignete Alternative.

 

PRAXISHINWEIS | Vor dem zahnärztlichen Eingriff ist es ratsam, den Patienten mit einer bakterienminimierenden Spüllösung (z. B. Chlorhexidin) spülen zu lassen. Bei Patienten mit schlechter Mundhygiene kann es auch ohne Einwirkung durch den Zahnarzt zu einer Bakterienschwemme kommen. Daher ist die Aufklärung des Patienten und ggf. auch deren Bezugsperson über Mundpflege und sorgfältiger Mundhygiene besonders wichtig.

 

Weiterführender Hinweis

  • Ausblick auf PPZ 2/2017: In Teil 2 werden Herzrhythmusstörungen und Herzinfarkt dargestellt und die Auswirkungen auf zahnärztliche Behandlungen erläutert.
Quelle: Seite 15 | ID 44395990