· Fachbeitrag · Kündigung durch den Mitarbeiter
„Mitarbeiter weg, Chance vertan“ ‒ planvolle Exit-Gespräche verringern die Fluktuation
von Marion Ketteler, Münster, www.kanzleiprofiling.de
| Wenn Mitarbeiter von sich aus kündigen, ist das in der Regel ein herber Verlust. Gerade langjährige Mitarbeiter hinterlassen oft eine große Lücke, weil sie sehr gut mit den Arbeitsabläufen der Kanzlei vertraut sind und eine vertrauensvolle Beziehung zu Kollegen und Mandanten aufgebaut haben, von der alle profitieren. Neue Mitarbeiter zu finden und einzuarbeiten ist nicht nur teuer, sondern kostet zudem viel Zeit und geht mit der Ungewissheit einher, den oder die Richtige(n) neu eingestellt zu haben. |
Warum Sie den „wahren“ Grund i. d. R. nie sofort erfahren
Wenn der Kündigungsgrund durch persönliche Faktoren verursacht ist, etwa durch einen Umzug, kann man den Weggang nur bedauern und möglichst schnell dafür sorgen, dass die Stelle kompetent besetzt wird.
Wenn sich Eigenkündigungen mehren oder langjährige Mitarbeiter das Unternehmen plötzlich ohne erkennbare persönliche Gründe verlassen, sollte das ein Alarmzeichen sein. Und das nicht nur wegen der Mehrbelastung der Kollegen, die neue Kollegen einarbeiten müssen. Vor allem, weil es für das Unternehmen extrem hilfreich ist, den eigentlichen Grund der Kündigung zu kennen. So können wirksame Veränderungsmaßnahmen abgeleitet und Mitarbeiter gebunden werden. In Zeiten des Fachkräftemangels und der Möglichkeit, seine Ex-Arbeitgeber über Portale bewerten zu können, ist das sicherlich keine schlechte Strategie.
Den eigentlichen Grund einer Kündigung zu erfahren, ist für Vorgesetzte allerdings nicht ganz einfach. Viele begehen den Fehler, sich überhaupt nicht nach dem Grund des Weggangs zu erkundigen. Da wird der Mitarbeiter dann auch nicht selten ohne besonderen Dank verabschiedet. Das ist nicht besonders wertschätzend. Zumal die übrigen Kollegen dieses Verhalten auch wahrnehmen, bewerten und auf sich übertragen.
Fragt man allerdings schon im Kündigungsgespräch nach dem Grund des Weggangs, erhält man oft eine falsche oder nicht wirklich zutreffende Antwort. Das hat mehrere Gründe:
- Zum Kündigungszeitpunkt stehen Mitarbeiter und Unternehmen noch in einem Vertragsverhältnis. Da stehen Arbeitsleistungen, Gehaltszahlungen und die Zeugniserstellung aus. Der Mitarbeiter wird weder das Klima noch sein Arbeitszeugnis in den Tagen nach der Kündigung gefährden wollen.
- Ist das Verhalten des Vorgesetzten der eigentliche Anlass der Kündigung, wird man diesen Grund wohl kaum in einem Gespräch mit ihm benennen wollen.
Wie kommt man an die „wahren“ Gründe der Kündigung?
Was zunächst merkwürdig klingt, ist eigentlich ganz einfach: Führen Sie das Exit-Gespräch erst ein paar Monate nach dem Austritt. Das hat den Vorteil, dass sich die Gemüter beruhigt haben. Eine Kündigung ist für beide Seiten eine emotionale Herausforderung.
- Arbeitnehmer: Der, der kündigt, hat trotz sicherlich vieler guter Gründe für seine Kündigung auch immer das Gefühl, irgendwie versagt oder etwas zu spät erkannt zu haben. Gerade langjährigen Mitarbeitern fällt eine eigene Kündigung extrem schwer und obwohl sie bereits ausgesprochen ist, wird sich der Mitarbeiter immer wieder fragen, ob er die richtige Entscheidung getroffen hat. Was er in dieser Kanzlei erwarten kann, weiß er und hat er lange Jahre persönlich erlebt. Wie es in der neuen Kanzlei aussieht, kann er nur ahnen.
- Vorgesetzter: Eine Kündigung von seinem Mitarbeiter entgegenzunehmen und das Gefühl zu haben, dass diese Kündigung nicht von äußerlichen Faktoren bestimmt ist, ist immer auch ein emotionaler Schlag ins Gesicht. Ob er sich nun persönlich verletzt oder sogar angegriffen fühlt oder nur befürchtet, die Arbeit nicht mehr zu schaffen oder die Stelle zeitlich und inhaltlich nicht besetzen zu können. Emotionalen, organisatorischen und finanziellen Mehraufwand bedeutet die Kündigung auf jeden Fall für ihn.
Nach ein paar Monaten hat sich die Situation für beide Parteien verändert und man kann viel gelassener in ein Gespräch gehen. Sie brauchen auch nicht zu befürchten, dass sich viele der ehemaligen Mitarbeiter diesem Gespräch verweigern. In der Regel sind sie sogar ganz froh, ihre wirklichen Beweggründe darlegen zu dürfen, ohne Restriktionen fürchten zu müssen ‒ allerdings nur, wenn Sie die folgenden Hinweise beachten.
Wenn möglich, führt dieses Gespräch nicht der direkte Vorgesetzte
Geht der Mitarbeiter wegen des Vorgesetzten, wird er das auch im späteren Exit-Gespräch mit ihm nicht offen sagen. Menschen sagen anderen Menschen nicht gerne negative Dinge ins Gesicht. Zudem wissen sie oft nicht, wie sie Kritik formulieren sollen, ohne Gefahr zu laufen, den anderen zu verletzen. Hinzu kommt, dass die Hierarchie zwischen dem ehemaligen Mitarbeiter und seinem direkten Vorgesetzten auch nach der Kündigung innerlich bestehen bleibt. Da fühlt sich der Befragte schnell unter Druck gesetzt und gibt seine wahren Beweggründe nicht bekannt. Das Exit-Gespräch würde so seinen Nutzen einbüßen.
Besser ist es also, einen möglichst Unbeteiligten mit diesem Gespräch zu betrauen. Das kann eine andere Führungskraft im Unternehmen, die Personalabteilung oder besser noch ein externer Dienstleister sein, der im Auftrag des Unternehmens das Gespräch führt. Zu diesem hat der Befragte keine emotionale Verbundenheit und kann daher viel offener sprechen. Zudem könnte man so zusätzlich vereinbaren, die Ergebnisse der Gespräche anonymisiert weiterzugeben, sodass der ehemalige Mitarbeiter zusätzlich geschützt wird und das Unternehmen dennoch die wahren Kündigungsgründe erfährt.
Garantieren Sie absolute Vertraulichkeit
Lässt sich ein ehemaliger Mitarbeiter auf das Exit-Gespräch ein, vereinbaren Sie absolute Vertraulichkeit und halten Sie sich bitte auch daran. Oftmals wissen die Kollegen den wahren Grund der Kündigung. Wenn der Chef plötzlich Bemerkungen fallen lässt, die auf diese Gründe hinweisen, schadet das dem Vertrauensverhältnis zwischen dem Chef und den Mitarbeitern. Sicherlich wird dann in Zukunft kein Ex-Mitarbeiter mehr bereit sein, seine wirklichen Kündigungsgründe zu benennen. Die Exit-Gespräche sind für die Unternehmen viel wichtiger als für die Ex-Mitarbeiter. Verschenken Sie dieses wertvolle Instrument nicht aus persönlichen Beweggründen.
Bereiten Sie einen individuellen Fragebogen vor
Stellen Sie die Fragen auf den Mitarbeiter ab. Es geht darum, die persönlichen Beweggründe, die zu dieser Kündigung geführt haben, zu verstehen. Formulieren Sie die Fragen offen und nicht suggestiv, sodass der Gefragte auch die Bereitschaft zeigen kann, seine Motive zu offenbaren. Bekommt der Mitarbeiter das Gefühl, hier werden standardisierte Fragen gestellt, wird er sich nicht öffnen und die persönlichen Beweggründe zur Kündigung verschweigen.
PRAXISTIPP | Machen Sie es dem Ex-Mitarbeiter einfach und vereinbaren Sie einen Telefontermin statt eines persönlichen Treffens. Das bedeutet weniger Aufwand und garantiert eine höhere Zustimmungsbereitschaft zum Gespräch. |
Die Auswertung der Gespräche
Es nützt Ihnen nichts, wenn Sie diese Gespräche führen (lassen) und hinterher die Protokolle in Ihre Schreibtischschublade legen, weil diese ergeben haben, dass die meisten Kollegen Ihretwegen oder wegen anderer Führungskräfte im Unternehmen gegangen sind.
FAZIT | Einer repräsentativen Umfrage von Gehalt.de und der Beratungsfirma Compensation-Partner zufolge sind 45 % aller Kündigungen durch zu wenig Wertschätzung der Vorgesetzten verursacht. Fast jede(r) Zweite verlässt das Unternehmen wegen mangelnden Führungsvermögens der Vorgesetzten. Wie einfach wäre Mitarbeiterbindung, wenn sie wertschätzende Führung lernen würden.
Interessant sind auch Auswertungen zu Kündigungen bezogen auf Unternehmenszugehörigkeit oder Alter der Beschäftigten. Durch die Auswertung der Gespräche wird oft erst erkennbar, was jungen Beschäftigten im Unternehmen fehlt, um zu bleiben oder was neue Mitarbeiter so schnell dazu veranlasst, wieder zu gehen. Durch Exit-Gespräche erhalten Sie wertvolle Hinweise auf Ihre Unternehmenskultur und auf die Wertmaßstäbe Ihrer Mitarbeiter.
Und dann setzen Sie die gewonnenen Erkenntnisse bitte um und verändern Sie die Dinge, die zu den meisten Kündigungen führen. Sicherlich können Sie es nicht jedem Mitarbeiter recht machen. Sie können aber dafür sorgen, dass Sie die Bedürfnisse Ihrer Mitarbeiter ernst nehmen und sich ihrer annehmen. |