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· Fachbeitrag · Kündigung

So können Sie prüfen, ob Sie Messie-Mietern kündigen können

von Assessor jur. Harald Büring, Düsseldorf

| Mieter mit einem Messie-Syndrom werden für Vermieter zum Problem, wenn sie dadurch ihre Wohnung erheblich vernachlässigen. Der Beitrag erläutert, was Sie bei einer Kündigung beachten müssen. |

1. Kündigung von Messies

Bemerkt der Vermieter, dass sich die Wohnung infolge von Vermüllung in einem verwahrlosten Zustand befindet, kommt möglicherweise eine Kündigung des Mieters in Betracht. Infrage kommt zunächst eine ordentliche Kündigung wegen erheblicher Verletzung vertraglicher Pflichten nach § 573 Abs. 2 Nr. 1 BGB. Unter Umständen ist auch eine fristlose Kündigung wegen eines wichtigen Grundes nach § 543 Abs. 1 BGB zulässig.

2. Beispiele aus der Rechtsprechung

Wann die Nutzung einer Mietwohnung als vertragswidrig oder vertragsgemäß anzusehen ist, wird an den folgenden Beispielen aus der unterinstanzlichen Rechtsprechung deutlich.

 

  • Beispiel 1: Vermüllte Mietwohnung mit durchnässtem Boden

Nachdem sich Mitmieter über den Gestank aus einer Mietwohnung beschwert hatten, besichtigte Vermieter V. diese. Dabei stellte sich heraus, dass sich die Wohnung in einem buchstäblich ekelerregenden Zustand befand. Ihr Flur war mit Müll, Papier und Schutt knöcheltief bedeckt. In einer Kiste lagen angebrochene Katzenfutterdosen. Die Decke war mit Insektennestern überzogen. Der Türbereich des Schlafzimmers war mit Papier und Müll auf dem Boden angefüllt. Ähnlich sah der Boden des Wohnzimmers aus. Die Küche war stark vermüllt. Das Badezimmer war verdreckt. Der Parkettboden der Wohnung war teilweise stark durchnässt und verdreckt. In der gesamten Wohnung stank es. V. mahnte den Mieter zunächst vergeblich ab. Dann kündigte er ihm fristlos und klagte auf Räumung.

 

Das AG München gab der Klage statt (ZMR 19, 40, rkr.). Begründung: Ein wichtiger Grund im Sinne von § 543 Abs. 1 und 2 BGB liegt darin, dass der Mieter die Wohnung durch die o. g. Vernachlässigung der obliegenden Sorgfalt erheblich gefährdet hat. Dadurch waren auch Substanzschäden eingetreten. Diese haben nichts gemein mit einer vertragsgemäßen Abnutzung. Aufgrund der Verwahrlosung war die Wohnung zudem mit Ungeziefer befallen. Infolge des damit verbundenen erheblichen Gestanks wurde der Hausfrieden nachhaltig gestört (§ 569 Abs. 2 BGB). Hier konnte dem Vermieter nicht mehr zugemutet werden, dass das Mietverhältnis erst mit Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist endet.

 
  • Beispiel 2: Zaudernder Vermieter

Die Mietwohnung war stark verdreckt und stank unerträglich. Darüber hinaus befand sich in der gesamten Wohnung Unrat. Bad und Küche konnten nicht betreten werden, weil sie mit Gegenständen vollgestellt waren. Vermieter V. sprach sowohl eine ordentliche als auch eine fristlose Kündigung aus.

 

Das AG Neustadt/Aisch entschied, dass V. eine ordentliche Kündigung aussprechen durfte (WuM 17, 196, rkr.): Durch die vertragswidrige Nutzung hatte der Mieter die Mietsache ‒ an der noch keine Schäden eingetreten waren ‒ gefährdet und so seine vertraglichen Pflichten gem. § 573 Abs. 2 Nr. 1 BGB erheblich verletzt. Die fristlose Kündigung war nach Auffassung des AG aber unzulässig. Denn V. hatte diesen Zustand über viele Jahre hingenommen. Infolgedessen fehlte es an der Erheblichkeit und somit an einem wichtigen Grund i. S. d. § 543 Abs. 2 BGB.

 
  • Beispiel 3: Renitenter Mieter

Die Mietwohnung konnte nur über Kriechgänge betreten werden. Darüber hinaus war sie mit Unrat, Kartons mit abgelaufenen Lebensmitteln, aber auch offen herumstehenden, verschimmelten Lebensmitteln vollständig zugestellt. Die Küche konnte gar nicht betreten werden. Im Bad befand sich allerlei Müll. Die Wohnung konnte vor lauter Gestank nur mit geöffnetem Fenster betreten werden. Nachdem Mieter M. nicht zu einer Entmüllung bereit war, mahnte ihn Vermieter V. vergeblich ab und kündigte ihm dann fristlos.

 

Das AG Hamburg-Harburg gab der Räumungsklage statt (ZMR 11, 644, rkr.), denn M. hatte die Wohnung erheblich verwahrlosen lassen und sich dann noch beratungsresistent gezeigt. Hierin liegt ein wichtiger Grund i. S. d. § 543 Abs. 2 Nr. 2 BGB. M. hatte dadurch die Rechte des V. erheblich verletzt und die Mietsache gefährdet.

 
  • Beispiel 4: Gestank durch nicht entsorgte Inkontinenzmaterialien

Mieter M. lebte im Erdgeschoss eines Mehrfamilienhauses in einer behindertengerechten Wohnung. Er war gehbehindert und infolge dessen auf einen Gehilfen und einen Rollstuhl angewiesen. Er musste seine Inkontinenzmaterialien mehrfach am Tag wechseln. Andere Mieter beschwerten sich mehrfach über erhebliche Geruchsbelästigungen. Diese waren so stark, dass sie beim Vorbeigehen an der Wohnungstür kaum zu ertragen waren. Vermieter V. kündigte M. ordentlich.

 

Das AG Hoyerswerda erklärte die Kündigung für rechtens (3.2.15, 1 C 88/14). Denn die intensive Geruchsbelästigung rührte daher, dass M. seine Inkontinenzmaterialien nicht ordnungsgemäß entsorgt hatte. Er wäre hierzu trotz seiner körperlichen Behinderung imstande gewesen. Selbst wenn das nicht der Fall gewesen wäre, hätte er fremde Hilfe in Anspruch nehmen müssen.

 
  • Beispiel 5: Vogelvoliere in Mietwohnung

Mieterin M. hielt in ihrer Wohnung von 51 qm eine Katze, ein Kaninchen und bis zu 80 Vögel in einer Voliere. Der Mietvertrag untersagte das Halten von Katzen. Nachdem sich Nachbarn über Lärm, Gestank und im Treppenhaus abgestellte Gegenstände beschwert hatten, mahnte der Vermieter die M. mehrfach vergeblich ab. Sodann sprach er die fristlose Kündigung aus und klagte auf Räumung.

 

Hierzu entschied das AG Menden: M. musste die Wohnung räumen (WuM 14, 713), denn sie hatte hierdurch auf schwere Weise gegen ihre mietvertraglichen Pflichten verstoßen. Zudem erwies sie sich als unbelehrbar.

 
  • Beispiel 6: Gestank durch Katzenurin

Mieter M. hatte seine Wohnung nicht nur komplett zugestellt. Sie befand sich auch in einem verschmutzten Zustand. Infolgedessen ging von ihr ein erheblicher Gestank aus, der teilweise in andere Wohnungen eindrang.

 

Hierzu entschied das AG Münster, dass die vom Vermieter ausgesprochene fristlose Kündigung aufgrund des Zustands der Wohnung berechtigt gewesen ist (WuM 12, 372; bestätigt durch Zurückweisungsbeschluss LG Münster 15.8.11, 03 S 63/11). Maßgeblich war, dass die unzureichende Hygiene zu einer erheblichen Geruchsbelästigung der Mieter geführt hatte. Der Gestank rührte wohl daher, dass M. über Jahre in seiner Wohnung eine Katze gehalten und nicht sauber gemacht hatte.

 
  • Beispiel 7: Kakerlaken

Mieter M. hatte in seiner Wohnung allerlei Gegenstände gehortet, die teilweise verschmutzt waren. Aufgrund des damit verbundenen Befalls mit zahlreichen Kakerlaken und einem unerträglichen Gestank kündigte Vermieter V. ihm fristlos.

 

Das AG Schöneberg sah die Kündigung wegen der starken Vermüllung und des Befalls von Kakerlaken als berechtigt an (GE 09, 1501, rkr.). Dabei konnte dahinstehen, ob die Vermüllung für den Kakerlakenbefall in anderen Wohnungen des V. ursächlich gewesen ist. Denn ein solcher Zustand ist der ideale Nährboden für Schabentiere. Dies gilt ebenfalls, wenn sie auf anderem Weg in die Wohnung gelangt sind.

 
  • Beispiel 8: Muffiger Geruch

Die etwa 90-jährige Mieterin M. hatte u. a. einzelne Räume ihrer Wohnung mit Gerätschaften, Kleidersäcken und Zeitschriften zugestellt. Es war ein leicht muffiger Geruch entstanden. Darüber hinaus warf ihr Vermieter V. vor, dass sie durch ihr Lüft- und Heizverhalten Feuchtigkeits- und Schimmelschäden verursacht haben soll. Im Folgenden kündigte er ihr fristlos sowie hilfsweise ordentlich.

 

Das LG Siegen sah beide Kündigungen als rechtswidrig an (WuM 06, 158). Ein leicht muffiger Geruch stelle noch keine Verwahrlosung, Vermüllung oder Gefährdung der Wohnung dar. Hierzu hätte sie biologischen Abfall, z. B. verdorbene Lebensmittel, lagern müssen. Darüber hinaus müsse die Mietergemeinschaft bei hochbetagten Mietern gewisse Beeinträchtigungen hinnehmen. Ob M. durch ihr Lüft- und Heizverhalten Feuchtigkeits- und Schimmelschäden verursacht hat, sei nicht entscheidungsrelevant. Denn dies sei dem V. bereits seit mehr als drei Jahren bekannt gewesen und daher sein Einwand verwirkt.

 
  • Beispiel 9: Wohnung mit Plastiktüten vollgestellt

Mieter M. hatte seine Wohnung mit Plastiktüten vollgestellt, die überwiegend Kleidungsstücke enthielten. Man konnte sich nur über Durchgänge fortbewegen, die etwa 50 bis 60 cm breit waren. Fenster und Balkontür konnten nicht geöffnet werden. Das LG Karlsruhe entschied, dass hierin kein hinreichender Grund für eine fristlose Kündigung lag (keine erhebliche Gefährdung der Mietsache nach § 543 BGB; WuM 19, 436). Der Vermieter war jedoch zu einer ordentlichen Kündigung nach § 573 Abs. 1 BGB berechtigt. Begründung: Bei einer derart zugestellten Wohnung kann nicht mehr von einer üblichen Wohnnutzung ausgegangen werden.

 
  • Beispiel 10: Übereilt gekündigt

Vermieter V. hatte Mieter M. wegen seiner vermüllten Wohnung abgemahnt und ihm für die Beseitigung dieses Zustands eine Frist von zwei Wochen gesetzt. Sieben Wochen nach der vergeblichen Abmahnung kündigte er ihm fristlos.

 

Das AG Hamburg wies die Räumungsklage des V. ab (ZMR 18, 832, rkr.). Er hatte die Kündigung zu schnell ausgesprochen. Er hätte damit länger als sieben Wochen warten müssen. So habe M. zu wenig Zeit gehabt, um die Vermüllung zu beseitigen. Dies ergab sich vor allem daraus, dass M. aufgrund einer psychischen Erkrankung alleine nicht dazu in der Lage war und sich hätte Hilfe organisieren müssen. Darüber hinaus hatten sich die Nachbarn nicht über üble Gerüche beschwert.

 

3. Fazit

Wann die Voraussetzungen für eine ordentliche oder fristlose Kündigung vorliegen, hängt nach all dem von den Umständen des Einzelfalls ab. Es reicht in der Regel nicht aus, dass in der Wohnung ein großes Chaos herrscht.

 

Jedoch brauchen Vermieter nicht hinzunehmen, dass Mieter die Wohnung so vermüllen, dass deren Substanz gefährdet wird und Nachbarn durch den damit verbundenen Verwesungsgeruch empfindlich gestört werden. Dies gilt insbesondere, wenn es sich hierbei um Verunreinigungen in Form von nicht beseitigtem Katzenkot handelt bzw. die Wohnung infolge ihres Zustands von Kakerlaken befallen wird.

 

Oft muss der Vermieter den Mieter zunächst abmahnen und ihm dabei genügend Zeit geben, damit er den vertragswidrigen Zustand beseitigt. Sofern dieser hierzu nicht in der Lage ist, muss er auf geeignete Hilfsangebote zurückgreifen.

 

PRAXISTIPP | Rechtsanwälte sollten ihre Vermieter-Mandanten darauf hinweisen, dass sie geeignete Beweise sichern müssen. Hierzu gehören vor allem Bilder der Wohnung und eventuell auch Zeugenaussagen. Darüber hinaus sollten sie mit dem Mieter reden. Häufig steckt hinter dem Messie-Syndrom eine psychische Erkrankung. Am besten sollte er auf einschlägige Hilfsangebote hingewiesen werden.

 

Weiterführende Hinweise

  • Sind abgerissene Tapeten in einer unrenoviert übergebenen Wohnung ein Schaden?, MK 19, 178
  • Ärger bei der Wohnungsrückgabe: Feuchtigkeit, MK 20, 14
  • Ärger bei der Wohnungsrückgabe: Rauchen, MK 19, 125
  • Ärger bei der Wohnungsrückgabe: Badewanne/Waschbecken, MK 19, 166
Quelle: Seite 187 | ID 46765074