· Fachbeitrag · Leitungswasserversicherung
Während des Urlaubs muss der Hauptwasserhahn nicht geschlossen werden
von RiOLG a.D. und RA Dr. Dirk Halbach, Köln
| Ein grob fahrlässiges Verhalten des VN kann zu einem anspruchsmindernden, ggf. sogar anspruchsausschließenden, Mitverschulden führen. Das Abdrehen des Hauptwasserhahns ist dagegen keine Obliegenheit, die der VN nach dem Verlassen einer Wohnung vornehmen muss, um einem Schaden aus einem Rohrbruch entgegenzuwirken, wenn keinerlei Anhaltspunkte für einen drohenden Schaden bestehen. Gegen versteckte mangelhafte Werkleistungen muss ein VN keine Vorkehrungen treffen. |
Sachverhalt
Die Klägerin (Inhalts- und Betriebsunterbrechungs-VR einer Zahnarztpraxis) verlangt nach Regulierung eines versicherten Leitungswasserschadens aus übergegangenem Recht von der Beklagten Schadenersatz sowie Feststellung einer weitergehenden Schadensersatzverpflichtung.
Der VN beauftragte die Beklagte mit der Installation einer Desinfektionsanlage in seiner Zahnarztpraxis. Die Desinfektionsanlage wurde zusammen mit den an die Anlage anschließenden Rohrleitungen von der Beklagten 2016 installiert und gewartet.
Der VN schloss seine Praxis urlaubsbedingt für drei Wochen seit dem 6.7.18. Das Hauptwasserventil für die Räume wurde nicht abgesperrt. Am Morgen des 28.7.18 wurde bemerkt, dass aus der Praxis des VN Wasser schwallartig herauslief. Das Treppenhaus war zu diesem Zeitpunkt bereits überflutet. Der Wasseraustritt erfolgte in einem Praxisraum aus dem durch die Beklagte installierten Wasserrohr. Dort hatte sich ein Verbindungsstück (Winkelfitting) an dem mit der Desinfektionsanlage verbundenen Wasserrohr gelöst.
Die Klägerin regulierte den Inhaltsschaden. Sie begehrt aus übergegangenem Recht Schadenersatz sowie die Feststellung, dass die Beklagte auch zum Ersatz des weiteren Schadens verpflichtet sei. Das LG hat zunächst in einem Zwischenurteil über den Anspruchsgrund entschieden. Dabei hat es eine Mitverschuldensquote von 50 Prozent für den VN berücksichtigt. Gegen dieses Urteil wenden sich beide Parteien mit ihrer Berufung.
Entscheidungsgründe
Die Berufung des VR als hiesige Klägerin hatte vor dem OLG Celle Erfolg (7.4.21, 14 U 135/20, Abruf-Nr. 221861). Der VR hat dem Grunde nach einen vollen Anspruch auf Schadenersatz gem. § 631, § 280 Abs. 1 BGB i. V. m. § 86 VVG. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme hat die Klägerin bewiesen, dass die Beklagte das Rohr fehlerhaft installiert hatte. Diese ist daher dem Grunde nach für den entstandenen Schaden verantwortlich.
Ein Mitverschulden des VN gem. § 254 Abs. 1 BGB liegt nicht vor. Die Vorschrift dürfte auch im vorliegenden Verhältnis zwischen Klägerin und Beklagter anwendbar sein. Denn mit dem Übergang der Forderung gem. § 86 VVG bleiben dem Dritten die bestehenden Einwendungen erhalten (§ 404 BGB). Zu ihnen zählt das Mitverschulden gem. § 254 BGB. Ein grob fahrlässiges Verhalten des eigenen VN kann zu einem anspruchsmindernden, u. U. sogar anspruchsausschließenden Mitverschulden führen. Das kann der Regressschuldner auch dem VR entgegenhalten. Es ist dabei nicht erforderlich, dass der VN gegen ein gesetzliches Verbot verstoßen hat. Es ist auch nicht relevant, welche besonderen vertraglichen Pflichten ihm im Verhältnis zur Klägerin obliegen, die er für einen Versicherungsschutz hätte einhalten müssen.
Übersicht / § 254 BGB |
§ 254 BGB setzt voraus, dass bei der Entstehung des Schadens ein Verschulden des Geschädigten mitgewirkt hat oder er es schuldhaft unterlassen hat, den Schaden abzuwenden oder zu mindern.
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Welche Maßnahmen zu treffen sind, um einen Wasserschaden zu verhindern, richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls. Gemessen daran hat der VN keine Obliegenheitsverletzung begangen, die zu einem Mitverschulden führt.
- Die dreiwöchige Betriebsschließung ohne Absperren des Hauptwasserhahns begründet bereits deswegen keine Obliegenheitsverletzung, weil die Beklagte nicht beweisen konnte, dass die dreiwöchige Betriebsschließung überhaupt kausal für den eingetretenen Schaden gewesen ist. Eine Obliegenheitsverletzung kann aber nur als Mitverschulden berücksichtigt werden, wenn feststeht, dass und inwieweit sie überhaupt mitursächlich für den eingetretenen Schaden gewesen ist. Für einen begründeten Mitverschuldenseinwand hätte die Beklagte beweisen müssen, dass die dreiwöchige Betriebsschließung zu einer Schadensentstehung bzw. -vergrößerung beigetragen hat. Dies ist nicht erfolgt.
- Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass die Zeuginnen am Abend des 27.7.18 noch kein Wasser im Treppenhaus bemerkt haben, sondern erst am Morgen des 28.7.18. Die herbeigerufene Feuerwehr hat festgestellt, dass die Leitung einige Stunden zuvor undicht gewesen sein musste. Nach den Feststellungen des LG, die der Senat übernimmt, konnte der Sachverständige gerade nicht feststellen, dass es bereits vor der Nacht zu einem Wasseraustritt gekommen war. Es wäre daher ebenso möglich, dass sich das Rohr erst am Abend zuvor aus der Muffe zunächst leicht und sodann vollständig gelöst hat. Dann wäre der gesamte Schaden in der Nachtzeit ‒ außerhalb des regulären Praxisbetriebs ‒ entstanden. Dann stünde er in keinem Zusammenhang mit der Betriebsschließung. Die alleinige Möglichkeit, dass bereits über einen längeren Zeitraum Wasser ausgetreten ist, bevor sich das Rohr schließlich endgültig gelöst hat, reicht nicht aus, um ein Verschulden des VN festzustellen.
- Nach der Auffassung des Senats hat der VN auch keine Obliegenheitsverletzung begangen, indem er abends nach Praxisschluss nicht den Hauptwasserhahn abgesperrt hat.
- Beachten Sie | Welche Maßnahmen zur Verhinderung eines Wasserschadens zu treffen sind, richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls, zum Beispiel nach dem Alter des Anwesens und seinen Versorgungsleitungen, nach der Aufteilung der Wohneinheiten, nach der Umgebung des Hauses sowie nach der jeweiligen jahreszeitlichen Witterung. Schutz- und Obliegenheitspflichten, die ein Mitverschulden begründen, müssen danach der Vermeidung realistisch drohender Schäden dienen. Nicht jede denkbare, mögliche und ggf. sogar sinnvolle Schutzmaßnahme führt bei ihrem Unterlassen zu einem Mitverschulden des VN, wenn im Gegenzug der Schadenseintritt denkbar unrealistisch ist.
- Nach diesen Maßstäben erachtet der Senat die Anforderung, der Hauptwasserhahn müsse bei Verlassen der Praxis zugesperrt werden, um der Gefahr von Rohrbrüchen vorzubeugen, für überspannt. Denn das Abdrehen eines Hauptwasserhahns nach dem Verlassen einer Wohnung, um einen Rohrbruch zu verhindern, ist weder üblich, noch kann es von einem vernünftigen, wirtschaftlich denkenden Menschen nach Treu und Glauben verlangt werden. Insofern hat der Sachverständige bekundet, es handele sich bei einer GF-Rohrverbindung um eine unlösbare Verbindung, die auf einen Druck bis 16 bar ausgelegt sei. In dem Haus habe aber gerade ein Wasserdruck von 4 bar geherrscht. Eine Kaltwasserleitung brauche auch nicht gegen eine mögliche Druckerhöhung abgesichert werden.
- Nach der Rechtsprechung des BGH besteht auch keine generelle Pflicht, Leitungen ohne konkreten Anlass einer Generalinspektion zu unterziehen. Da vorliegend kein konkretes Risiko eines Rohrbruchs, z. B. aufgrund des Alters der Sanitäranlagen, bestanden hat, war ein Absperren des Hauptwasserhahns bei alleiniger nächtlicher Abwesenheit nicht erforderlich. Im Gegenteil war das streitgegenständliche Rohr neu. Gegen mangelhafte Werkleistungen muss ein VN keine Vorkehrungen treffen.
- Es liegt auch keine Obliegenheitsverletzung vor, weil der VN die Praxis verlassen hat, ohne die Wasserzufuhr zur Desinfektionsanlage abzusperren. Nach der Aussage des Sachverständigen wäre dies technisch bei korrekter Montage des GF-Rohrs nicht erforderlich gewesen, weil eine sachgerechte Installation des Rohres unlösbar sei. Das Rohr sei dauerhaft dicht. Wenn bei einer sachgerechten Montage das Rohr dauerhaft dicht ist, gibt es keinen zwingenden Grund, die Wasserzufuhr zur Desinfektionsanlage abzustellen. Es existiert gerade kein allgemeiner Erfahrungssatz dahingehend, dass Rohrverbindungen grundsätzlich anfällig seien und daher ständigem Wasserdruck nicht standhielten.
Relevanz für die Praxis
Die Entscheidung überträgt Gesichtspunkte aus dem versicherungsrechtlichen Deckungsverhältnis auf den Regressanspruch des VR gegen den Handwerker. Im Rahmen der Prüfung des Mitverschuldens werden dann haftungsrechtliche und versicherungsrechtliche Entscheidungen herangezogen, die zur grob fahrlässigen Herbeiführung des Versicherungsfalls ergangen sind, hier aber nicht greifen.
Bezug genommen wird auf die Rechtsprechung des BGH zur Ursächlichkeit eines Werkmangels für einen Wasserschaden bei längerer Abwesenheit des Wohnungsinhabers (BGH NJW 18, 944). Der BGH stellt dort auf zumutbare Kontrollen ab.
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Im Übrigen hat der BGH entschieden, dass ein Vermieter nicht verpflichtet ist, ohne besonderen Anlass eine regelmäßige Generalinspektion der Elektroleitung und Elektrogeräte in den Wohnungen der Mieter vorzunehmen (BGH NJW 09, 143). Dem ist das OLG Koblenz gefolgt (30.9.10, 2 U 779/09).
Das OLG Düsseldorf hat geurteilt, dass es grob fahrlässig ist, eine mehrwöchige Urlaubsreise anzutreten, ohne das Absperrventil der Kaltwasserleitung zu schließen, an dem der zum Geschirrspüler führende Wasserschlauch angeschlossen ist (OLG Düsseldorf VersR 89, 697).
Auch das OLG Karlsruhe ist davon ausgegangen, dass der VN grob fahrlässig handelt, wenn er die Verbindung zwischen der Wasserleitung und der Geschirrspülmaschine unter Druck lässt und sich für zwei Stunden aus der Wohnung entfernt (r+s 87, 231).
Wer als Mieter eines Einfamilienhauses auch für die Heizung verantwortlich ist, handelt ‒ ähnlich wie bei Wasch- und Geschirrspülmaschinen ‒ grob fahrlässig, wenn er auch während einer längeren Abwesenheit nicht den ständig offenstehenden Wasserhahn zum Zulaufschlauch zudreht (OLG Zweibrücken ZfS 04, 126).
Verlässt der VN die Wohnung ohne den Zulaufschlauch zur Waschmaschine ohne Aquastopp abzusperren und rutscht der Zulaufschlauch ab, so hat der VN den Leitungswasserschaden grob fahrlässig herbeigeführt (LG Osnabrück VK 13, 65). |
Weiterführende Hinweise
- Ungenutzte Gebäude: Diese Kontrollpflichten hat der VN bei wasserführenden Anlagen: OLG Koblenz VK 20, 167
- Leistungskürzung bei grob fahrlässigem Hantieren am Wasserzulaufschlauch der Heizung: LG Gießen VK 15, 11