· Fachbeitrag · Lohnoptimierung
BFH sorgt für „Revolution“ bei der Lohnumwandlung
von StB Dipl.-Kfm. Ralph Lemkens, Xanten
| Es gibt für Arbeitgeber eine Reihe von Möglichkeiten, Arbeitnehmern Vergünstigungen zukommen zu lassen, die lohnsteuerfrei bzw. lohnsteuerpauschaliert und damit sozialversicherungsfrei sind. Diese „Bausteine“ konnten bisher schon vollumfänglich bei einer Lohnoptimierung im Rahmen einer Neueinstellung und bei Lohnerhöhungen genutzt werden. Bei manchen Leistungen war dies aber nur dann zulässig, wenn solche Zuschüsse zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn gewährt wurden. In einem bahnbrechenden Urteil hat der BFH (1.8.19, VI R 32/18) hier jetzt völlig neue Gestaltungsmöglichkeiten zugelassen. |
1. Allgemeines zur Systematik
Wollte man bei einem bestehenden Arbeitsverhältnis bislang den Barlohn reduzieren und zeitgleich als Ausgleich begünstigte Bausteine gewähren, wurde dies nur bei einem Teil der Vergünstigungen anerkannt. Für diesen Fall sind diese Bausteine lohnsteuerrechtlich in zwei Gruppen zu unterteilen. Bei Gruppe 1 müssen die Bausteine zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn gewährt werden. Bei Gruppe 2 gibt es diese Einschränkung nicht. Dass Barlohn in Bausteine der Gruppe 2 umgewandelt werden kann, hat zwischenzeitlich auch die Finanzverwaltung anerkannt (OFD NRW 9.7.15, DStR 15, 2448). Für Bausteine der Gruppe 1 sah das leider anders aus (s. BMF 22.5.13, IV C 5 - S 2388/11/10001-02, BStBl I 13, 728). Hier muss die Finanzverwaltung nach dem jüngsten Coup des BFH nun umdenken.
2. Funktionsweise der Gehaltsumwandlung
Zahlt der Arbeitgeber seinen Arbeitnehmern Lohnerhöhungen, führt dies zu äußerst hohen Abgaben. Erhöht man den Lohn um 100 EUR brutto, ergeben sich aufgrund des Arbeitgeberanteils zur Sozialversicherung und von Berufsgenossenschaftsbeiträgen Belastungen für den Arbeitgeber von ca. 125 EUR. Da beim Arbeitnehmer Lohnsteuer und der Arbeitnehmeranteil der Sozialversicherung abgezogen werden, erhält dieser häufig nur 50 EUR ausgezahlt. Bezieht man nun die gesamten Abgaben auf den zusätzlichen Nettolohn, beträgt die Gesamtbelastung üppige 150 % (= 75 EUR/50 EUR).
Abweichend davon beinhaltet das EStG aber zahlreiche Ausnahmeregelungen. Werden diese genutzt, ist dieser Lohnbestandteil entweder steuerfrei oder wird mit einer pauschalen Lohnsteuer von 15 % bzw. 25 % versteuert, die alleine vom Arbeitgeber getragen wird. Zur Lohnsteuer kommen noch der Solidaritätszuschlag und evtl. die Kirchensteuer hinzu. In jedem Fall sind diese Lohnbestandteile sozialversicherungsfrei. Bezieht man die gesamte Abgabenlast auf den Nettonutzen des Arbeitnehmers, beträgt die Abgabenlast bei steuerfreien Bausteinen 0 % und bei pauschalierten Bausteinen ca. 17 % (LSt 15 %) bzw. ca. 26,5 % (LSt 25 %).
Ist man in der Lage, steuerpflichtigen Barlohn in verschiedene Bausteine umzuwandeln und nutzt man mehrere Bausteine gleichzeitig, ergibt sich beträchtliches Einsparpotenzial ‒ und das Monat für Monat, Jahr für Jahr.
3. Bausteine zur Lohnumwandlung
Im Lohnsteuerrecht existieren viele Subventionsnormen für Arbeitnehmer. Sie sind allerdings unterschiedlich gut zur Steuergestaltung nutzbar. Gut nutzbar sind z. B. folgende Bausteine:
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Gruppe 1 (mit Gesetzeszusatz „zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn“): | ||
Bezeichnung | Norm | pauschale LSt |
Kindergartenzuschüsse | 0 % | |
Zuschüsse zur Gesundheitsförderung | 0 % | |
Fahrradnutzung | 0 % | |
Elektrisches Aufladen eines Elektro-, Hybridfahrzeugs | 0 % | |
Internetzuschuss | § 40 Abs. 2 S. 1 Nr. 5 EStG | 25 % |
Fahrtkostenzuschuss | § 40 Abs. 2 S. 2 EStG | 15 % |
Gruppe 2 (ohne diesen Gesetzeszusatz): | ||
Bezeichnung | Norm | pauschale LSt |
Verpflegungsmehraufwand | § 3 Nr. 13 und 16, § 9 Abs. 4a EStG (0 %), § 40 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 EStG (25 %) | 0 % bzw. 25 % |
Berufskleidungszuschuss | 0 % | |
Telefonnutzung | 0 % | |
Nacht-, Sonn- und Feiertagszuschläge | § 3 b EStG | 0 % |
Warengutschein | § 8 Abs. 2 S. 11 EStG | 0 % |
Rabattfreibetrag | § 8 Abs. 3 EStG | 0 % |
Essensgutscheine | § 40 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 EStG | 0 % |
Erholungsbeihilfe | § 40 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 EStG | 25 % |
Fehlgeldentschädigung | R 19.3 Abs. 1 S. 2 Nr. 4 LStR | 0 % |
All diese Bausteine sind sozialversicherungsfrei. Auf die pauschale Lohnsteuer werden noch der Solidaritätszuschlag und ggf. Kirchensteuer fällig. Auf detaillierte Hinweise zu den einzelnen Bausteinen soll hier verzichtet werden (s. hierzu meine Aufsätze in NWB-BB 19, 136 ff. und 167 ff.). Da der Internetzuschuss und der Fahrtkostenzuschuss für spätere Berechnungen von Bedeutung sind, sollen diese allerdings näher erläutert werden.
3.1 Internetzuschuss
Gem. § 40 Abs. 2 S. 1 Nr. 5 EStG können Zuschüsse des Arbeitgebers für die Internetnutzung mit 25 % pauschal lohnversteuert werden. Zu den begünstigten Aufwendungen gehören sowohl die laufenden Kosten (z. B. Grundgebühr für den Internetzugang, Flatrate) als auch Kosten für die Einrichtung des Internetzugangs (z. B. Anschluss, Modem, Personalcomputer; R 40.2 Abs. 5, S. 6 LStR) sowie Schulungsgebühren und Fachliteratur.
Beachten Sie | Nach Satz 7 darf der Arbeitgeber aus Vereinfachungsgründen bis zu 50 EUR monatlich ohne Nachweis der entstandenen Kosten erstatten, sofern der Arbeitnehmer die Höhe der laufenden Kosten schriftlich bestätigt. Die Bestätigung sollte einmal im Jahr erfolgen und muss zum Lohnkonto genommen werden.
Der Baustein „Internetzuschuss“ ist aus folgenden Gründen für Gestaltungen sehr gut nutzbar:
- Der Zuschuss wird wie Nettolohn über die Lohnabrechnung ausgezahlt. Gefühlt ist das für den Arbeitnehmer nichts anderes als Nettolohn.
- Da eine einfache Bestätigung des Arbeitnehmers ausreicht, ist der Verwaltungsaufwand verschwindend gering.
- Weil die Arten der begünstigten Aufwendungen sehr vielfältig sind, kann nahezu jeder Arbeitnehmer die Bestätigung über 50 EUR geben.
3.2 Fahrtkostenzuschuss
Nach § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 4 EStG kann der Arbeitnehmer 0,30 EUR je Arbeitstag und Entfernungskilometer als Werbungskosten geltend machen. Alternativ kann der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer die Werbungskosten auch ersetzen und mit 15 % pauschaler Lohnsteuer versteuern (§ 40 Abs. 2 S. 2 EStG). Bei Mitarbeitern, die keinen Außendienst machen oder nicht auf wechselnden Einsatzstellen eingesetzt werden, kann man pauschal von 15 Arbeitstagen im Monat ausgehen. Bei einer Entfernung von 18 km ergäbe sich dann ein möglicher Fahrtkostenzuschuss von 81 EUR (15 Tage × 18 km × 0,30 EUR). Arbeitet der Mitarbeiter immer an einem festen Ort und ist er in einem Jahr nicht krank, könnte man die Arbeitstage pro Jahr auf 220 anheben. Es ergäbe sich dann ein Zuschuss von 99 EUR (220 Tage ÷ 12 Monate × 18 km × 0,30 EUR). Zahlt und pauschaliert der Arbeitgeber den Zuschuss, scheidet als Folge der Werbungskostenabzug beim Arbeitnehmer aus (§ 40 Abs. 2 S. 3 EStG).
Der wegfallende Werbungskostenabzug ist für viele Arbeitnehmer allerdings nicht nachteilig. Gem. § 9a S. 1 Nr. 1a EStG wird dem Arbeitnehmer ein Pauschbetrag von 1.000 EUR gewährt. Einen Nachteil haben somit nur Arbeitnehmer, deren Werbungskosten diesen Betrag übersteigen. Ist dies nicht der Fall, können somit zumindest monatlich 81 EUR Fahrtkostenzuschuss ohne Nachteile für den Arbeitnehmer ausgezahlt werden.
Beachten Sie | Aber auch bei den übrigen Arbeitnehmern ergeben sich aus der Nettolohnoptimierung positive Ergebnisse. Zwar kann hier keine Lohnsteuer eingespart werden, bei Löhnen bis zur Beitragsbemessungsgrenze ergeben sich allerdings Einsparungen bei den Sozialversicherungsbeiträgen. Da man in diesen Fällen die wegfallende Erstattung aus der ESt-Erklärung über die Lohnabrechnung ausgleichen muss, werden die Berechnungen allerdings deutlich anspruchsvoller. Aber auch dieser Baustein ist für Optimierungen aus folgenden Gründen sehr gut geeignet:
- Auch der Fahrtkostenzuschuss wird gefühlt wie Barlohn ausgezahlt.
- Der Zuschuss ist einfach berechenbar und nur zu ändern, wenn der Arbeitnehmer umzieht.
- Es ist kein zusätzlicher Nachweis erforderlich.
- Da viele Arbeitnehmer geringere Werbungskosten als 1.000 EUR im Jahr haben, ist der Baustein häufig einsetzbar.
4. Bisherige Rechtslage
Bei aller Skepsis der Finanzverwaltung war aufgrund ergangener Rechtsprechung inzwischen anerkannt, dass Barlohn in Bausteine der Gruppe 2 umgewandelt werden kann (BFH 20.8.97, VI B 83/97, BFH/NV 98, 127 ‒ zur Umwandlung von Weihnachtsgeld mit Rechtsanspruch in Kfz-Sachbezug; BFH 1.10.09, VI R 41/07, BStBl II 10, 487 ‒ zur Umwandlung von freiwillig gezahltem Weihnachtsgeld in Fahrtkostenzuschüsse).
Bei Bausteinen der Gruppe 1 war die Sachlage bisher nicht explizit durch den BFH geklärt. Grundlage der bisherigen Beurteilung waren zwei BFH-Urteile aus 2012 (BFH 19.9.12, VI R 54/11, BStBI 13, 395; BFH 19.9.12, VI R 55/11, BStBI 13, 398). Der BFH „übersetzte“ den Begriff zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn als arbeitsvertraglich freiwillig. Da die Arbeitnehmer in den Urteilsfällen allerdings einen arbeitsvertraglichen Anspruch auch auf die gewährten Zusatzleistungen (hier: Internetpauschale, Kindergartenzuschuss etc.) hatten, diese also nicht freiwillig gewährt wurden, wurden die Begünstigungsnormen für nicht anwendbar erklärt. Für die Urteile war somit nicht entscheidungserheblich, dass es im Zuge der Gewährung der Bausteine zu einer Lohnumwandlung von Barlohn gekommen war.
Die Finanzverwaltung belegte die Urteile mit einem Nichtanwendungserlass (BMF 22.5.13, IV C 5 - S 2388/11/10001-02, BStBl I 13, 728), da ihr die Einschränkung des BFH zu weit ging. Viele Arbeitnehmer wären von einer deutlichen Verschlechterung betroffen gewesen. Gleichzeitig wollte die Finanzverwaltung allerdings die Vergünstigungen nicht gewähren, wenn die Bausteine in Zusammenhang mit einer Umwandlung von Barlohn gewährt worden sind. Tatsächlich war in den drei genannten Urteilen zu einer Barlohnumwandlung zwar ‒ weil nicht entscheidungserheblich ‒ nicht Stellung genommen worden. In der Gestaltungsberatung hat man bei Barlohnumwandlungen aber aufgrund der unsicheren Rechtslage auf die Nutzung der Bausteine aus der Gruppe 1 in der Regel verzichtet.
5. Neue BFH-Rechtsprechung
Mit Datum vom 1.8.19 (VI R 32/18) hat der BFH nun erstmals ausdrücklich zu einer Lohnumwandlung bei Bausteinen der ersten Gruppe Stellung genommen. Im Ergebnis gewährt der BFH die Vergünstigungen auch dann, wenn zeitgleich der Barlohn herabgesetzt wird, also eine von der Finanzverwaltung abgelehnte Lohnumwandlung vorliegt. Die Argumentation des BFH orientiert sich dabei sehr stark am Wortlaut des zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohns. In der Formulierung steckt ein Vergleich, der zwei Fragen aufwirft; zum einen die Frage, womit verglichen wird und zum anderen, auf welchen Zeitpunkt der Vergleich abstellt.
MERKE | In den o. g. Urteilen aus 2012 hatte der BFH die Passage als arbeitsvertraglich freiwillig übersetzt. Von dieser Auslegung nimmt der BFH nun Abstand. In der neuen Entscheidung definiert der BFH den ohnehin geschuldeten Lohn als den verwendungsungebundenen Barlohnanspruch in Abgrenzung zum verwendungsgebundenen Lohn. Die Gewährung der verschiedenen Bausteine ist der verwendungsgebundene Lohn, da die Gelder für einen entsprechenden Zweck verwendet werden müssen. |
Doch mit welchem Barlohnanspruch muss jetzt ein Vergleich hergestellt werden, wenn die Zusätzlichkeit geprüft wird? Aus dem im Lohnsteuerrecht geltenden Zuflussprinzip leitet der BFH ab, dass mit dem Barlohn im Zahlungszeitpunkt verglichen werden muss. Daraus folgt, dass nunmehr bei allen Bausteinen eine Lohnumwandlung rechtssicher möglich ist. Es muss allerdings darauf geachtet werden, dass es sich bei der Gewährung der Bausteine nicht um eine bloße Barlohnverwendungsabrede handeln darf. Das wäre der Fall, wenn es grundsätzlich bei dem ungekürzten Barlohnanspruch bliebe und dieser nur in Form der Bausteine ausgezahlt würde. Eine Lohnumwandlung würde darüber hinaus nicht anerkannt, wenn der Arbeitnehmer bei Wegfall eines Bausteins das Recht auf Wiederaufleben des Bargeldanspruchs hätte.
GESTALTUNGSTIPP | Arbeitgeber und Arbeitnehmer müssen den Arbeitsvertrag somit in der Form ändern, dass der Barlohnanspruch reduziert und zeitgleich ein Rechtsanspruch auf die jeweiligen Bausteine gewährt wird. Dann wäre man nach der neuen BFH-Rechtsprechung auf der sicheren Seite. |
6. Motive für eine Gehaltsumwandlung
6.1 Sanierung
Eine angespannte wirtschaftliche Lage entsteht immer durch eine zu geringe Rentabilität bzw. eine zu geringe Liquidität. Da wesentliche Kosteneinsparungen nur über Personalkosten erzielbar sind, kommt es häufig zu Personalabbau. Es werden Arbeitnehmer entlassen, die man evtl. später wieder benötigt und dann nicht mehr bekommt. Zum anderen entstehen hohe Kosten durch evtl. zu zahlende Abfindungen oder Sozialpläne. Alternativ kann man auch darüber nachdenken, die Löhne aller Arbeitnehmer prozentual zu senken mit der Folge geringerer Nettolöhne.
GESTALTUNGSTIPP | Das Einsparvolumen kann evtl. auch alternativ durch Nettolohnoptimierung erreicht werden. Zwar müssen die Arbeitnehmer den Änderungen des Arbeitsvertrags zustimmen, doch dürfte dies leicht zu erreichen sein, da sonst Entlassungen einzelner Arbeitnehmer im Raum stehen. Als weiterer Vorteil kommt hinzu, dass die Kosteneinsparung sofort mit Unterschrift des Arbeitnehmers unter den geänderten Arbeitsvertrag wirksam wird. |
Soll das Einsparvolumen über die prozentuale Senkung aller Löhne erreicht werden, ist die Nettolohnumwandlung unschlagbar, da dadurch eine Nettolohnsenkung vermieden oder deutlich reduziert werden kann.
6.2 Finanzierung einer betriebsnotwendigen Investition
Stehen für das Unternehmen hohe notwendige Investitionen im Raum, stellt sich die Frage der Finanzierung. Für eine Finanzierungszusage einer Bank ist die Kapitaldienstfähigkeit entscheidend. Können die Lohnkosten durch Nettolohnoptimierung gesenkt werden, ergibt sich sofort eine positive Auswirkung auf den Jahresüberschuss und somit auch auf die Kapitaldienstfähigkeit.
GESTALTUNGSTIPP | In dieser Situation kann man die Mitarbeiter natürlich schwieriger von einer Nettolohnoptimierung komplett zugunsten des Arbeitgebers überzeugen. Es bietet sich hier daher an, die sozialversicherungsrechtlichen Nachteile über private Versicherungen auszugleichen und einen Teil der Ersparnis an die Arbeitnehmer weiterzugeben. Es wird auch dann noch eine erhebliche Einsparung verbleiben. |
6.3 Ergebnisverbesserung zur Stärkung des Eigenkapitals
Aufgrund hohen Wettbewerbs fällt es vielen Unternehmen schwer, Eigenkapital aufzubauen und Liquiditätsreserven zu bilden. In Krisenzeiten sind dadurch Arbeitsplätze extrem gefährdet. Über die Nettolohnoptimierung ist es auch hier möglich, in kurzer Zeit deutliche Kosteneinsparungen zu erzielen.
Auch hier wird es aber notwendig sein, die sozialversicherungsrechtlichen Nachteile über private Versicherungen auszugleichen und einen Teil der Ersparnis an die Arbeitnehmer weiterzugeben. Praktische Erfahrungen zeigen, dass auch bei Ausgleich aller Nachteile ca. 20 % der Arbeitnehmer nicht zu einer Unterschrift zu bewegen sind. Machen allerdings 80 % mit, ergibt sich immer noch eine spürbare Kostensenkung und Gewinnerhöhung.
6.4 Mitarbeitermotivation und Mitarbeitergewinnung
Optimiert man den Lohn komplett zugunsten des Arbeitnehmers, erhält dieser bei gleichen Kosten des Arbeitgebers ein höheres Nettogehalt. In diesem Fall ist es nicht nötig, die sozialversicherungsrechtlichen Nachteile auszugleichen. Der Arbeitnehmer kann für sich entscheiden, ob er einen Teil der Nettolohnerhöhung in private Versicherungen investiert. Gerade in Zeiten des Fachkräftemangels ist man dadurch in der Lage, höhere Nettolöhne zu zahlen. Alternativ können auch Lohnerhöhungsforderungen von guten Mitarbeitern kostenneutral oder auch mit deutlich geringeren Kosten erfüllt werden.
In der Praxis zeigt sich sogar in diesen Fällen, dass nicht alle Mitarbeiter bereit sind, die Arbeitsvertragsänderung zu unterzeichnen, insbesondere wenn das Vertrauensverhältnis nicht ausgeprägt ist. Warum soll der Arbeitgeber mir etwas Gutes tun? Aber auch das ist für den Arbeitgeber letztlich eine wichtige Erkenntnis.
GESTALTUNGSTIPP | Statt das monatliche Nettogehalt zu erhöhen, besteht auch die Variante, im ersten Schritt zugunsten des Arbeitgebers mit Ausgleich der sozialversicherungsrechtlichen Nachteile zu optimieren, um in einem zweiten Schritt in Höhe der Kostenersparnis Leistungsprämien auszuloben. Die Leistungsprämien führen zu besseren Arbeitsleistungen und damit indirekt zu einer Gewinnverbesserung. |
7. Grenzen der Lohnumwandlung
Barlohnansprüche, die aus Mindestlohn oder allgemeinverbindlich erklärten Tarifverträgen resultieren, können nicht in Bausteine umgewandelt werden. Umgewandelt werden kann nur, wenn der betreffende Tarifvertrag eine Öffnungsklausel enthalten sollte. Häufig erhalten Mitarbeiter allerdings übertarifliche Zahlungen. Diese stehen einer Lohnumwandlung offen. Diese Umwandlung kann aber nur einvernehmlich mit dem Arbeitnehmer erfolgen. Ergibt sich der Lohnanspruch aus einer Betriebsvereinbarung, könnte man eine Öffnungsklausel nach Absprache mit dem Betriebsrat aufnehmen. Ergibt sich der Lohnanspruch aus einem Arbeitsvertrag, ist eine Lohnumwandlung möglich, allerdings nicht einseitig durch den Arbeitgeber. Der Arbeitnehmer muss zustimmen.
Beachten Sie | Lediglich freiwillige Leistungen ‒ wie z. B. freiwillig gezahltes Weihnachtsgeld ‒ kann vom Arbeitgeber einseitig umgewandelt werden. Eigentlich handelt es sich hier aber nicht um eine Lohnumwandlung, sondern um den Austausch von Vergütungsvarianten.
8. Sozialversicherungsrechtliche Folgen der Lohnumwandlung
Folge der Lohnumwandlung ist, dass in die Sozialkassen weniger Beiträge eingezahlt werden und sich Ansprüche des Arbeitnehmers ggf. vermindern.
- Kranken- und Pflegeversicherung: Bei der Kranken- und Pflegeversicherung ergibt sich kein Nachteil, weil die Versicherungsleistungen nicht von der Beitragshöhe abhängen.
- Krankengeld: Der gesetzliche Krankengeldanspruch des Arbeitnehmers errechnet sich mittelbar aus seinem beitragspflichtigen Bruttolohn. Die Bausteine bleiben dabei unberücksichtigt. Da der beitragspflichtige Bruttolohn sinkt, erhält der Arbeitnehmer somit ein geringeres Krankengeld, wenn er länger als sechs Wochen krank ist.
- Arbeitslosenversicherung: Auch die Zahlungen der Arbeitslosenversicherung sind beitragsabhängig. Die Beiträge werden auf einen geringeren Bruttolohn gezahlt. Das Arbeitslosengeld ist entsprechend geringer.
- Elterngeld: Die Ausgangsgröße der Elterngeldberechnung bildet der sozialversicherungspflichtige Bruttolohn. Aus diesem berechnet sich ein fiktives Nettogehalt. Basis der Elterngeldberechnung ist das durchschnittliche Nettoentgelt der letzten zwölf Monate vor der Geburt. Auch hier finden die Bausteine keine Berücksichtigung.
- Rentenversicherung: Je mehr Beiträge eingezahlt werden, desto höher ist der Rentenanspruch. Daher kommt es bei einer Reduzierung des Bruttolohns auch zu geringeren Rentenansprüchen. Wird beispielsweise der Bruttolohn ein Jahr lang um 100 EUR gesenkt, resultiert daraus eine Rentenminderung von 1 EUR monatlich.
GESTALTUNGSTIPP | Durch den Abschluss privater Versicherungen kann der Nachteil der Arbeitnehmer ausgeglichen werden. Besonders einfach ist der Ausgleich des Rentennachteils über eine Rürup-Rente, die steuer- und sozialversicherungsfrei ist. Aus der Praxis lässt sich sagen, dass die Kosten des Nachteilsausgleichs relativ gering sind und ein erheblicher Teil der Einsparungen verbleibt. |
9. Wirtschaftliche Auswirkungen bei der Lohnumwandlung
Die verschiedenen Bausteine sind unterschiedlich gut für Lohnumwandlungen geeignet. Der wichtigste Punkt dabei ist die Akzeptanz bei den Arbeitnehmern. Hierfür spielt eine wesentliche Rolle, inwieweit die Bausteine barlohnähnlich sind. Für den Arbeitgeber ist wichtig, ob ein Baustein bei möglichst vielen Arbeitnehmern einsetzbar ist und wie hoch der Verwaltungsaufwand und die absoluten Einsparmöglichkeiten sind. Legt man diese Kriterien zugrunde, sind gerade der Internet- und der Fahrtkostenzuschuss für die Lohnoptimierung besonders gut geeignet.
Die Höhe der zusätzlich möglichen Lohnumwandlung ist dabei natürlich insbesondere von der Lohnhöhe, der Steuerklasse und von der Optimierungsvariante abhängig. Zur Verdeutlichung soll eine Beispielrechnung sorgen. Grundlage ist ein kinderloser Arbeitnehmer mit einem Krankenkassenbeitragssatz von 15,7 %. Zur Umwandlung sollen ein Internetzuschuss von 50 EUR und ein Fahrtkostenzuschuss von 80 EUR genutzt werden. Der Fahrtkostenzuschuss entspricht einer Entfernung zwischen Wohnung und Arbeitsstätte von 15 km (15 Arbeitstage monatlich).
Zuerst sollen die Auswirkungen einer Umwandlung zugunsten des Arbeitgebers ohne den Ausgleich der sozialversicherungsrechtlichen Nachteile dargestellt werden.
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Lohn | Netto-auszahlung | Kosten vorher | Kosten nachher | Einsparung pro Monat | Einsparung pro Jahr |
2.000 | 1.406,70 | 2.408,50 | 2.292,71 | 115,79 | 1.389,48 |
3.000 | 1.956,14 | 3.612,75 | 3.477,48 | 135,27 | 1.623,24 |
4.000 | 2.467,43 | 4.817,00 | 4.659,59 | 157,41 | 1.888,92 |
5.000 | 2.967,06 | 5.977,90 | 5.855,21 | 122,69 | 1.472,28 |
6.000 | 3.457,41 | 7.088,40 | 6.946,93 | 141,47 | 1.697,64 |
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Lohn | Netto-auszahlung | Kosten vorher | Kosten nachher | Einsparung pro Monat | Einsparung pro Jahr |
2.000 | 1.596,00 | 2.408,50 | 2.369,20 | 39,30 | 471,60 |
3.000 | 2.220,75 | 3.612,75 | 3.506,30 | 106,45 | 1.277,40 |
4.000 | 2.789,65 | 4.817,00 | 4.699,36 | 117,64 | 1.411,68 |
5.000 | 3.378,16 | 5.977,90 | 5.901,38 | 76,52 | 918,24 |
6.000 | 3.981,13 | 7.088,40 | 7.002,92 | 85,48 | 1.025,76 |
Die nächsten Tabellen zeigen die Auswirkungen der Umwandlung zugunsten der Arbeitnehmer ohne den Ausgleich der sozialversicherungsrechtlichen Nachteile.
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Lohn | Gesamt-kosten AG | Netto vorher | Netto nachher | Nettoerhöhung pro Monat | Nettoerhöhung pro Jahr |
2.000 | 2.408,50 | 1.406,70 | 1.462,00 | 55,30 | 663,60 |
3.000 | 3.612,75 | 1.956,14 | 2.016,54 | 60,40 | 724,80 |
4.000 | 4.817,00 | 2.467,43 | 2.532,75 | 65,32 | 783,84 |
5.000 | 5.977,90 | 2.967,06 | 3.024,31 | 57,25 | 687,00 |
6.000 | 7.088,40 | 3.457,41 | 3.518,97 | 61,56 | 738,72 |
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Lohn | Gesamtkosten AG | Netto vorher | Netto nachher | Nettoerhöhung pro Monat | Nettoerhöhung pro Jahr |
2.000 | 2.408,50 | 1.596,00 | 1.622,09 | 26,09 | 313,08 |
3.000 | 3.612,75 | 2.220,75 | 2.274,51 | 53,76 | 645,12 |
4.000 | 4.817,00 | 2.789,65 | 2.845,30 | 55,65 | 667,80 |
5.000 | 5.977,90 | 3.378,16 | 3.420,81 | 42,65 | 511,80 |
6.000 | 7.088,40 | 3.981,13 | 4.027,02 | 45,89 | 550,68 |
Natürlich sind die Auswirkungen bei der Steuerklasse III im Vergleich zu den Steuerklassen I und IV geringer, da bei Anwendung des Splittingtarifs die Lohnsteuer geringer ist. Gleichzeitig fällt auf, dass die Effekte bei 4.000 EUR am größten sind. Dies liegt an der Beitragsbemessungsgrenze der Krankenversicherung.
Wenn man sich speziell die Berechnung zugunsten des Arbeitgebers ansieht, ergibt sich aus dem Durchschnitt der zehn Berechnungen eine Einsparung pro Jahr nur aus diesen zwei Bausteinen von 1.317,62 EUR. Bei 50 Arbeitnehmern beträgt die Einsparung 65.881,20 EUR; sie summiert sich in zehn Jahren auf 658.812,00 EUR. Berechnet wurde hier nur die Auswirkung der aufgrund der Rechtsprechungsänderung des BFH erweiterten Möglichkeiten der Nettolohnoptimierung. Die Effekte werden noch einmal deutlich höher, wenn man noch andere Bausteine hinzunimmt, die schon nach bisheriger Rechtslage umwandelbar waren.
FAZIT | Die Möglichkeiten der Lohnumwandlung sind durch die neue BFH-Rechtsprechung deutlich ausgeweitet worden. Erstmals ist nun eindeutig geklärt, dass eine Lohnumwandlung in der Form, dass der Bruttolohn gesenkt und als Ausgleich gleichzeitig verschiedene Bausteine zugesagt werden, akzeptiert wird. Es bleibt abzuwarten, ob sich die Finanzverwaltung dieser Auffassung anschließen wird. Da die Finanzverwaltung die Nettolohnoptimierung seit Jahrzehnten bekämpft, ist auch nicht auszuschließen, dass der Gesetzgeber tätig wird. Dies muss man auf jeden Fall im Blick behalten. |