· Fachbeitrag · Lohnsteuer
Dienstwagen: Keine erste Tätigkeitsstätte trotz angewendeter 0,03-Prozent-Methode?
von Dipl.-Fw. Daniel Denker, Oldenburg, www.steuer-webinar.de
| Wenn der Arbeitgeber den geldwerten Vorteil für die Nutzung eines Dienstwagens für Fahrten zwischen Wohnung und Betrieb von sich aus mit der 0,03-Prozent-Regelung berechnet, heißt das nicht, dass er den Mitarbeiter damit einer ersten Tätigkeitsstätte zuordnet. Das hat das FG Mecklenburg-Vorpommern gegen die Finanzverwaltung entschieden. Letztlich entscheiden wird der BFH. Bis dahin sollten Steuerzahler in ähnlich gelagerten Fällen ihre Chance auf Steuererstattungen wahren. SSP klärt auf. |
Der steuerliche Hintergrund
Eine entscheidende Frage im Steuerrecht ist, ob es sich um Fahrten im Rahmen einer Auswärtstätigkeit oder um solche zur ersten Tätigkeitsstätte handelt. Der Nachteil einer ersten Tätigkeitsstätte ist, dass Sie Fahrten nur mit der Entfernungspauschale absetzen können.
Wird Ihnen ein Dienstwagen gestellt und dürfen Sie diesen auch für Fahrten zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte nutzen, müssen Sie den geldwerten Vorteil versteuern; mit der 0,03-Prozent-, der 0,002-Prozent- oder mit der Fahrtenbuchmethode. Haben Sie keine erste Tätigkeitsstätte, sind bei sämtlichen Fahrten die vorteilhaften Dienstreisegrundsätze maßgeblich. Es ist also von entscheidender Bedeutung, ob Sie eine erste Tätigkeitsstätte haben.
Wann liegt eine erste Tätigkeitsstätte vor?
Eine erste Tätigkeitsstätte liegt vor, wenn Sie als Arbeitnehmer einer Tätigkeitsstätte (§ 9 Abs. 4 S. 1 EStG) dauerhaft zugeordnet sind (z. B. Firmensitz, Bürogebäude, Einsatzstätte, Werksgelände etc.). Die dauerhafte Zuordnung wird durch die dienst- oder arbeitsrechtlichen Festlegungen sowie die diese ausfüllenden Absprachen oder Weisungen bestimmt (§ 9 Abs. 4 S. 2 EStG). Sollte bei Ihnen keine erste Tätigkeitsstätte durch eine Zuordnungsentscheidung Ihres Arbeitgebers vorliegen, kann sich eine erste Tätigkeitsstätte aber auch aus den sog. quantitativen Kriterien ergeben (§ 9 Abs. 4 S. 4 EStG). Dies ist im zweiten Schritt zu prüfen.
1. Zuordnungsentscheidung
Sind Sie einer betrieblichen Einrichtung allein aus tarif- bzw. mitbestimmungsrechtlichen oder organisatorischen Gründen (z. B. Personalaktenführung) zugeordnet, ohne dass Sie dort tätig werden sollen, führt dies nicht zu einer Zuordnung i. S. v. § 9 Abs. 4 EStG. Etwas anderes gilt, wenn Sie dort zumindest in ganz geringem Umfang tätig werden. Also z. B. Hilfs- und Nebentätigkeiten erfüllen, indem Sie Auftragsbestätigungen oder Stundenzettel abgeben etc.).
2. Zuordnung „auf Dauer“
Die Zuordnung muss dabei auf Dauer angelegt sein (Prognose). Dauerhaftigkeit ist z. B. gegeben bei folgenden Zuordnungen:
- unbefristet zu einer bestimmten betrieblichen Einrichtung,
- für die gesamte Dauer des ‒ befristeten oder unbefristeten ‒ Dienstverhältnisses,
- über einen Zeitraum von 48 Monaten hinaus oder
- „bis auf Weiteres“
3. Dokumentation der Zuordnungsentscheidung
In der Praxis wird die Zuordnungsentscheidung in der Regel dem Arbeits-, Dienst- oder Tarifvertrag zu entnehmen sein. Wurden Sie also von Ihrem Arbeitgeber z. B. per Arbeitsvertrag einer ortsfesten betrieblichen Einrichtung auf Dauer zugeordnet, stellt diese Ihre erste Tätigkeitsstätte dar. Damit müssen Sie auch Dienstwagenfahrten von Ihrer Wohnung zum Betrieb nach der 0,03-Prozent-Regelung versteuern.
Ist im Dienst- bzw. Arbeitsvertrag keine Zuordnung vorgenommen worden, kann dies in der Praxis zu Problemen führen. Die vorrangige maßgebliche dienst- oder arbeitsrechtliche Zuordnung durch Ihren Arbeitgeber kann nämlich auch außerhalb des Dienst- oder Arbeitsvertrags erfolgen (auch mündlich oder konkludent) und ist unabhängig davon, ob sich Ihr Arbeitgeber der steuerlichen Folgen bewusst ist (BMF, Schreiben vom 25.11.2020). Die Zuordnungsentscheidung muss nicht dokumentiert werden.
4. Die Auffassung der Finanzverwaltung zur Zuordnung
Die Finanzverwaltung vertritt die Ansicht, dass sich die Zuordnungsentscheidung des Arbeitgebers auch aus dem Ansatz eines geldwerten Vorteils für die Nutzung eines Dienstwagens für die Fahrten zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte ergeben kann. Das bedeutet, dass die Finanzverwaltung eine Zuordnung auf Dauer durch den Arbeitgeber annimmt, wenn er den geldwerten Vorteil für Fahrten zwischen Wohnung und Betrieb mit der 0,03-Prozent-Regelung versteuert hat (BMF, Schreiben vom 25.11.2020, Az. IV C 5 ‒ S 2353/19/10011 :006, Abruf-Nr. 219558, Rz. 11).
5. FG widerspricht Fiskus bei 0.03-Prozent-Regelung
Genau dieser Auffassung hat jetzt das FG Mecklenburg-Vorpommern widersprochen. Im konkreten Fall ging es um einen angestellten Bauleiter, der nicht eindeutig zugeordnet war. Der Dienstwagen war jedoch mit der 0,03- Prozent-Regelung versteuert worden.
Das FG stellt klar: Es kommt bei fehlender Zuordnung auf die quantitativen Kriterien an. Sind diese nicht erfüllt, hat keine Versteuerung mit der 0,03 Prozent-Methode zu erfolgen. Folglich kann sich der Arbeitnehmer die zu viel gezahlte Steuer durch eine Korrektur des Bruttoarbeitslohns im Rahmen der Einkommensteuererklärung (Anlage N, Zeile 21) zurückholen (FG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 24.11.2021, Az. 3 K 6/20, Abruf-Nr. 228008).
6. Was sagen die quantitativen Kriterien?
Nach den „quantitativen Kriterien“ ist erste Tätigkeitsstätte die betriebliche Einrichtung, an der Sie dauerhaft
- typischerweise arbeitstäglich oder
- je Arbeitswoche zwei volle Arbeitstage oder
- mindestens ein Drittel Ihrer vereinbarten regelmäßigen Arbeitszeit
tätig werden sollen (§ 9 Abs. 4 S. 4 Nr. 1 und 2 EStG). Im Streitfall waren diese Voraussetzungen nicht erfüllt. Daher war die 0,03-Prozent-Regelung (§ 8 Abs. 2 S. 3 EStG) nach Auffassung des Gerichts nicht anzuwenden, da sie eine erste Tätigkeitsstätte voraussetzt. Bei der quantitativen Prüfung kommt es jedoch auf die Qualität des Tätigwerdens an.
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A arbeitet nur im Home-Office. Einmal im Monat (insgesamt zwölf Fahrten im Jahr 2021) fährt er für Dienstbesprechungen in die Firma (einfache Entfernung 40 km). Sein Arbeitgeber wendet neben der Ein-Prozent- auch die 0,03-Prozent-Regelung an. Eine Zuordnungsentscheidung ist weder dem Dienst- noch dem Arbeitsvertrag etc. zu entnehmen. Trotzdem hat der Arbeitgeber zusätzlich zur Ein-Prozent-Regelung für die Fahrten Wohnung ‒ Firma einen geldwerten Vorteil von 8.640 Euro lohnversteuert (60.000 Euro x 0,03 Prozent x 40 km x 12 Monate).
Lösung des FG Mecklenburg-Vorpommern: Es liegt keine Zuordnungsentscheidung des Arbeitgebers vor. Auch nach den quantitativen Kriterien ergibt sich keine erste Tätigkeitsstätte. Somit ist auch keine Versteuerung eines geldwerten Vorteils mit der 0,03-Prozent-Regelung vorzunehmen. A kann im Rahmen seiner Einkommensteuererklärung (Anlage N, Zeile 21) den Bruttoarbeitslohn in Höhe von 8.640 Euro korrigieren (= mindern). Bei einem Steuersatz von 42 Prozent ergibt sich für ihn eine Steuerersparnis von 3.628,80 Euro. |
0,002-Prozent-Regelung als „Plan B“ nutzen
Sollten Sie stattdessen eine erste Tätigkeitsstätte aufgrund arbeits- oder dienstrechtlicher Zuordnung bzw. nach quantitativen Gründen ‒ also unabhängig vom Ansatz der 0,03-Prozent-Methode ‒ begründen, sollten Sie im Rahmen der Einkommensteuererklärung zumindest eine Bruttoarbeitslohnkorrektur mittels 0,002-Prozent-Methode (Einzelwertmethode) prüfen. Diese ist angewendbar, wenn Sie weniger als 180 Tage im Jahr zur ersten Tätigkeitsstätte gefahren sind. Eine Korrektur führt in jedem Fall zu einer Steuerersparnis.
Im Beispiel würde sich der geldwerte Vorteil bei Anwendung der 0,002-Prozent-Methode auf 576 Euro belaufen (60.000 Euro x 0,002 Prozent x 40 Kilometer x 12 Fahrten = 576 Euro). Damit betrüge die Bruttoarbeitslohnkorrektur 8.064 Euro (8.640 Euro ./. 576 Euro) und die Steuerersparnis bei einem Steuersatz von 42 Prozent immer noch 3.386,88 Euro.
FAZIT | Die Praxis lehrt, dass viele Arbeitgeber die 0,03-Prozent-Regelung anwenden, obwohl de facto keine erste Tätigkeitsstätte vorliegt. Die Entscheidung des FG Mecklenburg-Vorpommern bietet jetzt die Möglichkeit, das anzufechtenBerufen Sie sich in gleichgelagerten Fällen auf das Revisionsverfahren, das mittlerweile beim BFH unter dem Az. VI R 27/21 anhängig geworden ist. Legen Sie also Einspruch ein und beantragen Sie das Ruhen Ihres Verfahrens. |