· Fachbeitrag · Maklervertrag/Maklervollmacht
Darf der Makler eine (Hausrat-)Versicherung auf Veranlassung nur eines Ehegatten kündigen?
von Dr. Peter Loibl, Rechtsanwalt (Syndikusrechtsanwalt) bei der Volkswohl Bund Lebensversicherung a. G., Dortmund
| Darf ein Versicherungsmakler auf Veranlassung eines Ehegatten den auf beide Ehegatten lautenden Hausratsversicherungsvertrag auch mit Wirkung für den anderen Ehegatten ohne dessen Zustimmung kündigen? Und das obwohl der Makler eine von beiden Ehegatten unterschriebene Maklervollmacht hat? Ist eine solche durch den Makler gegenüber dem Versicherer ausgesprochene Kündigung wirksam? Die Antwort lautet: Ja. |
Kündigung durch einen Ehegatten für anderen bindend
Soviel vorweg: Der Ehegatte darf trotz gemeinsamer Maklervollmacht ‒ ohne Zustimmung des anderen Ehegatten ‒ den Versicherungsmakler beauftragen, den auf beide Ehegatten lautenden Hausratsversicherungsvertrag zu kündigen. Denn hierbei handelt es sich wie bereits beim Abschluss des Hausratversicherungsvertrags um ein „Geschäft zur angemessenen Deckung des Lebensbedarfs der Familie“ (§ 1357 BGB). Doch von diesem Grundsatz gibt es Ausnahmen. Es kommt also immer auf den jeweiligen Einzelfall an.
Geschäfte zur Deckung des Lebensbedarfs der Familie
Zuerst ist ein Blick auf § 1357 Abs. 1 BGB erforderlich. Dieser besagt:
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Zu den Geschäften zur angemessenen Deckung des Lebensbedarfs der Familie gehören Haushaltsgeschäfte, wie das Anschaffen einer Wohnungseinrichtung, Aufträge an Handwerker, Kauf von Lebensmitteln, Abschluss und Kündigung von Strom-, Gas-, Telefonverträgen, Beauftragung eines Wohnungsmaklers. Auch der Abschluss von Versicherungen fällt darunter, sofern ein hinreichender Bezug zum Familienunterhalt besteht. Das ist z. B. der Fall beim Abschluss einer Hausratversicherung. Auch beim Abschluss einer Vollkaskoversicherung kann das gegeben sein (BGH, Urteil vom 28.02.2018, Az. XII ZR 94/17, Abruf-Nr. 199903).
Nicht zu diesen Geschäften gehören Grundlagengeschäfte, z. B. die Anmietung oder Kündigung einer Wohnung, und Investitionsgeschäfte, z. B. die Aufnahme eines Darlehens zur Finanzierung eines Hausbaus (Palandt, BGB, 78. Aufl., München 2019, § 1357, Rz. 13). Denn derartige Geschäfte dienen nicht zur angemessenen Deckung des Lebensbedarfs der Familie.
BGH: Ehepartner darf Versicherung kündigen
Im Schrifttum war umstritten, ob auch die Ausübung von Gestaltungsrechten, wie die Kündigung eines Versicherungsvertrags, unter § 1357 Abs. 1 BGB fallen kann. Der BGH hat diesen Meinungsstreit beendet. Er schließt sich der überwiegenden Auffassung an. Er stellt dabei auf die Spiegelbildlichkeit zwischen dem Abschluss des Vertrags, der unter § 1357 BGB fallen kann, und dem Loslösen von dem gemeinsamen Vertrag durch die Kündigung ab (BGH, Urteil vom 28.02.2018, Az. XII ZR 94/17, Abruf-Nr. 199903):
- Ist der Abschluss des Versicherungsvertrags bereits ein Geschäft zur angemessenen Deckung des Lebensbedarfs der Familie, gilt das laut BGH spiegelbildlich auch für die Änderung dieses Geschäfts. Jeder Ehegatte darf den gemeinsamen Versicherungsvertrag grundsätzlich alleine kündigen. Der Vertrag muss allerdings einen hinreichenden Bezug zum Familienunterhalt haben.
- Keine Rolle spielt, ob der das Gestaltungsrecht ausübende Ehegatte auch derjenige gewesen ist, der die Verpflichtung nach § 1357 Abs. 1 BGB ursprünglich begründet hat. Der kündigende Ehegatte muss also nicht derjenige gewesen sein, der den Vertrag abgeschlossen hat und aus der Police hervorgeht. Eine gesonderte Vollmacht vom ehelichen Versicherungsnehmer oder dessen Mitwirkung zur Kündigung ist nicht erforderlich.
Im BGH-Fall ging es um die Kündigung der Vollkaskoversicherung für das einzige Fahrzeug einer fünfköpfigen Familie. Das Fahrzeug war auf den Ehemann zugelassen. Die Ehefrau war Versicherungsnehmerin der Vollkaskoversicherung. Damit hatte die Versicherung einen ausreichenden Bezug zum Familienunterhalt. Der Ehemann durfte sie mit Wirkung auch für die Ehefrau kündigen.
PRAXISTIPP | Die vom BGH aufgestellten Grundsätze können auch für die Kündigung einer Hausratversicherung durch einen der Ehegatten herangezogen werden. Ebenso kann daraus gefolgert werden: Schließt ein Ehegatte ohne Zustimmung des anderen Ehegatten einen Versicherungsvertrag mit Bezug zum Familienunterhalt ab (z. B. Hausratversicherung), kommt dieser zunächst wirksam zustande. Allerdings kann der nicht zustimmende Ehegatte den Vertrag ebenso im Alleingang nach § 8 VVG widerrufen. |
Schadenersatz bei fehlendem Versicherungsschutz
Ausdrücklich hat das OLG Bremen die Möglichkeit bejaht, eine Hausratversicherung durch einen der Ehegatten mit Wirkung auch für den anderen Ehegatten zu kündigen. Allerdings kann die Kündigung eine Schadenersatzpflicht auslösen, wenn der kündigende Ehegatte den anderen Ehegatten nicht über den gekündigten Hausratversicherungsvertrag informiert und dieser einen Schaden erleidet, weil er noch von einem bestehenden Versicherungsschutz ausgeht.
Im Bremer Fall hatte ein Mann die gemeinsame Hausratversicherung auf eine neue Wohnung umgemeldet, in der er mit seiner Geliebten wohnte. Seine Ehefrau hat er über die Ummeldung nicht informiert. Kurze Zeit darauf versöhnten sich die Eheleute, und der Ehemann zog wieder in die gemeinsame Wohnung ein, ohne dass erneut eine Hausratversicherung abgeschlossen wurde. Anderthalb Jahre später wurde in die Wohnung eingebrochen und Schmuck und Besteck der Ehefrau im Wert von 25.000 Euro gestohlen. Wegen neuer Zerwürfnisse trennten sich die Eheleute endgültig. Als die Frau vom fehlenden Versicherungsschutz erfuhr, verlangte sie vom Mann Schadenersatz.
Das OLG Bremen hat einen Schadenersatzanspruch dem Grunde nach bejaht. Es hat das u. a. damit begründet, der Ehemann habe durch das Abmelden der Hausratversicherung gegen seine sich aus § 1353 Abs. 1 S. 2 BGB ergebende (Vermögens-)Fürsorgepflicht verstoßen. Wegen der Höhe des Schadens verwies das OLG die Entscheidung an das AG Bremen zurück (OLG Bremen, Beschluss vom 19.09.2014, Az. 4 UF 40/14, Abruf-Nr. 142937).
Für die Beauftragung eines Maklers gilt nichts anderes
Für die Beauftragung eines Versicherungsmaklers kann nichts anderes gelten als für die Geschäfte zur angemessenen Deckung des Lebensbedarfs der Familie. Darf ein Ehegatte solche Geschäfte mit Wirkung auch für den anderen Ehegatten tätigen, darf er auch im Alleingang einen Makler mit solchen Geschäften beauftragen. Das gilt nach den obigen Grundsätzen auch, wenn der Makler eine Maklervollmacht erteilt bekommen hat, die beide Ehegatten unterschrieben haben. Es spielt im Übrigen keine Rolle, ob der handelnde Ehegatte im eigenen Namen oder als Stellvertreter auftritt, um die Wirkung auch für den anderen Ehegatten auszulösen (Palandt, aaO. § 1357, Rz. 18).
Der Makler muss sich, bevor er eine Versicherung mit hinreichendem Bezug zum Familienunterhalt kündigt, nicht beim anderen Ehegatten rückversichern, ob auch er mit der Kündigung einverstanden ist. Es gilt nur etwas anderes, wenn er konkrete Anhaltspunkte hat, dass der andere Ehegatte mit der Kündigung nicht einverstanden ist.
Ausnahme: Makler hat Kenntnis bestimmter Umstände
Durch Geschäfte zur angemessenen Deckung des Lebensbedarfs der Familie werden beide Ehegatten berechtigt und verpflichtet. Der andere Ehegatte wird allerdings nicht mitverpflichtet, wenn sich aus den Umständen etwas anderes ergibt (§ 1357 Abs. 1 S. 2 BGB). In dem Fall muss der Makler eine Klärung bei den Ehegatten herbeiführen. Haben dem Makler beide Ehegatten eine Maklervollmacht erteilt, ergibt sich das bereits aus seiner Sachwalterstellung gegenüber beiden Ehegatten.
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Auch aus dem Gesetz lassen sich Beispiele ableiten:
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Rechtsfolgen bei Geschäft erkennbar gegen Willen
Ergibt sich aus den Umständen, dass einer der Ehegatten ein Geschäft zur Deckung des Lebensbedarfs der Familie nicht wünscht bzw. dem nicht zustimmt, hat das folgende Konsequenzen:
Vertragsschluss und keine Mitverpflichtung des anderen Ehegatten
Führt der Versicherer das Geschäft (Abschluss des Versicherungsvertrags oder Kündigung) trotz Kenntnis aus, dass der andere Ehegatte das Geschäft ausdrücklich nicht will, wird der andere Ehegatte aus dem Vertrag nicht mitverpflichtet (§ 1357 Abs. 1 S. 2 HS. 2 BGB).
Hat der Versicherer dagegen erst nach Annahme des Versicherungsvertrags Kenntnis erlangt, werden beide Ehegatten aus dem Geschäft berechtigt und verpflichtet. Dann steht dem Ehegatten aber ein Widerrufsrecht nach § 8 VVG bzw. ein vertragliches Kündigungsrecht zu.
Trotz Kündigung des Vertrags Fortbestand des Vertrags möglich
Kündigt nur ein Ehegatte einen gemeinsamen Versicherungsvertrag mit Bezug zum Familienunterhalt und wird der Versicherer vom anderen Ehegatten
- vor Zugang der Kündigung darüber informiert, dass er die Kündigung nicht will, ist die Kündigung nach § 1357 Abs. 1 S. 2 Hs. 2. BGB nur in Bezug auf den kündigenden Ehegatten wirksam ausgesprochen. Der, der die Kündigung nicht will, bleibt berechtigt und verpflichtet aus dem Vertrag.
- nach Zugang der Kündigung beim Versicherer über sein Ansinnen informiert, ist die Kündigung auch in Bezug auf den nichtkündigenden Ehegatten wirksam.
Wurde hingegen vertraglich zwischen dem Versicherer und den beiden Eheleuten vereinbart, dass die Kündigung des Versicherungsvertrags von den Eheleuten nur gemeinschaftlich ausgesprochen werden kann, gilt die vertragliche vor der gesetzlichen Regelung.
Haftung des Maklers gegenüber dem nicht zustimmenden Ehegatten
Kündigt der Makler auf Veranlassung eines Ehegatten, z. B. einen Hausratversicherungsvertrag, obwohl er wusste, dass der andere Ehegatte, der ebenfalls sein Kunde ist, damit nicht einverstanden war, ist die Kündigung gegenüber dem Versicherer wirksam mit Wirkung für beide Ehegatten ausgesprochen. Schließlich wusste der Versicherer nicht, dass der Makler den Versicherungsvertrag für beide Versicherungsnehmer nicht kündigen durfte.
Erleidet der nicht zustimmende Ehegatte nach Beendigung des Versicherungsvertrags aber einen Schaden, z. B. weil einige seiner Wertgegenstände aus der Wohnung gestohlen werden, haftet ggf. nicht nur der Ehegatte auf Schadenersatz wegen Verstoßes gegen seine Fürsorgepflichten (s. o. Beschluss des OLG Bremen). Auch der Makler kann wegen Verstoßes gegen seine Pflichten als Sachwalter gegenüber dem Ehegatten/Kunden haften, der der Kündigung nicht zugestimmt hat (vgl. § 280 Abs. 1 BGB).
Wichtig | Ist der nicht zustimmende Ehegatte hingegen kein Kunde des Maklers, fehlt zwischen beiden ein vertragliches Schuldverhältnis (Maklervertrag, Maklervollmacht), aus dem sich eine Haftung ergeben könnte. Allerdings ist auch aus einem gesetzlichen Schuldverhältnis eine Haftung wegen Schadenersatzes dem nicht zustimmenden Ehegatten gegenüber möglich. So könnte eine Haftung aus dem Gesichtspunkt der Geschäftsführung ohne Auftrag gegeben sein, wenn die Übernahme des Geschäfts dem wirklichen oder dem mutmaßlichen Willen des nicht zustimmenden Ehegatten widerspricht, und der Makler dies erkennen musste (§§ 677, 678, 280 Abs. 1 BGB). Handelt der Makler also gegen den erkennbaren Willen des anderen Ehepartners, kann er sich nicht darauf berufen, dass er diesem gegenüber mangels Maklervertrags/Maklervollmacht nicht haftet.
PRAXISTIPP | Bei Geschäften zur angemessenen Deckung des Lebensbedarfs der Familie ‒ insbesondere bei der Kündigung oder dem Widerruf einer Hausrat- bzw. Vollkaskoversicherung für das Familienfahrzeug ‒ sollten Sie bei Ihrer Tätigkeit immer beide Ehegatten im Blick haben. Das gilt unabhängig davon, ob beide Ehegatten Ihre Kunden sind oder nur einer von ihnen. Denn handeln Sie bei derartigen Geschäften gegen den erkennbaren Willen eines der Ehegatten, kann für Sie in beiden Fällen eine Haftungskonstellation entstehen. Gibt es für Sie hingegen keinerlei Anhaltspunkte, dass ein Ehegatte ein solches Geschäft nicht wünscht, können Sie das von einem Ehegatten beauftragte Geschäft ohne weitere Nachfragen bzw. ohne zusätzliche Bestätigung haftungsrechtlich unbedenklich ausführen. Erfahren Sie erst hinterher davon, dass ein Ehegatte das Geschäft nicht wünschte, können Sie haftungsrechtlich nicht belangt werden. |
Weiterführender Hinweis
- Beitrag „Wenn ein Ehepartner die Vollkasko des anderen kündigt“, WVM 8/2018, Seite 2 → Abruf-Nr. 45238451