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Ehrenamt bei Arbeitsunfähig- oder -losigkeit: Darauf müssen Verein und Ehrenamtler achten
von Rechtsanwalt Michael Röcken, Bonn, www.ra-roecken.de
| Das ehrenamtliche Engagement ist ungebrochen. Nicht nur Rentner engagieren sich in Vereinen, sondern verstärkt auch Berufstätige oder Menschen, die arbeitsuchend sind. Dass aus einem Ehrenamt auch rechtliche Probleme erwachsen können, ist den wenigsten Menschen bewusst. Erfahren Sie deshalb, worauf Sie achten müssen, damit Ihre ehrenamtlichen Helfer keine Probleme bekommen. |
Ehrenamt und Berufstätigkeit
Dass sich Berufstätige ehrenamtlich engagieren, ist grundsätzlich unproblematisch. Mit Ausnahme bestimmter Bereiche besteht aber kein Anspruch, dass der Arbeitgeber die Helfer freistellt. Eine Ausnahme gilt z. B. nach dem THW-Gesetz für den Bereich des Technischen Hilfswerks. Ansonsten wird für das Ehrenamt die Freizeit genutzt.
Ehrenamt und Arbeitsunfähigkeit
Einsätze von Ehrenamtlichen werden häufig langfristig geplant. Kommt nun bei berufstätigen Helfern eine Arbeitsunfähigkeit „dazwischen“, stellt sich die Frage, ob die Arbeitsunfähigkeit damit auch für das Ehrenamt gilt.
Erkrankter Arbeitnehmer muss auf Genesung hinwirken
Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) muss ein krankgeschriebener Arbeitnehmer alles tun, um möglichst bald wieder gesund zu werden. Und er muss alles unterlassen, was seine Genesung verzögern könnte (BAG, Urteil vom 26.08.1993, Az. 2 AZR 154/93, Abruf-Nr. 142560).
Ehrenamtliche Tätigkeit kann zur Kündigung berechtigen
Eine ehrenamtliche Tätigkeit darf also nicht ausgeübt werden, wenn sie der Genesung abträglich ist. Das kann einen Kündigungsgrund darstellen, in schwerwiegenden Fällen gar für eine fristlose Kündigung.
Es hängt vom Einzelfall ab, ob sich eine ehrenamtliche Tätigkeit genesungswidrig auswirkt. Auf der einen Seite müssen Sie die Haupttätigkeit des Ehrenamtlichen berücksichtigen, auf der anderen Seite die Tätigkeit in Ihrem Verein. Nebenbeschäftigungen während der Arbeitsunfähigkeit können nämlich eine Kündigung nur rechtfertigen, wenn durch sie der Heilungsprozess verzögert wird (BAG, Urteil vom 13.11.1979, Az. 6 AZR 934/77).
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Folgen: Fall Eins wäre unproblematisch; bei Fall Zwei könnte der Arbeitgeber Ärger machen. |
Die Sache am besten mit dem Arbeitgeber klären
Nicht jede Arbeitsunfähigkeit führt dazu, dass die ehrenamtliche Tätigkeit eingestellt werden muss. Es kommt auf die „Genesungswidrigkeit“ an. Auf der sicheren Seite ist der Ehrenamtliche, wenn er bei der Krankmeldung gleich bei seinem Arbeitgeber nachfragt, ob dieser die konkrete ehrenamtliche Tätigkeit als genesungswidrig ansieht.
Besondere Vorsicht müssen Beamte walten lassen. Das lehrt eine Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG). Hier hatte sich eine Polizeibeamtin während der Wiedereingliederungsphase nach einer längeren Krankheit in einem Nebenjob und ehrenamtlich engagiert. Der Dienstherr sah dies als Verstoß gegen die Treuepflicht an und entließ die Beamtin aus dem Dienstverhältnis. Das war gleichbedeutend mit einer arbeitsrechtlichen Kündigung (BVerwG, Beschluss vom 29.01.2020, Az. 2 B 27/19, Abruf-Nr. 216874).
Ehrenamt und Kurzarbeit
Durch die Auswirkungen der Corona-Pandemie befinden sich immer noch zahlreiche Menschen in Kurzarbeit. Mit der Vereinbarung der Kurzarbeit ist der Arbeitnehmer gleichzeitig von seiner Verpflichtung zur Arbeitsleistung befreit. Folglich können Kurzarbeiter entweder einer anderen Tätigkeit nachgehen oder sich ehrenamtlich engagieren.
PRAXISTIPP | Die Kurzarbeitssituation kann sich schnell ändern mit der Folge, dass Ihr Helfer plötzlich wieder zu seiner regulären Tätigkeit zurückkehren muss. Planen Sie solche Einsatzfälle im Verein daher nur kurzfristig. |
Auch wenn die Hauptleistungspflicht des Arbeitnehmers während der Kurzarbeit ruht, bestehen aber die Nebenpflichten weiter. Dazu gehören z. B. Konkurrenzverbote, die auch während der Kurzarbeit bestehen.
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Ein Fitness-Studio hat während der Covid-19-Pandemie geschlossen. Die hauptamtlichen Trainer haben eine Klausel im Arbeitsvertrag, nach der eine Nebentätigkeit bei konkurrierenden Einrichtungen untersagt ist.
Folge: Von einem solchen Konkurrenzverbot wären auch die benachbarten Sportvereine betroffen. Hier sollten Sie als Verein nachfragen, ob ein ehrenamtliches Engagement dieser Trainer aus Sicht des Studios akzeptabel wäre. |
Dass sich derzeit noch zahlreiche Menschen in Kurzarbeit befinden, stellt aber auch eine Chance für Vereine dar. Der paritätische Wohlfahrtsverband hat kürzlich gerade solche Menschen aufgerufen, sich ehrenamtlich zu engagieren. Nutzen auch Sie diese Chance, neue Helfer für Ihren Verein zu finden. Auf diese Weise können beide Seiten gewinnen. Ihr Verein findet neue Kräfte und die Menschen eine sinnvolle Beschäftigung.
Ehrenamt während des Urlaubs
Ein Arbeitnehmer darf während des Urlaubs keine Erwerbstätigkeit leisten, die dem Urlaubszweck widerspricht. So steht es in § 8 Bundesurlaubsgesetz. Damit ist aber nicht jede Tätigkeit untersagt, die nicht zur Erholung führt, sondern lediglich eine dem Urlaubszweck widersprechende Erwerbstätigkeit. Schädlich ist eine Tätigkeit also nur, wenn die bezahlte Urlaubszeit dazu genutzt werden soll, um Einnahmen mit der eigenen Arbeitskraft zu erzielen.
Die unentgeltliche Mithilfe in einer gemeinnützigen Organisation widerspricht damit nicht dem Urlaubszweck (LAG Köln, Urteil vom 21.09.2009, Az. 2 Sa 674/09, Abruf-Nr. 093722).
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Ein Bauhandwerker ist Mitglied des Alpenvereins. Er hilft im Urlaub, eine Hütte des Vereins zu errichten.
Folge: Diese Tätigkeit ist erlaubt. |
PRAXISTIPP | Unschädlich wäre es sogar, wenn für den „Urlaubseinsatz“ Vergütungen im Rahmen der Übungsleiter- oder Ehrenamtspauschale (§ 3 Nr. 26 bzw. 26a EStG) fließen. Solange die Vergütung innerhalb der Grenzen der steuerfreien Pauschalen bleibt, gilt die Tätigkeit nicht als schädliche „Erwerbstätigkeit“. |
Ehrenamt und Arbeitslosigkeit
Ehrenamtlich engagieren können sich ‒ last but not least ‒ auch Menschen, die keiner Beschäftigung nachgehen und als arbeitsuchend registriert sind. Die ehrenamtliche Betätigung darf nur die berufliche Eingliederung des Arbeitsuchenden nicht beeinträchtigen (§ 138 Abs. 2 SGB III). Diese Voraussetzung ist erfüllt, wenn die Betätigung
- unentgeltlich ausgeübt wird,
- dem Gemeinwohl dient und
- bei einem gemeinnützigen, mildtätigen oder kirchlichen Verein erfolgt.
Tätigkeit im Bundesfreiwilligendienst kann schädlich sein
Eine Tätigkeit im Bundesfreiwilligendienst (BUFD) mit einem Umfang von 20 Stunden wöchentlich und einem Entgelt von 300 Euro monatlich stellt keine ehrenamtliche Betätigung dar und schließt daher den gleichzeitigen Bezug von Arbeitslosengeld aus (LSG Saarland, Urteil vom 21.08.2018, Az. L 6 AL 6/17, Abruf-Nr. 217019).
Auslagenersatz ist unschädlich
Sie können aber Auslagenersatz leisten, ohne dass die Unentgeltlichkeit berührt wird. Dies gilt auch, wenn Sie den Auslagenersatz in pauschalierter Form zahlen und die Pauschale 200 Euro im Monat nicht übersteigt. Neben einer nicht steuerpflichtigen Aufwandsentschädigung, die der ehrenamtlich Tätige erhält, ist eine Pauschalierung des Auslagenersatzes nur möglich, soweit die Auslagenpauschale zusammen mit der nicht steuerpflichtigen Aufwandsentschädigung nicht höher ist als 200 Euro im Monat.
Wichtig | Erwerbstätigen Empfängern der Grundsicherung wird ein Freibetrag von 100 Euro monatlich gewährt (§ 11b Abs. 2 S. 1 SGB II). Bei der Ehrenamts- oder Übungsleiterpauschale erhöht sich dieser Betrag auf 200 Euro ‒ und hat diese Folgen: Ist der Erwerbstätigengrundfreibetrag von monatlich 100 Euro bereits ausgeschöpft, ist eine Ehrenamtspauschale von maximal weiteren 100 Euro anrechnungsfrei. Hier kommt es entscheidend darauf an, was Sie Ihrem Helfer zahlen. Fragen Sie zur Sicherheit bei der Agentur für Arbeit nach, damit keine Gefahr der Kürzung des Leistungsbezugs besteht.
Arbeitsuchender muss Arbeitsmarkt voll zur Verfügung stehen
Der Arbeitsuchende muss dem Arbeitsmarkt nach Auffassung der Arbeitsverwaltung uneingeschränkt zur Verfügung stehen und seine Kräfte darauf konzentrieren, die Arbeitslosigkeit zu beenden. Nach der „Verordnung über die ehrenamtliche Betätigung von Arbeitslosen“ hat die berufliche Eingliederung Vorrang vor der Ausübung einer ehrenamtlichen Betätigung. Daher müssen Arbeitsuchende der Agentur für Arbeit unverzüglich melden, wenn sie ein Ehrenamt ausüben, das mindestens 15 Stunden in der Woche umfasst.
Wichtig | Darüber hinaus muss der Arbeitsuchende sicherstellen, dass ihn das Ehrenamt nicht hindert,
- sich darum zu bemühen, die Beschäftigungslosigkeit zu beenden, bzw.
- Vorschlägen der Agentur für Arbeit zur beruflichen Eingliederung unverzüglich Folge zu leisten.
Häufig wird sich ein ehrenamtliches Engagement für den Arbeitsuchenden positiv auswirken, weil er hier besondere Fertigkeiten erlernen oder erfolgversprechende berufliche Kontakte knüpfen kann.
FAZIT | So schön es ist, wenn sich Menschen in Ihrem Verein engagieren, so sind leider auch hier rechtliche Bedingungen zu beachten. Weisen Sie Ihre Helfer auf diese Besonderheiten hin, damit die Mithilfe in Ihrem Verein nicht unangenehme Folgen hat, die schlimmstenfalls in einer Kündigung enden können. |
Weiterführende Hinweise
- Beitrag „Beschäftigungen im Verein: So werden Sie zur Einsatzstelle für BFDler und FSJler“, VB 2/2020, Seite 14 → Abruf-Nr. 46322418
- Beitrag „Gemeinnützige Arbeit als Auflage im Strafverfahren: So wird Ihr Verein zur Einsatzstelle“, VB 3/2020, Seite 14 → Abruf-Nr. 46370309
- Beitrag „Beschäftigungen im Verein: So behandeln Sie Praktikanten vergütungstechnisch richtig“, VB 1/2020, Seite 15 → Abruf-Nr. 46292291