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· Fachbeitrag · Nachbarrecht

So vollstrecken Sie aus einem Schiedsvergleich

von Dipl.-Rechtspfleger Peter Mock, Koblenz

| Anträge darauf, einen Schiedsvergleich zu vollstrecken, kommen in der gerichtlichen Praxis meist im Bereich von Nachbarschaftsstreitigkeiten vor. Dabei empfiehlt sich die im Beitrag erläuterte Vorgehensweise. |

1. Ausgangsfall

Der folgende Fall ist typisch für das Entstehen eines Schiedsvergleichs:

 

  • Überwuchernde Pflanzen

Vom Grundstück des A. in Rheinland-Pfalz wuchern über dessen Grenze in den Vorgartenbereich des B. Pflanzen, ohne dass A. sie ordnungsgemäß zurückschneidet. Durch den Bewuchs werden die Dachrinnen am Haus des B. verstopft, wodurch dieser einen Abwehr- bzw. Unterlassungsanspruch gegen A. hat.

 

Nachdem B. das zuständige Schiedsamt angerufen hat, schließen die Parteien im Schiedsamtstermin einen Vergleich folgenden Inhalts: „A. verpflichtet sich, bis zum 4.3. sämtlichen von seinem Grundstück ausgehenden Überwuchs auf das Grundstück des B. ordnungsgemäß in die Grenze seines Grundstücks zurückzuschneiden. Die Beteiligten sind sich darüber einig, dass die Grenzwand die Grenze beider Grundstücke bildet.“

 

A. kommt dieser Pflicht nicht nach. Was kann B. dagegen tun?

 

2. Schiedsvergleich ist Vollstreckungstitel

Aus Schiedsvergleichen kann die Zwangsvollstreckung betrieben werden. § 29 Abs. 1 S. 1 Schiedsamtsordnung Rheinland-Pfalz (SchO RLP) regelt z. B. dazu, dass die vor einer Schiedsperson geschlossenen Vergleiche vollstreckbar sind. Dabei sind die Bestimmungen der ZPO über die Zwangsvollstreckung aus notariellen Urkunden entsprechend anzuwenden. I. Ü. ergibt sich aus § 801 ZPO, dass das jeweilige Landesrecht vorschreiben kann, dass nach Bundesrecht vollstreckt werden darf.

 

MERKE | Damit darf hier nach § 750 Abs. 1 S. 1 ZPO die Vollstreckung nur beginnen, wenn die Personen, für und gegen die sie stattfinden soll, im Vergleich oder in der ihm beigefügten Vollstreckungsklausel namentlich bezeichnet sind und das Urteil bereits zugestellt ist oder gleichzeitig zugestellt wird.

 

3. Vollstreckungsklausel erteilt das AmG

Die Vollstreckungsklausel (§ 725 ZPO) wird durch das AG ‒ nicht durch das Schiedsamt ‒ erteilt, in dessen Bezirk die Schiedsperson ihren Dienstsitz hat. Auf der Urschrift der Niederschrift über den Vergleich wird vermerkt, wann und von wem sowie für und gegen wen die Vollstreckungsklausel erteilt wurde. Hierzu muss das AG die Schiedsperson von der Erteilung der Vollstreckungsklausel benachrichtigen, falls sich das Protokollbuch nicht in seiner Verwahrung befindet.

 

PRAXISTIPP | Achten Sie unbedingt darauf, dass die Klausel vom richtigen Organ erteilt wird, sonst ist die Vollstreckung angreifbar. Funktionell zuständig für die Erteilung der Klausel ist der Richter und nicht der Rechtspfleger (AG Winsen 17.5.11, 16 C 626/11). Die Zuständigkeit des Rechtspflegers ist nach § 20 Nr. 12 und 13 RpflG nur für die Erteilung der vollstreckbaren Ausfertigungen in den Fällen von § 726 Abs. 1, §§ 727 bis 729, 733, 738, 742, 744, § 745 Abs. 2 sowie § 749 ZPO und für die Erteilung von weiteren vollstreckbaren Ausfertigungen gerichtlicher Urkunden sowie die Entscheidung über den Antrag auf Erteilung weiterer vollstreckbarer Ausfertigungen notarieller Urkunden nach § 797 Abs. 3 ZPO und § 60 S. 3 Nr. 2 SGB VIII gegeben. Eine Ausnahme besteht nur in Nordrhein-Westfalen: Denn dort hat der Landesgesetzgeber die Übertragung der Zuständigkeit für Erteilung der Vollstreckungsklausel auf den Rechtspfleger geregelt (§ 25 Abs. 1 Nr. 2 JustizG NRW).

 

4. Vollstreckungsfähigkeit muss bestehen

Vor Erteilung der Vollstreckungsklausel muss das Gericht prüfen, ob

  • die beteiligten Personen ordnungsgemäß bezeichnet sind,
  • eine Schiedsamtsvereinbarung vorliegt und
  • die Vereinbarung einen vollstreckungsfähigen Inhalt hat.

 

PRAXISTIPP | Damit eine Zwangsvollstreckung nicht scheitert, müssen Sie im Vorfeld prüfen, ob der Vereinbarungstext aus sich heraus verständlich und eindeutig ist. So ist z. B. genau zu bezeichnen, auf welche Höhe Bäume bzw. Bewuchs zurückzuschneiden sind. Hierbei sollten Sie unbedingt Höhenangaben in Meter machen oder einen unveränderlichen Referenzpunkt angeben. Angaben wie „die Parteien werden die Höhe noch einvernehmlich festlegen“ machen die Vereinbarung wertlos (kein eindeutig vollstreckungsfähiger Inhalt).

 

5. Durchführung der Zwangsvollstreckung

Um die Zwangsvollstreckung aus einem Schiedsamtsvergleich zu betreiben, muss der Inhalt der Vereinbarung betrachtet werden.

 

Die Vollstreckung einer Geldforderung richtet sich nach den §§ 802a ff. ZPO. Insofern ist der Gerichtsvollzieher mit der Vollstreckung zu beauftragen, bzw. der Gläubiger kann im Rahmen der Forderungsvollstreckung einen PfÜB beim Vollstreckungsgericht (§ 828 Abs. 2 ZPO) beantragen.

 

Bei der Vollstreckung einer Handlungspflicht kommen eine vertretbare (§ 887 ZPO) bzw. eine unvertretbare Handlung (§ 888 ZPO) bzw. die Vollstreckung einer Duldungs- oder Unterlassungspflicht (§ 890 ZPO) in Betracht.

 

Im Ausgangsfall handelt es sich um die Vollstreckung einer vertretbaren Handlung, da ein Dritter die geschuldete Handlung vornehmen kann. B. als Gläubiger kann daher folgenden Antrag nach § 887 ZPO stellen:

 

Musterformulierung / Antrag auf Vollstreckung eines Rückschnitts

An das AG

 

In der Zwangsvollstreckungssache

des ... ‒ Gläubigers und Antragstellers ‒ , Verfahrensbevollmächtigte: ...

gegen

den ... ‒ Schuldner und Antragsgegner ‒, Verfahrensbevollmächtigte: ...

 

überreiche ich namens und in Vollmacht des Gläubigers die vollstreckbare Ausfertigung des vor dem Schiedsamt in Koblenz am …, Protokoll Nr. …, abgeschlossenen Vergleichs nebst Zustellbescheinigung. Namens und in Vollmacht des Gläubigers beantrage ich,

 

  • 1) den Gläubiger zu ermächtigen, die dem Schuldner nach dem o. g. Schiedsamtsvergleich obliegende vertretbare Handlung, nämlich sämtlichen von seinem Grundstück ausgehenden Überwuchs auf das Grundstück des Gläubigers ordnungsgemäß in die Grenze des Grundstücks des Schuldners zurückzuschneiden, im Wege der Ersatzvornahme durch den Gläubiger oder einen von ihm zu beauftragenden Dritten vornehmen zu lassen.
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  • 2) anzuordnen, dass der Schuldner die im Wege der Ersatzvornahme erforderlichen Maßnahmen, vor allem das Betreten seines Grundstücks, dulden muss und
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  • 3) den Schuldner zu verurteilen, an den Gläubiger für die durch die nach Nr. 1) vorzunehmende Ersatzvornahme einen Kostenvorschuss von ... EUR zu zahlen.
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  • Begründung

Der Schuldner hat sich vor dem Schiedsamt in Koblenz am …, Protokoll Nr. …, verpflichtet, bis zum 4.3. sämtlichen von seinem Grundstück ausgehenden Überwuchs auf das Grundstück des Gläubigers ordnungsgemäß in die Grenze seines Grundstücks zurückzuschneiden. Bei dieser Pflicht handelt es sich um eine vertretbare Handlung gemäß § 887 ZPO. Nachdem der Schuldner bis zum genannten Termin (4.3.) die Verpflichtung nicht erfüllt hat, wurde er mit Schreiben vom ... unter Fristsetzung bis zum ... aufgefordert, ihr nachzukommen.

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Beweis: Schreiben vom ... in beglaubigter Abschrift als Anlage

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Die vom Schuldner geschuldete Handlung stellt eine vertretbare Handlung nach § 887 ZPO dar, da die Handlung auch vom Gläubiger bzw. einem von diesem zu beauftragenden Dritten ausgeführt werden kann, ohne dass sich aus Sicht des Gläubigers etwas am wirtschaftlichen Erfolg oder am Charakter der Handlung ändert. Der Schuldner kann insoweit bei der Erfüllungshandlung vertreten werden. Entsprechend ist der Gläubiger zur Ersatzvornahme nach § 887 Abs. 1 ZPO zu ermächtigen.

Nach § 887 Abs. 2 ZPO ist der Schuldner darüber hinaus verpflichtet, die Kosten vorzuschießen, die bei der Ersatzvornahme entstehen. Insofern wird auf den anliegenden Kostenvoranschlag der Firma verwiesen. Danach ermitteln sich die voraussichtlichen Kosten in Höhe von ... EUR.

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Es wird gebeten, antragsgemäß zu entscheiden und dem Gläubiger eine vollstreckbare Ausfertigung des Beschlusses sowie eine Zustellbescheinigung zukommen zu lassen.

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Rechtsanwalt

 
Quelle: Seite 66 | ID 46370620