· Fachbeitrag · Nachfolgeklauseln für den Gesellschaftsvertrag
Einziehungsklausel bei der AG
von RAin Viktoria Heinze, FAin Erbrecht, Berlin, www.georgepartner.de
| Im Gegensatz zur Satzungsautonomie bei der GmbH gilt bei der AG ‒ statuiert in § 23 Abs. 5 S. 1 AktG ‒ der Grundsatz der Satzungsstrenge. Dieser besagt, dass ein Abweichen von den Vorschriften des AktG nur zulässig ist, wenn dies im AktG auch ausdrücklich vorgesehen ist. Ausdrücklich zugelassen ist die Einziehung von Aktien (§§ 237 ff. AktG) und damit auch die Vereinbarung einer Einziehungsklausel für den Todesfall in der Satzung. |
1. Vorbemerkungen
Aktien, d. h., sowohl Inhaber- als auch Namensaktien, sind zwingend vererblich. Diese Vererblichkeit kann gesellschaftsvertraglich auch nicht ausgeschlossen werden. Die AG wird also nach dem Tod des Aktionärs mit dessen Rechtsnachfolgern fortgeführt. Die Beteiligungsrechte an einer AG gehen nach §§ 1922, 1967 BGB im Wege der Gesamtrechtsnachfolge auf den Erben/die Erben des Aktionärs über. Die Beteiligungsrechte fallen damit in den Nachlass.
Bei der Ausgabe von Inhaberaktien ist allgemein anerkannt, dass ‒ wie bei der GmbH ‒ keine Sonderrechtsnachfolge stattfindet und die Aktien bei Vorliegen einer Erbengemeinschaft den Erben zur gesamten Hand zustehen. Die Miterben können gemäß § 69 Abs. 1 AktG die Rechte aus der Aktie nur durch einen gemeinschaftlichen Vertreter ausüben.
Ob dies auch für Namensaktien gilt, ist noch nicht abschließend geklärt. Nach § 67 Abs. 1 S. 1 AktG sind bei Namensaktien der Name, das Geburtsdatum, die Postadresse sowie eine elektronische Adresse des Aktionärs in das von der AG geführte Aktienregister einzutragen. Nach § 67 Abs. 2 S. 1 AktG gilt im Verhältnis zur Gesellschaft nur derjenige als Aktionär, der als solcher im Aktienbuch eingetragen ist, sofern die Aktien noch nicht ausgegeben worden sind:
- Nach der überwiegenden Ansicht nehmen Erben von Aktionären eine Sonderstellung ein: Danach gelten sie gegenüber der Gesellschaft ohne Umschreibung als Aktionäre, sodass keine namentliche Nennung im Aktienbuch erforderlich ist (OLG Brandenburg 6.6.01, 7 U 145/00; Sailer-Coceani/Kraft in Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts, Bd. 4 Aktiengesellschaft, § 14, Rn. 53).
- Nach anderer Ansicht stehen den Erben die Rechte aus Namensaktien erst mit Eintragung in das Aktienregister zu (Bayer in Münchener Kommentar zum AktG, § 6, Rn. 82), was zu einer Sonderrechtsnachfolge führen würde.
Hat die Gesellschaft dem Aktionär gegenüber eine Willenserklärung abzugeben, genügt die Abgabe der Erklärung gegenüber einem Berechtigten, wenn die Berechtigten der Gesellschaft keinen gemeinschaftlichen Vertreter benannt haben. Bei mehreren Erben eines Aktionärs gilt dies aber nur für Willenserklärungen, die nach Ablauf eines Monats seit dem Anfall der Erbschaft abgegeben werden (§ 69 Abs. 3 S. 1 und S. 2 AktG).
Der Aktionär kann wegen § 71 Abs. 1 Nr. 5 AktG, wonach ein Erwerb von Aktien durch die AG im Rahmen der Gesamtrechtsnachfolge zulässig ist, durch letztwillige Verfügung der AG selbst die Aktien zuwenden.
MERKE | In Bezug auf Aktien wird die Testamentsvollstreckung als uneingeschränkt zulässig betrachtet.
Die letztwillige Verfügung des Aktionärs ist zur Vermeidung von Widersprüchen und zur Realisierung des Willens des Aktionärs mit der Satzung der AG abzustimmen. |
2. Musterformulierung und Anmerkungen
Soll eine Einziehungsklausel in die Satzung einer AG aufgenommen werden, dann könnte sie folgenden Wortlaut haben:
Musterformulierung / Einziehungsklausel bei der AG |
§ … Tod eines Aktionärs
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2.1 Anmerkungen zu Nr. 1 der Musterformulierung
Der Abs. 1 des Musters ist wegen der zwingenden Vererblichkeit von Aktien nur deklaratorisch und hat keinen eigenen Regelungsinhalt. Dieser Absatz sollte dennoch aufgenommen werden, um klarzustellen, dass mit dieser Klausel nicht die Vererbung der Aktie an sich ausgeschlossen werden soll.
2.2 Anmerkungen zu Nr. 2 der Musterformulierung
Es sollte geregelt werden, wann und in welcher Form der Gesellschaft der Tod eines Aktionärs anzuzeigen ist. Nach dem Todesfall stehen die Erben eines Aktionärs u. U. noch nicht fest, sodass angeordnet werden sollte, dass auch die potenziellen Erben (dies sind die gesetzlichen Erben) die Verpflichtung haben, der Gesellschaft den Tod des Aktionärs anzuzeigen.
Die im Muster verwandten drei Tage dienen lediglich als Pietätsfrist, d. h., es wäre auch möglich zu regeln, dass der Todesfall „unverzüglich“ (d. h., ohne schuldhaftes Zögern) anzuzeigen ist. Die Form der Mitteilung unterliegt keinem Formzwang, d. h., die im Muster vorgesehene Form des eingeschriebenen Briefs kann auch anders festgelegt werden. Da die Einberufung der Hauptversammlung durch den Vorstand erfolgt (§ 121 Abs. 2 S. 1 AktG), ist es angebracht in der Satzung festzulegen, dass der Tod eines Aktionärs diesem gegenüber mitzuteilen ist.
Da es nach dem Tod des Mitgesellschafters u. U. Streit über die Erbfolge geben könnte, sollte zur Vermeidung von Rechtsunsicherheiten geregelt werden, wann und in welcher Form ein Erbnachweis vorzulegen ist. Mit Blick auf die Rechtsprechung des BGH (7.6.05, XI ZR 311/04) in Bezug auf notarielle letztwillige Verfügungen sollte dementsprechend nur bei nicht notariellen letztwilligen Verfügungen oder bei Eintritt der gesetzlichen Erbfolge ein Erbschein verlangt werden.
2.3 Anmerkungen zu Nr. 3 der Musterformulierung
Die Begründung einer Abtretungspflicht ist bei der AG unzulässig, sodass die Satzung keine Zwangsabtretung bzw. eine Kombination von Abtretungs- und Einziehungsklausel vorsehen kann.
Eine Zwangseinziehung ist nur zulässig, wenn sie in der ursprünglichen Satzung oder durch eine Satzungsänderung (§§ 179 ‒ 181 AktG) vor Übernahme oder Zeichnung der Aktien angeordnet oder gestattet war (§ 237 Abs. 1 S. 2 AktG). Die Aktie muss also bereits beim Erwerb mit der Möglichkeit der Einziehung belastet sein. Liegen diese Voraussetzungen nicht vor, kann eine Einziehung nur mit Zustimmung des Aktionärs bzw. im Todesfall mit Zustimmung seiner Erben erfolgen.
Es gibt also die Möglichkeit der Anordnung oder der Gestattung der Einziehung. Eine Zwangseinziehung ist angeordnet i. S. d. § 237 Abs. 1 S. 2 AktG, wenn die Satzung festlegt, dass die Aktien unter bestimmten Voraussetzungen eingezogen werden müssen. Die Voraussetzungen einer Zwangseinziehung (Voraussetzungen, Grund, Umfang und Entgelt) müssen bei der Anordnung in der Satzung genau vorgeschrieben werden, sodass dem Vorstand als zuständigem Entscheidungsorgan (§ 237 Abs. 6 S. 2 AktG) kein Entscheidungsspielraum mehr verbleibt. Sind diese Voraussetzungen nicht gegeben, bedarf die Einziehung eines Beschlusses der Hauptversammlung, der die weiteren Einzelheiten enthält (sogenannte Gestattung).
Anders als bei der GmbH stellt die Einziehung bei der AG eine Kapitalherabsetzung dar. Dies führt dazu, dass für die Einziehung grundsätzlich die Vorschriften über die ordentliche Kapitalherabsetzung zu befolgen sind (§ 237 Abs. 2 S. 1 i. V. m. §§ 222 ff. AktG). Diese Vorschriften setzen voraus:
- Einen Beschluss der Hauptversammlung (§ 237 Abs. 2 S. 2 AktG): Ein Beschluss der Hauptversammlung soll nach § 237 Abs. 6 AktG nicht notwendig sein, wenn es sich um eine in der Satzung angeordnete Zwangseinziehung handelt und der Vorstand über die Einziehung entscheidet.
- Anmeldung des Herabsetzungsbeschlusses (§ 223 AktG i. V. m. § 237 Abs. 2 S. 1 AktG) und seiner Durchführung (§ 239 AktG) durch den Vorstand zum Handelsregister.
- Beantragung der Bekanntmachung des Herabsetzungsbeschlusses durch das Registergericht mit dem Hinweis auf den Gläubigerschutz nach § 225 Abs. 1 S. 2 AktG.
- Erklärung gegenüber dem betroffenen Aktionär nach § 238 S. 3 AktG.
Beachten Sie | Die Vorschriften über die ordentliche Kapitalherabsetzung müssen nicht befolgt werden, wenn die Voraussetzungen von § 237 Abs. 3 AktG vorliegen. Eine einfache Stimmmehrheit ist in diesem Fall ausreichend (§ 237 Abs. 4 AktG), wenn die Satzung nicht eine andere Vorgabe enthält.
Das für die Einziehung zuständige Organ ist die Hauptversammlung, es sei denn, die Zwangseinziehung ist durch den Gesellschaftsvertrag angeordnet. In letzterem Fall ist der Vorstand zuständig.
2.4 Anmerkungen zu Nr. 4 der Musterformulierung
Die Voraussetzungen für eine Einziehung von Aktien sind auch für den Todesfall noch strenger als bei der GmbH, sodass Einziehungsklauseln meist nur für kleine AGs vereinbart werden, die zum Schutz vor Überfremdung bestimmen wollen, dass lediglich Mitaktionäre, die Abkömmlinge oder der Ehegatte des Aktionärs Aktien halten dürfen.
2.5 Anmerkungen zu Nr. 5 der Musterformulierung
Gemäß § 238 S. 3 AktG bedarf es zur Einziehung einer Handlung der Gesellschaft, die auf die Vernichtung der Rechte aus einer bestimmten Aktie gerichtet ist. Der Vorstand ist das Vertretungsorgan der AG, sodass dieser auch die für „Vernichtung der Rechte“ erforderliche einseitige empfangsbedürftige Willenserklärung gegenüber den Rechtsnachfolgern des verstorbenen Aktionärs abzugeben hat. Die Anordnung des Ruhens des Stimmrechts ist wegen des aufwendigen Verfahrens zur Wirksamkeit der Einziehung sinnvoll.
2.6 Anmerkungen zu Nr. 6 der Musterformulierung
Das AktG enthält keine Regelung dazu, ob und in welcher Höhe die AG bei einer Einziehung ein Entgelt an den betroffenen Aktionär zahlen muss.
Ist in der Satzung keine Regelung zur Höhe der Abfindung enthalten, so wird eine angemessene Abfindung geschuldet. Es ist im Falle der Gestattung nicht zulässig, die Höhe der Abfindung in das freie Ermessen der Hauptversammlung zu stellen (OLG München 12.5.16, 23 U 3572/15).
Es ist höchstrichterlich noch nicht entschieden, ob ein vollständiger Ausschluss der Abfindung zulässig ist. Jedenfalls ist nach der Rechtsprechung des BGH ein schuldrechtlicher Vertrag zwischen einer AG und einem Aktionär, wonach der Aktionär im Falle der Vertragsbeendigung seine Aktien auf die Gesellschaft unentgeltlich zu übertragen hat, dann nach § 138 Abs. 1 BGB nichtig, wenn der Aktionär die Aktien zuvor entgeltlich erworben hat (BGH 22.1.13, II ZR 80/10). Das BVerfG (8.9.99, 1 BvR 301/89) hat bei Abfindungen/Ausgleichungen an Aktionäre im Zusammenhang mit Unternehmensverträgen entschieden, dass das was dem Aktionär an Eigentum i. S. d. Art. 14 Abs. 1 GG verloren geht, ausgeglichen werden muss, d. h., der Aktionär muss eine volle Entschädigung erhalten. Zur Vermeidung von Wertungswidersprüchen muss dies auch im Rahmen der Zwangseinziehung gelten.
MERKE | Üblich sind Klauseln, wonach sich das Entgelt nach dem Marktwert oder dem Nominalwert der Aktien richtet. |