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· Fachbeitrag · Nachfolgeklauseln für den Gesellschaftsvertrag

Fortsetzungsklausel bei der GbR

von RAin Viktoria Heinze, FAin Erbrecht, Berlin, www.georgepartner.de

| Die Vereinbarung einer Fortsetzungsklausel im Gesellschaftsvertrag einer GbR kann die Gesellschaft im Falle des Todes eines Gesellschafters vor deren Auflösung bewahren. Zudem wird der Gesellschaftsanteil der erbrechtlichen Disposition der Gesellschafter entzogen. Denn ein Gesellschafter kann allenfalls noch über den Abfindungsanspruch letztwillig verfügen, sollte dieser nicht sogar vollumfänglich im Gesellschaftsvertrag ausgeschlossen sein. |

1. Vorbemerkungen

Der Tod eines GbR-Gesellschafters führt ‒ sofern nicht im Gesellschaftsvertrag etwas anderes geregelt ist ‒ nach § 727 Abs. 1 BGB zur Auflösung der Gesellschaft. Die Erben treten dann wegen § 1922 BGB anstelle des verstorbenen Gesellschafters in die als Liquidationsgesellschaft fortbestehende Gesellschaft ein. Der Zweck der Liquidationsgesellschaft ist die Verteilung des Gesellschaftsvermögens.

 

Eine Fortsetzungsklausel bestimmt, dass die Gesellschaft mit dem Tod eines Gesellschafters nicht aufgelöst wird, sondern mit den verbleibenden Gesellschaftern fortgesetzt wird. Der verstorbene Gesellschafter scheidet aus der Gesellschaft aus und sein Anteil wächst den übrigen Gesellschaftern im Verhältnis ihrer Anteile gemäß §§ 736 Abs. 1, 738 Abs. 1 S. 1 BGB an. Dies geschieht ohne besonderen Übertragungsakt.

 

Beachten Sie | Anders als bei Kapitalgesellschaften geht der Anteil des verstorbenen Gesellschafters nicht auf die Erben des verstorbenen Gesellschafters über.

 

Aber nicht nur die Rechtsfolge des § 727 Abs. 1 BGB wird durch eine Fortsetzungsklausel vermieden. Zudem wird der Gesellschaftsanteil hierdurch der erbrechtlichen Disposition des Gesellschafters entzogen, d. h. die Fortsetzungsklausel wirkt auch ohne oder gegen die letztwillige Verfügung des Gesellschafters. Durch Aufnahme einer Abfindungsregelung können ferner die finanziellen Belastungen für die Gesellschaft und die Gesellschafter im Todesfall gesteuert werden.

 

MERKE | Bei einer zweigliedrigen Gesellschaft reicht eine reine Fortsetzungsklausel nicht aus, weil es keine Ein-Mann-Gesellschaft gibt.

 

2. Musterformulierung und Anmerkungen

Soll eine Fortsetzungsklausel in den Gesellschaftsvertrag einer GbR aufgenommen werden, dann könnte sie folgenden Wortlaut haben:

 

Musterformulierung / Fortsetzungsklausel bei einer GbR

§ … Tod eines Gesellschafters

 

  • 1. Stirbt ein Gesellschafter, wird die Gesellschaft mit den verbleibenden Gesellschaftern fortgeführt. Der Anteil des verstorbenen Gesellschafters wächst den verbleibenden Gesellschaftern im Verhältnis ihrer Anteile an.

 

  • 2. Verbleibt nur noch ein Gesellschafter, so geht das Vermögen der Gesellschaft ohne Liquidation mit den Aktiva und Passiva auf den verbleibenden Gesellschafter über.

 

  • 3. Den Erben des verstorbenen Gesellschafters stehen keine Abfindungsansprüche gegen die Gesellschafter oder die Gesellschaft zu.

 

  • Alternative 1: Den Erben des verstorbenen Gesellschafters steht ein Abfindungsanspruch nach § … [Regelung zur Abfindung] ausschließlich gegen die Gesellschaft zu.

 

  • Alternative 2: Den Erben des verstorbenen Gesellschafters steht ein Abfindungsanspruch nach § … [Regelung zur Abfindung] ausschließlich gegen die Gesellschafter zu.
 

2.1 Anmerkungen zu Nr. 1 der Musterformulierung

Die Formulierung in Nr. 1 des Musters ist die eigentliche Fortsetzungsklausel. Diese sieht vor, dass der verstorbene Gesellschafter ausscheidet und dessen Anteil den verbleibenden Gesellschaftern im Verhältnis ihrer Anteile anwächst. Bei mehrgliedrigen Gesellschaften kann auch geregelt werden, dass der Anteil nicht allen verbleibenden Gesellschaftern anwächst, sondern nur einem bestimmten Gesellschafter oder einzelnen Gesellschaftern.

 

Beachten Sie | Die Fortsetzung mit den verbleibenden Gesellschaftern kann auch nur für den Tod einzelner Gesellschafter vereinbart werden.

 

Weiterhin kann vereinbart werden, dass die Fortführung der Gesellschaft nach dem Tod eines Gesellschafters von dem Beschluss der verbleibenden Gesellschafter abhängig gemacht wird. Dabei besteht die Möglichkeit, auch den Erben des verstorbenen Gesellschafters ein Stimmrecht einzuräumen.

 

Bei der Vereinbarung der soeben genannten Alternativen zum Muster sollte bedacht werden, dass es sich u. U. um eine erbrechtliche Nachfolge handeln könnte, was zu Pflichtteilsansprüchen führen könnte. Auch die Kombination mit einem Ausschluss der Abfindung könnte einen Pflichtteilsergänzungsanspruch der Erben entstehen lassen (siehe unter Punkt 2.3).

 

2.2 Anmerkungen zu Nr. 2 der Musterformulierung

Die Regelung der Nr. 2 sollte nicht nur für den Fall aufgenommen werden, dass es sich bereits um eine zweigliedrige GbR handelt. Denn bei Vereinbarung einer reinen Fortsetzungsklausel kann auch bei mehrgliedrigen Gesellschaften ‒ sofern die Gesellschaft nicht aus anderen Gründen aufgelöst wird oder neue Gesellschafter hinzukommen ‒ der Fall eintreten, dass diese zukünftig zu einer zweigliedrigen GbR wird.

 

Die Rechtsprechung geht davon aus, dass die im Muster enthaltene Regelung zur Folge hat, dass das Vermögen der GbR beim Ausscheiden im Wege der Gesamtrechtsnachfolge auf den allein verbleibenden Gesellschafter übergeht, ohne dass es eines Übertragungsaktes oder einer Übernahmeerklärung bedarf. Daher ist die Gesellschaft mit dem Ausscheiden des vorletzten Gesellschafters ohne Liquidation beendet (BGH 31.5.10, II ZB 9/09).

 

Enthält der Gesellschaftsvertrag nur eine Fortsetzungsklausel ohne Regelung für den Fall des Versterbens des vorletzten Gesellschafters, kann diese in eine Übernahmeklausel umgedeutet werden, wenn der Übernahme des Gesellschaftsvermögens durch den letzten Gesellschafter nach den Umständen keine Gründe entgegenstehen (OLG Köln 15.12.16, 15 U 141/15) In diesem Fall ist aber strittig, ob es einer Übernahmeerklärung des verbliebenen Gesellschafters bedarf. Um den Unwägbarkeiten einer Auslegung zu umgehen, sollte ‒ wie im Muster vorgesehen ‒ eine ausdrückliche Regelung aufgenommen werden.

 

2.3 Anmerkungen zu Nr. 3 der Musterformulierung

Die Erben des verstorbenen Gesellschafters haben, wenn der Gesellschaftsvertrag keine abweichende Regelung enthält, einen Abfindungsanspruch nach § 738 Abs. 1 S. 2 BGB. Nach dem Wortlaut des § 738 Abs. 1 S. 2 BGB richtet sich dieser Anspruch nicht gegen die Gesellschaft, sondern gegen die Gesellschafter. Entgegen dem Wortlaut der Vorschrift wird aber angenommen, dass der Abfindungsanspruch primär von der Gesellschaft geschuldet ist. Die Gesellschafter haften analog § 128 HGB akzessorisch (BGH 12.7.16, II ZR 74/14).

 

Gibt es keine Regelung im Gesellschaftsvertrag hinsichtlich der Höhe des Abfindungsanspruchs, bemisst sich dieser nach dem Verkehrswert des Anteils. Der Abfindungsanspruch kann im Gesellschaftsvertrag für den Fall des Todes eines Gesellschafters beschränkt werden (z. B. auf den Buchwert, Stundung der Auszahlung etc.).

 

MERKE | Im Gegensatz zu anderen Ausscheidensgründen (Kündigung, Ausschluss) kann der Abfindungsanspruch der Erben im Falle des Todes eines Gesellschafters aber auch insgesamt ausgeschlossen werden (BGH 20.12.65, II ZR 145/64).

 

 

Bei der im Muster gewählten Ausgangsformulierung wird der Abfindungsanspruch sowohl gegen die Gesellschafter als auch gegen die Gesellschaft ausgeschlossen. Damit würden die Gesellschafter vor den Folgen des § 738 Abs. 1 S. 2 BGB (d. h. den auf die Erben wegen § 1922 BGB übergegangenen Abfindungsanspruch) geschützt und die Liquidität der Gesellschaft könnte erhalten bleiben.

 

Die Alternative 1 des Musters entspricht der Rechtsprechung zu § 738 Abs. 1 S. 2 BGB (Abfindungsanspruch gegen die Gesellschaft). Durch den Verweis auf die im Gesellschaftsvertrag geregelte Abfindungsregelung kann eine Abfindung in Höhe des Verkehrswerts vermieden werden. Durch das Wort „ausschließlich“ wird sodann die sekundäre Haftung der Gesellschafter ausgeschlossen.

 

Die Alternative 2 entspricht dem Wortlaut des § 738 Abs. 1 S. 2 BGB. Auch hier kann durch den Verweis auf die Abfindungsregelung ein Ausgleich in Höhe des Verkehrswerts verhindert werden. Durch das Wort „ausschließlich“ wird die Haftung der Gesellschaft ausgeschlossen.

 

PRAXISTIPP | Besteht ein gesteigertes Interesse an der Erhaltung der Liquidität der Gesellschaft ‒ unter Inkaufnahme der vollständigen persönlichen Haftung der übrigen Gesellschafter ‒ sollte diese Klausel in den Gesellschaftsvertrag aufgenommen werden.

 

 

Sowohl bei der Ausgangsformulierung als auch bei den Alternativen des Musters kann sich die Frage nach Pflichtteils- (§ 2303 BGB) und Pflichtteilsergänzungsansprüchen (§§ 2325 ff. BGB) stellen.

 

Bei einem vollständigen Ausschluss der Abfindung wird angenommen, dass ein Pflichtteilsanspruch nicht entstehen kann. Denn das würde voraussetzen, dass der Anteil zumindest vorübergehend Nachlassbestandteil geworden ist (§ 2311 BGB). Dies ist bei der Fortsetzungsklausel nach überwiegender Ansicht aber nicht der Fall, weil der Anteil des verstorbenen Gesellschafters am Nachlass vorbeigesteuert wird (Münchener Kommentar/ Lange, § 2311, Rn. 56).

 

Bei einer Abfindung im Rahmen der gesellschaftsvertraglichen Bestimmungen (Alternative 1 und 2) ist der entsprechende Betrag wegen seiner Vererblichkeit an die Erben auszukehren. Hinsichtlich der Differenz (tatsächlicher Wert der Beteiligung versus gezahlte Abfindung laut Gesellschaftsvertrag) oder auch beim vollständigen Abfindungsausschluss stellt sich die Frage, ob die zum Kreis der pflichtteilsberechtigten Personen gehörenden Erben Pflichtteilsergänzungsansprüche geltend machen können ‒ und zwar gemäß § 2325 BGB gegen die Erben bzw. gemäß § 2329 BGB nachrangig gegen die Gesellschaft oder die restlichen Gesellschafter.

 

Grundsätzlich geht der BGH (20.12.65, II ZR 145/64) bei einem für alle Gesellschafter vereinbarten Abfindungsausschluss im Todesfall davon aus, dass keine unentgeltliche Zuwendung an die übrigen Gesellschafter vorliegt und damit auch ein Pflichtteilsergänzungsanspruch ausscheidet. Dies wird damit begründet, dass für jeden Gesellschafter dieselbe Chance besteht, ohne Zahlung einer Abfindung einen Anteil hinzuzugewinnen oder den Anteil entschädigungslos zu verlieren.

 

Beachten Sie | Die Rechtsprechung hat aber Ausnahmen von diesem Grundsatz angenommen, wenn die Gesellschafter bei Abschluss des Gesellschaftsvertrags mit einer ungleichen Behandlung gerechnet haben (d. h. bei großen Altersunterschieden zwischen den Gesellschaftern oder einer bekannten, tödlich endenden Erkrankung eines Gesellschafters; vgl. KG Berlin 10.3.77, 12 U 1601/76 und OLG Düsseldorf 13.5.77, 7 U 243/76). Bei der Bewertung werden also durch die Rechtsprechung auch die Umstände des Einzelfalls berücksichtigt. Das kann bei den Benachteiligten und zum Kreis der Pflichtteilsberechtigten gehörenden Erben zu einer erheblichen Streitbereitschaft führen.

Quelle: ID 46562646