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· Fachbeitrag · Ordnungsgemäße Kassenführung

Probleme der Kassenführung vermeiden ‒ Vorteile der elektronischen Kassenführung

von Richter am FG a.D. Hermann Pump, Münster

| Mangels leicht verständlicher Vorgaben in den Gesetzen, Rechtsverordnungen oder Verwaltungsanweisungen ‒ ist es für Unternehmer und ihre steuerlichen Berater schwer zu entscheiden, wie die manuelle Kassenführung erfolgen muss. Das legt eine Kassenbuchführung nahe, die nur mit Einzelaufzeichnungen der Geschäftsvorfälle und mit Belegen erfolgt. |

1. Bedeutung der richtigen Kassenführung

Im bargeldintensiven Betrieb ist die Kassenbuchführung wegen der zahlreichen Geschäftsvorfälle (Verkäufe, Dienstleistungen) ein Massenverfahren. Deshalb muss sie praxistauglich sein und bürokratische Mehrarbeit und Ärger bei der Betriebsprüfung vermeiden. Das erfordert zwingend Einzelaufzeichnungen der Geschäftsvorfälle, damit die Richtigkeitsvermutung des § 158 AO eingreift. Sie greift nur ein, wenn die Aufzeichnungs- und Aufbewahrungspflichten erfüllt werden und die Aufzeichnungen anhand der Belege (Belegprinzip) überprüfbar sind.

 

Auch die umsatzsteuerlichen Aufzeichnungspflichten müssen beachtet werden (vgl. Nr. 3.5 AEAO zu § 146 AO). Nur bei Vorlage geordneter und vollständiger Belege verdient eine Gewinnermittlung Vertrauen und kann für sich die Vermutung der Richtigkeit in Anspruch nehmen (BFH 15.4.99, IV R 68/98, BStBl II 99, 481 zur Einnahmen-Überschussrechnung mit vielen Geschäftsvorfällen). Die Kassenführung muss jederzeit kassensturzfähig sein. Wer diese Anforderungen nicht beachtet, riskiert das Bußgeld wegen Steuergefährdung und weiteren Ärger.

 

1.1 Pragmatische Lösung der Probleme

Einzelaufzeichnungen sind eine vertrauensbildende Maßnahme. Sie sind im bargeldintensiven Betrieb als Obliegenheit angezeigt, wenn sie nicht ohnehin zwingend sind. Die Tax Compliance erfordert umsatzsteuerlich Einzelaufzeichnungen jedes Geschäftsvorfalls, also nicht nur des Erlöses. Die Einzelaufzeichnung jedes Geschäftsvorfalls ist die einzig gute Lösung für jeden Unternehmer. Für den Mandanten entsteht der Vorteil, dass die Betriebsprüfung schneller abläuft und nicht zu horrenden Mehrsteuern durch eine völlig unzulängliche Kassenführung als gravierenden Fehlern i. S. d. § 158 AO führt.

 

Für den Berater vermindert sich der Arbeitsaufwand und das Risiko durch unzulässige Reparaturen. Dazu gehören Nachbuchungen bei den retrograden Kassenberichten, um Kassenfehlbeträge zu verdecken. Das betrifft auch die vom Berater oder einem Buchführungshelfer erstellten Kassenberichte. Darin liegt ein Verstoß gegen die sog. Zeitnähe, da die retrograden Kassenberichte täglich vom Unternehmer zu erstellen sind. Dieser Verstoß allein rechtfertigt die Verwerfung der Aufzeichnungen oder Buchführung und damit die Vollschätzung.

 

1.2 Fehlender Überblick über die Unzumutbarkeit der Aufzeichnung jedes einzelnen Geschäftsvorfalls

Es ist extrem schwer, einen Überblick zu bekommen, wann Einzelaufzeichnungen der Geschäftsvorfälle zwingend sind. Hier liegen viele Risiken. Es ist auf jeden Fall falsch, auf der Grundlage der ohnehin überholten Einzelhandelsrechtsprechung zu entscheiden. Die meisten dort erwähnten Branchen müssen bereits wegen § 22 UStG die Geschäftsvorfälle einzeln aufzeichnen. Das kann sich aus anderen Gründen auch aus anderen Rechtsgrundlagen wie z. B. bei Spielautomaten ergeben.

 

Soweit § 146 Abs. 1 S. 3 AO von Einzelaufzeichnungen befreit, muss bedacht werden, dass das EStG und § 22 UStG die spezielleren Regelungen sind, die die allgemeinere Norm der Abgabenordnung verdrängen. Ohnehin müssen wegen § 146 Abs. 1 S. 3 AO immer retrograde Kassenberichte geführt werden. Bei mehreren Kassenbehältern müssen mehrere Kassenberichte geführt werden. Anderenfalls ist die Kassenbuchführung immer mit einem so gravierenden Mangel behaftet, dass es zu einer Vollschätzung und ab 1.1.20 zu einem Bußgeld bis zu 25.000 EUR wegen Steuergefährdung kommt.

 

1.3 Beratungsfehler

Eine offene Ladenkasse ohne Einzelaufzeichnungen reicht nicht aus, um eine Kassenbuchführung zu führen. Die Einzelaufzeichnung nur der Erlöse verstößt gegen § 22 UStG und gegen das Belegprinzip. Wer seine Kassenbuchführung mit offener Kasse führt, übersieht das dadurch verursachte Risiko. Es besteht darin, dass er diese Kassenführung nicht beherrscht. Das gilt gleicherweise für sein Personal. Denn diese Kassenführung ist ‒ entgegen der allgemeinen Ansicht ‒ nicht einfach. Dadurch entstehen schwere formelle Fehler, die sich im bargeldintensiven Betrieb als materielle Fehler gem. § 158 AO auswirken. Die Fehlerfolge kann sich auch auf den steuerlichen Berater erstrecken, wenn ein dauerhaftes Beratungsverhältnis vorliegt und er die für ihn evidenten Fehler seines Mandanten oder seines Personals bei der Kassenführung nicht erkannt und nicht abgestellt hat. Es ist also Vorsicht geboten.

 

Wenn ein steuerlicher Berater eine Kassenführung mit retrograder Kassenführung (also ohne Einzelaufzeichnungen) als Lösung anbietet oder akzeptiert, berät er evident falsch. Er verhindert die richtige Lösung durch Einzelaufzeichnungen. Damit setzt er die entscheidende Ursache für den Misserfolg seiner Mandanten bei Betriebsprüfungen. Zudem verursacht er für sich ggf. Probleme durch teure Regressverfahren. Ein Vertrauen auf die Berufshaftpflicht ist zumindest bei vorsätzlichem Verhalten ausgeschlossen. Das greift auch ein, wenn die Berufshaftpflicht nur auf die Mindesthaftpflichtsumme beschränkt ist. Das für alle Beratungsleistungen geltende Vorsichtsprinzip verhindert, die mangels Einzelaufzeichnung der Geschäftsvorfälle falsche Lösung der retrograden Kassenberichte anzuregen oder aufrecht zu erhalten.

 

Checkliste / Einzelaufzeichnungspflicht für die Geschäftsvorfälle bei manueller Kassenführung

  • Die Einzelaufzeichnungspflicht kann sich aus Sondervorschriften ergeben. Das betrifft z. B. den Großhandel und die Geldwäsche.
  • Sie folgt bei Bilanzierern aus dem jederzeit nötigen Überblick über die Kassenlage. Davon werden z. B. bilanzierende Schausteller erfasst.
  • Sie folgt bei der EÜR aus § 22 UStG und aus dem Belegprinzip.
  • Die Einzelaufzeichnungspflicht kann sich auch aus ertragsteuerlichen Grundsätzen ergeben, weil die Ausnahme des § 146 Abs. 1 S. 3 AO nicht eingreift.
  • Einzelaufzeichnungen sind zwingend, wenn der Kunde namentlich bekannt ist.
  • Einzelaufzeichnungen sind zwingend, wenn keine Vielzahl von baren Geschäftsvorfällen erfolgt.
  • Sie müssen erfolgen, wenn die Vielzahl der Barerlöse nicht als Stoßgeschäft anfällt, sondern sich über den Tag verteilt.
  • Werden Dienstleistungen erbracht, sind Einzelaufzeichnungen zwingend, vgl. § 146 Abs. 1 S. 3 AO. Das betrifft die Gastronomie, Friseure, Kioske und Taxis.
  • Die Einzelaufzeichnungen betreffen die Geschäftsvorfälle, nicht nur die Einzelaufzeichnung der Erlöse.
  • Sie müssen auch für die Umsatzsteuer geführt werden.
  • Eingangsrechnungen müssen für die Vorsteuer und die Betriebsausgaben aufbewahrt werden.
  • Die Einzelaufzeichnungspflicht folgt auch aus den umsatzsteuerlichen Belegpflichten des § 22 UStG.
  • Bei manueller Erfassung ist es nicht unwahrscheinlich, dass ein falscher Steuersatz notiert wird.
  • Das Risiko entfällt bei richtiger Programmierung der Steuersätze.
 

1.4 Zwischenergebnis

Die manuelle Kassenführung mit offener Kasse ist mangels Einzelaufzeichnung der Geschäftsvorfälle immer riskant. Bei ihr ist eine Kassen-Nachschau kaum praktikabel, weil keine Einzelaufzeichnungen geführt werden und es nur eine Tageslosung als Summe gibt. Durch den retrograden Kassenbericht provoziert der Unternehmer, dass die Kassen-Nachschau in eine reguläre Betriebsprüfung übergeleitet werden muss. Entsprechend führt die offene Kasse mit Einzelaufzeichnungen nur der Erlöse rechtlich dazu, dass es zu Bußgeld, Mehrsteuern und Nachzahlungszinsen kommt. Sie verstößt gegen § 158 AO, da die Geschäftsvorfälle einzeln aufgezeichnet werden müssen. Damit provoziert der Unternehmer, sodass ein Bußgeld wegen Steuergefährdung und Mehrsteuern sowie Nachzahlungszinsen wahrscheinlich ist. Das allein spricht dafür, keine offenen Ladenkassen zu verwenden. Wer es anders handhabt, fährt ein hohes Risiko. Die erste Kassen-Nachschau wird durch dieses Vorgehen wahrscheinlich. Darauf kann sich niemand vorbereiten, da sie nicht angekündigt wird und bei ihr auch Testkäufe sowie Beobachtungen der Abläufe bei der Kassenführung zulässig sind, ohne dass die Prüfer eine Prüfungsanweisung vorweisen müssen.

2. Elektronische Kassenführung

Bei der elektronischen Kassenführung sind Einzelaufzeichnungen der Geschäftsvorfälle zwingend. Das ergibt sich heute aus § 146 Abs. 1 S. 4 AO. Damit ist sie bei der Kassen-Nachschau schnell und sicher überprüfbar.

 

Schon deshalb ist sie von der Auswahl der Art der Aufzeichnung der Geschäftsvorfälle die bessere Kassenführung, wenn man sie mit der manuellen Kassenführung vergleicht.

 

2.1 Elektronische Kassenführung als vorteilhafte Alternative

Es lohnt bei jedem bargeldintensiven Betrieb, die Kassenführung auf elektronische Kassenführung umzustellen. Entsprechend dem alten Grundsatz keine „Buchung ohne Beleg“ ist das der einzige Weg für den Berater und seinen Mandanten, unnötigen Ärger durch formelle Fehler zu vermeiden. Nur so gelingt es, die extrem hohe Beanstandungsquote bei der Kassenbuchführung zu vermeiden. Denn die Fehlerwahrscheinlichkeit durch menschliche Fehler (vergessene Erfassung) wird bei elektronischen Kassen verhindert.

 

2.2 Absicherung durch Kassenanweisung

Im Hinblick auf das jetzt mögliche Bußgeld wegen Steuergefährdung kann ein einzelner nicht erfasster Geschäftsvorfall bereits massive Sanktionen auslösen. Das lässt sich bei der elektronischen Kassenführung verhindern, indem durch eine Kassenanweisung die zwingende Vorgabe der sofortigen Bonierung festgeschrieben wird. Dadurch wird das Bußgeld wegen Steuergefährdung bei einer klaren Kassenanweisung und ihrer strikten Umsetzung ausgeschlossen.

 

Checkliste / Gesonderte Einzelaufzeichnungspflicht für die Geschäftsvorfälle bei elektronischer Kassenführung

  • Wird eine elektronische Kasse benutzt? Dazu gehören auch elektronische Registrierkassen/PC ‒Kassen.
  • Dann folgt die Einzelaufzeichnungspflicht aus § 146 Abs. 1 S. 4 AO.
  • Es müssen auch die Umsatzsteuersätze und Umsatzsteuerbeträge aufgezeichnet werden.
  • Die elektronische Kassenführung muss generell alle Umsätze erfassen.
  • Die Registrierkasse darf z. B. nicht nur für Bewirtungsquittungen verwendet werden.
  • Es ist eine Steuergefährdung, wenn die vorhandene elektronische Kasse nicht benutzt wird.
  • Das Bußgeld kann bis zu 25.000 EUR betragen.
 

2.3 Zwischenergebnis

Nur bei der elektronischen Kassenführung gibt es insbesondere durch die GoBD klare Regeln für die Kassenbuchführung. Sie sind extrem wichtig, um die eigene Kassenbuchführung beanstandungssicher zu führen. Dieser Vorteil ist so bedeutsam, dass er ausreichen sollte, um sich für die elektronische Kassenführung zu entscheiden. Dadurch wird das Bußgeld wegen Steuergefährdung bei einer klaren Kassenanweisung und ihrer strikten Umsetzung ausgeschlossen. Das vorhandene Misstrauen der finanzamtlichen Prüfer gegenüber bargeldintensiven Betrieben beruht auf ihren Prüfungserfahrungen und kann nur durch eine elektronische Kassenführung minimiert werden. Durch die Einzelaufzeichnungen der Geschäftsvorfälle werden die Probleme bei den Kassen-Nachschauen und ihre Überleitung in eine reguläre Betriebsprüfung vermieden.

3. Kombination der manuellen und elektronischen Kassenführung

Der Praktiker ist zumeist schon mit der elektronischen Kassenführung ausgelastet, die er beanstandungssicher führen muss. Denn er muss sicherstellen, dass jeder Geschäftsvorfall ordnungsgemäß boniert wird. Das verlangt entsprechende Kontrollen, um die Bonierung und die Erfassung des richtigen Steuersatzes sicherzustellen. Es ist deshalb verfehlt, daneben eine oder mehrere offene Kassen zu führen. Zwei völlig unterschiedliche Systeme der Kassenführung in einem Betrieb komplizieren die Kassenbuchführung, verhindern einheitliche Prüfkriterien und führen dazu, dass die Fehlerwahrscheinlichkeit drastisch steigt. Das führt dann mit großer Wahrscheinlichkeit dazu, dass die Richtigkeitsvermutung des § 158 AO widerlegt wird.

 

3.1 Beispielsfall einer fehlerhaften Kombination

Es ist unklug, bei der Kassenbuchführung verschiedene Formen ‒ also die manuelle Kassenführung und die elektronische Kassenführung ‒ zu kombinieren. Das führt fast immer dazu, dass im Ergebnis insgesamt eine unzulässige Kassenführung vorliegt.

 

  • Beispiel

Es ist ein gravierender Fehler, die Bruttoeinnahmen manuell in einer offenen Kasse mittels summarischer Kassenführung zu erfassen und sie dann bei Geschäftsschluss als Gesamtsumme in der Registrierkasse einzubuchen. Hier werden sowohl bei der manuellen als auch bei der elektronischen Kassenführung gravierende Fehler i. S. d. § 158 AO gemacht. Schaut man sich die manuelle Kassenführung an, so ist der Fehler schnell erkennbar.

 

Fehlerquelle bei der manuellen Erlöserfassung: Es fehlt bei der offenen Kasse ‒ selbst wenn sie ohne Einzelaufzeichnungen zulässig wäre ‒ der tägliche Kassenbericht für jeden (!) Kassenbehälter (gravierender Verstoß gegen § 158 AO).

 

Fehlerquelle bei elektronischer Kassenführung: Da eine elektronische Kasse verwendet wird, muss jeder Geschäftsvorfall einzeln boniert werden. Wird nur der ausgezählte Betrag aus der offenen Kasse eingebucht, so ersetzt dies nicht die fehlenden einzelnen Bonierungen. Eine täglich nur einmal eingebuchte Gesamtsumme der Bruttoerlöse ist nicht geeignet, die zwingende Bonierung jedes Geschäftsvorfalls zu ersetzen. Das ist mit der Situation vergleichbar, dass eine vorhandene Registrierkasse nicht benutzt wird, sondern die Erlöse mit Kellnerzetteln etc. erfasst werden. Bei der Kassen-Nachschau ist dieser Fehler schon daran feststellbar, dass der Verkäufer oder Kellner bei der Bestellung und bei der Bezahlung die elektronische Kasse nicht verwendet.

 

3.2 Kassen-Nachschau

Bei der Kassen-Nachschau wird die Ordnungsmäßigkeit der Kassenführung kontrolliert. Damit muss feststehen, welche Kassenführung vorliegt. Im Regelfall wird die Kasse mittels einer Registrierkasse (elektronische Kasse) sicher geführt. Auch der Unternehmer kann nur so prüfen, ob jeder Erlös eingebucht wird, um so Fehlerquellen zu verhindern. Das vermeidet unnötigen Ärger bei der Kassen-Nachschau und verhindert den vom Schadensvolumen oft völlig unterschätzten Griff in die Kasse bei offenen Ladenkassen.

Quelle: Seite 78 | ID 46357553