· Fachbeitrag · Personal
Die 5 Sprachen der Wertschätzung ‒ ein Erfolgsmodell auf Team- und Führungsebene
von Wilma Mildner, Berufspädagogin, Personal- und Businesscoach, Professional Speaker, www.indent-coaching.de
| Die Personalprobleme in Zahnarztpraxen nehmen drastisch zu und sind sehr vielfältig: Fachkräftemangel und damit verbunden wenige Bewerber, weniger Loyalität dem Arbeitgeber gegenüber, Berufswechsel, vermeintlich geringeres Engagement der jungen Mitarbeiter sind nur einige der häufig genannten Probleme. Wie kann man aus dieser Negativspirale aussteigen? Ein Weg ist die Anwendung der „5 Sprachen der Wertschätzung“. Was sich dahinter verbirgt und wie Mitarbeiter und Chefs damit zur Mitarbeiterbindung beitragen, wird nachfolgend erläutert. |
Vielfältige Ansätze moderner Personalbindung
Moderne Ansätze der Personalanbindung sind vielfältig und immer wichtiger: Von betrieblicher Altersvorsorge über Teamevents und Umsatzbeteiligung sind der Kreativität keine Grenzen gesetzt. Tatsächlich jedoch sind materielle Zuwendungen nur eine von vielen Sprachen, um Wertschätzung auszudrücken. Darüber hinaus ist Geld immer nur ein Sekundärbedürfnis: Das bedeutet, im Kern geht es eigentlich nicht um das Geld (z. B. die Gehaltserhöhung), sondern um etwas dahinter Liegendes. In den allermeisten Fällen geht es dabei um Wertschätzung.
Das Modell der „5 Sprachen der Wertschätzung“
Im Folgenden wird daher das Modell der „5 Sprachen der Wertschätzung“ von Gary Chapman aufgegriffen. Es kann auf Führungsebene (seitens der Praxisinhaber) und auf Teamebene angewendet werden.
Die 5 Sprachen der Wertschätzung sind tatsächlich wie fünf Sprachen zu sehen. Wir bevorzugen eine Sprache (die Muttersprache), kennen oft eine zweite ganz gut, aber die anderen drei in der Regel nicht oder zumindest recht wenig. Da es aber fünf verschiedene Sprachen gibt, um Wertschätzung auszudrücken und diese je nach Person und Vorliebe unterschiedlich genutzt werden (eben jeder in seiner „Muttersprache“), kommt es im beruflichen Kontext häufig zu Missverständnissen.
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Der Praxisinhaber ist der Meinung, er würde viel für seine Mitarbeiter tun und diese regelmäßig wertschätzen, weil er ihnen z. B. Fortbildungen finanziert oder Teamevents unterstützt. Wenn jedoch das Team oder einzelne Mitarbeiterinnen viel lieber ein längeres Personalgespräch oder ein Lob bekommen würden, dann haben sich beide Seiten leider missverstanden. Sie sind frustriert ‒ der Praxisinhaber, weil er keinen Effekt seiner Maßnahme sieht und das Team oder das Teammitglied, da es sich nicht wertgeschätzt fühlt. |
Es hat daher Sinn, die 5 Sprachen der Wertschätzung zu kennen und im Team darüber zu sprechen, was jeder am liebsten empfängt. Das klingt viel schwieriger als es ist. Voraussetzung ist natürlich Ehrlichkeit in der Äußerung der eigenen Wünsche. Die 5 Sprachen der Wertschätzung sind „Lob und Anerkennung“, „sich Zeit nehmen“, „Hilfsbereitschaft“, „Geschenke“ und „Körperkontakt“.
1. Lob und Anerkennung
Die erste Sprache der Wertschätzung ist jene, an die wir bei dem Wort Wertschätzung als Erstes denken ‒ Lob und Anerkennung. Damit wird einem anderen Menschen eine positive Botschaft vermittelt. Dabei lassen sich drei Unterformen unterscheiden:
- Lob für geleistete Arbeit (z. B.: „Es gefällt mir, wie fröhlich Sie am Telefon geklungen und dem Patienten Ihre Hilfe angeboten haben“).
- Lob für Charaktereigenschaften (z. B.: „Ich weiß es wirklich zu schätzen, dass Sie so viel Integrität an den Tag legen. Dadurch fühle ich mich sicher.“).
- Worte, die positive Persönlichkeitsmerkmale hervorheben (z. B.: „An dir bewundere ich u. a., dass du immer optimistisch bist. Manchmal lasse ich mich entmutigen, aber wenn ich mit dir geredet habe, sehe ich alles wieder positiver “).
2. Sich Zeit nehmen
Sich Zeit für jemanden zu nehmen zielt darauf ab, dass man einem Menschen seine ungeteilte Aufmerksamkeit schenkt. Das ist besonders im hektischen Praxisalltag besonders viel wert („Dr. Schultz hat viel zu tun ‒ unglaublich viel. Doch sie nimmt sich immer die Zeit, sich praktisch jede Woche mit mir zusammenzusetzen. Das gibt mir sehr viel.“).
Das Sich-Zeit-Nehmen kann auf unterschiedliche Weisen erfolgen: Intensives Gespräch (unter vier Augen, z. B. Personalgespräche), gemeinsame Erlebnisse (z. B. Praxisevents wie ein Abendessen, ein Musicalbesuch oder eine gemeinsame Fortbildung), Gespräch in Kleingruppen (besonders bei schüchternen Mitarbeiterinnen, die sich in einer Kleingruppe eher trauen etwas zu sagen, als wenn sie alleine mit dem Praxisinhaber oder der Praxismanagerin sprechen), räumliche Nähe in der Zusammenarbeit (z. B. beim gemeinsamen Aufräumen des Lagers, eventuell noch bei guter Musik, wenn alle das mögen).
3. Hilfsbereitschaft
Wenn man Menschen durch tatkräftige Hilfe Wertschätzung zeigt, signalisiert ihnen das, dass man sich um sie kümmert und sie unterstützt („Sag nicht einfach, dass ich dir wichtig bin, sondern zeige es mir“). Hierbei sind unbedingt folgende Punkte zu bedenken, sonst kann Hilfsbereitschaft auch ganz gegenteilig wirken:
- Eigener Arbeitserfolg muss gesichert sein: Hilfe sollte nur angeboten werden, wenn die eigene Arbeit erledigt ist oder zumindest die Erledigung sichergestellt ist. Ansonsten wird das n„Problem“ nur in einen anderen Arbeitsbereich verlagert.
- Fragen, bevor man hilft! Hilfsangebote können auch negativ aufgenommen werden, z. B. dann, wenn jemand selber eigentlich zufrieden mit seiner Leistung ist. Daher sollte man vorher immer fragen, ob und wie man helfen kann. Denn die Hilfsbedürftigkeit, die der Helfende sieht, kann beim Gegenüber auch als Kritik verstanden werden.
- Freiwilligkeit: Es sollte niemand gezwungen werden, einem anderen zu helfen, denn das kann kaum gelingen. Wenn derjenige, der Hilfe empfängt, die Information erhält, dass der Helfende das nicht freiwillig tut, dann löst das unnötigen Stress aus und hat so keinen positiven Effekt. Im schlimmsten Falle vertieft das einen Teamkonflikt. Es sollte daher jemand ausgewählt werden, der sich freiwillig anbietet oder zumindest keine Schwierigkeiten mit der Kollegin und der Aufgabe hat.
- Arbeitsweise des anderen aufnehmen: Sollte z. B. jemand abbestellt werden, um eine Mitarbeiterin, die das Lager aufräumt, zu unterstützen, so ist es wichtig, dass die Arbeitsweise desjenigen, der die Arbeit begonnen hat, aufgenommen wird. Denn ansonsten ist die Hilfe wenig wert und führt dem Hilfeempfangenden ggf. noch eigene Unzulänglichkeiten vor Augen.
4. Geschenke
Bei dieser Sprache der Wertschätzung geht es nicht in erster Linie um Geldgeschenke, sie zählen aber in diese Kategorie hinein. Bedacht werden sollte immer, dass Geschenke persönlich sein und dem Gegenüber auch gefallen sollten. Eine hohe Aussicht auf ein passendes Geschenk hat man, wenn man sich folgende Informationen über seine Mitarbeiter merkt: Hobbys, Lieblingsrestaurant, Kulturinteresse, Shoppingvorlieben.
5. Körperkontakt
Die letzte Sprache der Wertschätzung ist im beruflichen Kontext weniger von Bedeutung als im privaten Umfeld. Im beruflichen Umfeld akzeptierte Formen des Körperkontakts sind,
- Handschütteln
- Hand auf die Schulter legen (z. B. um Verständnis zu unterstreichen und Nähe zu zeigen, ggf. auch um ein Lob zu verstärken)
- Ggf. Umarmung (von der Teamsituation abhängig, kann aber ‒ z. B. wenn es einer Kollegin schlecht geht ‒ durchaus angemessen sein)
Bei Körperkontakt im beruflichen Umfeld ist starkes Feingefühl erforderlich, denn dieser Kontakt kann vom Empfänger schnell als grenzüberschreitend und unangenehm empfunden werden. Wenn sich der Gesprächspartner leicht zurückbewegt oder angespannt wirkt, so ist das ein Zeichen, dass diese Art der Wertschätzung künftig unterbleiben sollte.
FAZIT | Praxen, die mit den 5 Sprachen der Wertschätzung umzugehen verstehen, profitieren von vielen positiven Effekten: verbessertes Arbeitsklima, stärkere Praxisanbindung, verringerte Fehlzeiten und erhöhte Motivation. |
Weiterführender Hinweis
- Wissen Sie, welcher Kategorie der 5 beschriebenen Typen Sie angehören? Finden Sie es heraus! Einen entsprechenden Selbsttest finden Sie hinter folgendem Link: iww.de/s504