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· Fachbeitrag · Personalmanagement

Arbeitszeitgestaltung im Außendienst: In diesen Fällen sind Fahrzeiten zu vergüten

von Rechtsanwalt Dr. Christian Schlottfeldt, Arbeitszeitkanzlei

| Viele Versicherungsmaklerunternehmen arbeiten mit angestellten Außendienstmitarbeitern zusammen. Das wirft in der Praxis immer wieder die Frage auf, ob die Fahrzeiten im Zusammenhang mit Kundenbesuchen zu vergüten sind. Der folgende Beitrag erläutert die arbeitszeitgesetzlichen und die vergütungsrechtlichen Rahmenbedingungen und dekliniert die einzelnen Fahrzeiten-Szenarien durch. |

Fahrzeiten im Außendienst sind Arbeitszeit

Auch für die Fahrzeiten im Außendienst gilt: Arbeitszeit ist die Zeit vom Beginn bis zum Ende der „Arbeit“ ohne Ruhepausen (§ 2 Abs. 1 ArbZG). Fahrzeiten im Rahmen von Kundenbesuchen sind untrennbar mit dem wirtschaftlichen Ziel der Haupttätigkeit (Arbeitsleistung beim Kunden) verbunden. Sie gehören deshalb grundsätzlich zur „Arbeit“, so das BAG (Urteil vom 22.04.2009, Az. 5 AZR 292/08, Abruf-Nr. 092830).

 

Auch der EuGH sieht das so: Kundenbezogene Fahrzeiten von Außendienstmitarbeitern zählen grundsätzlich zur Arbeitszeit nach Art. 2 Nr. 1 der Arbeitszeitrichtlinie (2003/88 EG), so der EuGH (Urteil vom 10.09.2015, Rs. C-266/14, Abruf-Nr. 145558).

 

Etwas anderes gilt in punkto Arbeitszeit nur für Reisezeiten in öffentlichen Verkehrsmitteln, die der Außendienstmitarbeiter für eigene Zwecke nutzen kann (z. B. Schlafen oder private Lektüre). Sie sind aufgrund der geringeren Beanspruchung keine Arbeitszeit im Sinne des Arbeitszeitschutzrechts. Sie müssen im Rahmen der Höchstarbeitszeit nicht berücksichtigt werden (BAG, Urteil vom 11.07.2006, Az. 9 AZR 519/05, Abruf-Nr. 071779). Dieser Aspekt dürfte bei Außendienstmitarbeitern von Maklerunternehmen aber nur selten zum Tragen kommen, weil diese meist einen Dienstwagen nutzen.

Fahrzeiten als Arbeitszeiten und Vergütung

Mit der Einordnung der Fahrzeit als Teil der Arbeitszeit ist noch keine Aussage dazu getroffen, wie die Fahrzeiten von Außendienstmitarbeitern zu vergüten sind. Hierfür gelten die allgemeinen arbeitsrechtlichen Grundsätze.

 

Fahrzeiten Teil der vertraglich geschuldeten Tätigkeit

Nach der Rechtsprechung des BAG ist „Arbeit“ (im arbeitsvertraglichen bzw. vergütungsrechtlichen Sinn) jede weisungsgebundene Tätigkeit, die der Erfüllung eines fremden Bedürfnisses (hier: des Arbeitgebers) dient. Soweit Fahrzeiten Teil der vertraglich geschuldeten Tätigkeit sind, erbringt der Außendienstmitarbeiter deshalb mit ihnen arbeitsvertraglich geschuldete Arbeitszeit. Da der Außendienstmitarbeiter seine Tätigkeit ohne Fahrzeiten nicht erfüllen kann, sind Fahrzeiten deshalb regelmäßig auch in arbeitsvertraglicher Hinsicht, Arbeitszeit. Das gilt allerdings nur, sofern besondere vertragliche oder betriebliche Regelungen fehlen (zu den einzelnen Szenarien siehe unten).

 

Abweichende vertragliche oder betriebliche Regelungen

Bestehen dagegen abweichende vertragliche oder betriebliche Regelungen, ist es möglich, dass diese Fahrzeiten vergütungsrechtlich anders bewertet werden ‒ auch wenn sie Arbeitszeiten im Sinne des Arbeitszeitgesetzes sind. Dies kommt z. B. dann in Frage, wenn Fahrzeiten bereits mit der arbeitsvertraglich vereinbarten Vergütung abgegolten sind oder aufgrund einer betrieblichen Regelung nur anteilig als Arbeitszeit anzurechnen sind.

 

Solche Regelungen sind nach der Rechtsprechung des BAG zulässig, soweit nicht der Arbeitsvertrag oder ein anwendbarer Tarifvertrag eine klare Regelung zur Anrechnung von Fahrzeiten enthalten. Das Mindestlohnrecht gibt die vergütungsrechtliche Untergrenze über die Anrechnung von Fahrzeiten vor: Die dem Außendienstmitarbeiter gezahlte monatliche Vergütung muss unter Berücksichtigung der „echten“ Arbeitszeit (Termine beim Kunden etc.) zzgl. der Fahrzeit in der Summe dem Mindestlohn für alle geleisteten Stunden entsprechen.

 

PRAXISTIPP | Bei einem Vollzeitmitarbeiter mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von 40 Stunden beträgt die regelmäßige Arbeitszeit 173,33 Stunden (40 Wochenstunden x 13/3). Sie müssen ihm ein Gehalt in Höhe von 1.620,64 Euro (9,35 Euro x 173,33) zahlen, um seinen Mindestlohnanspruch zu befriedigen.

 

Fahrzeiten zwischen Homeoffice und Kundenbetrieb

Häufig verfügen Außendienstmitarbeiter nicht über einen betrieblichen Arbeitsplatz, sondern üben ihre Tätigkeit vom Homeoffice aus. Dies kann im beiderseitigen Vorteil liegen: Der Makler als Arbeitgeber spart dadurch Arbeitsplatzkosten, und für den Außendienstmitarbeiter entfallen Wegezeiten in das Maklerunternehmen.

 

Fahrzeiten als Arbeitszeit nach dem Arbeitszeitschutzrecht

Im Fall des Außendienstmitarbeiters im Homeoffice sind nach Auffassung des EuGH Fahrzeiten zwischen Homeoffice und Kundenbetrieb einschl. der Rückfahrt vom letzten Kundenbesuch zum Homeoffice Arbeitszeit im Sinne der EU-Arbeitszeitrichtlinie. Diese Zeiten sind damit auch als Arbeitszeiten im Sinne des Arbeitszeitgesetzes anzusehen (EuGH, Urteil vom 10.09.2015, Rs. C-266/14, Abruf-Nr. 145558).

 

Die Bewertung als Arbeitszeit ergibt sich nach Auffassung des EuGH daraus, dass diese Fahrten notwendig sind, damit Arbeitnehmer bei den Kunden Leistungen erbringen können. Während dieser Fahrten unterstünden die Arbeitnehmer zudem den Anweisungen des Arbeitgebers, der die Kundenreihenfolge ändern oder einen Termin streichen oder hinzufügen könne. Außerdem könne der Außendienstmitarbeiter während der erforderlichen Fahrzeit nicht frei über seine Zeit zu verfügen und seinen eigenen Interessen nachgehen und stehe damit dem Arbeitgeber zur Verfügung. Damit seien die Kriterien der Arbeitszeit im Sinne der EU-Arbeitszeitrichtlinie erfüllt (EuGH, Urteil vom 10.09.2015, Rs. C-266/14, Abruf-Nr. 145558).

 

PRAXISTIPP | In der Konsequenz für die tägliche Tourenplanung heißt das, dass insbesondere die werktägliche Höchstarbeitszeit von zehn Stunden (zzgl. Pausen und evtl. weiteren Arbeitsunterbrechungen) einschl. aller Fahrzeiten einzuhalten ist. Die insgesamt geleistete Arbeitszeit darf durchschnittlich acht Stunden pro Werktag bzw. 48 Stunden pro Woche nicht überschreiten (§ 3 S. 2 ArbZG). Nach Ende der täglichen Arbeitszeit (Rückkehr vom letzten Kunden ins Homeoffice) muss eine Mindestruhezeit von elf Stunden eingehalten werden (§ 5 Abs.1 ArbZG).

 

Fahrzeiten als vergütungspflichtige Arbeitszeit

Die arbeitszeitschutzrechtliche Bewertung ist, wie dargelegt, nicht zwangsläufig ausschlaggebend für die Frage, ob Fahrzeiten als Arbeitszeit auf die vertraglich vereinbarte Arbeitszeit anzurechnen sind.

 

Soweit keine vertraglichen oder betrieblichen Regelungen zur Anrechnung von Fahrzeiten im Außendienst bestehen, kann man im Fall des Außendienstmitarbeiters, der vom Homeoffice aus die Kundenbesuche angeht, von einem Gleichlauf der arbeitszeitgesetzlichen und vergütungsrechtlichen Bewertung ausgehen. Danach sind bei Fehlen eines betrieblichen Arbeitsplatzes Fahrzeiten zwischen Homeoffice auf die vertraglich vereinbarte Arbeitszeit anzurechnen. Denn nach Auffassung des BAG gehört die Reise- und Fahrtätigkeit bei Außendienstmitarbeitern zu den vertraglichen Hauptleistungspflichten. Mangels festen Arbeitsorts könnten Außendienstmitarbeiter ihre vertraglich geschuldete Arbeit ohne dauernde Reisetätigkeit nicht erfüllen (BAG, Urteil vom 22.04.2009, Az. 5 AZR 292/08, Abruf-Nr. 092830).

 

  • Beispiel

Außendienstmitarbeiter A startet um 7.30 Uhr mit dem Dienstwagen zum Kunden 1. Die Fahrt dauert 30 Minuten. A ist beim Kunden 1 zwei Stunden. Um 10 Uhr startet er zum Kunden 2 (Fahrtzeit 20 Minuten). Dort ist er bis 12 Uhr. Von 12 Uhr bis 13.00 Uhr macht A seine Mittagspause. Dann geht es zum Kunden 3. Dort hat er einen Termin bis 15.30 Uhr. Zwischen 15.30 Uhr und 16.30 Uhr kehrt A nach Hause zurück, führt Telefonate mit Kunden und bereitet seinen nächsten Termin vor. Um 17.15 Uhr fährt er zu Kunde 4. Dort ist er bis 18.45 Uhr. Um 19.00 Uhr ist er zurück zuhause.

 

Ergebnis: Mit der Arbeitszeit von 9,75 Stunden wird die Höchstarbeitszeit von zehn Stunden einschl. aller Fahrzeiten eingehalten (Arbeitszeit 9,5 Stunden: 7.30 Uhr bis 12.00 Uhr = 4,5 Stunden; 13.00 bis 16.30 Uhr = 3,5 Stunden; 17.15 bis 19.00 Uhr = 1,75 Stunden). Der Weg direkt zum Kunden ist Arbeitszeit. Die gesamte Arbeitszeit inkl. Fahrzeiten ist auch zu vergüten, weil der Außendienstmitarbeiter ohne betrieblichen Arbeitsplatz faktisch gehalten ist, die Fahrten von seinem Wohnort aus anzutreten.

 

Fahrzeit bei betrieblichem Arbeitsplatz

Bei einem Außendienstmitarbeiter mit betrieblichem Arbeitsplatz stellt sich die Situation anders dar:

 

Fahrzeiten als Arbeitszeit nach dem Arbeitszeitschutzrecht ‒ ja und nein

Wegezeiten zwischen dem Wohnort des Außendienstmitarbeiters und dem Maklerunternehmen (und zurück) sind nicht als Arbeitszeit im Sinne des Arbeitszeitgesetzes anzusehen. Sie fallen in den Privatbereich des Außendienstmitarbeiters und sind damit Ruhezeit. Die Arbeitszeit im Sinne des Arbeitszeitgesetzes beginnt in diesem Fall erst mit Aufnahme der Arbeit im Maklerunternehmen.

 

Fahrzeiten zwischen Maklerunternehmen und Kunde (und zurück) sind dagegen voll als Teil der vom Außendienstmitarbeiter geschuldeten Hauptleistung anzusehen und damit „Arbeit“ im Sinne des § 2 Abs. 1 ArbZG. Der Außendienstmitarbeiter übt seine vertraglich geschuldete Tätigkeit aus, steht dem Arbeitgeber zur Verfügung und kann diese Zeiten nicht im Sinne einer Ruhezeit für Erholungszwecke nutzen.

 

Vergütungsrechtliche Anrechnung

Auch in vergütungsrechtlicher Hinsicht gilt in diesem Fall: Die Fahrzeit zwischen Maklerunternehmen und Kunde (und zurück) ist stets zu vergütende Arbeitszeit und damit voll auf die arbeitsvertraglich vereinbarte Arbeitszeit anzurechnen, soweit keine abweichenden individual- oder kollektivarbeitsrechtlichen Regelungen bestehen. Für die Fahrt zwischen Wohnort und Betrieb (und zurück) besteht dagegen kein Vergütungsanspruch (BAG, Urteil vom 12.12.2012, Az. 5 AZR 355/12, Abruf-Nr. 131904).

 

  • Beispiel

Außendienstmitarbeiter B startet um 7.30 Uhr mit dem Dienstwagen von seinem Wohnort zum Maklerunternehmen (Fahrtzeit 30 Minuten). Vom Maklerunternehmen aus startet er um 10 Uhr zum Kunden 1 (Fahrtzeit 30 Minuten). Dort ist er bis 12 Uhr. Von 12 Uhr bis 13.00 Uhr macht B Mittagspause. Dann geht es zum Kunden 2. Dort hat er einen Termin bis 15.30 Uhr. Anschließend kehrt B in das Maklerunternehmen zurück. Um 17.00 fährt er zu seinem Wohnort (Fahrtzeit 30 Minuten).

 

Ergebnis: Mit der Arbeitszeit von acht Stunden wird die Höchstarbeitszeit von zehn Stunden einschl. aller Fahrzeiten eingehalten (Arbeitszeit 8,0 Stunden: 8.00 Uhr bis 12.00 Uhr = 4,0 Stunden; 13.00 bis 17.00 Uhr = 4 Stunden). Der Weg vom Maklerunternehmen zum Kunden und zurück ist Arbeitszeit, nicht aber die Wegezeiten von je einer halben Stunde zwischen dem Wohnort des B und dem Maklerunternehmen.

 

Fahrt zum Kunden vom Wohnort aus

Bei einem Außendienstmitarbeiter mit betrieblichem Arbeitsplatz kann es vorkommen, dass er direkt vom Wohnort aus zum ersten Kunden fährt bzw. vom letzten Kunden an seinem Wohnort zurückkehrt, weil sich dadurch Wegezeiten einsparen lassen.

 

Fahrzeiten zum Kunden nach dem Arbeitszeitschutzrecht

Nach den dargelegten Grundsätzen zur arbeitszeitschutzrechtlichen Bewertung von Fahrzeiten kommt es darauf an, ob und inwieweit die Fahrzeiten auf der Grundlage einer arbeitgeberseitigen Weisung zustande gekommen sind:

 

  • Hat der Makler den Antritt der Fahrt zum Kunden vom Wohnort aus angewiesen, ist die Fahrzeit grundsätzlich als Arbeitszeit im Sinne des Arbeitszeitgesetzes zu bewerten.

 

  • Hat der Makler dem Außendienstmitarbeiter freigestellt, ob er vom Betrieb oder vom Wohnort aus zum Kunden fährt und damit keine konkrete Weisung ausgesprochen, ist die Beurteilung nicht so einfach: Zwar wäre es zumindest nach dem Schutzzweck des Arbeitszeitgesetzes vertretbar, eine evtl. für den Außendienstmitarbeiter ersparte Wegezeit zwischen Wohnort und Maklerunternehmen von der täglichen Arbeitszeit abzuziehen, die für den Außendienstmitarbeiter ansonsten im Rahmen seiner Ruhezeit angefallen wäre. Allerdings liegt hierzu bislang keine Rechtsprechung vor. Und seitens der Aufsichtsbehörden wird dieser Fall in der Regel entsprechend dem Szenario „Außendienstmitarbeiter mit Homeoffice“ bewertet (volle Anrechnung der Fahrzeit als Arbeitszeit im Sinne des Arbeitszeitgesetzes). Danach ist die werktägliche Höchstarbeitszeit von zehn Stunden auch in diesem Szenario zu beachten.

 

Fahrzeiten zum Kunden aus vergütungsrechtlicher Sicht

Kann sich der Außendienstmitarbeiter von seiner Wohnung aus unmittelbar zum Kunden begeben, statt den Umweg über das Maklerunternehmen nehmen zu müssen, handelt es sich nach Ansicht des BAG grundsätzlich um Arbeitszeit auch in vergütungsrechtlicher Hinsicht. Allerdings kommt in diesem Fall ein Abzug der für den Außendienstmitarbeiter wegfallenden Wegezeit in das Maklerunternehmen in Frage (BAG, Urteil vom 08.12.1960, Az. 5 AZR 304/58).

 

  • Hat der Makler als Arbeitgeber dem Außendienstmitarbeiter freigestellt, ob er die Fahrt zum Kunden von der Wohnung oder vom Maklerunternehmen aus antritt, und entscheidet sich der Außendienstmitarbeiter im Interesse der Ersparnis von Wegezeiten für die Fahrt von Zuhause aus, so erscheint es angemessen, diese Ersparnis in Abzug zu bringen.

 

  • Hat der Makler dagegen den Fahrtantritt vom Wohnort aus angeordnet, so konkretisiert er damit die Arbeitspflicht des Außendienstmitarbeiters auf die Fahrt von Beginn an. Die Fahrzeit ist entsprechend als Arbeitszeit zu vergüten. Denn der Außendienstmitarbeiter hat in diesem Fall auch keine Möglichkeit, die ansonsten anfallende Fahrt in den Betrieb „ruhezeitfreundlich“ etwa mit öffentlichen Verkehrsmitteln anzutreten.

 

  • Beispiel

Makler A bittet Außendienstmitarbeiter D, zu dem Termin mit dem Kunden die Auszubildende des Maklerunternehmens an ihrem Wohnort abzuholen und mit zum Kundentermin zu nehmen. Bereits die Abholfahrt vom Wohnort des A aus stellt vergütungspflichtige Arbeitszeit dar.

 

Fahrzeiten zwischen Kunden

Erforderliche Fahrzeiten zwischen den einzelnen Kunden sind sowohl arbeitszeitschutzrechtlich als auch vergütungsrechtlich stets Arbeitszeit. Denn auch diese Fahrzeiten sind Teil der vertraglich geschuldeten Tätigkeit des Außendienstmitarbeiters im Sinne einer Hauptleistungspflicht und stehen dem Außendienstmitarbeiter nicht für Erholung zur Verfügung.

Überschreitung in Notfällen und außergewöhnlichen Fällen

Die Dauer der werktäglichen Arbeitszeit ist grundsätzlich auf maximal zehn Stunden begrenzt. Vorübergehende Überschreitungen sind zulässig in Notfällen und außergewöhnlichen Fällen mit erheblichem Schadenspotenzial, die unabhängig vom Willen der Betroffenen eintreten und nicht auf andere Weise zu beseitigen sind. Dabei handelt es sich um Szenarien im Sinne eines von außen auf den Betrieb einwirkenden Ereignisses. Die Corona-Pandemie stellt etwa einen solchen Notfall dar.

 

Gemäß § 14 Abs. 2 Nr. 1 ArbZG sind Abweichungen von der Höchstarbeitszeit auch dann zulässig, wenn diese vorübergehend mit wenigen Arbeitnehmern erfolgen, um unverhältnismäßige Schäden oder das Misslingen von Arbeitsergebnissen zu verhindern. Voraussetzung ist dabei, dass dem Arbeitgeber andere Vorkehrungen nicht zugemutet werden können.

Ruhepausen und Arbeitsunterbrechungen

Auch bei der Tätigkeit von Außendienstmitarbeitern gelten die arbeitszeitgesetzlichen Pausenbestimmungen. Es darf längstens sechs Stunden ohne Pause gearbeitet werden (wobei Fahrzeiten grundsätzlich einzurechnen sind). Bei einer Arbeitszeit

  • von mehr als sechs Stunden müssen 30 Minuten Pause und
  • von mehr als neun Stunden 45 Minuten Pause genommen werden.

Pausen können auf Abschnitte von jeweils mindestens 15 Minuten aufgeteilt werden.

 

PRAXISTIPP | Ruhepausen müssen im Voraus feststehen. Dabei reicht es, wenn Sie für die Pausennahme einen oder mehrere Pausenkorridore innerhalb des Tages benennen, in dem bzw. denen der Außendienstmitarbeiter eigenverantwortlich die Pausen nimmt. Sie bleiben jedoch dafür verantwortlich, dass der Außendienstmitarbeiter die Pause tatsächlich nimmt. Ein freiwilliger Verzicht des Außendienstmitarbeiters auf Ruhepausen (etwa im Interesse eines früheren täglichen Arbeitsendes) ist nicht zulässig.

 

Sonstige Arbeitsunterbrechungen (etwa aufgrund von Terminausfall oder-Verzögerung) können arbeitszeitgesetzlich als Pause gewertet werden (keine Anrechnung auf die Zehn-Stunden-Grenze der täglichen Arbeitszeit). Das setzt voraus, dass dem Außendienstmitarbeiter die Zeit zur freien Verfügung steht und die Dauer der Arbeitsunterbrechung zumindest bei ihrem Beginn bekannt ist und mindestens 15 Minuten beträgt, also Pausenqualität hat.

 

Muss sich der Außendienstmitarbeiter hingegen für die Arbeitsaufnahme bereithalten, z. B. Wartezeiten in der Lobby eines Kunden, weil sich der Gesprächspartner verspätet, so handelt es sich bei diesen Zeiten um Arbeitszeit im Sinne des Arbeitszeitgesetzes (sog. Arbeitsbereitschaft).

 

Vergütungsrechtlich besteht ein Anspruch auf Anrechnung von Wartezeiten als vergütungspflichtige Arbeitszeit, da etwa Terminverschiebungen nicht im Verantwortungsbereich des Außendienstmitarbeiters liegen (§ 615 BGB).

Gesetzliche Aufzeichnungspflichten

Arbeitszeiten oberhalb der werktäglichen Arbeitszeit von acht Stunden sowie alle Arbeitszeiten an Sonn- und Feiertagen sind aufzeichnungspflichtig (§ 16 Abs. 2 ArbZG). Dies gilt auch für Außendienstmitarbeiter; und zwar selbst dann, wenn mit dem Außendienstmitarbeiter Vertrauensarbeitszeit vereinbart ist, bei der der Mitarbeiter den Beginn, das Ende und Dauer der täglichen Arbeitszeit eigenverantwortlich festlegen kann. Ein vollständiger Verzicht auf jegliche Zeiterfassung ist also nicht zulässig.

 

Das Arbeitszeitgesetz schreibt keine bestimmte Form der Aufzeichnung vor (sie kann also händisch oder elektronisch erfolgen) und enthält auch keine Verpflichtung, Beginn und Ende der Arbeitszeit sowie Pausen im Einzelnen zu dokumentieren. Nach dem Wortlaut des Arbeitszeitgesetzes ist eine reine Mengenerfassung der Arbeitszeit bzw. Erfassung der Arbeitszeit oberhalb der genannten Aufzeichnungsgrenzen (werktags oberhalb von acht Stunden, an Sonn- und Feiertagen jegliche Arbeitszeit) ausreichend.

 

Allerdings hält der EuGH auf der Grundlage der Bestimmungen der EU-Arbeitszeitrichtlinie eine weitergehende Dokumentation von Arbeitszeiten durch staatliche Vorgaben für geboten, als dies nach den derzeitigen Bestimmungen des deutschen Arbeitszeitgesetzes vorgeschrieben ist (EuGH, Urteil vom 14.05.2019, Rs. C-55/18, Abruf-Nr. 215595). Es ist davon auszugehen, dass der deutsche Gesetzgeber die Aufzeichnungsvorschrift novellieren wird. In Rechtsprechung und juristischer Literatur wird in der Folge dieses Urteils vertreten, dass der Arbeitgeber bereits auf der Grundlage von Art 31. Abs. 2 EU-Grundrechtecharta individualarbeitsrechtlich verpflichtet ist, ein objektives, verlässliches und zugängliches Zeiterfassungssystem einzuführen. Andernfalls läuft er Gefahr, eigene Arbeitszeitaufzeichnungen des Arbeitnehmers im Überstundenprozess anerkennen zu müssen (ArbG Emden, Urteil vom 20.02.2020, Az. 2 Ca 94/19, Abruf-Nr. 215596).

 

PRAXISTIPP | Sie sind für die Einhaltung der arbeitszeitgesetzlichen Bestimmungen der Tätigkeit Ihrer Außendienstmitarbeiter verantwortlich. Sie müssen gewährleisten, dass die Bestimmungen über tägliche Höchstarbeitszeit, Ruhepausen und Ruhezeiten eingehalten sind, und sind verpflichtet zu prüfen, ob der Außendienstmitarbeiter die Bestimmungen einhält. Ggf. machen Sie dem Außendienstmitarbeiter auch Vorgaben für die tägliche Arbeitszeit, um die Einhaltung der gesetzlichen Arbeitszeitschutzbestimmungen sicherzustellen. Nehmen Sie die arbeitszeitgesetzlichen Bestimmungen nicht auf die leichte Schulter: Die Aufsichtsbehörden können Bußgelder von bis zu 15.000 Euro verhängen. Bei Wiederholung oder Gefährdung von Gesundheit oder Arbeitskraft des Arbeitnehmers kommt auch eine Verfolgung als Straftat in Betracht.

 
Quelle: Seite 11 | ID 46584802