· Fachbeitrag · Personalmanagement
Kurzarbeit im Verein: So nutzen Sie die verbesserten Regelungen optimal
| Bildungsmaßnahmen, Training und andere Vereinsaktivitäten können zurzeit nicht durchgeführt werden. Einnahmen bleiben aus, gleichzeitig laufen die Kosten weiter. Um hier zumindest im Bereich der Personalkosten Einsparungen vornehmen zu können, können Sie Kurzarbeit anmelden. Erfahren Sie, welche Voraussetzungen Sie erfüllen müssen und was sich durch das Hilfspaket der Bundesregierung geändert hat. |
Was ist Kurzarbeit?
Wie schon der Name sagt, handelt es sich bei Kurzarbeit um die Verkürzung der regulären, vertraglichen Arbeitszeit. In welchem Umfang diese Arbeitszeit gekürzt wird, hängt davon ab, in welchem Umfang überhaupt noch Arbeiten zu erledigen sind. Dies kann im Extremfall sogar 100 Prozent sein, man spricht dann von „Kurzarbeit Null“.
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Ein Bildungsträger beschäftigt mehrere Trainer, um Sprachkurse für geflüchtete Menschen durchzuführen. Da keine Sprachkurse stattfinden dürfen und auch keine anderen Beschäftigungsmöglichkeiten im Verein bestehen, soll nun Kurzarbeit Null durchgeführt werden. |
Bei der Kurzarbeit handelt es sich um ein Instrument des Gesetzgebers, damit Arbeitgeber vorübergehende Krisen überstehen können, ohne Mitarbeiter direkt entlassen zu müssen. Da die Arbeitsverhältnisse nicht gekündigt werden, stellt dieses Instrument auch eine Sicherheit der Arbeitnehmer dar.
Aber auch für Arbeitgeber ist die Kurzarbeit ein hilfreiches Instrument. Wenn Sie einen Arbeitnehmer kündigen, müssen Sie bis zum Ablauf der Kündigungsfrist das reguläre Gehalt leisten. Zusätzlich besteht das Risiko, dass der gekündigte Arbeitnehmer eine Kündigungsschutzklage erhebt (Prozessrisiko).
Wichtig | Bessert sich Ihre wirtschaftliche Lage trotz der Kurzarbeit nicht, haben Sie immer noch die Möglichkeit, Kündigungen auszusprechen.
Welche Voraussetzungen müssen gegeben sein?
Die Regelungen zur Kurzarbeit finden sich in den §§ 95 ff. SGB III. Der Anspruch auf Kurzarbeitergeld besteht nach § 95 SGB III, wenn
- 1. ein erheblicher Arbeitsausfall mit Entgeltausfall vorliegt,
- 2. die betrieblichen Voraussetzungen gegeben sind,
- 3. die persönlichen Voraussetzungen gegeben sind und
- 4. der Arbeitsausfall der Agentur für Arbeit angezeigt worden ist.
Wann liegt ein erheblicher Arbeitsausfall vor?
Der Arbeitsausfall ist erheblich, wenn er auf einem unabwendbaren und nicht vermeidbaren Ereignis beruht und nur vorübergehend ist. Diese Voraussetzungen sind durch die derzeitige Corona-Pandemie gegeben.
Wichtig | In Ihrem Antrag müssen Sie gleichwohl darlegen, in welchem Bereich Ihr Verein tätig war und warum Sie die Arbeitnehmer nicht mehr im ursprünglichen Umfang beschäftigen können. Ggf. bestehende Überstundenguthaben müssen zuerst abgebaut werden. Soweit ein Urlaubsanspruch besteht, soll auch dieser zunächst in Anspruch genommen werden.
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Ein Mitarbeiter hat bereits für den Herbst und den Jahreswechsel 2020/2021 seinen Jahresurlaub angemeldet und die Reise auch schon gebucht. Dieser Urlaubswunsch ist vorrangig. |
Liegt der angemeldete Urlaub aber in dem Zeitraum, für den Sie Kurzarbeit anmelden wollen, muss erst der Urlaub in Anspruch genommen werden, da die Arbeitsverwaltung sonst einen vermeidbaren Arbeitsausfall annehmen wird.
Auf den Aufbau negativer Arbeitszeitsalden vor Zahlung des Kurzarbeitergelds soll vollständig oder teilweise verzichtet werden können. Das geltende Recht verlangt, dass in Betrieben, in denen Vereinbarungen zu Arbeitszeitschwankungen bestehen, diese auch zur Vermeidung von Kurzarbeit eingesetzt werden. D. h., dass bisher negative Arbeitszeitkonten gebildet werden mussten, soweit diese Möglichkeit bestand.
Wie viele Mitarbeiter müssen betroffen sein?
Die Erheblichkeit hängt weiter davon ab, wie viele Mitarbeiter unmittelbar betroffen sind. Hier hat die Regierung am 23.03.2020 die „Verordnung über Erleichterungen der Kurzarbeit (Kurzarbeitergeldverordnung [KugV])“ beschlossen (Abruf-Nr. 214918). Die Verordnung beruht auf dem „Gesetz zur befristeten krisenbedingten Verbesserung der Regelungen für das Kurzarbeitergeld=“ vom 13.03.2020 (Abruf-Nr. 214884). Diese Verordnung gilt rückwirkend ab dem 01.03.2020 und ist bis zum 31.12.2020 befristet.
PRAXISTIPP | Nach der bisherigen Regelung mussten mindestens 1/3 der in dem Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer von einem Entgeltausfall von jeweils mehr als zehn Prozent ihres monatlichen Bruttoentgelts betroffen sein. Dies wurde nun durch die Verordnung auf zehn Prozent herabgesetzt. |
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In Ihrem Verein sind in der Geschäftsstelle acht hauptamtliche Mitarbeiter sowie ein Trainer fest angestellt. Aufgrund der Schließung des Trainingsbetriebs können Sie den Trainer nicht weiter beschäftigen. |
Folge: Nach der ursprünglichen Regelung hätten Sie keine Kurzarbeit beantragen können, da nicht mindestens 1/3 (= drei Mitarbeiter) von der Kurzarbeit betroffen waren. Da jetzt schon zehn Prozent (= ein Mitarbeiter) ausreichen, können Sie für den Trainer Kurzarbeit beantragen. Hier findet auch keine Ab-, sondern eine Aufrundung statt. |
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Sie haben insgesamt 24 Mitarbeiter, sodass mindestens drei Mitarbeiter betroffen sein müssen.
Mitgezählt werden alle Mitarbeiter, also auch die Minijobber, obwohl diese selbst keinen Anspruch auf Kurzarbeitergeld haben. Nicht mitgezählt werden Mitarbeiter, deren Arbeitsverhältnis ruht (z. B. Elternzeit). Auch Auszubildende werden nicht berücksichtigt. |
Welche „Unternehmen“ können Kurzarbeit beantragen?
Ein häufiger Irrglaube ist, dass (gemeinnützige) Vereine keine Kurzarbeit beantragen können. Das ist falsch. Nach § 97 SGB III sind die betrieblichen Voraussetzungen erfüllt, wenn mindestens ein Arbeitnehmer beschäftigt ist. Auch das Bundesministerium für Arbeit und Soziales weist in seiner Stellungnahme vom 23.03.2020 ausdrücklich darauf hin, dass „auch gemeinnützige Unternehmen wie Vereine im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie dem Grunde nach Kurzarbeitergeld erhalten können“.
Wie setzen Sie die Kurzarbeit durch?
Die Vorfrage, die Sie stellen müssen, ist die Frage nach einem Betriebsrat.
Verein mit Betriebsrat
Besteht in Ihrem Verein ein Betriebsrat, ist die Anordnung von Kurzarbeit mitbestimmungspflichtig (§ 87 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG). Ohne den Betriebsrat können Sie keine Kurzarbeit anordnen. Mit dem Betriebsrat werden Sie eine Betriebsvereinbarung schließen müssen. Diese Betriebsvereinbarung muss folgende Punkte enthalten:
- Beginn und Dauer der Kurzarbeit
- Lage und Verteilung der Arbeitszeit
- Auswahl der betroffenen Mitarbeiter
Sind diese Punkte nicht oder nicht ausreichend geregelt, ist die Betriebsvereinbarung unwirksam. D. h., dass Sie die Kurzarbeit nicht anordnen können (BAG, Urteil vom 18.11.2015, Az. 5 AZR 491/14, Abruf-Nr. 184067).
Verein ohne Betriebsrat
Besteht in Ihrem Verein kein Betriebsrat, müssen Sie mit den betroffenen Mitarbeitern Vereinbarungen treffen. Grundlage des Arbeitsverhältnisses ist der Arbeitsvertrag. Danach ist Ihr Mitarbeiter verpflichtet, eine bestimmte Wochenarbeitszeit zu erbringen. Sie hingegen sind verpflichtet, das vereinbarte Gehalt zu zahlen. Wenn Sie nun nicht in dem vereinbarten Umfang Arbeit anbieten können, sind sie weiter verpflichtet, die vereinbarte Vergütung zu zahlen.
Wichtig | Ihr Mitarbeiter ist nicht verpflichtet, sich auf die vorübergehende Verkürzung seiner Arbeitszeit und seiner Vergütung einzulassen. Ihr Direktionsrecht als Arbeitgeber reicht dafür nicht aus (BAG, Urteil vom 16.12.2008, Az. 9 AZR 164/08, Abruf-Nr. 164946).
Änderungskündigung als letztes Mittel der Wahl
Eine Option, die Sie als letztes Mittel nutzen können, ist die Änderungskündigung (§ 2 KSchG). Hier würden Sie das Arbeitsverhältnis kündigen und dem Mitarbeiter gleichzeitig mit der Kündigung anbieten, das Arbeitsverhältnis zu geänderten Bedingungen fortzusetzen.
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Ihr Mitarbeiter weigert sich, eine Vereinbarung über die Einführung der Kurzarbeit (50 Prozent Arbeitszeit bei 50 Prozent Gehalt) zu unterzeichnen. Sie würden darauf das bisher bestehende Arbeitsverhältnis kündigen und dem Mitarbeiter einen neuen Arbeitsvertrag mit diesen geänderten Bedingungen vorlegen.
Folge: Auch dagegen kann der Mitarbeiter gerichtlich vorgehen und dies durch ein Arbeitsgericht prüfen lassen. |
Was müssen Sie jetzt tun?
Wenn in Ihrem Verein die Voraussetzungen gegeben sind, können Sie die Kurzarbeit gegenüber der Agentur für Arbeit anzeigen. Nutzen Sie hierzu den Vordruck „Anzeige über Arbeitsausfall“ (Abruf-Nr. 215050). Die Bundesagentur für Arbeit muss unverzüglich einen Bescheid erteilen; d. h., dass Sie schnell eine Rückmeldung erhalten.
Wer hat Anspruch auf Kurzarbeitergeld?
Der Anspruch auf Kurzarbeitergeld besteht nur, wenn Ihr Mitarbeiter versicherungspflichtig in der Arbeitslosenversicherung ist. Ergo haben z. B. geringfügig Beschäftigte keinen Anspruch auf Kurzarbeitergeld. Gleiches gilt für Übungsleiter, die in keinem sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis stehen.
Wichtig | Gerade für Trainer und Übungsleiter ist die derzeitige Situation besonders dramatisch. Hier bestehen jedoch besondere Hilfsprogramme des Bundes und der Länder für „Solo-Selbstständige“.
In welcher Höhe wird das Kurzarbeitergeld von wem ausgezahlt
Das Kurzarbeitergeld wird durch Sie abgerechnet und Ihnen von der Bundesagentur für Arbeit erstattet. Hierfür müssen Sie zunächst einen Leistungsantrag stellen (Abruf-Nr. 215051).
Die Anlage zu diesem Leistungsantrag ist die Kurzarbeit-Abrechnungsliste (Vordruck der Arbeitsagentur, Abruf-Nr. 215052).
Wichtig | Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales weist ausdrücklich darauf hin, dass Unternehmen, die Beratungsbedarf bei der Beantragung haben, sich direkt an ihre örtliche Agentur für Arbeit oder an den Arbeitgeberservice der Bundesagentur für Arbeit unter der Rufnummer: 08004 555520 wenden sollen.
Die Höhe des Kurzarbeitergelds orientiert sich an der bisherigen Vergütung. Hier wird zwischen Mitarbeitern, die mindestens einen Kinderfreibetrag von 0,5 auf der Lohnsteuerkarte vermerkt haben, und übrigen Arbeitnehmern unterschieden. Arbeitnehmer mit dem Kinderfreibetrag erhalten 67 Prozent der Nettoentgeltdifferenz; alle anderen einen Satz von 60 Prozent.
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Ein Arbeitnehmer (ein Kind) erhält in Vollzeit eine Bruttovergütung von 3.000 Euro, was ca. 1.900 Euro netto entspricht. Die Arbeitszeit wird um 50 Prozent reduziert, sodass der Bruttoverdienst bei 1.500 Euro liegt (ca. 1.100 Euro netto). Die Nettoentgeltdifferenz beträgt damit 800 Euro. Von diesen 800 Euro erhält der Arbeitnehmer 67 Prozent (= 536 Euro). Der Arbeitnehmer erhält netto somit nur 264 Euro weniger. |
PRAXISTIPP | Auf der Website der Agentur für Arbeit finden Sie auch alle notwendigen Formulare sowie eine Tabelle zur Berechnung des Kurzarbeitergelds. Sozialversicherungsbeiträge, die Sie als Arbeitgeber normalerweise für Ihre Beschäftigten zahlen müssen, soll die Bundesagentur für Arbeit künftig vollständig erstatten. |
Das Ende der Kurzarbeit
Dass dieser Ausnahmezustand irgendwann mal sein Ende hat, ist klar. Wann dies der Fall sein wird, ist derzeit noch nicht abzusehen. Die Politik ist hier bewusst vorsichtig. Für Sie heißt das, dass Sie die Entwicklung beobachten müssen. Wenn Sie Ihren Vereinsbetrieb wieder aufnehmen können, werden Sie auch die Kurzarbeit beenden müssen.
Haben Sie mit Ihrem Betriebsrat eine Betriebsvereinbarung geschlossen, werden dort auch die Voraussetzungen für das Ende vorgesehen sein. Auch im Rahmen der Individualabrede mit Ihrem Mitarbeiter können Sie einen Endtermin vereinbaren, was jedoch angesichts der unklaren Lage kaum möglich sein wird. Schlussendlich können Sie die Kurzarbeit einseitig für beendet erklären.