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· Fachbeitrag · Polen

Meldepflicht für Steuergestaltungen (MDR) ‒ erste praktische Erfahrungen in Polen

von Dr. Agnieszka Morska, Steuerberaterin

| Nach der Änderungsrichtlinie 2018/822/EU (Directive on Administrative Cooperation ‒ DAC), der sog. DAC-6-Richtlinie, mussten alle EU-Mitgliedstaaten die Meldepflichten für grenzüberschreitende Steuergestaltungen bis zum 31.12.19 in nationales Recht umsetzen und ab dem 1.6.20 anwenden. Während die meisten EU-Mitgliedstaaten noch nicht einmal mit der Implementierung der EU-Richtlinie begonnen haben, wurden in Polen die Meldepflichten schon am 1.1.19 eingeführt. Dieser Beitrag schildert die Grundsätze des polnischen Meldepflichtsystems und bringt die wesentlichen Praxisprobleme näher. |

1. Hintergrund

Die Meldepflicht für Steuergestaltungen wurde im Jahre 2015 durch die OECD als Maßnahme zur Bekämpfung von Steuermissbrauch im Rahmen des BEPS-Aktionsplans vorgeschlagen (Aktionspunkt 12, s. unter www.iww.de/s3270). Auf Grundlage dieses Vorschlags hat die EU am 25.5.18 die DAC-6-Richtlinie verabschiedet. Das deutsche Gesetzgebungsverfahren zur Umsetzung der Richtlinie ist mittlerweile abgeschlossen (s. auch Gassmann, PIStB 18, 92; PIStB 19, 303). Mit der Meldepflicht werden verschiedene Ziele verfolgt. Erstens soll die Meldepflicht der Informationsgewinnung dienen ‒ durch die Anzeigen werden die Steuerbehörden und der Gesetzgeber frühzeitig umfassende Informationen über die steuerlich motivierten Gestaltungen erhalten. Dies soll wiederum zum schnellen und effizienten Vorgehen gegen solche Steuerpraktiken führen (z. B. durch Einführung neuer Regelungen zwecks Schließung der Gesetzeslücken). Des Weiteren kann die Meldepflicht auch eine veranlagungsbegleitende Funktion erfüllen ‒ die übermittelten Informationen sollen zielgenauere Identifikationen von überprüfungsbedürftigen Steuerfällen ermöglichen. Nicht unbedeutsam sei auch die abschreckende Wirkung ‒ Berater bzw. Steuerpflichtige sollen davon abgehalten werden, Steuergestaltungen überhaupt erst zu entwickeln oder umzusetzen.

2. Grundsätze des polnischen Meldepflichtsystems

2.1 Meldepflichtige Sachverhalte

Der polnische Gesetzgeber hat sich für eine Ausweitung der Anzeigepflichten im Vergleich zu der DAC-6-Richtlinie entschieden. So sind z. B. nationale Steuergestaltungen und indirekte Steuern von der Meldepflicht erfasst.

 

Die Identifizierung eines meldepflichtigen Sachverhalts ist ein komplexer und mehrstufiger Prozess. Zuerst muss bestimmt werden, ob eine Gestaltung vorliegt. Als Gestaltung gilt jede Handlung, darunter auch eine geplante Handlung oder mehrere miteinander verbundene Handlungen, wenn

  • mindestens eine Partei der Handlung Steuerpflichtiger ist oder
  • die Handlung einen Einfluss auf die Entstehung bzw. Nichtentstehung der Steuerpflicht hat oder haben kann.

 

Die Definition der Gestaltung ist sehr weit und umfasst grundsätzlich alle Handlungen, die durch Unternehmen vorgenommen bzw. geplant werden. Darüber hinaus bezieht sich die Gestaltung nicht nur auf die Ertragsteuer, sondern auch auf andere Steuerarten wie z. B. Umsatzsteuer und Verbrauchsteuern.

 

Des Weiteren ist zu prüfen, ob eine Steuergestaltung vorliegt. Eine Steuergestaltung ist jede Gestaltung, die

  • mindestens ein allgemeines Kennzeichen aufweist und den „Main-Benefit-Test“ erfüllt,
  • mindestens ein besonderes Kennzeichen aufweist oder
  • mindestens ein sonstiges besonderes Kennzeichen aufweist.

 

Die Steuergestaltung wird also anhand von Kennzeichen, die als Indiz für ein potenzielles Steuervermeidungsrisiko gelten, identifiziert. Die Kennzeichen wurden dabei in drei Gruppen unterteilt ‒ d. h. allgemeine Kennzeichen, besondere Kennzeichen und sonstige besondere Kennzeichen. Einen Überblick gibt die Tabelle:

 

  • Beispiele
Allgemeine Kennzeichen
Besondere Kennzeichen
Sonstige besondere Kennzeichen
  • Vereinbarung einer Vertraulichkeitsklausel im Hinblick auf den sich aus der Steuergestaltung ergebenden Steuervorteil
  •  
  • Vereinbarung eines Erfolgshonorars im Hinblick auf den Steuervorteil
  •  
  • Verwendung einer Standarddokumentation oder einer Struktur, die für die Nutzung nicht wesentlich individuell angepasst werden müssen
  •  
  • Umwandlung von Einkünften in niedriger besteuerte oder nicht steuerbare Einkünfte
  •  
  • Grenzüberschreitende Zahlungen zwischen verbundenen Unternehmen, wenn die Zahlungen bei dem Empfänger einer Steuerbefreiung oder einer Präferenzbesteuerung unterliegen
  • Grenzüberschreitende Zahlungen zwischen verbundenen Unternehmen, wenn der Empfänger in einem Steuerparadies ansässig ist
  •  
  • Der wirtschaftliche Eigentümer ist schwer identifizierbar (intransparente Kette)
  •  
  • Spezifische Verrechnungspreisgestaltungen, z. B. Gestaltungen, die unilaterale Safe-Harbour-Regeln nutzen
  •  
  • Übertragung von schwer zu bewertenden immateriellen Wirtschaftsgütern
  • Einfluss auf die latenten Steuern bzw. auf die aktiven latenten Steuern oder auf die Rückstellung für latente Steuern, wenn die Schwelle von 5 Mio. PLN (ca. 1,18 Mio. EUR) überschritten wird.
  •  
  • Die „hypothetische“ Quellensteuer überschreitet im jeweiligen Kalenderjahr 5 Mio. PLN (ca. 1,18 Mio. EUR). Als „hypothetische“ Quellensteuer gilt die Quellensteuer, die abzuführen wäre, wenn keine EU-Richtlinie bzw. kein DBA zur Anwendung kämen.
  •  
  • Die Einnahmen einer Person, die in Polen für Einkommensteuerzwecke nicht ansässig ist, überschreiten insgesamt im jeweiligen Kalenderjahr 25 Mio. PLN (ca. 5,89 Mio. EUR).
 

Der „Main-Benefit-Test“ gilt als erfüllt, wenn

  • ein Dritter, der vernünftig handelt und andere rechtmäßige Ziele als die Erlangung eines steuerlichen Vorteils verfolgt ‒ unter Berücksichtigung der bestehenden Fakten und Umstände ‒ eine andere Vorgehensweise wählen könnte, die keinen Steuervorteil mit sich bringen würde, und
  • der Steuervorteil ein Hauptvorteil oder einer der Hauptvorteile der Gestaltung ist.

 

Die Definition, wann ein Steuervorteil vorliegt, ist ebenfalls sehr weit gefasst. Von einem Steuervorteil ist demnach auszugehen, wenn z. B. die Entstehung von Steueransprüchen verhindert wird, die Entstehung von Steueransprüchen auf einen anderen Zeitpunkt verschoben wird oder die Steuerrückerstattung, darunter auch die Rückerstattung der Vorsteuer, erhöht wird.

 

Letztlich ist zu prüfen, ob die Steuergestaltung der Meldepflicht unterliegt. Die Meldepflicht umfasst vorrangig die grenzüberschreitenden Steuergestaltungen, d. h. die Steuergestaltungen, die einen Bezug zu einem anderen Staat aufweisen (z. B. ein Beteiligter oder mehrere Beteiligte sind im Ausland ansässig oder an der Steuergestaltung ist eine ausländische Betriebsstätte beteiligt). Eine grenzüberschreitende Steuergestaltung ist meldepflichtig, wenn

  • mindestens ein allgemeines Kennzeichen vorliegt (bei einigen allgemeinen Kennzeichen gelten jedoch Ausnahmeregelungen) und der „Main-Benefit-Test“ erfüllt ist oder
  • mindestens ein besonderes Kennzeichen vorliegt.

 

Darüber hinaus hat der polnische Gesetzgeber die Meldepflicht auch für übrige Steuergestaltungen eingeführt, soweit ein sog. qualifizierter Nutzer vorliegt. Als qualifizierter Nutzer gilt u. a. ein Nutzer, dessen Einnahmen, Kosten oder Aktiva (nach den Rechnungslegungsvorschriften) die Schwelle von 10 Mio. EUR überschreiten.

 

Folglich werden von der Meldepflicht viele alltägliche Vorgänge erfasst, die weder einen Steuermissbrauch noch eine aggressive Steueroptimierung darstellen, z. B.:

 

  • Dividendenzahlung an eine deutsche Muttergesellschaft, wenn
  • 1. die Dividende nach der Mutter-Tochter-Richtlinie quellensteuerfrei ist,
  • 2. die Dividende den Betrag von ca. 26,4 Mio. PLN (ca. 6,22 Mio. EUR) im Kalenderjahr überschreitet,
  • 3. die polnische Gesellschaft, die die Dividende zahlt, die Voraussetzungen des qualifizierten Nutzers erfüllt;

 

  • Zahlungen an einen ausländischen Geschäftspartner (z. B. für Warenlieferung, Leistungserbringung), wenn
  • 1. die Zahlungen im jeweiligen Kalenderjahr den Betrag von 25 Mio. PLN (ca. 5,89 Mio. EUR) überschreiten und
  • 2. die polnische Gesellschaft, die diese Zahlungen tätigt, die Voraussetzungen des qualifizierten Nutzers erfüllt.

 

Das folgende Diagramm schildert ‒ in vereinfachter Form ‒ die Vorgehensweise bei der Prüfung, ob eine meldepflichtige Steuergestaltung vorliegt:

 

 

2.2 Meldepflichtige Personen

Die Vorschriften sehen drei Kategorien von Personen vor, die für die Erfüllung der Mitteilungspflicht verantwortlich sein können:

 

  • Intermediäre: Als Intermediär gilt jede Person, die eine Gestaltung konzipiert, vermarktet, organisiert, zur Umsetzung bereitstellt oder verwaltet. Der Intermediär muss seinen Sitz nicht unbedingt in Polen haben. Als Intermediäre kommen infrage u. a.: Steuerberater, Rechtsanwälte, Banken und andere Stellen, die Beratungsleistungen erbringen, z. B. eine Dienstleistungsgesellschaft, die ein Shared-Service-Center betreibt.

 

  • Nutzer: Als Nutzer gilt jede Person, der eine Gestaltung zur Umsetzung bereitgestellt wird, die bereit ist, eine Gestaltung umzusetzen oder die den ersten Schritt zur Umsetzung der Gestaltung gemacht hat.

 

  • Unterstützer: Als Unterstützer gilt jede Person, darunter insbesondere Wirtschaftsprüfer, Notare und Buchhalter, die bei Entwicklung, Vermarktung, Organisation oder Umsetzung der Gestaltung hilft oder berät.

 

2.3 Meldepflicht ‒ Überblick über das Verfahren

Meldepflichtig ist in erster Linie der Intermediär. Der Intermediär hat seiner Meldepflicht innerhalb von 30 Tagen nach dem Eintreten des meldepflichtigen Ereignisses nachzukommen. Die Steuergestaltungsanzeige kann ausschließlich in elektronischer Form eingereicht werden, wobei die Bestellung eines Bevollmächtigten zulässig ist. Anschließend wird der Steuergestaltung eine Registrierungsnummer zugewiesen.

 

Existiert kein mitteilungspflichtiger Intermediär oder hat der Nutzer den Intermediär nicht von seiner gesetzlichen Verpflichtung zur Verschwiegenheit (so u. a. bei Rechtsanwälten, Steuerberatern und Wirtschaftsprüfern) entbunden und wurde somit dem Nutzer die Registrierungsnummer der Steuergestaltung nicht mitgeteilt, so geht die Meldepflicht auf den Nutzer über.

 

Beachten Sie | Ein Unterstützer kann nur in Ausnahmefällen zur Steuergestaltungsanzeige verpflichtet sein (und ausschließlich, soweit ihm die Registrierungsnummer der Steuergestaltung nicht mitgeteilt wurde).

 

Darüber hinaus ist der Nutzer verpflichtet, die polnische Finanzverwaltung über jegliche Handlung, die er im Rahmen der Steuergestaltung vorgenommen hat, oder über die Steuervorteile, die er im Zusammenhang mit der umgesetzten Steuergestaltung erlangt hat, zu informieren. Die Meldung der vorgenommenen Handlungen oder der erzielten Steuervorteile erfolgt ausschließlich in elektronischer Form und muss z. B. bei einer GmbH durch die Geschäftsleitung, d. h. durch alle Mitglieder der Geschäftsführung, unterzeichnet werden (sie darf nicht von einem Bevollmächtigten abgegeben werden). Die Meldung soll innerhalb der Frist für die Abgabe der Steuererklärung für den Zeitraum, in dem der Nutzer einen Vorteil aus der Steuergestaltung erlangte, erfolgen.

 

2.4 Nachmeldung

Die Vorschriften sehen auch die Pflicht zur Nachmeldung bereits implementierter Steuergestaltungen vor. Die Meldefrist lief am 30.6.19 für den Intermediär und am 30.9.19 für den Nutzer ab. Der Zeitraum der rückwirkenden Erfassung hängt von der Art der Steuergestaltung ab: Bei grenzüberschreitenden Steuergestaltungen sind solche Steuergestaltungen meldepflichtig, deren „erster Schritt zur Umsetzung“ zwischen dem 25.6.18 und dem 1.1.19 erfolgt ist. Bei übrigen Steuergestaltungen ist dagegen die Periode zwischen dem 1.11.18 und dem 1.1.19 relevant.

 

2.5 Internes Verfahren zum Nachkommen der Meldepflichten

Den Intermediären wurde noch eine zusätzliche Pflicht zur Implementierung eines internen Verfahrens zur Anzeige von Steuergestaltungen auferlegt. Unter Umständen kann diese Pflicht auch z. B. diejenigen Personen betreffen, die Intermediäre anstellen. Von dieser Pflicht sind jedoch solche Intermediäre ausgenommen, deren Einnahmen oder Ausgaben im vorherigen Jahr 8 Mio. PLN (ca. 1,88 Mio. EUR) nicht überschritten haben.

 

Das Verfahren muss u. a. die Maßnahmen bezeichnen, die die ordnungsgemäße Erfüllung der Meldepflichten gewährleisten. Das Verfahren bedarf der Zustimmung der oberen Führungspersonen. Das sind in erster Linie Geschäftsführer oder Direktoren, die über Steuerrechtskenntnisse verfügen und Entscheidungen treffen, die das Risiko der Nichtbeachtung des Steuerrechts durch Geschäftspartner (Nutzer) beeinflussen.

 

2.6 Sanktionen

Der polnische Gesetzgeber hat sich für erhebliche und scharfe Sanktionen beim Verstoß gegen die Meldepflichten entschieden.

 

Werden die Meldepflichten nicht erfüllt, z. B. wird keine Steuergestaltungsanzeige oder keine Meldung über die im Zusammenhang mit einer Steuergestaltung erlangten Steuervorteile abgegeben, können die Sanktionen im Extremfall bis zu 21 Mio. PLN (ca. 4,94 Mio. EUR) betragen. Zu beachten ist auch, dass die Geldstrafe den Personen, die für die Nichterfüllung der Pflichten verantwortlich sind (z. B. Mitglieder der Geschäftsführung, Personen, die für die Steuerabrechnung zuständig sind, etc.) und nicht den Unternehmen (z. B. Gesellschaften) auferlegt wird.

 

Wird der Verpflichtung zur Einführung des internen Verfahrens zum Nachkommen der Meldepflichten nicht Folge geleistet, so droht solchen Steuerpflichtigen eine Geldstrafe i. H. v. maximal 2 Mio. PLN (ca. 0,47 Mio. EUR). Wenn gleichzeitig eine Nichterfüllung einer Meldepflicht besteht, kann die Geldstrafe für die Nichtimplementierung des internen Verfahrens sogar bis zu 10 Mio. PLN (ca. 2,35 Mio. EUR) betragen.

3. Die Meldepflicht in der Praxis

3.1 Unsicherheit bezüglich der Meldepflichten

Obwohl die Vorschriften bezüglich der Meldepflichten vor über einem Jahr in Kraft getreten sind, besteht in der Praxis weiter viel Unsicherheit und Unklarheit. Mit den am 31.1.19 veröffentlichten Erläuterungen zu den neuen Vorschriften (über 100 Seiten; die Erläuterungen haben eine ähnliche Schutzfunktion wie eine verbindliche Steuerauskunft) hat das polnische Finanzministerium den Versuch unternommen, ausgewählte Fragen zu beantworten und die Abgrenzungskriterien anhand von einigen Beispielen zu konkretisieren, z. B.:

 

  • Gesetzliche Steuervergünstigungen, wie z. B. die Ermäßigung für Forschungs- und Entwicklungstätigkeiten und die >„Innovation-Box“ sind grundsätzlich nicht meldepflichtig, es sei denn, die Inanspruchnahme der Präferenzen ist nicht wirtschaftlich motiviert, sondern zielt nur auf die Erlangung eines Steuervorteils ab.

 

  • Ein „Inhouse-Berater“ ist grundsätzlich kein Intermediär, solange die Beratungsleistungen nur für seinen Arbeit- oder Auftraggeber erbracht werden. Sollte er jedoch die Leistungen auch für andere Unternehmen erbringen, sowie dies u. a. bei Angestellten einer Konzernsteuerabteilung der Fall ist, dann kann er als Intermediär gelten.

 

  • Eine Beratung, die lediglich auf Steuerfolgen eines Vorgangs hinweist, soll grundsätzlich zu keiner Meldepflicht führen ‒ so ist z. B. die Erstellung der Verrechnungspreisdokumentation nicht meldepflichtig. Meldepflichtig kann aber eine Erarbeitung der Verrechnungspreisgestaltung sein.

 

Trotz der Erläuterungen des Finanzministeriums verbleiben weiter viele Zweifel, was anzuzeigen ist und was nicht. Darüber hinaus lehnt die polnische Finanzverwaltung die Klärung der Fragen im Zusammenhang mit den Meldepflichten im Zuge einer verbindlichen Auskunft ab.

 

3.2 Erhebliche bürokratische Mehrbelastungen für die Steuerpflichtigen

Bei den Steuerpflichtigen erfordert die Erfüllung der Meldepflichten in der Regel die Implementierung eines internen Prozesses. Der Prozess beinhaltet u. a.:

 

  • Datensammlung zwecks der Identifizierung von Vorgängen, die der Meldepflicht bzw. der rückwirkenden Meldepflicht unterliegen können. Die relevanten Gestaltungen werden dabei nicht nur durch die Steuer- oder Rechtsabteilungen erarbeitet bzw. implementiert, sondern auch z. B. durch die Finanz- oder Personalabteilungen.
  • Bewertung, ob für die identifizierten Vorgänge eine Meldepflicht besteht.
  • Einrichtung eines Meldeverfahrens, um eine fristgerechte und korrekte Übermittlung der Meldung an die Finanzbehörde sicherzustellen.

 

FAZIT |

Die Notwendigkeit, Steuerumgehungen und aggressive Steuergestaltungen zu verhindern, ist unumstritten. Inwieweit das am 1.1.19 eingeführte polnische Meldepflichtsystem dazu tatsächlich beiträgt, kann allerdings angezweifelt werden. Die ersten Erfahrungen Polens zeigen vielmehr, welche Fehlgriffe bei der Implementierung der Meldepflichten zu vermeiden sind.

 

Die Meldepflichten haben zu einem erheblichen und unverhältnismäßigen Mehraufwand bei den Steuerpflichtigen geführt. Dies ist vor allem darauf zurückzuführen, dass viele alltägliche Geschäftsvorgänge, die weder einen Steuermissbrauch noch eine aggressive Steueroptimierung darstellen (wie z. B. Dividendenausschüttung), von der Meldepflicht erfasst werden können. Darüber hinaus ‒ angesichts der extrem hohen Sanktionen beim Verstoß gegen die Meldepflichten ‒ entscheiden sich die Steuerpflichtigen, im Zweifelsfall eher zu viel als zu wenig anzuzeigen.

 

Zudem darf bezweifelt werden, ob die Finanzverwaltung aus der großen Anzahl von Meldungen die richtigen Informationen, die für ein schnelles und effizientes Vorgehen gegen schädliche Steuerpraktiken notwendig sind, gewinnen können. Bis zum 10.7.19 hat die Finanzverwaltung 3.341 Steuergestaltungsanzeigen erhalten und lediglich 272 Registriernummern zugewiesen (Bericht des Finanzministeriums vom 22.7.10, Nummer BMI1.0124.783.2019; www.iww.de/s3271) ‒ somit wurden weniger als 10 % der erhaltenen Anzeigen überhaupt bearbeitet.

 

Da die Erläuterungen des Finanzministeriums über 100 Seiten eine nur begrenzte Hilfestellung darstellen, ist eine weitere Novellierung der Vorschriften nötig (und geplant). Bisher wurde jedoch kein Entwurf präsentiert.

 
Quelle: Seite 103 | ID 46326439