· Fachbeitrag · Polen
Neues Gesetz über die steuerliche Förderung von Investitionen in Polen
von M.Sc. Greta Kielawa und Mag. iur. Filip Schade, LL.M., beide Europa-Universität Viadrina Frankfurt (Oder)
| Seit dem Jahr 1994 bestehen in Polen Sonderwirtschaftszonen (SWZ), die die wirtschaftliche Entwicklung des Landes fördern sollen. Nach mehreren Änderungen des Gesetzes über die SWZ vom 20.12.94 (Dz.U. 1994, Nr. 123, Pos. 600; SWZG) können die derzeitigen Investitionen in einer SWZ noch bis zum Jahr 2026 steuerlich unterstützt werden. Das polnische Parlament verabschiedete am 10.5.18 das Gesetz über die Förderung neuer Investitionen (Dz.U. 2018, Pos. 1162; weiter: FnIG), welches am 30.6.18 in Kraft trat und neben dem SWZG gelten soll. Der folgende Beitrag soll einen Einblick in das neue steuerliche Förderungsinstrument geben sowie die alten und neuen Fördermaßnahmen miteinander vergleichen. |
1. Bisherige Sachlage: Das SWZG
Mit der Gründung der SWZ bezweckte der polnische Gesetzgeber gemäß Art. 3 SWZG u. a. die Entwicklung von technologischen und technischen Innovationen, das Wachstum des Exports, die Förderung der Konkurrenzfähigkeit vor allem polnischer Unternehmer sowie die Schaffung neuer Arbeitsplätze. Mittlerweile wurden die quantitativen Zielvorgaben sogar übertroffen. So wurden in den 14 in Polen existierenden SWZ bis Ende 2018 über 119,2 Mrd. PLN investiert und 379.000 Arbeitsplätze geschaffen. Um von der im Rahmen des SWZG vorgesehenen Einkommen- oder Körperschaftsteuerbefreiung profitieren zu können, mussten die in- und ausländischen Unternehmer für die Durchführung der Investition auf dem Gebiet der SWZ eine Genehmigung erhalten (vgl. Art. 16 Abs. 1 SWZG). Die Genehmigung hatte Verwaltungsaktcharakter und wurde vom für Wirtschaftsangelegenheiten zuständigen Minister (aktuell: Minister für Unternehmertum und Technologie) erteilt (dazu eingehend Kudert/Jamrozy, PIStB 10, 168 ff.).
2. Aktuelle Sachlage: Das neue FnIG
Das im Jahr 2018 in Kraft getretene FnIG richtet sich wie sein Vorgänger sowohl an inländische als auch an ausländische Unternehmer und gilt parallel zum SWZG. Der polnische Gesetzgeber entschied sich dabei, die beiden Fördermaßnahmen zunächst parallel nebeneinander laufen zu lassen, um deren Wirkung und Ergebnisse überprüfen zu können und das SWZG zu einem späteren Zeitpunkt ggf. aufzuheben (vgl. Dargas-Draganik/Formela, Kommentar zum FnIG, 2019, Einführung, Rn. 2). Die Gründe für die Einführung des neuen Gesetzes sind
- der bald ablaufende Geltungszeitraum der SWZ,
- die sich als besonders kompliziert erwiesene Prozedur der Eingliederung bislang außerhalb der SWZ liegender Regionen sowie
- die Tatsache, dass das SWZG bestehende regionale wirtschaftliche Ungleichheiten nicht vollständig beseitigen konnte (vgl. Czerniak, PP 19/6, 37).
Die neue Fördermaßnahme soll für den Anstieg privater Investitionen sorgen, aber gleichfalls die Zunahme regional immer noch bestehender Disparitäten hemmen. Damit wurden die mit der steuerlichen Förderung verfolgten Zielsetzungen auf den ersten Blick nur geringfügig angepasst.
Beachten Sie | Das SWZG existiert zwar weiterhin neben dem FnIG, doch können auf Grundlage des SWZG keine neuen Genehmigungen betreffend die Aufnahme einer Unternehmenstätigkeit sowie damit zusammenhängend eine Steuerbefreiung erteilt werden. Die bisher erteilten Genehmigungen für sich aktuell in Durchführung befindliche Investitionen in einer SWZ bleiben gemäß Art. 40 Abs. 2 FnIG aber nach wie vor in Kraft.
2.1 Förderbescheid
Das FnIG sieht im Gegensatz zum SWZG nach dessen Wortlaut einen Förderbescheid statt einer Genehmigung vor (vgl. Art. 13 Abs. 1 FnIG). Das Verfahren zum Erlass des Förderbescheids soll etwa einen Monat dauern (vgl. Begründung zur Einführung des FnIG vom 26.2.18, Sejm-Drs. 2307 [VIII. Legislaturperiode], 10). Im Förderbescheid werden
- dessen Gültigkeitszeitraum,
- der Gegenstand der wirtschaftlichen Tätigkeit,
- die Anzahl der neu geschaffenen Arbeitsplätze sowie
- die damit zusammenhängenden Aufwendungen und schließlich
- der Wert der Investitionsausgaben angegeben.
Ferner wird der Zeitpunkt der Beendigung der Investition konkretisiert. Diese in dem Förderbescheid aufgelisteten Anforderungen sind vom Unternehmer kumulativ zu erfüllen (Art. 15 FnIG). Der Förderbescheid unterscheidet sich bis hierher nicht von der SWZG-Genehmigung. Allerdings enthält der Förderbescheid gemäß Art. 14 Abs. 1 FnIG zusätzlich die nachfolgend näher besprochenen qualitativen und quantitativen Förderkriterien, die das SWZG nicht kennt und die den größten Unterschied zwischen den Regelungen des SWZG und FnIG ausmachen. In dem Förderbescheid muss nach Art. 15 Nr. 6 FnIG zudem ein Hinweis auf das Gebiet erfolgen, auf dem die Investition getätigt wird.
Beachten Sie | Obwohl sich das für eine Steuerbefreiung infrage kommende Investitionsprojekt auf ganz Polen erstrecken kann, beschränkt sich der Geltungsbereich der Steuerbefreiung selbst nur auf das Gebiet, das in dem Förderbescheid aufgeführt wird. Das Territorialitätsgebot wird somit nur bei der Auswahl der förderfähigen Investitionen aufgegeben. Gleichzeitig wird der Umfang der Steuerbefreiung jedoch in ähnlicher Weise wie im Rahmen des SWZG bestimmt und auf ein genau definiertes Gebiet begrenzt, in dem die Investition laut Förderbescheid realisiert wird.
Der Förderbescheid erlischt gemäß Art. 17 Abs. 1 FnIG mit dem Ende des Zeitraums, für den dieser erlassen wurde. Darüber hinaus hebt der Minister für Unternehmertum und Technologie den Förderbescheid auf, wenn hierfür triftige Gründe vorliegen. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn der Unternehmer die dem Förderbescheid zugrunde liegende Tätigkeit aufgibt oder auf die Aufforderung, die während einer Kontrolle festgestellten Verstöße gegen die in dem Förderbescheid genannten Auflagen zu beseitigen, nach Ablauf der vom o. g. Minister gesetzten Frist nicht reagiert (vgl. Art. 17 Abs. 2 FnIG). Wird der Förderbescheid aufgehoben, ist der Unternehmer zur Rückzahlung der bereits erhaltenen Förderung verpflichtet. Bis zum Zeitpunkt der vollständigen Rückzahlung darf der Unternehmer keine neue steuerliche Förderung in Anspruch nehmen (vgl. Art. 18 Abs. 1 FnIG). Insoweit besteht kein Unterschied zum SWZG. Dem Steuerpflichtigen steht bei Aufhebung des Förderbescheids das Recht zu, einen Widerspruch einzulegen sowie nach erfolglosem Widerspruchsverfahren Klage beim zuständigen Verwaltungsgericht zu erheben. Hierbei gelten gemäß Art. 21 FnIG die allgemeinen Vorschriften des polnischen VwVfG.
2.2 Förderzeitraum
Der Förderbescheid wird durch den Minister für Unternehmertum und Technologie auf mindestens 10 und höchstens 15 Jahre erteilt (vgl. Art. 13 Abs. 3 FnIG). Der Zeitraum der Förderung hängt von der festgelegten Intensität der Förderung für das jeweilige Gebiet ab. Erläuterungen finden sich in § 7 der Rechtsverordnung über die öffentliche Förderung im Rahmen des FnIG vom 28.8.18 (Dz.U. 2018, Pos. 1713; weiter: FnI-VO). Beträgt demnach die maximale Förderintensität am betroffenen Ort der neuen Investition 10 %, 20 % oder 25 %, wird der Förderbescheid auf zehn Jahre befristet. Soll die Investition in einer Region mit maximaler Förderintensität von 35 % aufgenommen werden, wird die Förderung über den Zeitraum von zwölf Jahren gewährt. Der maximale Förderzeitraum beträgt hingegen 15 Jahre, wenn die maximale Intensität der Förderung bei 50 % liegt oder die neue Investition auf dem Gebiet einer SWZ durchgeführt wird. Die Förderung der Investition in einer SWZ endet dagegen mit Ablauf der Existenz der jeweiligen SWZ. Nach aktueller Rechtslage bestehen die SWZ nur noch bis Ende 2026.
3. Voraussetzungen für die Investitionsförderung durch das FnIG
Um die Steuerbefreiung bei einer Investition in einer SWZ genießen zu können, mussten die Investitionsausgaben wenigstens 400.000 PLN betragen. Der Eigenanteil der Investitionsausgaben wurde dabei auf mindestens 25 % taxiert (vgl. Kudert/Jamrozy, PIStB 10, 169). Die Überschreitung der 25 %-Schwelle ist gemäß § 5 Abs. 3 FnI-VO auch im Rahmen der neuen Fördermaßnahme erforderlich. Allerdings wird der zulässige steuerliche Förderrahmen nunmehr deutlich komplexer ermittelt, und zwar mithilfe des sog. quantitativen Förderkriteriums (vgl. §§ 4 ‒ 5 FnI-VO). Da die Höhe der steuerlichen Förderung den EU-Vorgaben entsprechend begrenzt ist, stößt auch die neue Fördermaßnahme auf keine beihilferechtlichen Bedenken.
Daneben muss der Unternehmer ebenfalls das Vorliegen des qualitativen Förderkriteriums nachweisen (vgl. § 3 FnI-VO). Sind beide Bedingungen kumulativ gegeben, ist dem Unternehmer gemäß Art. 14 Abs. 1 FnIG der Förderbescheid zu erteilen und mithin die Steuerbefreiung zu gewähren. Der zuständigen Behörde steht insoweit kein Ermessensspielraum zu. Die Steuerbefreiung selbst wird für natürliche Personen in Art. 21 Abs. 1 Nr. 63b EStG-PL vom 26.7.91 (Dz.U. 1991, Nr. 80, Pos. 350) und für juristische Personen in Art. 17 Abs. 1 Nr. 34a KStG-PL vom 15.2.92 (Dz.U. 1992, Nr. 21, Pos. 86) geregelt.
3.1 Quantitatives Förderkriterium
Anhand des quantitativen Kriteriums werden gemäß Art. 2 Nr. 7 FnIG die vom Unternehmer zu tragenden Investitionsausgaben bestimmt sowie der zulässige steuerliche Förderrahmen ermittelt. Nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 FnI-VO werden als die vom Unternehmer zu tragenden Investitionsausgaben zum einen solche Ausgaben angesehen, die im Rahmen des Förderinstruments berücksichtigbar sind. § 8 FnI-VO enthält eine Aufzählung der berücksichtigbaren Investitionsausgaben. Zum anderen gehören gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 2 FnI-VO zu den Investitionsausgaben die Lohnaufwendungen über zwei Jahre für neu angestellte Arbeitnehmer (Bruttolöhne und Sozialversicherungsabgaben). Nach dem Wortlaut des § 5 Abs. 1 FnI-VO können beide Arten der Investitionsausgaben miteinander kombiniert werden (so auch Czerniak, PP 19/6, 40).
Beachten Sie | Für die Inanspruchnahme der Steuerbefreiung wird vorausgesetzt, dass die Investition bzw. die neu geschaffenen Arbeitsplätze im Fall von Kleinst-, Klein- und mittelgroßen Unternehmern drei Jahre und von großen Unternehmern fünf Jahre aufrechterhalten werden (vgl. § 9 Abs. 2 FnI-VO).
Die Mindesthöhe der vom Unternehmer zu tragenden Investitionsausgaben hängt gemäß Art. 2 Nr. 6 FnIG i. V. m. § 4 FnI-VO von der Arbeitslosenquote im Landkreis ab, in dem die Investition aufgenommen werden soll. Die Spanne der erforderlichen Mindestinvestitionsausgaben gibt der Rechtsverordnungsgeber in § 4 Abs. 2 FnI-VO vor.
| ||||
Arbeitslosenquote in % der durchschnittlichen Arbeitslosenquote in Polen | Erforderliche Mindestinvestitionsausgaben in Mio. PLN | |||
Kleinstunternehmer | Kleinunternehmer | mittelgroßer Unternehmer | großer Unternehmer | |
≤ 60 % | ≥ 2 | ≥ 5 | ≥ 20 | ≥ 100 |
60 % < x ≤ ∅ | ≥ 1,6 | ≥ 4 | ≥ 16 | ≥ 80 |
∅ < x ≤ 130 % | ≥ 1,2 | ≥ 3 | ≥ 12 | ≥ 60 |
130 % < x ≤ 160 % | ≥ 0,8 | ≥ 2 | ≥ 8 | ≥ 40 |
160 % < x ≤ 200 % | ≥ 0,4 | ≥ 1 | ≥ 4 | ≥ 20 |
200 % < x ≤ 250 % | ≥ 0,3 | ≥ 0,75 | ≥ 3 | ≥ 15 |
> 250 % | ≥ 0,2 | ≥ 0,5 | ≥ 2 | ≥ 10 |
So beträgt z. B. die Untergrenze der erforderlichen Mindestinvestitionsausgaben für einen Großunternehmer 100 Mio. PLN, wenn der Großunternehmer in einem Landkreis investiert, in dem die Arbeitslosenquote entweder weniger als 60 % der landesweiten durchschnittlichen Arbeitslosenquote beträgt oder der landesweiten durchschnittlichen Arbeitslosenquote entspricht. Die Untergrenze der erforderlichen Mindestinvestitionsausgaben liegt für diesen Unternehmer dagegen bei 10 Mio. PLN, wenn die in dem Landkreis bestehende Arbeitslosenquote höher als 250 % der landesweiten durchschnittlichen Arbeitslosenquote ist.
Ferner spielt bei der Festlegung der Höhe der erforderlichen Mindestinvestitionsausgaben die Größe des Unternehmers eine entscheidende Rolle. So werden gemäß § 4 Abs. 4 FnI-VO Kleinst-, Klein- und mittelgroße Unternehmer privilegiert. Mithin erfolgt bei Kleinstunternehmern eine Senkung der nach § 4 Abs. 2 FnI-VO ermittelten Höhe der Mindestinvestitionsausgaben um 98 %, bei Kleinunternehmern um 95 % und bei mittelgroßen Unternehmern um 80 %.
MERKE | Je höher die Arbeitslosenquote in einem bestimmten Landkreis ist, desto niedriger ist die Ausgangshöhe der Mindestinvestitionsausgaben. Je kleiner der Unternehmer ist, desto geringer sind die erforderlichen Mindestinvestitionsausgaben. |
Der polnische Gesetzgeber möchte mit den Maßnahmen nicht nur Kleinst-, Klein- und mittelgroße Unternehmer besonders unterstützen, sondern darüber hinaus für eine nachhaltige Entwicklung der weniger entwickelten Regionen Polens sorgen, die angesichts ihres derzeitigen Entwicklungsstands nicht in der Lage sind, die Anforderungen von Großinvestoren zu erfüllen.
Die maximal berücksichtigbaren Investitionsausgaben werden in § 8 Abs. 7 FnI-VO definiert. Förderfähig sind demnach höchstens 130 % der im Vorfeld ermittelten erforderlichen Mindestinvestitionsausgaben. In der Konsequenz ist z. B. im Falle eines Großunternehmers mit erforderlichen Mindestinvestitionsausgaben i. H. v. 100 Mio. PLN eine Investitionssumme von maximal 130 Mio. PLN förderfähig. Alle darüber hinausgehenden Ausgaben bleiben unberücksichtigt. Gleichzeitig können förderfähige Ausgaben nicht als Betriebsausgaben geltend gemacht werden, weil sie mit steuerbefreiten Einkünften in Zusammenhang stehen (so in Bezug auf das SWZG Oberstes Verwaltungsgericht vom 30.11.17, II FSK 180/16).
3.2 Qualitatives Kriterium
Einen weiteren großen Unterschied zwischen dem SWZG und dem FnIG stellt das qualitative Kriterium dar. Das qualitative Kriterium soll der Überprüfung dienen, ob die Investition des Steuerpflichtigen mit der mittelfristigen sozioökonomischen Entwicklungsstrategie Polens vereinbar ist und damit zur nachhaltigen Wirtschafts- und Sozialentwicklung Polens und seiner einzelnen Regionen beiträgt (vgl. Art. 2 Nr. 5 FnIG).
Das qualitative Kriterium wird in Subkriterien unterteilt. Weist der Unternehmer das Vorliegen eines Subkriteriums nach, erteilt die zuständige Behörde einen Bewertungspunkt. Maximal können zehn Punkte erreicht werden. Der polnische Gesetzgeber fordert allerdings nicht, dass der Unternehmer jedes Kriterium erfüllt. Grundsätzlich sind sechs von zehn Bewertungspunkten zu erzielen, um den Förderbescheid erteilt zu bekommen (vgl. § 3 Abs. 2 FnI-VO). Dies wird unter Umständen noch weiter reduziert. Beträgt der regionale Beihilfehöchstintensitätssatz 35 %, sind nur fünf Punkte erforderlich. Liegt der regionale Beihilfehöchstintensitätssatz bei 50 %, reichen sogar nur vier Punkte aus (vgl. § 3 Abs. 3 FnI-VO).
Abgesehen davon hat sich der polnische Gesetzgeber dazu entschieden, das qualitative Förderkriterium nach Wirtschaftssektoren zu definieren. Demnach erfolgt nach § 3 Abs. 1 FnI-VO eine Unterteilung in den Dienstleistungs- und Industriesektor. Zudem wird das qualitative Kriterium innerhalb dieser beiden Sektoren wiederum in zwei Kriteriengruppen untergliedert ‒ in das Kriterium der nachhaltigen wirtschaftlichen Entwicklung und das Kriterium der nachhaltigen Sozialentwicklung.
Beachten Sie | Da in jeder Kriteriengruppe maximal fünf Bewertungspunkte erreicht werden können, muss der Unternehmer Bewertungspunkte aus beiden Kriteriengruppen erhalten, um die Mindestvoraussetzung von sechs Punkten zu erfüllen.
3.2.1 Dienstleistungssektor
Plant der Unternehmer im Dienstleistungssektor tätig zu werden, wird ihm ein Bewertungspunkt aus der Kriteriengruppe der nachhaltigen wirtschaftlichen Entwicklung u. a. dann zugesprochen, wenn er in ein Dienstleistungsprojekte investiert, das bestimmte in Polen existierende Branchen wirtschaftlich unterstützt. Dabei wird vorausgesetzt, dass diese Branchen im Rahmen der aktuellen nationalen Entwicklungspolitik gefördert werden. Welche Branchen darunter zu verstehen sind, wird in der Tabelle 1 der Anlage 1 zur FnI-VO näher erläutert. Von Bedeutung ist außerdem die Förderung der Forschung und Entwicklung. So erhält der Unternehmer einen weiteren Bewertungspunkt, wenn mindestens 1 % seiner jährlichen Betriebsausgaben auf Forschungs- und Entwicklungstätigkeiten oder auf Dienstleistungen entfallen, die mit einer Forschungs- und Entwicklungstätigkeit zusammenhängen.
Im Rahmen des Kriteriums der nachhaltigen Sozialentwicklung werden u. a. sowohl die Schaffung neuer Hochlohnarbeitsplätze und einer stabilen Beschäftigung als auch die Unterstützung der eigenen Angestellten beim Erwerb von Ausbildungs- und Berufsqualifikationen als förderfähig angesehen. Gleiches gilt für die Zusammenarbeit mit Fach-(hoch-)schulen sowie die Ausübung von Unternehmensaktivitäten, die geringe negative Auswirkungen auf die Umwelt haben.
3.2.2 Industriesektor
Das für den Industriesektor vorgesehene qualitative Kriterium wird nur an zwei Stellen modifiziert (vgl. Tabelle 2 der Anlage 1 zur FnI-VO). Der Unternehmer muss u. a. einen Beitrag zur Entwicklung eines bestimmten vom Staat als förderfähig eingestuften Industrie-Clusters leisten. Außerdem wird das Kriterium der nachhaltigen Sozialentwicklung leicht abgewandelt. So müssen mindestens 80 % der Beschäftigten einen Hochschulabschluss oder eine Berufsausbildung nachweisen und auf Grundlage eines unbefristeten Arbeitsvertrages angestellt sein.
3.3 Bestimmung der regionalen Beihilfehöchstintensitätssätze
Die regionalen Beihilfehöchstintensitätssätze berechnen sich gemäß § 6 Abs. 1 FnI-VO anhand des Verhältnisses zwischen dem Bruttosubventionsäquivalent und den zuschussfähigen Investitionsausgaben. Dieses Verhältnis wird für jede Region einzeln ermittelt und unterscheidet sich damit nicht von dem bisher bekannten Ansatz. Besonders bevorzugt werden wiederum die Kleinst-, Klein- und mittelgroßen Unternehmer. So wird bei Vorliegen eines Kleinst- oder Kleinunternehmers der regionale Beihilfehöchstintensitätssatz um 20 % und bei mittelgroßen Unternehmern um 10 % erhöht (vgl. § 6 Abs. 2 FnI-VO).

4. Beispiel zur Berechnung des Förderhöchstsatzes nach dem FnIG
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Fritz ist erfolgreicher Kleinunternehmer in Frankfurt (Oder), der Möbel für den deutschen Markt herstellt und vertreibt. Da Polens Möbelindustrie außerordentlich erfolgreich ist, grübelt Fritz, ob er von einer Produktion unter dem Label „Made in Poland“ ebenfalls profitieren könnte. Er entscheidet sich, die „Go East“-Strategie in Angriff zu nehmen. Für die Durchführung des Investitionsvorhabens gründet er eine sp. z o.o. sp.k. (ähnlich einer GmbH & Co. KG), die im Landkreis Słubice eine neue Möbelfabrik betreiben soll. Fritz fragt sich, ob sein Investitionsprojekt vom polnischen Staat gefördert werden kann.
In welcher Höhe muss Fritz Investitionsausgaben mindestens tätigen, um das quantitative Kriterium zu erfüllen? Wie hoch fällt die steuerliche Förderung unter den Bedingungen des FnIG aus? Annahme: Das qualitative Kriterium ist erfüllt. |
- 1. Ermittlung der erforderlichen Mindestinvestitionsausgaben:
- Unternehmergröße: klein
- Standort: Landkreis Słubice (Wojewodschaft Lebus)
- aktuelle landesweite durchschnittliche Arbeitslosenquote (Stand: 30.6.19): 5,3 %
- aktuelle Arbeitslosenquote im Landkreis Słubice (Stand: 30.6.19): 2,4 % (= weniger als 60 % der landesweiten Arbeitslosenquote)
- Ergebnis: Die erforderlichen Mindestinvestitionsausgaben unter Berücksichtigung der Unternehmergröße betragen 5.000.000 PLN.
- 2. Ermittlung des maximalen Förderhöchstsatzes:
- regionaler Beihilfehöchstintensitätssatz für den Landkreis Słubice (Wojewodschaft Lebus): 35 %
- regionaler Beihilfehöchstintensitätssatz unter Berücksichtigung der Unternehmergröße (Erhöhung für Kleinst- und Kleinunternehmen um 20 %): 55 %
- Gesamtausgaben für die Neuinvestition × Beihilfehöchstintensitätssatz = 5.000.000 PLN × 55 % = 2.750.000 PLN
- 2.750.000 PLN = Höhe der erlassenen Einkommensteuer
- Ergebnis (maximaler Förderhöchstsatz): Die Einkünfte aus gewerblicher Tätigkeit, die von der polnischen Einkommensteuer gemäß § 21 Abs. 1 Nr. 63b EStG-PL befreit sind (Annahme: Fritz optiert gemäß Art. 30c EStG-PL zur Besteuerung mit dem linearen Steuersatz i. H. v. 19 %), betragen 14.473.684 PLN (= 2.750.000 PLN ÷ 0,19).
Fritz kann somit gewerbliche Einkünfte aus der sp. z o.o. sp.k. bis zu knapp 14,5 Mio. PLN steuerfrei erzielen. Die steuerliche Förderung beginnt ab dem Monat, in dem Fritz die ersten Investitionsausgaben nach Zugang des positiven Förderbescheids getätigt hat. Die Steuerbefreiung wird nicht mehr gewährt, wenn der maximale Förderhöchstsatz ausgeschöpft ist oder der im Förderbescheid bestimmte Förderzeitraum abläuft, je nachdem, welches Ereignis früher eintritt (vgl. § 9 Abs. 1 FnI-VO).
FAZIT | Plant ein Unternehmer die Durchführung einer neuen Investition in Polen, so kann er für sein Investitionsprojekt nur noch das im FnIG vorgesehene Förderinstrument in Anspruch nehmen. Dabei weist das FnIG einige Ähnlichkeiten zu seinem Vorgänger ‒ dem SWZG ‒ auf. Der polnische Gesetzgeber geht aber vor allem in Bezug auf die Förderbedingungen einen neuen Weg: So hat die neue Fördermaßnahme für den Unternehmer den grundsätzlichen Vorteil, dass seine Investition nicht mehr zwingend auf dem Gebiet einer SWZ ausgeführt werden muss. Dennoch wird die Förderung auf einen im Förderbescheid genau definierten Investitionsraum beschränkt und damit de facto örtlich begrenzt. Daneben hat der Unternehmer quantitative und qualitative Förderkriterien zu erfüllen, um von der steuerlichen Förderung profitieren zu können.
Bei Ermittlung des dem Unternehmer zustehenden steuerlichen Beihilfevolumens wird nicht mehr ‒ wie bisher im Rahmen des SWZG ‒ allein auf die Bedingung der vom Unternehmer neu geschaffenen Arbeitsplätze oder getätigten Investitionsausgaben abgestellt. Die Einflussmöglichkeit des Unternehmers bei der Bestimmung des individuellen Förderhöchstsatzes nimmt somit ab, da neben den Investitionsausgaben weitere unternehmerunabhängige Faktoren zu beachten sind. Außerdem wird eine Unter- und Obergrenze hinsichtlich des beihilfefähigen Investitionsvolumens eingeführt. Die o. g. örtliche Begrenzung der Förderung wird auch im Rahmen des quantitativen Förderkriteriums ersichtlich, da es bei der Ermittlung der erforderlichen Mindestinvestitionsausgaben maßgeblich auf die aktuelle Arbeitslosenquote in dem Landkreis ankommt, in dem Investitionen angesiedelt werden. Zudem ist zu begrüßen, dass die Förderbedingungen öffentlich einsehbar sind, womit für mehr Transparenz gesorgt wird. |