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· Fachbeitrag · Praxisfall

Performancemessung und wertorientierte Unternehmensführung im Mittelstand

von Kevin M. Kudert, Berlin & Stephan Kudert, Frankfurt (Oder)

| Die meisten DAX-Konzerne haben eine wertorientierte Unternehmensführung etabliert. Dies wird anhand der Geschäftsberichte deutlich. Die Konzerne steuern ihre Geschäftseinheiten über den Wertbeitrag oder Residualgewinn. Aber auch mittelständische Konzerne können den Wertbeitrag zur Performancemessung nutzen, wenn ein paar Vereinfachungen vorgenommen werden. Der Beitrag verdeutlicht, welche Grundidee hinter dem Konzept steckt, welche Kennzahlen herangezogen werden können und wie sich die wertorientierte Unternehmensführung im Mittelstand umsetzen lässt. |

1. Performancemessung und Bonussystem

Eine zentrale Herausforderung einer Konzernleitung besteht darin, die Leistungen der verschiedenen dezentralen Geschäftsbereiche bzw. strategischen Geschäftseinheiten (Business Units) zu messen, zu bewerten und, z. B. mit einem Bonussystem, anzuerkennen. Die Performancemessung muss möglichst einfach, aber zugleich fair und aussagekräftig erfolgen. Die Ausführungen sollen daher zunächst mögliche Leistungskennzahlen ‒ Key Performance Indicators (KPI) ‒ darstellen und zeigen, welche Kennzahlen diesen Anforderungen gerecht werden. Anschließend wird das Konzept der wertorientierten Unternehmensführung verdeutlicht, aber auch dessen Grenzen beleuchtet.

2. Key Performance Indicators

Anhand eines Beispielfalls soll im Folgenden gezeigt werden, welche KPIs für die Performancemessung (un-)geeignet sind und wie sich daraus der Value Added ableiten lässt.

 

2.1 Bewertung der Performance anhand der Gewinne (JÜ)

Ein mittelständischer Konzern besteht aus vier Kapitalgesellschaften. Die Konzernmutter in Berlin, die B-GmbH, ist selbst nicht operativ tätig. Sie fungiert als Managementholding für ihre drei Konzerntöchter. Daher gehört es zu ihren Aufgaben, die Performance der drei Töchter zu kontrollieren und ggf. steuernd einzugreifen.

 

  • Die B-GmbH ist zu 100 % an der Z-GmbH in Zossen beteiligt. Diese ist aufgrund ihrer Flughafennähe und der Lage an der europäischen West-Ost-Achse in der Logistikbranche tätig. Im letzten Geschäftsjahr war sie nach Ansicht des Geschäftsführers deutlich erfolgreicher als ihre Konzernschwester in Frankfurt (Oder). Dies belegt ihre Gewinn- und Verlustrechnung.

 

  • Die FF-GmbH ist ebenfalls eine Tochter der B-GmbH. Sie betreibt ihr Real Estate Geschäft von Frankfurt (Oder) aus. Ihre Jahresüberschüsse sind überschaubar.

 

  • Und auch an der S Sp. z o.o., einer polnischen Kapitalgesellschaft in Slubice, ist die B-GmbH zu 100 % beteiligt. Sie ist in der Sonderwirtschaftszone Küstrin-Slubice (Polen) als Automobilzulieferer tätig. Ihr Jahresüberschuss ist sehr erfreulich, obwohl die Branche zurzeit mit erheblichen Risiken zu kämpfen hat.

 

Der Controller der Managementholding soll die Performance der drei Töchter prüfen und ggf. auf Basis des Ergebnisses entsprechende Entscheidungen vorbereiten. In einem ersten Schritt werden daher die Jahresüberschüsse (JÜ) der handelsrechtlichen Gewinn- und Verlustrechnungen (GuV) der drei Töchter miteinander verglichen. Abbildung 1 stellt für jede Tochter die stark vereinfachte GuV dar.

 

  • Abb. 1: (vereinfachte) handelsrechtliche GuV
Z-GmbH
FF-GmbH
S Sp. z o.o.

Umsatzerlöse

6.160.000 EUR

1.300.000 EUR

5.500.000 EUR

operativer Aufwand

5.700.000 EUR

1.000.000 EUR

5.050.000 EUR

=

EBIT

460.000 EUR

300.000 EUR

450.000 EUR

Zinsaufwand

85.000 EUR

80.000 EUR

34.000 EUR

=

EBT

375.000 EUR

220.000 EUR

416.000 EUR

Steuern vom Ertrag

85.594 EUR

65.615 EUR

0 EUR

=

Jahresüberschuss

289.406 EUR

154.385 EUR

416.000 EUR

Reihung

2

3

1

 

Beachten Sie | Der Jahresüberschuss ist eine durch § 275 HGB gesetzlich definierte Größe. Würde die Konzernleitung die Performance der drei Konzerntöchter schlicht anhand der jeweiligen Jahresüberschüsse vergleichen, wäre, wie die Abbildung 1 verdeutlicht, die Sp. z o.o. klar erfolgreicher als ihre Schwestergesellschaften. Die FF-GmbH läge abgeschlagen auf Rang 3.

 

2.2 Gewinne vor Steuern (EBT)

Eine faire Beurteilung der Ergebnisse, die in den Tochtergesellschaften erwirtschaftet wurden, sollte solche Aufwendungen oder Erträge unberücksichtigt lassen, die durch sie nicht beeinflussbar sind. Hierzu gehören i. d. R. auch die Ertragsteuern. Diese wurden aber in der jeweiligen GuV als Aufwand gebucht.

 

Die beiden deutschen Töchter unterliegen mit ihren (steuerlich etwas modifizierten) Jahresüberschüssen der Körperschaft- und Gewerbesteuer sowie dem Solidaritätszuschlag (KSt, GewSt und SolZ). Die KSt auf das Einkommen der Kapitalgesellschaft beträgt gemäß § 23 Abs. 1 KStG 15 %. Auf die KSt werden zusätzlich 5,5 % SolZ erhoben (§ 4 SolZG). Die Belastung beträgt damit 0,15 + 0,15 × 0,055, also 15,825 %.

 

Die GewSt steht der jeweiligen Gemeinde zu, in der der Gewerbebetrieb unterhalten wird. Daher darf diese Gemeinde über den Hebesatz (H) auch die Höhe der GewSt mit beeinflussen. Vereinfacht beträgt die GewSt 3,5 % × H des Gewerbeertrags. In Zossen liegt H bei 200 % und in Frankfurt (Oder) bei 400 %. Dies führt zu GewSt-Sätzen i. H. v. 7 % bzw. 14 %. Der GewSt-Hebesatz, und damit auch die GewSt, ist in Frankfurt (Oder) also doppelt so hoch wie in Zossen.

 

Da diese Ertragsteuern steuerlich nicht als Betriebsausgaben berücksichtigt werden dürfen, ist ihre Bemessungsgrundlage (vereinfacht) der Jahresüberschuss vor Steuern oder die Earnings before Taxes (EBT).

 

Steuern der Z-GmbH:

Taxes = EBT × (0,15825 + 0,07)

= EBT × 22,825 %

Steuern der FF-GmbH:

Taxes = EBT × (0,15825 + 0,14)

= EBT × 29,825 %

 

Die S Sp. z o.o. ist in einer polnischen Sonderwirtschaftszone (SWZ) tätig, in der sie keine KSt zahlen muss. GewSt und SolZ gibt es in Polen nicht.

 

Beachten Sie | Die Ansässigkeit in einer SWZ ist nicht Verdienst des Managements der Töchter, sondern Folge einer strategischen Entscheidung der Konzernleitung. Gleiches gilt für die Standorte der beiden deutschen GmbHs. Daher sollten die Ertragsteueraufwendungen nicht in die Leistungsbeurteilung der Business Units einfließen.

 

Somit vergleicht die Konzernleitung nicht die Jahresüberschüsse, sondern die Jahresüberschüsse vor Steueraufwand, also die EBT. Eliminiert man die Steuerbelastungen der drei Töchter für die Performancemessung, ergibt sich die in Abbildung 2 dargestellte Reihung. Die Differenzen werden gegenüber denen bei den Jahresüberschüssen zwar geringer, die Reihung ändert sich jedoch nicht.

 

  • Abb. 2: Reihung anhand der EBT
Z-GmbH
FF-GmbH
S Sp. z o.o.

289.406 EUR

154.385 EUR

416.000 EUR

+

Taxes = EBT × s

85.594 EUR

65.615 EUR

0 EUR

=

EBT = JÜ + Taxes

375.000 EUR

220.000 EUR

416.000 EUR

Reihung

2

3

1

 

Enthält die GuV Erträge und/oder Aufwendungen, die aufgrund von außergewöhnlichen, singulären Ereignissen entstanden sind, könnten diese ebenfalls eliminiert werden, um 8„normalisierte“ EBT zu erhalten. Eine solche Adjustierung ist weder gesetzlich vorgeschrieben noch objektiviert. EBT kann damit auch als „normaler“ Gewinn interpretiert werden, den sich Gesellschafter und Fiskus teilen dürfen.

 

2.3 Gewinne vor Steuern und Zinsen (EBIT)

Auch die Finanzierungsstruktur der Unternehmen sollte in die Überlegungen integriert werden. Der Controller der Holding schaut sich daher die Bilanzen der Töchter an und stellt fest: Während die Sp. z o.o. zu 80 % mit Eigenkapital ausgestattet wurde und ihre Bankverbindlichkeiten lediglich 1 Mio. EUR betragen, wurden den beiden deutschen Töchtern Gesellschafterdarlehen der Mutter und Bankdarlehen i. H. v. jeweils 2,5 Mio. EUR gewährt. Beide deutsche Töchter müssen also entsprechend hohe Zinsaufwendungen tragen (vgl. Abbildungen 1 und 3).

 

  • Abb. 3: Kapitalausstattung der Business Units
Z-GmbH
FF-GmbH
S Sp. z o.o.

Gesamtkapital (GK)

7.500.000 EUR

5.000.000 EUR

5.000.000 EUR

  • davon Eigenkapital (EK)

5.000.000 EUR

2.500.000 EUR

4.000.000 EUR

Eigenkapitalquote (EK/GK)

66,6 %

50 %

80 %

  • davon Fremdkapital (FK)

2.500.000 EUR

2.500.000 EUR

1.000.000 EUR

Fremdkapitalquote (FK/GK)

33,3 %

50 %

20 %

Zinssatz (rFK)

3,4 %

3,2 %

3,4 %

Zinsaufwand (rFK × FK)

85.000 EUR

80.000 EUR

34.000 EUR

 

Dass die S Sp. z o.o. von der Konzernmutter kein Darlehen erhalten hat, sondern mit Eigenkapital ausgestattet wurde, hat steuerliche Gründe. Während die Mutter den korrespondierenden Zinsertrag im Hochsteuerland Deutschland voll versteuern müsste, sind Dividenden innerhalb des Konzerns fast vollständig steuerfrei. Zugleich würde ein Zinsaufwand bei der Tochter in der SWZ zu keiner Steuerreduktion führen, da sie in der SWZ keiner Besteuerung unterliegt.

 

Beachten Sie | Hier ist zu fragen, wer im Konzern die Entscheidungen über die Kapitalstruktur bzw. Kapitalausstattung trifft. In der Praxis erfolgen diese i. d. R. nicht auf Ebene der Geschäftsbereiche, sondern zentral. Ist dies aber eine Festlegung auf Ebene der Holding, wäre es falsch, die Performance der Töchter zu bewerten, nachdem der Zinsaufwand das Ergebnis geschmälert hat. Aus diesem Grund wird der Vergleich anhand der JÜ vor Steuer- und Zinsaufwand, also Earnings before Interest and Taxes (EBIT) vorgenommen.

 

  • Abb. 4: Reihung anhand der EBIT
Z-GmbH
FF-GmbH
S Sp. z o.o.

EBT

375.000 EUR

220.000 EUR

416.000 EUR

+

Zinsaufwand

85.000 EUR

80.000 EUR

34.000 EUR

=

EBIT

460.000 EUR

300.000 EUR

450.000 EUR

Reihung

1

3

2

 

EBIT dokumentiert die operative Ertragskraft der Töchter im Rahmen der Performancemessung. Nunmehr hat die Z-GmbH zur S Sp. z o.o. nicht nur aufgeschlossen, sondern diese sogar überholt.

 

2.4 Gesamtkapitalrentabilität (ROCE)

Die Z-GmbH verfügt über deutlich mehr Kapital als ihre beiden Schwestern (vgl. Abbildung 3). Dass sie damit auch höhere EBIT erwirtschaften sollte als die anderen Business Units, ist offenkundig. Ihr EBIT ist auch deutlich höher als das der FF-GmbH und etwas höher als bei der S Sp. z o.o. Es ist naheliegend, für einen Vergleich der Performance jeweils die EBIT ins Verhältnis zum eingesetzten Kapital zu setzen.

 

Zähler und Nenner müssen das gleiche Grundgerüst aufweisen: EBIT gibt an, welche Rückflüsse (JÜ und Zinsen vor Steuern) erwirtschaftet wurden. Diese stehen den Eigenkapital- und Fremdkapitalgebern (sowie dem Fiskus) zu. Daher ist EBIT auch dem von beiden Protagonisten zur Verfügung gestellten Eigen- und Fremdkapital gegenüberzustellen, also zum Gesamtkapital ins Verhältnis zu setzen. Früher sprach man daher von der Gesamtkapitalrentabilität vor Steuern.

 

  • (1) (JÜ + Zinsen + Steuern) ÷ (EK + FK)

 

Heute wird diese Kennzahl Return on Capital Employed (ROCE) genannt.

 

  • (2) ROCE = EBIT ÷ CE

 

Das Capital Employed (CE) ist also das von den Eigen- und Fremdkapitalgebern zur Verfügung gestellte Kapital. Wie es ermittelt wird, ist nicht gesetzlich definiert. Zum einen ist die Frage zu beantworten, ob es zu Buch- oder Marktwerten angesetzt werden sollte. Zum anderen ist darüber zu entscheiden, zu welchem Stichtag diese Bewertung erfolgt. Bei Fremdkapital wird der Buchwert i. d. R. dem Marktwert entsprechen. Beim Eigenkapital ist dies nicht so, weil dessen Buchwert weder die stillen Reserven in den bilanzierten Wirtschaftsgütern noch den originären Geschäftswert ausweist.

 

Beachten Sie | Die Berücksichtigung des Gesamtkapitals mit den Buchwerten stellt eine Vereinfachung dar, die zu systematischen Verzerrungen führen kann. Da das CE ohne stille Reserven zu gering bewertet wird, wird ROCE potenziell zu hoch ausgewiesen (vgl. Formel 2).

 

Zeitlich wird CE i. d. R. mit dem Durchschnittswert des (ggf. adjustierten) Gesamtkapitals zum Jahresanfang und -ende bewertet.

 

  • (3) CE = (GK zum 1.1. + GK zum 31.12.) ÷ 2

 

Damit gibt CE das im Jahresdurchschnitt verfügbare Kapital an, mit dem EBIT erwirtschaftet wurde. Da die Rendite auf das zu Beginn eingesetzte Kapital bezogen sein sollte, sollte u. E. aber eher

 

  • (4) CE = GK zum 1.1.

 

gewählt werden, denn ROCE ist im Ergebnis die von der Tochter erwirtschaftete Rentabilität aus dem zu Beginn der Betrachtungsperiode eingesetzten Eigen- und Fremdkapital. Anderes gilt, wenn unterjährig das Fremdkapital und/oder das Eigenkapital erheblichen Schwankungen unterliegt.

 

  • Abb. 5: Reihung anhand von ROCE
Z-GmbH
FF-GmbH
S Sp. z o.o.

EBIT

460.000 EUR

300.000 EUR

450.000 EUR

Gesamtkapital (CE)

7.500.000 EUR

5.000.000 EUR

5.000.000 EUR

ROCE (= EBIT/CE)

6,13 %

6 %

9 %

Reihung

2

3

1

 

ROCE relativiert die scheinbar gute Performance der Z-GmbH, die Abbildung 4 suggeriert hat. Ihre Rentabilität ist zwar etwas höher als die der FF-GmbH, aber deutlich geringer als jene der S Sp. z o.o.

 

2.5 Ist-Rendite vs. Soll-Rendite (ROCE ‒ WACC = EBITAC)

Den erzielten Renditen stehen bestimmte Renditeerwartungen der Eigen- und Fremdkapitalgeber gegenüber. In einem weiteren Schritt wird daher die Frage gestellt, wie hoch die Soll-Renditen sind. Denn die Reihung in Abbildung 5 zeigt zwar, dass die Tochter in Slubice die höchste Ist-Rendite, also den höchsten ROCE erwirtschaftet hat, aber nicht, ob dieser auch aus Sicht der Kapitalgeber satisfizierend ist. Die erzielte Rendite ROCE (in %) sollte daher mit der erwarteten Rendite der Kapitalgeber verglichen werden. Diese Soll-Rendite (in %) wird auch als Kapitalkosten oder Weighted Average Cost of Capital (WACC) bezeichnet.

 

Beachten Sie | WACC setzt sich aus den (nach den Kapitalverhältnissen) gewichteten Renditeerwartungen der Eigen- und Fremdkapitalgeber zusammen.

 

  • (5) WACC = EK ÷ GK × rEK + FK ÷ GK × rFK × (1 ‒ s)

 

Die künftigen Renditeerwartungen der Fremdkapitalgeber (rFK) lassen sich aus den durchschnittlichen Fremdkapitalzinsen approximieren, die das Unternehmen in den letzten Jahren zu zahlen hatte.

 

Beachten Sie | Da der Zinsaufwand steuerlich als Betriebsausgabe abzugsfähig ist, beteiligt sich der Fiskus bei den beiden deutschen GmbHs faktisch an den Zinsaufwendungen mit rFK × s, wobei s der Steuersatz des Unternehmens ist.

 

Damit reduzieren sich die Zinssätze effektiv auf (rFK ‒ rFK × s) bzw. rFK × (1 ‒ s). Diese Reduktion aufgrund der Steuerersparnis wird auch Tax Shield genannt. Da in der polnischen SWZ s = 0 ist, ist für die S Sp. z o.o. auch rFK × (1 ‒ s) = rFK.

 

Die Renditeerwartungen der Eigenkapitalgeber rEK sind sehr unterschiedlich und abhängig vom Unternehmensrisiko. Klar ist, dass sie für ihr Eigenkapital eine höhere „Verzinsung“ erwarten als die Fremdkapitalgeber, denn sie tragen auch ein höheres Risiko. Die Differenz zwischen rEK und rFK nennt man Marktrisikoprämie (MRP). Sie beträgt im langfristigen Durchschnitt etwa 5 %, d. h., der „durchschnittliche Eigenkapitalgeber“ eines „durchschnittlichen Unternehmens“ erwartet „durchschnittlich“ eine um 5 % höhere Rendite rEK als ein Fremdkapitalgeber unter Berücksichtigung des Tax Shields. In 2017 haben die deutschen Unternehmen nach der aktuellen Kapitalkostenstudie von KPMG im Durchschnitt mit einer Marktrisikoprämie i. H. v. 6,4 % gerechnet.

 

  • (6) rEK = rFK × (1 ‒ s) + MRP

 

Allerdings gibt es das durchschnittliche Unternehmen i. d. R. nicht. Manche Unternehmen oder Branchen haben höhere, andere geringere Risiken als der Durchschnitt. Diese Risikoanpassung erfolgt durch den sog. β-Faktor (mit 0 < β < n∞).

 

Damit beträgt die Renditeerwartung der Eigenkapitalgeber:

 

  • (7) rEK = rFK × (1 ‒ s) + MRP × β

 

Die risikolose Anlage hätte ein β = 0. Ist β = 1, hat das Unternehmen tatsächlich ein durchschnittliches Marktrisiko. Ist β > 1, ist das Risiko höher und bei β < 1 ist es geringer als der Durchschnitt. Ein β-Faktor i. H. v. 0,9 bedeutet, dass bei einem Ausschlag der Rendite der Grundgesamtheit (z. B. alle DAX-Unternehmen) das beobachtete Unternehmen durchschnittlich nur mit 90 % des Ausschlags reagiert. In Ausnahmefällen könnte β < 0 sein. Dies wäre bei Unternehmen möglich, deren Renditeerwartungen sich antizyklisch zum „normalen“ Markt verhalten.

 

Für börsennotierte Unternehmen lässt sich der β-Faktor statistisch über die Kovarianz zwischen den Renditeerwartungen der Kapitalgeber des Unternehmens und des Marktportefeuilles, dividiert durch die Varianz der Renditeerwartungen des Marktportefeuilles berechnen. β-Faktoren von kapitalmarktorientierten Unternehmen oder Branchen werden regelmäßig veröffentlicht.

 

Für nicht börsennotierte Unternehmen wird er i. d. R. über eine sogenannte Vergleichsgruppe (Peer Group) börsennotierter Unternehmen gleicher Branchenzugehörigkeit oder Geschäftstätigkeit ermittelt. Zu beachten ist dabei, dass der Verschuldungsgrad (FK/EK) der Peer Group wahrscheinlich ein anderer ist, als der der betrachteten Business Unit. Der Verschuldungsgrad beeinflusst auch den β-Faktor. Da der Verschuldungsgrad bei den Unternehmen aber unterschiedlich ist, muss dieser Einfluss eliminiert werden. Daher ist der β-Faktor der verschuldeten Peer Group (βv) zunächst in den einer unverschuldeten Unternehmung (βu) umzurechnen (unlevering)

 

  • (8) βu = βv ÷ [1 + FK ÷ EK × (1 ‒ s)] mit FK ÷ EK der Peer Group

 

und dann an den Verschuldungsgrad der untersuchten Business Unit anzupassen (relevering)

 

  • (9) βv = βu × [1 + FK ÷ EK × (1 ‒ s)] mit FK ÷ EK der Business Unit.

 

Werden rEK und rFK entsprechend der Eigen- bzw. Fremdkapitalquote gewichtet, beträgt die Renditeerwartung WACC:

 

  • (10) WACC = EK ÷ GK × [rFK × (1 ‒ s) + MRP × β] + FK ÷ GK × rFK × (1 ‒ s)

 

Formel (10) ergibt sich, indem Formel (9) in Formel (5) eingesetzt wird.

 

Beachten Sie | Die Renditeerwartungen sind in verschiedenen Branchen unterschiedlich. Daraus folgt: Sind die Sachziele der Business Units nicht identisch, werden auch deren WACC nicht identisch sein. Da WACC auch als Diskontierungsfaktor im Rahmen der DCF-Methode Anwendung findet, haben die Kapitalkosten auch Auswirkungen auf die Investitionsprogramme der Konzerne.

 

Bei unterschiedlichen Renditeerwartungen ist aber auch die Performancereihung, wie sie in Abbildung 5 vorgenommen wurde, ausreichend. Zufrieden sind die Kapitalgeber nur, wenn die Ist-Rendite mindestens der Soll-Rendite entspricht, also ROCE ≥ WACC ist.

 

In Abbildung 6 wird daher zunächst für jede Tochter WACC ermittelt. Bildet man dann die Differenz zwischen ROCE und WACC, zeigt sich, dass die FF-GmbH zwar fast den gleichen ROCE erwirtschaftet hat wie ihre deutsche Schwester und einen deutlich geringeren ROCE als ihre polnische Schwester, aber die Renditeerwartungen der Kapitalgeber hat sie am deutlichsten übererfüllt. Die S Sp. z o.o. konnte hingegen die Renditeerwartungen der Kapitalgeber nicht erfüllen.

 

  • Abb. 6: Ermittlung der Überrendite
Z-GmbH
FF-GmbH
S Sp. z o.o.

rFK

3,4 %

3,2 %

3,4 %

S

22,825 %

29,825 %

0 %

rFK × (1 ‒ s)

2,624 %

2,2456 %

3,4 %

FK ÷ GK × rFK × (1 ‒ s)

0,875 %

1,123 %

0,689 %

MRP

6,4 %

6,4 %

6,4 %

β

0,9

0,75

1,2

MRP × β

5,76 %

4,8 %

7,68 %

rEK = rFK × (1 ‒ s) + MRP × β

7,849 %

7,119 %

11,08 %

EK ÷ GK × rEK

5,233 %

3,559 %

8,864 %

WACC = EK ÷ GK × rEK + FK ÷ GK × rFK × (1 ‒ s)

6,108 %

4,682 %

9,553 %

ROCE

6,13 %

6 %

9 %

EBITAC = ROCE ‒ WACC

+ 0,022 %

+ 1,318 %

‒ 0,553 %

Reihung

2

1

3

 

Beachten Sie | Diese Differenz zwischen ROCE und WACC kann als Überrendite oder Earnings before Interest and Taxes after Cost of Capital (EBITAC) bezeichnet werden. Sie gibt an, um wie viel Prozent die Ist-Rendite über bzw. unter der Soll-Rendite lag. Mit dieser Differenz wurden in den Business Units zusätzliche Werte geschaffen bzw. Werte vernichtet.

 

Dass die Überrendite für die wertorientierte Konzernsteuerung von zentraler Bedeutung ist, kann ein Zitat des DB-Konzerns exemplifizieren: „Wir führen den DB-Konzern und die einzelnen Geschäftsfelder über ROCE-Ziele unter Berücksichtigung von Charakter und Risiko des operativen Geschäfts. Am ROCE messen wir die Leistung unserer Geschäftsaktivitäten. Weiterhin richten wir hieran unsere Planungen einschließlich der Investitionsprogramme aus. Die ROCE-Ziele werden mindestens auf dem Niveau des gewichteten Kapitalkostensatzes aller Kapitalgeber vor Steuern (Weighted Average Cost of Capital; WACC) festgelegt.“, www.iww.de/s2174 ).

3. Wertorientierte Unternehmensführung mit dem Wertbeitrag (VA)

Multipliziert man die Überrendite mit dem eingesetzten (Gesamt-)Kapital, zeigt sich, wie viel Euro zusätzlich, also über die Erwartungen der Kapitalgeber hinaus (!), erwirtschaftet wurden (Wertbeitrag, Value Added, VA) oder wie viel Kapital vernichtet wurde. Dies zeigt Abbildung 7.

 

  • Abb. 7: Ermittlung der Value Added
Z-GmbH
FF-GmbH
S Sp. z o.o.

EBITAC = ROCE ‒ WACC

+ 0,022 %

+ 1,318 %

‒ 0,553 %

Gesamtkapital CE

7.500.000 EUR

5.000.000 EUR

5.000.000 EUR

VA = (ROCE ‒ WACC) × CE

+ 1.900 EUR

+ 65.900 EUR

‒ 27.600 EUR

Reihung

2

1

3

 

Das Ergebnis ist deutlich anders als noch beim Vergleich der JÜ, der EBT, der EBIT und der ROCE. Die Performance der FF-GmbH ist am besten, obwohl sie den geringsten JÜ, den geringsten EBT, den geringsten EBIT und sogar den geringsten ROCE aufweist. Der im Vergleich hohe Value Added ist Folge daraus, dass in der FF-GmbH mit vergleichsweise geringer Kapitalausstattung und schlechten steuerlichen Rahmenbedingungen aber auch mit den deutlich geringsten Kapitalkosten gearbeitet wurde. Die geringen Kapitalkosten sind auch Folge des geringen β-Faktors in der Immobilienbranche.

 

Der Value Added gibt an, dass in der FF-GmbH 65.900 EUR mehr an Werten erwirtschaftet wurden, als die Kapitalgeber erhofft bzw. erwartet haben. In der Z-GmbH ergibt sich ein geringfügig positiver Wertbeitrag (VA = 1.900 EUR). Die Performance hat also die Erwartungen der Kapitalgeber erfüllt. In der S Sp. z o.o. wurden hingegen Werte vernichtet, weil die erwartete Kapitalverzinsung um 27.600 EUR unterschritten wurde. Hierbei spielt der vergleichsweise hohe β-Faktor in der Automobilzuliefererbranche eine Rolle. Aufgrund der hohen Eigenkapitalquote wird die Wirkung noch verstärkt. Damit wird der deutlich höchste ROCE durch die hohen Renditeerwartungen der Kapitalgeber überkompensiert.

 

Für den Fall einer über den Erwartungen der Kapitalgeber liegenden Performance kann mit den Beschäftigten der Business Units vereinbart werden, dass ein Teil des VA als Boni an die Beschäftigten ausgezahlt wird. Den Rest können die Gesellschafter konsumieren oder er wird wieder investiert. Das Bonusmodell der wertorientierten Unternehmensführung hat den Vorteil, dass die Beschäftigten ein ureigenes Interesse an der Erarbeitung eines Value Added haben.

 

Bei einem negativen VA sind Gespräche mit den Entscheidungsträgern der Business Unit erforderlich. Eine Ursachenanalyse und Diskussion geeigneter Maßnahmen, die einen Turn Around einleiten können, sind die nächsten Handlungsschritte. Können voraussichtlich dauerhaft die Renditeerwartungen der Kapitalgeber nicht erfüllt werden, sind ggf. einschneidende Entscheidungen zu treffen.

 

FAZIT | Die Ausführungen sollten verdeutlichen, dass nicht nur DAX-Konzerne, sondern auch mittelständische Unternehmen den Wertbeitrag zur Performancemessung und als Basis eines Bonussystems nutzen können. Es wurde gezeigt, welche Grundidee hinter dem Konzept steckt, welche Bedeutung EBT, EBIT, ROCE, WACC, EBITAC und VA für die wertorientierte Unternehmensführung im Mittelstand haben und wie das Konzept umgesetzt werden kann.

 

Dabei sollte der Value Added, wie jeder KPI, nicht als alleinige Führungskennzahl gebraucht oder gar als Allheilmittel angesehen werden. Er vermittelt vielmehr der Konzernleitung einen Eindruck von der Performance der Business Units und kann Ausgangspunkt einer konzerninternen Diskussion über deren Leistungen sein.

 

Die Ausführungen haben auch gezeigt, dass die Zahlen Adjustierungen und Vereinfachungen unterliegen, die im Einzelfall zu Verzerrungen führen können. Und letztlich sind sie auch manipulationsanfällig. So würde der EBIT etwa aufgrund neuer Abschreibungen sinken, wenn notwendige Investitionen erfolgen und man in der Business Unit nicht mehr mit dem bereits abgeschriebenen Anlagevermögen arbeitet. Damit würde sich aber der Value Added erhöhen lassen, wenn diese Investitionen gerade nicht getätigt werden. Daher sind die Ergebnisse auch kritisch zu hinterfragen. Die Anwendung des Konzepts mit Augenmaß ist also der zielführende Weg.

 

Weiterführende Literatur

  • Ballwieser, Wertorientierte Unternehmensführung: Grundlagen, zfbf 2000, 160
  • Biric, Wertorientierte Unternehmensführung mit Beispielen aus den DAX-30 Unternehmen, Hamburg, Igel Verlag RWS, 2018
  • Goehr/Kupke, Der Kapitalisierungszins in der Unternehmensbewertung, BBP 2003, 288
  • Götze/Glaser, Economic (Value) Added als Instrument einer wertorientierten Unternehmenssteuerung, Methodik und anwendungsspezifische Beurteilung, krp-Sonderheft 1/2001, 31
  • Kowalski, Weighted Average Cost of Capital (WACC) im Praxiseinsatz, BBP 2018, 11
  • Erichsen, Mit dem Kennzahlensystem Return on Capital Employed den Unternehmenserfolg verbessern, BBP 2015, 38
Quelle: Seite 73 | ID 45602296