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· Fachbeitrag · Praxisführung

Persönlichkeit als Erfolgsfaktor: So optimieren Sie Ihren Führungsstil gezielt

von Dipl.-Psych. Matthias Krack, Kraftquelle - Coaching & Beratung, Gundersheim, www.kraftquelle-coaching.de 

| Praxisführung ist eine enorme Herausforderung an die Persönlichkeit des Zahnarztes. Er sieht sich stetig wachsenden Anforderungen gegenüber, die aus unterschiedlichen Rollenerwartungen erwachsen: Unternehmer, Behandler, Berater oder Chef. In jeder dieser Rollen gilt es, verschiedene Stärken zu entfalten - passend zu den jeweiligen situativen Anforderungen. Dieser Beitrag zeigt, wie dies gelingen kann. |

Was ist der „richtige“ Führungsstil?

Gibt es nun einen „richtigen“ Führungsstil? Jahrelang herrschte die Ansicht vor, man könne einen einheitlichen Stil der Praxisführung definieren und trainieren. Dies stellte sich jedoch als Irrtum heraus. Als weitaus erfolgreicher und nachhaltiger hat es sich erwiesen, Praxisinhaber darin zu ermutigen, individuelle Stärken und Eigenheiten zu erkennen und einen ganz eigenen Stil auszubilden und zu nutzen.

 

Das prozessorientierte Typenmodell der Psychographie - nach Dr. Fried-mann - gibt hierfür eine wertvolle Orientierung im Hinblick auf die persönlichen Stärken sowie die notwendigen Entwicklungsschritte.

Die drei Grundtypen

Die Psychographie des Typenmodells unterscheidet drei Grundtypen: den „Beziehungstyp“, den „Sachtyp“ und den „Handlungstyp“. Zu den Grundtypen passen folgende vereinfachende Charakterisierungen:

 

  • Der Beziehungstyp ist lebendig, gewandt, gefühlsbetont, kommunikativ und gewinnend.
  • Der Sachtyp ist entspannt, gelassen, sachlich, distanziert, analytisch und differenziert.
  • Der Handlungstyp ist energisch, tatkräftig, kameradschaftlich, pflichtbewusst und bestimmend.

Die frühe Prägung bestimmt das spätere Verhalten

Das Modell der Psychographie geht von der Beobachtung aus, dass sich jeder Mensch von Kindheit an auf die Bereiche des Fühlens (Beziehungsgefühl des „Beziehungstypen“), des Denkens (Verstand des „Sachtypen“) oder des Handelns (Willenskraft des „Handlungstypen“) spezialisiert und unbewusst zu seinem persönlichen Lebenskonzept gemacht hat. Dieses Modell hat sich als enorm hilfreich erwiesen, um zum Beispiel das eigene Führungsverhalten zu erkennen, seine Stärken zu nutzen und Ausbaupotenziale zu nutzen.

 

Es folgen Beispiele für die drei verschiedenen Psychographietypen. Sie verdeutlichen die Verhaltensausprägungen und zeigen, welche Maßnahmen für passgenaue Entwicklungspotenziale sinnvoll sind.

Der „Beziehungstyp“: ein Sonnenschein in jeder Hinsicht

Die in Düsseldorf wohnende Zahnärztin Frau Dr. Baliya ist in jeder Hinsicht ein „Sonnenschein“: gut gelaunt und mit Elan geht sie an die Arbeit. Mit ihrer freundlichen Art findet sie schnell einen Draht zu ihren Patienten - besonders zu Kindern. Mit „Small talk“ und gutem Einfühlungsvermögen bricht sie schnell das Eis und schafft eine angenehme Behandlungsatmosphäre.

 

Auch ihre Mitarbeiterinnen schätzen Frau Dr. Baliya als zugewandte und stets hilfsbereite Chefin. Sie hat immer ein offenes Ohr für die Belange des Praxisteams und geht auf die Wünsche und Sorgen ihrer Mitarbeiterinnen ein. Frau Dr. Baliya pflegt einen kooperativen Führungsstil und lässt ihren Mitarbeiterinnen viel Spielraum. Dabei achtet sie darauf, dass im Team Harmonie und eine gute Stimmung herrschen, sodass sich neue Mitarbeiter schnell einbinden können und wohlfühlen.

Der Sachtyp: seine ausgeglichene Art beruhigt

Bereits früh wusste Herr Dr. Surz, dass er Zahnarzt werden wollte. Vor dem Studium absolvierte er eine Ausbildung zum Zahntechniker, die für ihn eine wichtige Grundlage für sorgfältiges und gewissenhaftes Arbeiten darstellt. Herr Dr. Surz wirkt mit seiner ausgeglichenen Art beruhigend auf die Patienten. Er nimmt sich Zeit für eine ausführliche Befundaufnahme und wägt die nötigen Behandlungsschritte gründlich ab. Über die Vorteile einer Behandlung klärt er Patienten genauso gründlich auf wie über deren Nachteile.

 

Auch im Team werden seine Ausgeglichenheit und seine ruhige Ausstrahlung geschätzt. Fachlich versiert kann Herr Dr. Surz seinem Team viel Wissen vermitteln und er löst Probleme mit viel Sachverstand. Kommt es zu Konflikten im Team, nimmt sich Herr Dr. Surz gern zurück und sucht in einer sachlichen Diskussion nach praktikablen Lösungen. In Mitarbeitergesprächen lässt er seinen Mitarbeitern viel Zeit, selbst zu sprechen.

Der Handlungstyp: entscheidet schnell und sicher

Frau Dr. Hoßwald ist eine tüchtige und fleißige Praxisinhaberin. Sie hat genaue Vorstellungen davon, wie die Dinge in ihrer Praxis zu laufen haben. Kämpferisch stellt sie sich allen neuen Herausforderungen mit der festen Zuversicht, jedes Problem bewältigen zu können. Patienten schätzen an ihr ihre klaren Empfehlungen und die Offenheit im Umgang. Im Team übernimmt sie klar die Führungsrolle und trifft Entscheidungen schnell und sicher. Verantwortlichkeiten werden eindeutig definiert und in regelmäßigen Teammeetings reflektiert. Die Praxisziele sind zwar etwas hoch gesteckt, doch Frau Dr. Hoßwald schafft es, das Team auch für große Herausforderungen zu motivieren. Im Einzelgespräch gibt Frau Dr. Hoßwald klares Feedback und definiert eindeutige und überprüfbare Ziele mit den Mitarbeitern.

 

Führungsstil passgenau weiterentwickeln

Neben der Unterstreichung der vorhandenen Kompetenzen gilt es, die jeweiligen „Schlüsselfähigkeiten“ des Persönlichkeitstypen zu entwickeln. Hiermit sind solche Verhaltensweisen gemeint, die dem Typen zwar schwerfallen, jedoch besonders zum Erfolg beitragen, wenn sie entwickelt werden. Im Coaching wird dieses Wissen genutzt, um die Kompetenzen zu betonen und die Schlüsselfähigkeiten gezielt zu trainieren und einzusetzen:

Dr. Baliya - sich besinnen und selbstbestimmt handeln

Die kommunikative Art von Frau Dr. Baliya ist ihre große Stärke, aber zugleich auch ein Hindernis. Im Kontakt mit Patienten und Mitarbeitern wird sie in lange Gespräche verwickelt. So verliert sie schnell den „roten Faden“ und und die Ziele aus dem Blick. Sie ärgert sich dann über die anderen und sich selbst. Auch ihr Team bemängelt die fehlende Struktur in der Praxis: Zeitverzug bei den Behandlungen, Inkonsequenzen in der Umsetzung von Teambeschlüssen und sprunghaftes, launenabhängiges Verhalten der Chefin.

 

Im Coaching werden im Hinblick auf die Nutzung vorhandener Stärken und zur passgenauen Weiterentwicklung folgende Vorgehensweisen vereinbart:

 

  • Frau Dr. Baliya nutzt tägliche „Besinnungseinheiten“ zur Tagesplanung und vor anspruchsvollen Gesprächssituationen. So gelingt es ihr, den eigenen Standpunkt besser wahrzunehmen und deutlicher zu vertreten.
  • Sie vereinbart mit ihren Mitarbeitern für ausufernde Gespräche während der Behandlung unauffällige Hinweiszeichen, um innezuhalten und nachzuspüren, wie die Behandlungssituation weiter verlaufen soll.
  • In Team- und Mitarbeitergesprächen hört Dr. Baliya genauer zu und führt durch Fragen. So nimmt sie Ideen und Kompetenzen des Teams stärker wahr, kann diese gezielt nutzen und Aufgaben leichter an andere abgeben.

Dr. Surz - mehr Selbstvertrauen und aktiver bei Gesprächen

Die Überlegtheit und Behutsamkeit des Handelns von Herrn Dr. Surz werden in der Praxis oft als Zögerlichkeit und Unsicherheit missverstanden. Patienten gegenüber fehlt es zum Teil an einer herzlichen Begegnung sowie an einer klaren Empfehlung. Auch das Team beklagt die mangelnde Klarheit und Entschlussfreudigkeit: Dr. Surz halte sich aus allen Konflikten heraus und führe eher „laissez-faire“.

 

Im Gespräch mit Dr. Surz wird deutlich, dass er mit seiner problemorientierten Denkweise Fehler vermeiden möchte und immer nach der „richtigen“ Lösung sucht. Zwischenmenschliches behagt ihm weniger, sodass er sich zurückzieht, sobald es für ihn „brenzlig“ wird.

 

Im Coaching wird gemeinsam mit Dr. Surz erarbeitet, dass sein manchmal allzu analytisches Vorgehen und die Angst vor Fehlern seine Tatkraft einschränkt. Außerdem werden Wege besprochen, Gespräche aktiver zu gestalten. Die Entwicklungsziele von Herrn Dr. Surz lauten wie folgt:

 

  • Herr Dr. Surz setzt im Beratungsgespräch Prioritäten in Bezug auf seine Argumente, statt zu versuchen, „vollständig“ aufzuklären. Am Ende des Gesprächs gibt er dem Patienten nun eine Empfehlung.
  • Dr. Surz reflektiert regelmäßig über seine „Fehlervermeidungsstrategie“: Was befürchtet er am meisten? Was kann er dann konkret tun? Wie sähe sein Verhalten aus, wenn er jedem Problem gewachsen wäre?
  • Sein Talent als guter Zuhörer nutzt er nun, um Patienten und Mitarbeitern aktiv mehr Fragen zu stellen. So zeigt er Interesse am anderen und kann in Problemsituationen besser steuern, um gemeinsam Lösungen zu erarbeiten. Dies befreit ihn auch vom Druck, allein die „richtige“ Lösung zu finden.

Dr. Hoßwald - mehr Vertrauen in andere und mehr Balance

Die Abläufe in der Praxis hat Frau Dr. Hoßwald gerne im Griff; sie hat genaue Vorstellungen von den Verhaltensweisen der Mitarbeiter. Es beschleicht sie allerdings immer öfter das Gefühl, alles selbst erledigen zu müssen, damit das Ergebnis stimmt. Je mehr sie sich aber mit Einzelheiten beschäftigt, umso stärker fallen ihr die Fehler und Defizite des Teams auf.

 

Immer öfter äußert Dr. Hoßwald Kritik, sie wird stetig unzufriedener und nimmt öfter Arbeit mit nach Hause. Ihr Team wird immer demotivierter und frustrierter, was zu einer hohen Mitarbeiterfluktuation führt. Das wiederum bestärkt Dr. Hoßwald in der Ansicht, dass ihre Mitarbeiter unfähig sind und sie letztlich als Einzelkämpferin dasteht.

 

Im Gespräch werden ihre hohen Erwartungen an sich und andere sowie an das Zusammenspiel im Team reflektiert. Die hohe Anspruchshaltung führte zwar zu einer guten Praxisentwicklung und Zielerreichung - gleichzeitig bleiben langfristig die Freude an der Arbeit und das Gemeinschaftserleben auf der Strecke. Folgende Schritte werden vereinbart:

 

  • Der Teamgeist soll wiederbelebt werden. Künftig werden regelmäßig kleinere Freizeitaktivitäten initiiert und Pausen gemeinsam gestaltet. Dr. Hoßwald kann sich dadurch wieder auf ihre Mitarbeiter einlassen.
  • Unter dem Wahlspruch „Teile und herrsche“ delegiert sie wichtige Verantwortungsbereiche an einzelne Teammitglieder. Sie fungiert als „Mentorin“, entlastet sich und baut die Kompetenzen des Teams aus.
  • In den regelmäßigen Teammeetings werden neben den Verbesserungsmöglichkeiten auch alltägliche Erfolge thematisiert und in einem „Best-practice“-Ordner gesammelt. So entsteht nach und nach eine positive Lern- und Teamkultur.

 

FAZIT | Ob die Führung der eigenen Zahnarztpraxis erfolgreich ist oder nicht, hängt entscheidend damit zusammen, ob Sie als Praxischef Ihre persönlichen Stärken gezielt nutzen und Ihre Schlüsselkompetenzen zur Geltung bringen. Das prozessorientierte Psychographiemodell gibt Ihnen hierzu wertvolle und passgenaue Anhaltspunkte, um das eigene Verhalten zu optimieren. Dies führt letztlich dazu, dass Sie Ihre Arbeit besser gestalten können und motivierter sind - und schließlich zufriedener werden.

Quelle: Seite 12 | ID 42865300