Praxiswissen auf den Punkt gebracht.
logo
  • Meine Produkte
    Bitte melden Sie sich an, um Ihre Produkte zu sehen.
Menu Menu
MyIww MyIww

· Fachbeitrag · Projektmanagement

Brandschutz und Bestandsschutz bei Umbauten: Risiken erkennen und Projekte gut abwickeln

von Dipl.-Ing. und Architekt Klaus D. Siemon, ö.b.u.v. Sachverständiger für Honorare und Leistungen der Architekten, Vellmar

| Brandschutz ist im wahrsten Sinne des Wortes ein heißes Thema; vor allem bei Umbauten. Erkennen Sie zu spät, dass im umzubauenden Altbau Brandschutzrisiken schlummern, die nur mit hohen ‒ nicht budgetierten ‒ Investitionen anforderungsgerecht bewältigt werden können, drohen Ihnen Schadenersatzansprüche oder andere Misslichkeiten. Das lehrt nicht nur die aktuelle Rechtsprechung sondern auch die Praxiseinsicht des Autors. Widmen Sie dem Thema Brandschutz deshalb die nötige Aufmerksamkeit und wickeln Sie Projekte gut ab. |

Warum PBP das Thema gerade jetzt aufgreift

PBP greift das Thema auf, weil dem Autorenteam eine Reihe von Auseinandersetzungen bekannt sind, die sich um den Brandschutz von Umbauten drehen. Im Extremfall können sie das ganze Projekt zum Erliegen bringen, egal, ob es sich um ein kleines, mittleres oder großes Projekt handelt.

 

Defizite im Brandschutz werden nicht immer bei Planungsbeginn sichtbar

Bei Umbauten ergeben sich brandschutztechnische Defizite allein dadurch, dass bei einem Bauantrag (z. B. einer Nutzungsänderung) neues Baurecht auf die alte Bausubstanz anzuwenden ist, und die Bausubstanz aktuellen Anforderungen nicht mehr entspricht. Es gibt daher viele Fälle, in denen das Thema erst aufschlägt, nachdem die Finanzierung (eigentlich) geklärt war.

 

Die Risiken für Sie als Planer

Werden brandschutztechnische Defizite (zu) spät entdeckt, birgt das Risiken für Sie und andere Beteiligte. Es kommen in Frage:

 

  • Projektbeendigung: Sofortiges Projektende, Kündigung aller Planungsverträge und Honorarrückforderungen, Schadenersatzforderungen wegen nicht verwendbarer getätigter Aufwendungen des Bauherrn,

 

  • Weitreichende Projektänderung: Sofortige Projektänderung zu Lasten der Planungsbeteiligten (= ohne Änderungshonorar) verbunden mit dem Vorwurf, dass der Mehraufwand bei rechtzeitiger Erkundung hätte vermieden werden können. Neuer Bauantrag, neue Gebühren, langwierige Kostenauseinandersetzungen.

 

  • Weiterplanung als „Hochrisiko-Gratwanderung“: Weiteres, risikoreiches Vertiefen der Planung, Hoffnung auf Befreiung von Anforderungen durch spezielle Gutachten, mit denen Kompensationsmaßnahmen gerechtfertigt werden können, Einreichung einer späteren Tektur zum Bauantrag ‒ in der Erwartung dass eine Genehmigung erfolgt.

Aktuelles Urteil: Bauaufsicht kann nachträglich anordnen

Wie das Problem von den Gerichten beurteilt wird, zeigt eine Entscheidung des OVG Rheinland-Pfalz (Beschluss vom 18.10.2019, Az. 8 B 11142/19, Abruf-Nr. 212729). Auch wenn Brandschutz Ländersache ist, kann der Fall sinngemäß in ganz Deutschland Bedeutung erlangen, weil die Vorschriften bis auf wenige Punkte bundeseinheitlich sind.

 

Zusätzliche Auflagen nach Erteilung der Baugenehmigung zulässig?

Im konkreten Fall hatte die Bauaufsicht nach Erteilung der Baugenehmigung angeordnet, an der höchsten Stelle im Treppenraum eines Wohnhauses (Gebäudeklasse 5) zusätzlich Rauchabzugsöffnungen herzustellen sowie eine Wohnungstür zur Dachgeschosswohnung mit einer rauchdichten absenkbaren Bodendichtung zu versehen. Dagegen wehrte sich der Bauherr mit seinem Planer. Sie verlangten, dass die ursprüngliche Auffassung der Behörde unverändert bleibt und der Bestandsschutz akzeptiert wird.

 

Im vorliegenden Fall war auf einen zweiten Rettungsweg verzichtet worden. Das ist möglich, wenn der Treppenraum so angeordnet und beschaffen ist, dass Feuer und Rauch nicht eindringen können (Sicherheitstreppenhaus). Diese Anforderungen für Gebäudeklasse 5 hatte der Treppenraum ohne die nachträgliche Anordnung der Entrauchung aber nicht erfüllt.

 

OVG stärkt Bauaufsicht

Das OVG hat der Bauaufsicht Recht gegeben. Sie hat große Ermessensspielräume und kann in deren Rahmen auch nachträglich Brandschutzvorgaben fordern und durchsetzen. Im vorliegenden Fall mussten sich Bauherr und Planer den neuen Vorgaben unterordnen. Das Gericht stellte ebenfalls klar, dass auch bei rechtmäßig begonnenen oder bestehenden baulichen Anlagen nachträgliche Anforderungen möglich sind, wenn dies zur Abwehr von erheblichen Gefahren für die öffentliche Sicherheit, insbesondere für Leben oder Gesundheit, erforderlich ist (OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 18.10.2019, Az. 8 B 11142/19, Abruf-Nr. 212729).

 

In Rheinland-Pfalz ist das in § 85 Abs. 1 LBO-RP als spezielle Eingriffsermächtigung für bauliche Anlagen geregelt. In anderen Bundesländern gelten ähnliche Regelungen. Diese gelten u. a. für

  • auf der Grundlage einer gültigen Baugenehmigung errichtete Gebäude, die formellen Bestandsschutz genießen,
  • Gebäude, denen materieller Bestandsschutz zukommt, weil sie zum Zeitpunkt ihrer Errichtung genehmigungsfähig waren,
  • Fälle, in denen Gefahr für Leben oder Gesundheit vorliegt.

Urteilsfall ist nur einer unter vielen

Im OVG-Fall waren die Auswirkungen (zusätzliche Aufwendungen) gar nicht so gravierend. Das ist aber nicht die Regel. Dem Verfasser sind allein acht Fälle bekannt, bei denen große Projekte (Krankenhausumbauten) vorzeitig beendet und allen Beteiligten gekündigt wurden, weil die Ertüchtigungskosten ausgeufert sind. In einem Fall wurde gerichtlich sogar die Rückabwicklung eines Kaufvertrags über eine Bestandsimmobilie, die modernisiert werden sollte, durchgesetzt. Der „Käufer“ gewann den Prozess, weil er dem Gericht plausibel darlegen konnte, dass er die Immobilie weder gekauft noch ihre Modernisierung begonnen hätte, wenn er von den brandschutztechnischen Defiziten gewusst hätte.

Empfehlungen für Ihr Risikomanagement

Die oben erwähnten Risiken für Planer bestehen insbesondere darin, dass Sie Beratungspflichten, die Sie gegenüber Ihrem Auftraggeber haben, verletzen.

 

Auf Beauftragung Besonderer Leistungen hinwirken

Empfehlen Sie Ihrem Auftraggeber frühzeitig, Sie mit Besonderen Leistungen zu beauftragen, mit denen Sie Brandschutzrisiken erkennen können. Begründen Sie das und weisen Sie den Auftraggeber darauf hin, was passieren kann, wenn er Ihrer Empfehlung nicht folgt. Empfehlen Sie dem Auftraggeber frühzeitig,

  • Sie mit einer Bestandsaufnahme (inkl. Bauschadensanalyse) zu beauftragen, damit Sie deren Ergebnisse in der Kostenschätzung der Lph 2 berücksichtigen können;
  • zu prüfen, ob die vorgefundene bauliche Situation komplett genehmigt ist;
  • zu prüfen, ob die Nutzung der vorhandenen Bausubstanz (im Stadium der vorgefundenen Situation) so genehmigt ist,
  • Sie bereits zur Vorplanung mit einem Brandschutzkonzept zu beauftragen, das auf den Erkenntnissen der Bestandsaufnahme basiert,
  • Sie vor der Kostenschätzung in der Lph 2 mit einer Bauvoranfrage zu beauftragen, mit der alle relevanten Fragestellungen abgearbeitet werden.

 

Diese Empfehlungen sind gerichtlich bereits ausgeurteilt (z. B. OLG Brandenburg, Urteil vom 13.03.2008, Az. 12 U 180/07, Abruf-Nr. 081996). Benutzen sie zur Beratungspflicht unsere Musterbriefe im Downloadbereich.

 

Beratungsleistungen sind Pflicht

Lassen sie sich nicht mit dem Hinweis abspeisen, dass das später auch ohne Bestandsuntersuchungen alles „gemanagt“ werden kann, falls sich diese Defizite im Zuge der Planungsvertiefung und Ausführungsvorbereitung zeigen. Denn die Beweislast für eine ordnungsgemäße Planung und rechtzeitige Beratung in diesem frühen Vertragsstadium liegt allein bei Ihnen als Planer.

 

Eine ganze Reihe derzeit laufender Gerichtsverfahren zeigt, dass

  • der Bauherr hier sehr konsequent beraten werden muss, damit der Bauherr gem. § 642 BGB auch die Verantwortung übernimmt, falls es später zu Problemen kommt,
  • die späteren Änderungskosten teilweise bei über 40 Prozent der Gesamtkosten liegen und damit Haftungsrisiken entstehen,
  • Projekte schlicht abgebrochen werden mit vollständiger Honorarrückforderung, Schadenersatz wegen vermeidbarer Aufwendungen (= Honorar Fachplaner und Berater, Genehmigungsgebühren, etc.),
  • kostenfreie Neuplanungen als Ausgleich gefordert werden.

 

So schalten Sie Ihr Risiko mit Erfolg aus

Wenn Sie die Beratungspflicht im frühen Projektstadium erfüllen, bestehen keine Haftungsrisiken. Denn der Bauherr muss seine Mitwirkungspflicht konsequent erfüllen und rechtzeitig

  • die Bestandsaufnahmen und sonstigen Besonderen Leistungen (Prüfung Bestandsschutz, etc.) beauftragen,
  • alternativ die Verantwortung für spätere Mehrkosten und Terminverschiebungen übernehmen,
  • alle erforderlichen Entscheidungen nach Ihrer Beratung selbst treffen, oder die von Ihnen vorhergesagten Folgen tragen.

 

PRAXISTIPP | Die oben erwähnte Verantwortungsübernahme muss der Bauherr Ihnen nicht schriftlich bestätigen. Es reicht, dass Sie dem Bauherrn unmissverständlich aufzeigen, was wann zu tun ist und welche Folgen er kalkulieren muss, wenn er Ihre Vorschläge nicht umsetzt. Nutzen Sie für diese Korrespondenz die Musterschreiben von PBP (mehr dazu unten). Dann haben Sie Ihre Pflicht erfüllt. Führen Sie die Kommunikation so, dass es später keinen Streit darüber gibt, dass der Bauherr wirklich beraten wurde.

 

Angemessene Kompensationsmaßnahmen als gute Alternative

Die Bauordnungen der Länder ermöglichen auch Abweichungen von Vorschriften aus der Bauordnung, wenn angemessene Kompensationsmaßnahmen bereitgestellt werden. Modernste Methoden sind hier die Anwendung von Ingenieurmethoden im Brandschutz, bei denen mittels spezieller Berechnungsverfahren nachgewiesen wird, dass die gesetzlichen Brandschutzziele auch mit alternativen Planungslösungen erreicht werden.

Bestandsschutz: Die neue Prüfroutine für Planer

In aller Regel gilt der bereits in Art. 14 GG geregelte Bestandsschutz. Er besteht aber nur, wenn eine rechtmäßige Baugenehmigung vorliegt und bauliche Situation und Nutzung immer noch so sind wie sie einmal genehmigt wurden.

 

Abweichungen lassen Bestandsschutz entfallen

Mit anderen Worten: Sind nach der Erteilung dieser Baugenehmigung Änderungen (z. B. im Rahmen der laufenden Bauunterhaltung) vorgenommen worden, die genehmigungsrelevant sind, ist der Bestandsschutz entfallen. Die Relevanz etwaiger Änderungen ist eng auszulegen, wird also streng überprüft. Das zu überprüfen (= Besondere Leistung oder Leistung, die der Bauherr selbst erbringen mag), wird immer wichtiger.

 

Wichtig | Dem Autor ist ein Fall bekannt, in dem der Bauherr die Baugenehmigung für eine Aufstockung beantragt hatte und statt der Genehmigung die Verfügung erhielt, eine Etage des Bestandsgebäudes zurückzubauen (weil beim damaligen Neubau von der Baugenehmigung ungenehmigt abgewichen worden war). Auch hier stellt sich schnell die Frage nach Schadenersatz. Denn bei ordnungsgemäßer Klärung der Genehmigungsfähigkeit in Lph 2 hätte sich der Bauantrag möglicherweise erübrigt.

 

Wann darf die Bauaufsicht den Bestandsschutz sonst noch durchbrechen?

Dann gilt noch Folgendes: Der Bestandsschutz darf von der Bauaufsichtsbehörde auch dann „durchbrochen“ werden, wenn die damalige Genehmigung zwar baulich unverändert realisiert wurde, aber eine konkrete Gefahr für Personen besteht. Das muss die Behörde einzelfallbezogen belegen (Gutachten). Es reicht nicht, „Allgemeinplätze“ in den Ring zu werfen.

 

PRAXISTIPP | Aber auch hier gilt, dass eine frühe Bestandsaufnahme und ein daraus resultierendes Brandschutzkonzept die Wogen glätten können.

 

So werden Ihre Leistungen richtig honoriert

Für die Besonderen Leistungen ist auch ein entsprechendes ‒ zusätzliches ‒ Honorar fällig.

 

Voraussetzungen für Abrechnung schaffen

Nach den neuen gesetzlichen Regelungen (BGB 2018) ist das Honorar deutlich besser durchsetzbar. Stellen Sie in jedem Fall sicher, dass Sie eine eindeutige Leistungsvereinbarung treffen (= genaue Bezeichnung der Leistungen und Abgrenzung von bereits im Hauptvertrag geregelten Leistungen). Können Sie sich mit dem Auftraggeber nicht einvernehmlich auf das Honorar verständigen, greift die Regelung nach § 650b BGB.

 

Keine Abstriche bei mitverarbeiteter Bausubtanz machen

Lassen Sie sich nicht darauf ein, die anrechenbaren Kosten aus mitverarbeiteter Bausubstanz (mvB) als Honorarkompensation für diese Aufwendungen anzusehen. Die anrechenbaren Kosten aus mvB betreffen nur Grundleistungen. Sie sind also als Regulativ für die Mitverarbeitung im Rahmen der Grundleistungen geschaffen, nicht jedoch für Besondere Leistungen.

 

FAZIT | Als Objektplaner tun Sie gut daran, Brandschutzfragen beim Bauen im Bestand sofort nach Ihrer Beauftragung anzugehen und möglichst einvernehmlich zu klären. Das ist das beste Mittel, um das erhebliche Haftungsrisiko (= in der Regel hohe Schadenssummen), das vor allem in einer Beratungspflichtverletzung besteht, zu vermeiden. Die seit 2018 gültigen BGB-Regelungen stärken hier die Position der Planer, wenn es um die Vergütung erforderlicher Besonderer Leistungen geht.

 

Weiterführende Hinweise

  • Sonderausgabe „Das neue Architekten- und Ingenieurrecht im BGB ‒ Praxiserfahrungen und Anwendungstipps“, pbp.iww.de → Abruf-Nr. 45564131
  • Musterschreiben „Beauftragung der Besonderen Leistung Brandschutzplanung“, pbp.iww.de → Abruf-Nr. 37803600
  • Arbeitshilfe „Praktische Fallgestaltungen zu Besonderen Leistungen im Brandschutz“, pbp.iww.de → Abruf-Nr. 43477924
Quelle: Seite 4 | ID 46284129