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· Fachbeitrag · Provisionsrückforderung

Hohe Anforderungen an Rückbelastung von Provisionen: Vertreter wehrt sich erfolgreich

von Rechtsanwalt Bernhard Schleicher, Rechtsanwälte Dr. Heinicke, Eggebrecht, Ossenforth und Kollegen, München

| Die Rückbelastung von Provisionen bei Störungen der vermittelten Versicherungsverträge ist ein „Dauerbrenner“. Aktuell hat das OLG Stuttgart die Rechte der Vertreter gestärkt. |

Streit um Buchauszug und Provisionsrückforderungen

Gegenstand war eine Klage eines Bausparkassenvertreters gegen die Bausparkasse auf Erteilung eines Buchauszugs. Die Bausparkasse hat Widerklage auf Rückzahlung erheblicher Provisionsrückforderungsansprüche erhoben. Das Landgericht hatte der Buchauszugsklage des Vertreters stattgegeben und die Widerklage der Bausparkasse abgewiesen. Dagegen ging die Bausparkasse in Berufung zum OLG Stuttgart. Dieses hat in der mündlichen Verhandlung wichtige Klarstellungen zur rechtlichen Einschätzung gegeben (OLG Stuttgart, Protokoll vom 28.05.2019, Az. 10 U 22/19, Abruf-Nr. 209438).

Anspruch auf den Buchauszug besteht noch

Zunächst stellt das OLG klar, dass die Berufung der Bausparkasse gegen die Buchauszugsklage wohl keinen Erfolg haben wird. Der Vertreter habe Anspruch auf einen Buchauszug. Insbesondere sei der Anspruch nicht verjährt. Denn die Verjährungsverkürzungsklausel auf 13 Monate, so wie sie die Bausparkasse im Vertretervertrag verwendet, dürfte unwirksam sein.

Provisionsrückforderungsanspruch ohne Erfolg

Auch was den Provisionsrückforderungsanspruch anbelangt, machte das OLG der Bausparkasse keine Hoffnung:

 

Saldo-Klage ohne Erfolg

Die Klage der Bausparkasse aus einem angeblich bestehenden negativen Saldo laut Provisionsabrechnung ist aussichtslos:

 

  • Es fehlt an einer Kontokorrentabrede zwischen Vertreter und Bausparkasse.
  • Die stillschweigende Hinnahme von Provisionsabrechnungen stellt kein Anerkenntnis dar.
  • Im Vertretervertrag war zwar eine Prüfobliegenheit des Vertreters vereinbart. Diese stellt aber lediglich eine sanktionslose Ordnungsvorschrift dar.

 

Somit kommt es darauf an, ob die Bausparkasse die einzelnen Provisionsrückforderungsansprüche nachvollziehbar darstellen kann. Grundvoraussetzung ist, dass der Vertreter die ganz oder teilweise zurückverlangte Provision überhaupt ausbezahlt bekommen hat.

 

OLG Stuttgart nimmt Bausparkasse in die Pflicht

Das OLG Stuttgart stellt nun in Übereinstimmung mit dem Urteil des OLG Karlsruhe vom 07.02.2014 (Az. 15 U 58/13, Abruf-Nr. 140642) und dem Hinweisbeschluss des OLG Köln vom 28.01.2016 (Az. 19 U 177/15) fest: Es ist Sache der Bausparkasse, die tatsächliche Auszahlung bzw. Verrechnung des Provisionsanspruchs konkret darzulegen.

 

  • Nach Ansicht des OLG ist schon streitig, in welchem Umfang Provisionen tatsächlich ausgezahlt wurden. Denn insoweit greift der Vertreter die Verrechnungen der Bausparkasse an. Die Bausparkasse muss daher zur Begründung vortragen, wann und in welcher Höhe sie auf den konkreten später stornierten Vertrag eine Provision oder einen Provisionsvorschuss in die monatlichen Abrechnungen eingestellt und ausgezahlt hat.

 

  • Soweit es in der Abrechnung eine Verrechnung mit Rückforderungen gegeben hat, muss die Bausparkasse substantiiert vortragen, auf welche der in der Abrechnung enthaltenen einzelnen Provisionsforderungen die Verrechnung/Aufrechnung erfolgt ist. Soweit der Vertreter die Rückforderung bestreitet, muss die Bausparkasse darlegen und beweisen, dass sie zur Rückforderung berechtigt war. Insoweit muss die Bausparkasse nach Auffassung des OLG zu den einzelnen Rückforderungen noch einen schlüssigen Vortrag halten.

 

  • Soweit der Vertreter die Provisionsrückforderungen bestritten hat, muss die Bausparkasse darlegen und beweisen, dass sie zur Rückforderung berechtigt ist. Hier muss die Bausparkasse insbesondere zur ausreichenden Nachbearbeitung bei einer Stornogefahr durch die eigene Tätigkeit der Bausparkasse oder durch eine Stornogefahrmitteilung an den Vertreter vortragen. Der Vortrag muss sich auf die einzelnen vermittelten Geschäfte beziehen, soweit nicht aus anderen Geschäften aufgerechnet werden soll.

 

Wichtig | Daraus ergibt sich somit folgendes Vorgehen: Zunächst muss die Bausparkasse darstellen,

  • welche einzelnen Negativ-Buchungen sie in der Provisionsabrechnung, in der die zurückverlangte Provision gutgeschrieben wurde,
  • mit welchen Positiv-Buchungen in welcher Reihenfolge verrechnet hat.

 

Bestreitet der Vertreter daraufhin, dass die Negativ-Buchungen berechtigt waren, so muss wiederum die Bausparkasse die Berechtigung dieser Buchungen darlegen und beweisen.

 

Je nach Umfang der in der jeweiligen Abrechnung enthaltenen Negativ-Buchungen kommt also auf die Bausparkasse ein erheblich größerer Begründungsaufwand zu. Sie muss nämlich nicht nur die einzelnen geltend gemachten Provisionsrückforderungsansprüche schlüssig darstellen, sondern auch alle vom Vertreter bestrittenen einzelnen Negativ-Buchungen, die in der jeweiligen Provisionsabrechnung sonst noch auftauchen. Alles natürlich inkl. des Nachweises einer ordnungsgemäßen und rechtzeitigen Stornobekämpfung, der rechnerischen Richtigkeit der Forderung usw.

Eigenverträge

Auch zu einem weiteren immer wieder auftauchenden Thema gab das OLG einen Hinweis. Im vorliegenden Fall hatte der Vertreter viele Eigenverträge abgeschlossen, die ins Storno gingen und Rückforderungsansprüche der Bausparkasse auslösten.

 

  • Die Bausparkasse war der Auffassung, dass es in solchen Fällen gar keiner näheren Darlegungen bedürfe, weil man davon ausgehen müsse, dass der Vertreter diese Verträge nur zur Generierung von Provisionen und damit missbräuchlich abgeschlossen hätte.

 

  • Der Vertreter ließ vortragen, dass er die Verträge für Finanzierungen benötigte. Die Verträge seien von der Bauparkasse auch stets angenommen worden. Schließlich habe er die Prämien nur deswegen nicht mehr bezahlen können, weil die Baussparkasse aufgrund der unberechtigten Provisionsrückforderungsansprüche keine Provisionen mehr ausbezahlt hatte.

 

Das OLG erteilt auch hier der Auffassung der Bausparkasse eine Absage: Ein Missbrauch sei jedenfalls nicht offensichtlich, weil die Eigenverträge zumindest eine Zeitlang vom Vertreter bzw. seiner Lebensgefährtin bedient wurden. Zur Frage der Nachbearbeitung bei Stornogefahr habe sie nichts gesagt. Die Bausparkasse müsse aber auch zu diesen Fällen im Einzelnen etwas vortragen.

 

PRAXISTIPP | Natürlich sind bei stornierten Eigenverträgen keine Stornogefahrmitteilungen notwendig. Allerdings wäre eine Provisionsrückforderung dann unberechtigt, wenn die Bausparkasse die Stornierungen selbst verursacht hätte; und zwar, indem sie eine berechtigte Provisionsauszahlung wegen letztlich nicht bestehender Provisionsrückforderungen (§ 87 Abs. 3 HGB) eingestellt hat, und der Vertreter deswegen die Prämien nicht mehr bedienen konnte.

 

Bedeutung für die Praxis

Die Hinweise des OLG reihen sich ein in eine immer länger werdende Liste mit für die Vertreterschaft positiven Entscheidungen. Bei Provisionsrückforderungsansprüchen des Unternehmens (Versicherer, Bausparkasse) lohnt es sich daher in besonderem Maße, genau hinzusehen, ob das Unternehmen den hohen Anforderungen an die schlüssige Darlegung solcher Ansprüche genügt. Die Praxis zeigt, dass es für Vertreter viele Verteidigungsmöglichkeiten gibt und der Darlegungsaufwand für Unternehmen hoch ist. Hinzu kommt, dass gerade nach Vertragsende bzw. nach Freistellung des Vertreters keine vernünftige Stornobekämpfung durch den Nachfolgevertreter erfolgt; im Gegenteil, oft motivieren diese selbst die Kunden zu Kündigung und Abschluss eines für den Nachfolgevertreter dann provisionspflichtigen Neuvertrags.

 

Weiterführender Hinweis

  • Sonderausgabe „Provision des Versicherungsvertreters: Das sind die wichtigsten Spielregeln“ auf wvv.iww.de → Abruf-Nr. 44817379
Quelle: Seite 5 | ID 45988033