01.02.2005 | Qualitätsmanagement
Alles was Sie als Chefarzt über das „Benchmarking“ wissen müssen
In letzter Zeit kommt es immer häufiger vor, dass Klinikträger ihre Chefärzte mit dem Begriff „Benchmarking“ konfrontieren. Chefärzte werden dabei aufgefordert, sich einem „Ranking“ zu unterziehen. Die Klinikträger geben dabei den Druck weiter, den sie von Kostenträgern und Verbraucherschützern erhalten, die zunehmend ein Benchmarking im Krankenhaus fordern, aber tatsächlich das Anfertigen einer Bestenliste meinen. Der folgende Beitrag soll einen Überblick darüber geben, was „Benchmarking“ ist und wie es in der Klinik eingesetzt werden kann, damit alle Abteilungen profitieren.
Was ist „Benchmarking“?
Leider ist dieses Werkzeug zum Erreichen von Verbesserungen nur den wenigsten, die davon reden, wirklich bekannt. Zumeist wird heute unter dem Begriff ein einfaches „Ranking“ verstanden. Wollte man das tatsächliche Benchmarking in einem Satz fassen, so könnte man am ehesten von „Orientierung an der Bestleistung Dritter“ sprechen. Es geht also nicht darum, festzustellen, wer im eigenen Fachgebiet besser oder schlechter ist als die eigene Abteilung. Es geht darum, den Besten einer Gruppe zu ermitteln, um von ihm lernen zu können.
Ganz bewusst sollen hier die Grenzen des eigenen Gewerbes überschritten werden. Hierzu gibt es ein Beispiel, dessen Wahrheitsgehalt nicht hundertprozentig belegt ist: Henry Ford hat angeblich die Bandproduktion in seinem Automobilwerk eingeführt, nachdem er einige Tage zuvor in einer Großschlachterei die an Rollschienen hängend transportierten Schlachttiere gesehen hatte. Hier zeigt sich die eigentliche Stärke des Benchmarkings: Jede beliebige Organisation, die ähnliche Probleme hat, kann als Lernmodell genutzt werden.
So hat das Benchmarking vier wichtige Eigenschaften, die es auszeichnet:
Die vier Benchmarking-Formen
Diese oben genannten Eigenschaften sind in den verschiedenen Formen des Benchmarkings unterschiedlich ausgeprägt:
- Internes Benchmarking
- Wettbewerbs-orientiertes Benchmarking
- Funktionales Benchmarking
- Generisches Benchmarking
Die einzelnen Schritte im Krankenhaus
Wie könnte nun ein internes oder Wettbewerbs-orientiertes Benchmarking als Einstieg in der Klinik erfolgreich umgesetzt werden? Auch hier bietet sich der Blick über den Tellerrand an. Der „Benchmarking-Club Technischer Universitäten“ zum Beispiel hat einen Codex erarbeitet, wie mit den Daten der teilnehmenden Universitäten umzugehen ist (Codex unter www.che.de).
Wenn nicht zu Beginn ein Vergleich der einzelnen Krankenhausabteilungen untereinander geplant ist, sollten sich Kliniken eine Gruppe vergleichbarer – nicht miteinander in direkter lokaler Konkurrenz stehender – Krankenhäuser suchen und mit diesen eine feste Vereinbarung über die Abläufe und den gegenseitigen Vertrauensschutz treffen. Dadurch wird ein Vergleichsrahmen geschaffen, der für das weitere Vorgehen unerlässlich ist.
Nachdem die Partner des Projektes sich dann auf gewisse Parameter (oder Qualitätsindikatoren) geeinigt haben, die bearbeitet werden sollen, beginnt zunächst die Datenerhebung. Bei den Indikatoren muss darauf geachtet werden, dass sie sich in Zahlen darstellen lassen. Hier sei noch einmal an die RUMBA-Regel für Qualitäts-indikatoren (relevant, unmissverständlich, messbar, beeinflussbar, anwendbar) erinnert, die ausführlich im Beitrag „Klinische Behandlungspfade“ in der Ausgabe Nr. 7/2004, S. 17 besprochen wurde.
Beim anschließenden Vergleich der Parameter aller Beteiligten werden sich nun mit großer Wahrscheinlichkeit Unterschiede zeigen. Im nächsten Schritt wird dann die Vorgehensweise des Besten analysiert und versucht, Gründe für die Unterschiede zu finden. Für die Durchführung dieses Ablaufschritts bieten sich besonders Hospitationen von Mitarbeitern in der Vergleichsabteilung an. Der direkte Austausch macht oft das Verstehen von Prozessabläufen leichter. Außerdem hat unter Umständen auch die Vergleichsklinik einen Nutzen durch den Meinungsaustausch.
Im letzten Schritt versucht das jeweils andere Haus, aus der Analyse Nutzen für das eigene Vorgehen zu ziehen. Die Ablaufschritte des anderen Hauses müssen angepasst und in die eigene Praxis integriert werden. Keinesfalls wird es möglich sein, einfach die Abläufe des Besten 1:1 nachzuahmen. Die lokalen Gegebenheiten machen immer eine Adaptation nötig. Dem Mitarbeiter, der in der Vergleichsklinik hospitiert hat, kommt in diesem Schritt eine wichtige Funktion zu: Er kann als Multiplikator sein erworbenes Wissen weitergeben. Außerdem kann er für die neuen Vorgehensweisen werben und so etwaigen Widerständen gegen die Neuerungen entgegenwirken.
Nach den ersten Projekten im Wettbewerbs-Benchmarking kann die Anwendung der weitergehenden Formen in Betracht gezogen werden. Für das funktionale oder gar generische Benchmarking ist die Bildung einer Arbeitsgruppe erforderlich, die nach entsprechenden Benchmarking-Partnern und vergleichbaren Prozessen sucht.
Fazit
Richtig angewandt kann zwar auch das Benchmarking keine Wunder für die Organisationsstrukturen einer Klinik bewirken. Es ist aber ein praxiserprobtes Mittel für die Optimierung von Prozessen – und geht weit über eine simple Bestenliste hinaus. Während die Hitlisten bestenfalls einen Wettbewerb auslösen und meist in einen Konkurrenzkampf führen, verlangt Benchmarking echte Kooperation zwischen gleichberechtigten Partnern. Die Position des „Besten“ wird in einer Benchmarking-Gruppe mit hoher Wahrscheinlichkeit in Abhängigkeit vom beobachteten Prozess oft neu vergeben werden. Daher ermöglicht das Benchmarking allen Beteiligten, zu lernen und gemeinsam besser zu werden.