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· Fachbeitrag · Rechnungslegung

Bilanzierung negativer Schuld- und Anlagezinsen

von WP StB Dipl.-Kfm. Lukas Graf, Meißen

| Kreditinstitute berechnen für Bankguthaben zunehmend Verwahrentgelte. In seltenen Fällen werden sogar positive Schuldzinsen für die Aufnahme von Krediten bezahlt ‒ der Schuldner bekommt dann Geld dafür, dass er einen Kredit aufnimmt. Es stellt sich bezüglich dieser Zinsanomalien die Frage, wie negative Zinsen in der GuV auszuweisen sind und ob diese Auswirkungen auf die Werthaltigkeit von Finanzanlagen bzw. den Rückzahlungsbetrag bei Schulden haben. |

1. Ausweis von Zinsanomalien in der GuV

Grundsätzlich sind folgende Ausweismöglichkeiten denkbar bzw. anzutreffen:

 

  • Ausweis der Verwahrentgelte als eine Art von Bankgebühren unter den sonstigen betrieblichen Aufwendungen.
  • Verwahrentgelte werden als Zinsaufwand ausgewiesen.
  • Verwahrentgelte werden ‒ unter Saldierung mit Zinserträgen ‒ als (negativer) Zinsertrag ausgewiesen. Positive Schuldzinsen werden ‒ unter Saldierung mit gezahlten Zinsaufwendungen ‒ unter der Position Zinsaufwand erfasst.

 

Nachfolgend wird untersucht, welcher Ausweis sachgerecht ist:

 

Vereinzelt wird ein Ausweis von Verwahrentgelten unter den sonstigen betrieblichen Aufwendungen vorgeschlagen. Bei Bankgebühren oder Schließfachgebühren handelt es sich eindeutig um einen sonstigen betrieblichen Aufwand, der für die Nutzung von Bankkonten für Zahlungszwecke oder eines Schließfachs für die Verwahrung von Wertgegenständen anfällt. Der negative Zins fällt aber nicht für eine Geldtransferdienstleistung an, er berechnet sich beispielsweise auch nicht nach der Größe eines Schließfachs.

 

Vielmehr handelt es sich um einen negativen Finanzertrag, der für die Übernahme einer Vermögensanlage vom Kreditinstitut gefordert wird. Es handelt sich damit um ein (negatives) Finanzergebnis, das sich im Übrigen auch nach den aktuellen (negativen) Marktzinsen errechnet. Damit ist das Verwahrentgelt gemäß § 275 HGB dem Finanzergebnis, nicht jedoch dem betrieblichen Aufwand und damit dem operativen Ergebnis zuzurechnen. Der Ausweis als sonstiger betrieblicher Aufwand ist deshalb eindeutig nicht sachgerecht (vgl. auch BFA: Negative Zinsen und EU-Bankenabgabe nach HGB und IFRS, IDW FN 2015, 448 ff. zum Ausweis bei Kreditinstituten).

 

Damit stellt sich die Frage, unter welcher Position Verwahrentgelte in der GuV im Finanzergebnis auszuweisen sind. Eine Berücksichtigung als Zinsaufwand scheidet hier aus, weil unter § 275 Abs. 2 Nr. 13 HGB (Zinsen und ähnliche Aufwendungen) nur Zinsen fallen, die für die Aufnahme von Fremdkapital zu entrichten sind (vgl. Beck’scher Bilanz-Kommentar, 12. Auflage, § 275, Tz. 204). Das Verwahrentgelt wird aber gerade nicht für die Überlassung von Fremdkapital, sondern für die Überlassung von Anlage- oder Umlaufvermögen gezahlt.

 

Deshalb kommt nur eine Berücksichtigung als ‒ negativer ‒ Zinsertrag unter der Position „sonstige Zinsen und ähnliche Erträge“ (§ 275 Abs. 2 Nr. 11 HGB) in Betracht. Dabei liegt kein Verstoß gegen das Saldierungsverbot vor, wenn positive mit negativen Zinserträgen aufgerechnet werden. Diese Auffassung ist herrschende Meinung in der Literatur (vgl. Beck’scher Bilanz-Kommentar, a. a. O., § 275, Tz. 193) und wird auch vom Bankenfachausschuss des IDW (BFA) vertreten.

 

Diese Auffassung gilt in gleicher Weise für negative Zinserträge aus Wertpapieren und Ausleihungen des Anlagevermögens, die ebenfalls saldiert unter der Position „Erträge aus anderen Wertpapieren und Ausleihungen des Finanzanlagevermögens“ (§ 275 Abs. 2 Nr. 10 HGB) auszuweisen sind.

 

Beachten Sie | Soweit einem Kreditnehmer negative „aufwendungen“ für die Aufnahme von Bankkrediten zufließen, sind diese saldiert der Position „Zinsen und ähnliche Aufwendungen“ (§ 275 Abs. 2 Nr. 13 HGB) zuzuordnen.

 

PRAXISTIPP | Auch wenn eine Saldierung von negativen und positiven Beträgen innerhalb eines GuV-Postens zugelassen ist, ist die Buchung auf ein einziges Sachkonto nur im Ausnahmefall sinnvoll: Für die Zukunft ist zu erwarten, dass die Verwahrentgelte zunehmen und die positiven Zinserträge weiter abschmelzen werden. Um die Planung und das Controlling zu erleichtern, sollten wesentliche Beträge deshalb auf gesonderten Sachkonten innerhalb der jeweiligen GuV-Position erfasst werden.

 

Weiter sind im Anhang die angewandten Bilanzierungsvorschriften anzugeben. Der BFA (a. a. O.) regt bei wesentlichen negativen Zinsbeträgen deren Angabe in einer Vorspalte (GuV-Posten) an, was bei Bankbilanzen sicherlich sinnvoll ist. Bei gewerblichen Unternehmen dürfte sich eher eine Angabe im Anhang anbieten, soweit es sich um mehr als unbedeutende Beträge handelt.

 

Bei Einheiten mit bedeutsamen Vermögensanlagen (z. B. Vermögensverwaltungsgesellschaften oder Stiftungen) können negative Zinsen eine erhebliche Bedeutung für die Vermögens-, Finanz- und Ertragslage haben und für die Lagebeurteilung bedeutsam sein. In diesem Fall ist es dann regelmäßig erforderlich, im Lagebericht (u. a. im Prognose- und Risikobericht) darauf entsprechend einzugehen (BFA, a. a. O.).

 

Abschließend ist zur Bilanzierung von Zinsanomalien Folgendes festzuhalten:

 

  • Bei operativen Einheiten haben aber selbst negativ verzinsliche Vermögensanlagen in Millionenhöhe oft nur eine so kleine Bedeutung für die Ertragslage, dass eine (umfassende) Darstellung im Lagebericht oft nicht erforderlich ist.

 

  • Auch bezüglich des Ausweises negativer Zinsen in der GuV gilt der Grundsatz der Wirtschaftlichkeit und Wesentlichkeit. Danach sind kleinere Ausweisfehler nicht zu beanstanden. Allerdings sollte bei gemeinnützigen Gesellschaften, Vereinen oder Stiftungen sehr sorgfältig zwischen den unterschiedlichen Tätigkeitsbereichen unterschieden und die negativen Zinsen zutreffend zugeordnet werden, um die Gemeinnützigkeit dieser Einheiten nicht zu gefährden.

2. Auswirkung von Zinsanomalien auf die Bewertung von Vermögensanlagen

Es bedarf keiner weiteren Erläuterung, dass Vermögensanlagen gegen Verwahrentgelt kein „gutes Geschäft“ sind. Dies wird umso deutlicher, wenn die Vermögensanlage über mehrere Jahre mit Verwahrentgeltzahlungen ausgestattet ist. Es drängt sich deshalb die Frage auf, ob solche Vermögensanlagen im Wert gemindert sind.

 

Beachten Sie | Börsennotierte Wertpapiere notieren am Kapitalmarkt in der Regel entsprechend der aktuellen Marktrendite unter Berücksichtigung des jeweiligen Emittentenausfallrisikos. Für die folgende Betrachtung wird das Emittentenausfallrisiko (z. B. „Dritte-Welt-Anleihen“) ausgeblendet, da sich hier durch die Zinsanomalien keine bilanziellen Besonderheiten ergeben. Die folgende Betrachtung geht deshalb von risikofreien, erstklassigen Vermögensanlagen aus.

 

Zunächst ist festzuhalten, dass Vermögensanlagen auch in „einer Welt der Verwahrentgelte“ (unverändert) nach den allgemeinen Grundsätzen zu bewerten sind. Zudem bedeuten negative Zinsen für das Wertpapier nicht zwingend einen Wertverlust:

 

  • Wertpapiere notieren auch bei negativen Zinsen nur dann unter pari (also unterhalb ihres Ausgabekurses), wenn der vereinbarte Zins niedriger (hier: negativer) als der Marktzins ist.

 

  • Soweit der negative Zinssatz des Wertpapiers z. B. wegen weiterer Zinssenkungen am Markt weniger negativ als der Marktzinssatz ist, notieren auch Wertpapiere mit negativem Zins über pari.

 

Am Kapitalmarkt werden Wertpapiere mit Verwahrentgelt nicht als im Wert gemindert behandelt, sondern nach den allgemeinen Bewertungsmechanismen für Wertpapiere bewertet. Dies hat zur Folge, dass die künftig abfließenden Verwahrentgelte nicht als wirtschaftlicher Nachteil betrachtet werden. Damit scheidet eine Abschreibung auf den niedrigeren beizulegenden Wert stets solange aus, wie der Marktwert des Wertpapiers nicht dauerhaft unter die Anschaffungskosten gefallen ist.

 

Sollten sich für die Zukunft Leistung und Gegenleistung unausgeglichen gegenüberstehen, wäre eine Drohverlustrückstellung zu bilden. Eine Unausgeglichenheit von Leistung und Gegenleistung liegt aber nur dann vor, wenn z. B. der Gegenleistung kein Nutzen mehr zukommt oder diese wesentlich im Wert gemindert ist. Dies ist aber gerade nicht der Fall: Die Weiterüberlassung der Vermögensanlage ist in der Regel gewünscht ‒ insbesondere wenn das Zinsniveau weiter gesunken ist ‒ und der Negativzins ist regelmäßig beim Vertragsabschluss marktüblich. Deshalb ist m. E. nicht ersichtlich, warum eine Drohverlustrückstellung zu bilden wäre.

 

Für Vermögensanlagen ohne Börsennotierung kann nichts anderes gelten. Dies bedeutet, dass Vermögensanlagen, die mit einem negativen Zins getätigt werden, regelmäßig keine Wertminderung wegen eines niedrigeren beizulegenden Werts aufweisen.

3. Sonderfälle von Geldanlagen

Im Geschäftsverkehr werden Vermögensanlagen nicht nur auf freiwilliger Basis, sondern auch auf vertraglicher oder gesetzlicher Basis angelegt. Dies betrifft z. B. Kautionskonten, Sperrkonten oder die sonstige Geldverwahrung für Dritte. In diesen Fällen stellt sich die Frage, wie mit Wertverlusten umzugehen ist, da diese nicht durch Verkauf vermieden werden können.

 

3.1 Kautionen und Leermieten

Soweit Kautionen in Kenntnis eines Verwahrentgelts gestellt werden, kann nichts anderes gelten als bei der Bilanzierung von Vermögensanlagen (vgl. dazu unter 2.). Eine Abschreibung auf den niedrigeren beizulegenden Wert dürfte also auch hier regelmäßig ausscheiden.

Nach der hier vertretenen Auffassung ist eine Abschreibung auf den niedrigeren beizulegenden Wert auch bei einer Leermiete abzulehnen. Hier wird eine Kaution für eine Mietsache gestellt, die keinen künftigen Nutzen mehr hat.

 

Beachten Sie | Hier entstehen allerdings Verluste aufgrund eines nachteiligen Vertrags; also eines Vertrags, für den die Ausgeglichenheitsvermutung nicht mehr gilt. Damit ist für künftige Mietzahlungen eine Drohverlustrückstellung zu bilden. Die künftigen Zinsverluste aus einem Verwahrentgelt sind in diese Drohverlustrückstellung aber nicht einzurechnen. Denn würde der Vertrag vorzeitig abgelöst und die Leermiete vorzeitig beglichen, würde die Kaution frei, ohne dass die künftigen Verwahrentgelte aufgrund des Leermietenverhältnisses anfielen.

 

3.2 Sicherheitseinbehalte bei Bauleistungen

Nach § 17 VOB/B sind bei Bauleistungen Sicherheitseinbehalte vorzunehmen, d. h., die Rechnungen werden vom Leistungsempfänger um einen Sicherheitseinbehalt gekürzt. Dieser ist entsprechend der gesetzlichen Bestimmungen auf ein Sperrkonto einzuzahlen. Nach § 17 Abs. 5 S. 2 VOB/B stehen die Zinsen aus der Geldanlage dem leistenden Bauunternehmer zu. Für negative Zinsen sieht das Gesetz nichts anderes vor. Damit ist nach Ablauf der Garantiezeit für das Bauwerk eine um die negativen Zinsen geminderte Auszahlung an das leistende Bauunternehmen vorzunehmen. Nach der hier vertretenen Auffassung gilt für die Bilanzierung der Sicherheitseinbehalte das Gleiche wie für die Kautionen.

 

Damit führen negative Zinsen zu einer wirtschaftlichen Aushöhlung der gestellten Sicherheit, insbesondere wenn der negative Marktzins weiter steigt. Es ist durchaus vorstellbar, dass hierdurch in absehbarer Zeit ein nicht unbedeutender Teil der Sicherungssumme am Ende der Garantielaufzeit nicht mehr als Sicherheit vorhanden ist.

 

MERKE | Bauunternehmen haben nach § 17 VOB/B ein Wahlrecht, welche Sicherheiten sie stellen möchten. So kann der Sicherheitseinbehalt durch die Stellung eines Bankavals verhindert werden. Damit haben es Bauunternehmen in der Hand, zumindest einen Teil der Wertverluste durch Stellung eines Avals zu vermeiden. Allerdings ist zu bedenken, dass die Banken dafür eine Avalprovision verlangen sowie eine ‒ ebenfalls negativ verzinsliche ‒ Geldanlage zur Absicherung. Dennoch ist diese zur Absicherung verlangte Geldanlage in der Regel dem Betrag nach geringer, als die zu stellenden Sicherheitseinbehalte. Für den Leistungsempfänger hat diese Lösung sogar den Vorteil, dass die Sicherheitsleistung nicht durch negative Zinsen ausgehöhlt wird, wenn die Zinsen auf dem Sperrkonto „thesauriert“ werden.

 

4. Auswirkung von Zinsanomalien auf die Bewertung von Schulden

Nach § 253 Abs. 1 S. 2 HGB sind Schulden mit ihrem Erfüllungsbetrag anzusetzen. Dabei handelt es sich um den Betrag, der zur Erfüllung einer Verbindlichkeit aufgebracht werden muss (vgl. Beck’scher Bilanz-Kommentar, a. a. O., § 253, Tz. 50). Der Erfüllungsbetrag weicht insbesondere dann vom Nominalbetrag einer Verbindlichkeit ab, wenn diese verdeckt verzinslich ist. Bei verdeckter Verzinslichkeit (oder steuerlich bei Unverzinslichkeit) ist die Verbindlichkeit lediglich abgezinst, also nur in Höhe der Kapitalschuld anzusetzen.

 

Bei negativen Zinsen (wie auch bei marktgerechten Nullverzinsungen) ist jedoch von einer verzinslichen Verbindlichkeit auszugehen. Diese ist eindeutig in Höhe des Nominalwerts anzusetzen, der zugleich dem Erfüllungsbetrag entspricht. Eine Herabsetzung um die negative Verzinsung stellt eine unzulässige Unterbewertung von Verbindlichkeiten dar (ggf. mit der Rechtsfolge der Nichtigkeit des Jahresabschlusses gemäß § 256 AktG, der auch bei anderen Rechtsformen analog anzuwenden ist).

 

Beachten Sie | Ohnehin ist eine Vorwegnahme der Zinszuflüsse für die künftige Kreditaufnahme mit dem Realisationsprinzip nicht vereinbar, da der Kaufmann seine zeitraumbezogene Pflicht zur Kreditaufnahme nicht erfüllt hat. Damit fehlt ihm am Abschlussstichtag ein verwirklichter Anspruch auf die künftige Zahlung des negativen Zinses. Auf die steuerlichen Besonderheiten von unverzinslichen Gesellschafterdarlehen soll hier nicht eingegangen werden.

Quelle: Seite 193 | ID 46472447