· Fachbeitrag · Reisekosten
BMF aktualisiert Spielregeln für steuerliche Behandlung von Reisekosten c‒ das gilt es zu wissen
von StB Dipl.-Finw. (FH) Susanne Weber, WTS Steuerberatungsges. mbH, München
| Das BMF hat sein Schreiben zum steuerlichen Reisekostenrecht aktualisiert und an die BFH-Rechtsprechung angepasst. Es umfasst stolze 65 Seiten und gilt für alle offenen Fälle. VVP stellt Ihnen die wichtigsten Neuerungen vor, die für Sie und Ihre Mitarbeiter bedeutsam sind. |
Grundsätze zur ersten Tätigkeitsstätte
Mit dem seit 2014 geltenden Reisekostenrecht wurde der bisherige Begriff der regelmäßigen Arbeitsstätte durch den Begriff „erste Tätigkeitsstätte“ ersetzt. Die Folgen sind jedoch weitgehend gleich geblieben:
- Die Fahrten zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte (Agentur bzw. Maklerunternehmen) darf Ihr Mitarbeiter in seiner Einkommensteuererklärung nur in Höhe der Entfernungspauschale als Werbungskosten geltend machen. Nutzt Ihr Mitarbeiter für diese Fahrten einen Dienstwagen, den Sie ihm zur Verfügung gestellt haben, ist ein geldwerter Vorteil zu versteuern. Nutzt Ihr Mitarbeiter sein privates Fahrzeug, können Sie ihm die Kosten nicht steuerfrei erstatten. Seit 2019 können aber Jobtickets steuerfrei bleiben, wenn sie zusätzlich zum geschuldeten Arbeitslohn erstattet werden.
- Auch für die Berechnung der Verpflegungsmehraufwendungen ist bei eintägigen Dienstreisen die Abwesenheit Ihres Mitarbeiters von seiner Wohnung und seiner ersten Tätigkeitsstätte maßgebend.
Bestimmung der ersten Tätigkeitsstätte durch Zuordnung
Nach § 9 Abs. 4 EStG ist erste Tätigkeitsstätte die ortsfeste betriebliche Einrichtung des Arbeitgebers, eines verbundenen Unternehmens (§ 15 AktG) oder eines vom Arbeitgeber bestimmten Dritten, der der Arbeitnehmer dauerhaft zugeordnet ist. Fehlt eine dienst- oder arbeitsrechtliche Zuordnung oder ist sie nicht eindeutig, ist erste Tätigkeitsstätte die betriebliche Einrichtung, an der der Arbeitnehmer dauerhaft
- 1. typischerweise arbeitstäglich oder
- 2. je Arbeitswoche zwei volle Arbeitstage oder
- 3. mindestens an einem Drittel seiner vereinbarten regelmäßigen Arbeitszeit tätig werden soll.
Der BFH hat im Jahr 2019 in Fällen, in denen der Mitarbeiter vom Arbeitgeber einer betrieblichen Einrichtung dauerhaft zugeordnet war, die Ansicht der Finanzverwaltung zur Bestimmung der ersten Tätigkeitsstätte bestätigt. Diese Urteile wurden nun in das BMF-Schreiben eingearbeitet. Da diese Rechtsprechung die Auffassung der Finanzverwaltung bestätigt hat, ergeben sich hier keine wesentlichen Neuerungen (BMF, Schreiben vom 25.11.2020, Az. IV C 5 ‒ S 2353/19/10011 :006, Abruf-Nr. 219558):
Tätigkeitsstätte
Tätigkeitsstätte ist eine „von der Wohnung getrennte, ortsfeste betriebliche Einrichtung, die „räumlich zusammengefasste Sachmittel umfasst, die der Tätigkeit des Arbeitgebers, eines verbundenen Unternehmens oder eines vom Arbeitgeber bestimmten Dritten dienen und mit dem Erdboden verbunden oder dazu bestimmt sind, überwiegend standortgebunden genutzt zu werden“ (BFH, Urteil vom 11.04.2019, Az. VI R 12/17, Abruf-Nr. 210002; BMF, Schreiben vom 25.11.2020, Rz. 3).
Anforderungen an die Zuordnung
Bei der Bestimmung der ersten Tätigkeitsstätte mittels Zuordnung ist zu beachten: Eine allein etwa aus organisatorischen Gründen (z. B. Personalaktenführung) getroffene Zuordnung ist keine Zuordnung im steuerlichen Sinn, wenn Ihr Mitarbeiter an dieser betrieblichen Einrichtung nicht tätig werden soll. Eine Zuordnung ist mit steuerlicher Wirkung aber möglich, wenn Ihr Mitarbeiter dort zumindest in ganz geringem Umfang Tätigkeiten erbringen soll, die er arbeitsvertraglich oder dienstrechtlich schuldet und die zu dem von ihm ausgeübten Berufsbild gehören. Es genügen z. B. Hilfs- und Nebentätigkeiten (BMF, Schreiben vom 25.11.2020, Rz. 9).
Auf die Qualität des Tätigwerdens kommt es ‒ anders als bei der Bestimmung anhand der zeitlichen Kriterien ‒ nicht an. Auch Tätigkeiten von untergeordneter Bedeutung können ausreichen (BFH, Urteil vom 04.04.2019, Az. VI R 27/17, Abruf-Nr. 209985; BMF, Schreiben vom 25.11.2020, Rz. 7).
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Der angestellte Außendienstmitarbeiter V für die Region Neuburg/Donau soll einmal wöchentlich an den Firmensitz nach Ingolstadt fahren, dem er zugeordnet ist. Dort soll er Bürotätigkeiten erledigen und an Besprechungen teilnehmen. Ergebnis: Ingolstadt ist erste Tätigkeitsstätte aufgrund der arbeitsrechtlichen Zuordnung. Dabei ist unerheblich, dass V überwiegend in der Region Neuburg/Donau und nicht in Ingolstadt tätig werden soll. Nutzt V für die Fahrten Wohnung ‒ Firmensitz einen Dienstwagen, den Sie ihm zur Verfügung gestellt haben, ist ein geldwerter Vorteil zu versteuern.
Abwandlung: V ist nicht dem Firmensitz Ingolstadt zugeordnet. Ergebnis: V hat keine erste Tätigkeitsstätte, weil auch anhand der quantitativen Kriterien keine erste Tätigkeitsstätte vorliegt. V muss für die Fahrten Wohnung ‒ Firmensitz mit dem Dienstwagen keinen geldwerten Vorteil versteuern. |
Sie können die Zuordnung bereits im Arbeitsvertrag oder durch Ausübung des Direktionsrechts vornehmen. Die Zuordnung muss aber nicht ausdrücklich erfolgen, sie ist auch mündlich oder konkludent möglich. Sie ist unabhängig davon, ob sich der Arbeitgeber der steuerlichen Folgen bewusst ist. Die Finanzverwaltung folgt der Rechtsprechung des BFH, nach der die Zuordnungsentscheidung nicht dokumentiert werden muss. Es genügt, wenn sie sich z. B. aus Regelungen im Arbeits- oder Tarifvertrag ergibt, aus Protokollnotizen, Reiserichtlinien, Reisekostenabrechnungen, dem Ansatz eines geldwerten Vorteils für die Nutzung eines Dienstwagens für die Fahrten zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte oder aus vom Arbeitgeber als Nachweis seiner Zuordnungsentscheidung vorgelegten Organigrammen (BMF, Schreiben vom 25.11.2020, Rz. 11).
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Der Mitarbeiter M ist im Innendienst des Vermittlerbetriebs tätig. Sie als Arbeitgeber erstatten ihm Fahrtkosten, wenn M etwa zu einer Weiterbildung an einen anderen Ort oder zu einer Filiale Ihres Vermittlerbetriebs fährt. In seinem Arbeitsvertrag ist kein Tätigkeitsort festgelegt.
Ergebnis: M ist dem Vermittlerbetrieb dauerhaft zugeordnet ‒ trotz fehlender schriftlicher Zuordnung. Denn die Zuordnung wird durch die Tatsache dokumentiert, dass Sie ihm für die Fahrten zum Vermittlerbetrieb keine Reisekosten erstatten. |
PRAXISTIPP | Als Arbeitgeber sollten Sie die Zuordnungsentscheidung dokumentieren, auch wenn es nach der BFH-Rechtsprechung und Ansicht der Finanzverwaltung nicht erforderlich ist. So lassen sich später Diskussionen über die Zuordnung z. B. im Rahmen von Steuerprüfungen vermeiden. |
Dauerhafte Zuordnung
Eine Zuordnung „bis auf Weiteres“ ist eine Zuordnung ohne Befristung und damit dauerhaft. Denn eine Zuordnung ist unbefristet, wenn die Dauer der Zuordnung nicht kalendermäßig bestimmt ist und sich auch nicht aus Art, Zweck oder Beschaffenheit der Arbeitsleistung ergibt (BMF, Schreiben vom 25.11.2020, Rz. 14).
Auch der Umstand, dass der Mitarbeiter jederzeit einer anderen Tätigkeitsstätte zugeordnet werden könnte, führt nicht zur Annahme einer befristeten Zuordnung (BMF, Schreiben vom 25.11.2020, Rz. 14, 22).
Zuordnung für die Dauer des Dienstverhältnisses
Eine unbefristete Zuordnung liegt auch in dem Fall vor, in dem ein Mitarbeiter für die Dauer des befristeten Dienstverhältnisses einer ersten Tätigkeitsstätte zugeordnet wird.
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Sie haben Bürokraft B ausschließlich als Elternzeitvertretung für ein Jahr befristet eingestellt. Das Arbeitsverhältnis von B soll vertragsgemäß nach Ablauf der Befristung enden.
Ergebnis: B hat ab dem ersten Tag der Tätigkeit aufgrund der arbeitsrechtlichen Zuordnung in Ihrem Vermittlerbetrieb ihre erste Tätigkeitsstätte. |
Verlängern Sie ein befristetes Beschäftigungsverhältnis vor Ablauf der Befristung schriftlich durch bloßes Hinausschieben des Beendigungszeitpunkts und bleibt der Vertragsinhalt sonst unverändert, liegt ein einheitliches Beschäftigungsverhältnis vor. Für die Frage, ob eine Zuordnung für die Dauer des Dienstverhältnisses erfolgt, ist auf das einheitliche Beschäftigungsverhältnis abzustellen. Ordnen Sie den Mitarbeiter im Laufe des befristeten Beschäftigungsverhältnisses einer anderen Tätigkeitsstätte zu, hat er ab dem Zeitpunkt der Änderung keine erste Tätigkeitsstätte mehr (BFH, Urteil vom 10.04.2019, Az. VI R 6/17, Abruf-Nr. 209989; BMF, Schreiben vom 25.11.2020, Rz. 20).
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Sie stellen eine Mitarbeiterin befristet für ein Jahr als Elternzeitvertretung am Standort A ein und legen A als Arbeitsort im Arbeitsvertrag fest. Nach acht Monaten versetzen Sie sie vorübergehend als Krankheitsvertretung an den Standort B.
Ergebnis: Der Standort A ist die erste Tätigkeitsstätte, da zum Zeitpunkt der Einstellung davon ausgegangen wurde, dass die Mitarbeiterin für die gesamte Dauer des befristeten Dienstverhältnisses am Standort A tätig werden sollte. Standort B ist nur vorübergehend und daher nicht die erste Tätigkeitsstätte. Ihre Mitarbeiterin ist am Standort B auswärts tätig. |
Nutzen Sie das folgende Prüfschema, um zu entscheiden, ob eine erste Tätigkeitsstätte bei Ihren Mitarbeitern vorliegt.

Verpflegungspauschalen
Um tatsächlich entstandene, beruflich veranlasste Mehraufwendungen abzugelten, können Sie Ihrem Mitarbeiter eine Verpflegungspauschale steuerfrei erstatten. Seit 01.01.2020 gelten für Inlandsreisen die folgenden Verpflegungspauschalen:
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| 14 Euro |
| 14 Euro |
| 28 Euro |
Kürzung der Verpflegungspauschalen bei Mahlzeitengestellung
Wird dem Mitarbeiter anlässlich oder während einer Auswärtstätigkeit vom Arbeitgeber oder auf dessen Veranlassung von einem Dritten eine Mahlzeit zur Verfügung gestellt, sind diese
- für Frühstück um 20 Prozent und
- für Mittag- und Abendessen um jeweils 40 Prozent
der jeweiligen Verpflegungspauschale für einen vollen Kalendertag zu kürzen.
Die Kürzung darf die ermittelte Verpflegungspauschale nicht übersteigen.
Der BFH hat entschieden, dass die Verpflegungspauschalen auch dann zu kürzen sind, wenn Sie dem Mitarbeiter Mahlzeiten zur Verfügung stellen, die dieser gar nicht einnimmt (BFH, Urteil vom 07.07.2020, Az. VI R 16/18, Abruf-Nr. 218800). Das BMF hat das BFH-Urteil in das BMF-Schreiben aufgenommen (BMF, Schreiben vom 25.11.2020, Rz. 75).
Wichtig | Die gesetzlich vorgeschriebene pauschale Kürzung unterbleibt nur, wenn Sie keine Mahlzeit zur Verfügung stellen, z. B. weil Sie die entsprechende Mahlzeit abbestellen oder der Mitarbeiter die Mahlzeit selbst veranlasst und bezahlt (BMF, Schreiben vom 25.11.2020, Rz. 75).
Diese „Mahlzeiten“ führen zur Kürzung der Verpflegungspauschalen
Der BFH hat im „Brötchenurteil“ entschieden, dass Aufmerksamkeiten vorliegen, wenn Sie den Mitarbeitern unbelegte Backwaren wie Brötchen und Rosinenbrot nebst Heißgetränken zum sofortigen Verzehr im Betrieb bereitstellen. Solche unbelegten Backwaren stellen auch kein Frühstück dar, das mit dem amtlichen Sachbezugswert zu bewerten wäre. Dafür bräuchte es zusätzlich eines Aufstrichs oder Belags (BFH, Urteil vom 03.07.2019, Az. VI R 36/17, Abruf-Nr. 211195).
Wichtig | Das BMF hat inzwische das Urteil im Bundessteuerblatt veröffentlicht (BStBl. 2000 II, 788). Entsprechend wird auch der Begriff der Mahlzeiten, die zur Kürzung der Verpflegungspauschalen führen, angepasst (BMF, Schreiben vom 25.11.2020, Rz. 74):
- Die Finanzverwaltung geht wie bisher davon aus, dass auch ein vom Arbeitgeber gestellter Imbiss, z. B. belegte Brötchen, Kuchen und Obst, zur Kürzung der Verpflegungspauschale führt.
- Die z. B. auf Flügen oder in der Bahn gereichten kleinen Tüten mit Chips, Salzgebäck, Schokowaffeln, Müsliriegel oder bei anderen Anlässen zur Verfügung gestellte vergleichbare Knabbereien sowie unbelegte Backwaren erfüllen hingegen nicht die Kriterien für eine Mahlzeit. In diesen Fällen wird die Verpflegungspauschale nicht gekürzt.
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Mitarbeiter A ist von 9.00 Uhr bis 18.00 Uhr auswärts bei verschiedenen Kunden beruflich tätig. In der Mittagspause kauft er sich eine Pizza und ein Wasser für acht Euro.
Ergebnis: Da A anlässlich einer eintägigen beruflichen Auswärtstätigkeit mehr als acht Stunden von seiner Wohnung abwesend ist, könnte er eine Verpflegungspauschale von 14 Euro beanspruchen. Würde A die Rechnung für die mittags verzehrte Pizza und das Wasser seinem Arbeitgeber vorlegen und von diesem erstattet bekommen, könnte A neben acht Euro Erstattungsbetrag nur noch eine gekürzte Verpflegungspauschale von 2,80 Euro (14 Euro ./. 28 Euro x 0,4) beanspruchen, in Summe also 10,80 Euro. Er würde sich dadurch schlechter stellen. |
Anforderungen an vom Arbeitgeber veranlasste Gestellung einer Mahlzeit
Bisher hat die Finanzverwaltung bei Abgabe einer Mahlzeit verlangt, dass die Rechnung im Original vorliegt bzw. vor dem Einscannen im Original vorgelegen hat. Dies konnte in Zeiten zunehmender Digitalisierung, z. B. bei Nutzung von Foto-Apps im Rahmen von Reisekostenerstattungen, nicht immer gewährleistet werden.
Das BMF hat deshalb nachjustiert: Bei Abgabe einer Mahlzeit durch einen Dritten liegt eine vom Arbeitgeber veranlasste Gestellung einer Mahlzeit vor,
- wenn Sie als Arbeitgeber dem Mitarbeiter die Verpflegungskosten dienst- oder arbeitsrechtlich erstatten und
- die Rechnung auf Sie ausgestellt ist oder es sich um eine Kleinbetragsrechnung handelt, die als Beleg zu Ihrer Buchführung vorliegt oder vorgelegen hat und gesichert wurde (BMF, Schreiben vom 25.11.2020, Rz. 64).
Weiterführender Hinweis
- Beitrag „Prüfschema zur ersten Tätigkeitsstätte“ auf vvp.iww.de → Abruf-Nr. 47078565