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· Fachbeitrag · Scheinselbstständigkeit

Vertrauensschutz für freie Mitarbeiter: Arbeitgeber können Vergütung nicht zurückverlangen

von RA Michael Röcken, Bonn, ra-roecken.de

| Wenn sich ein freies Mitarbeiterverhältnis im Nachhinein als sozialversicherungspflichtiges Arbeitsverhältnis erweist, können Arbeitgeber grundsätzlich nicht die Rückzahlung der gezahlten Honorare für einen freien Mitarbeiter verlangen. Betroffene Mitarbeiter können sich auf Vertrauensschutz berufen (Landesarbeitsgericht [LAG] Schleswig-Holstein, Urteil vom 21.01.2020, Az. 1 Sa 115/19 ). Das Urteil betrifft zwar einen Pflegedienstleiter in einem Pflegeheim, ist aber genauso für Physiotherapeuten relevant. |

 

Sachverhalt

Der Betreiber eines Pflegeheims beschäftigte als Pflegedienstleiter einen freien Mitarbeiter. Die Dienstzeiten des Mitarbeiters wurden abgestimmt, er wurde nur eingesetzt, wenn er zugestimmt hatte. Während des Dienstes trug der freie Mitarbeiter andere Bekleidung als die fest angestellten Mitarbeiter. Teilweise brachte er sogar eigene Handschuhe oder Pflegeutensilien mit. Zudem war er auch für andere Pflegeeinrichtungen tätig. Seine Vergütung lag über dem Satz, den ein Festangestellter in vergleichbarer Position erhalten hätte. Aufgrund einer Betriebsprüfung stellte sich später heraus, dass eine Sozialversicherungspflicht bestand. Über dieses Ergebnis wurde der Mitarbeiter nicht informiert. Daraufhin versuchte der Arbeitgeber, von dem Mitarbeiter einen Teil der nach seiner Auffassung überzahlten Vergütung ‒ rund 18.000 Euro ‒ einzuklagen. Ebenso wie die Vorinstanz (Arbeitsgericht Elmshorn, Urteil vom 11.04.2019, Az. 1 Ca 1659 c/18) wies das LAG die Klage ab.

 

Entscheidungsgründe

Das LAG war der Auffassung, dass die Vereinbarung und Durchführung des Beschäftigungsverhältnisses als freie Mitarbeit einen Vertrauenstatbestand geschaffen habe. Der freie Mitarbeiter habe darauf vertrauen dürfen, dass er als solcher beschäftigt und entlohnt werde. Der Arbeitgeber handele rechtsmissbräuchlich, da er auf dem Klageweg versuche, dem Mitarbeiter die erhaltenen Vorteile (d. h. die Vergütung) wieder zu entziehen. Für den Vertrauensschutz des Mitarbeiters spreche auch, dass der Heimbetreiber ihn nicht über das Ergebnis der Betriebsprüfung informiert habe und den Bescheid habe bestandskräftig werden lassen. Dadurch habe er ihm die Möglichkeit genommen, gegenüber dem Sozialversicherungsträger für eine Anerkennung als freier Mitarbeiter einzutreten. Anders hätte es ausgesehen, wenn der Mitarbeiter selbst ein Statusfeststellungsverfahren eingeleitet hätte. Dann hätte er zu erkennen gegeben, dass er das Rechtsverhältnis nicht nach den Regeln der freien Mitarbeit, sondern nach dem Arbeitsrecht behandelt wissen wollte.

 

FAZIT | Die Entscheidung ist nachvollziehbar und gibt wichtige Hinweise für die Praxis: Falls einer Ihrer freien Mitarbeiter ein Statusfeststellungsverfahren einleitet und dieses eine Sozialversicherungspflicht ergibt, entfällt der Vertrauensschutz. Dann muss der freie Mitarbeiter mit einer Rückabwicklung rechnen.

 
Quelle: Seite 5 | ID 46910191