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· Fachbeitrag · Schwerbehinderte Menschen

Die Einladung zum Vorstellungsgespräch durch öffentliche ArbG bei schwerbehinderten Personen

von RA Prof. Dr. Tim Jesgarzewski, FA ArbR, Prof. Dr. Jesgarzewski & Kollegen Rechtsanwälte, Osterholz-Scharmbeck, FOM Hochschule Bremen

| Öffentliche ArbG müssen schwerbehinderte oder diesen gleichgestellte Personen nach § 82 S. 2 SGB IX a. F. zu einem Vorstellungsgespräch einladen. Das gilt auch bei einer (ausschließlich) internen Stellenausschreibung. Eine Einladung darf nur unterbleiben, wenn der Bewerber für die Stelle offensichtlich fachlich ungeeignet ist. |

 

Sachverhalt

Die Parteien streiten über eine Entschädigung nach dem AGG. ArbG ist die Bundesagentur für Arbeit, die über eine Regionaldirektion intern zwei Stellen für Personalberater in Berlin und Cottbus ausgeschrieben hat. Für beide Stellen galten identische Anforderungsprofile. Die ArbG führte für die Besetzung dieser Stellen jeweils ein Auswahlverfahren nach gleichlautenden Kriterien durch.

 

Der ArbN ist langjährig beim ArbG beschäftigt. Er bewarb sich auf beide Stellen unter Hinweis auf seine Schwerbehinderung. Er wurde zu einem Vorstellungsgespräch betreffend der Stelle in Berlin eingeladen. Dort wurde ihm der Hinweis gegeben, dass die Ergebnisse des Auswahlgesprächs für die Stelle in Berlin auch in das Stellenbesetzungsverfahren für die Stelle in Cottbus einfließen würden. Eine Einladung nach Cottbus ist sodann unterblieben. Im Ergebnis blieben beide Bewerbungen erfolglos.

 

Der ArbN nimmt die ArbG auf Zahlung einer Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG in Anspruch. Er ist der Auffassung, die ArbG habe ihn wegen seiner Schwerbehinderung benachteiligt. Dies folge daraus, dass sie ihn entgegen § 82 S. 2 SGB IX a. F. nicht zu einem Vorstellungsgespräch auch für die Stelle in Cottbus eingeladen habe. Das LAG verurteilte die ArbG zur Zahlung einer Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG in Höhe eines auf der Stelle erzielbaren Bruttomonatsentgelts (LAG Berlin-Brandenburg 1.11.18, 21 Sa 1643/17).

 

Entscheidungsgründe

Die hiergegen gerichtete Revision der ArbG hatte Erfolg (BAG 25.6.20, 8 AZR 75/19, Abruf-Nr. 216913).

 

Die ArbG habe den ArbN nicht wegen seiner Schwerbehinderung benachteiligt. Die Zahlung einer Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG komme daher nicht in Betracht. Der 8. Senat unterstreicht zwar die Pflicht zur Einladung schwerbehinderter Bewerber für ArbG des Öffentlichen Dienstes. Bereits nach dem eindeutigen Wortlaut des § 82 S. 2 SGB IX a. F. müsse ein öffentlicher ArbG, dem die Bewerbung einer fachlich nicht offensichtlich ungeeigneten schwerbehinderten oder dieser gleichgestellten Person zugehe, diese zu einem Vorstellungsgespräch einladen. Dies gelte auch bei einer (ausschließlich) internen Stellenausschreibung, da die gesetzliche Vorgabe keine Reduktion auf externe Ausschreibungen zulasse.

 

Im konkreten Einzelfall habe die ArbG die Verpflichtung zur Einladung jedoch erfüllt. Die für die Besetzung beider Stellen zuständige Regionaldirektion habe den ArbN zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen. Da beide in Rede stehenden Stellen ein identisches Anforderungsprofil gehabt hätten, nach den gleichen Kriterien zu besetzen gewesen wären und die Vorstellungsgespräche durch dieselbe Auswahlkommission der ArbG geführt worden seien, sei keine zweite Vorstellung erforderlich gewesen.

 

Relevanz für die Praxis

Bisher war höchstrichterlich noch nicht geklärt, ob das Einladungserfordernis gegenüber schwerbehinderten Stellenbewerbern für öffentliche ArbG auch bei rein internen Stellenausschreibungen erfüllt werden muss. Das vorliegende Urteil trägt daher zur rechtssicheren Gestaltung von Bewerbungsverfahren durch öffentliche ArbG bei. Im Ergebnis stellt die Entscheidung indes keine Überraschung dar.

 

Bereits aus dem Wortlaut des Gesetzes folgt das Erfordernis zur Einladung eines schwerbehinderten oder gleichgestellten Stellenbewerbers. Das galt sowohl für § 82 SGB IX a. F., als auch für den heute geltenden § 165 SGB IX. Insoweit hat sich weder etwas am Wortlaut des Gesetzes, noch an dessen gesetzgeberisch beabsichtigten Sinn und Zweck geändert. Das besprochene Urteil ist daher auch nach heutiger Rechtslage zu beachten. Da die Regelung dem Schutz schwerbehinderter Bewerber auf Stellen des öffentlichen Dienstes dient, kommt eine enge Auslegung nicht in Betracht. Der Schutzzweck der Norm ist darauf gerichtet, das Bewerbungsverfahren diskriminierungsfrei durchzuführen. Soweit kann es folglich keinen Unterschied machen, ob es sich um eine (ausschließlich) interne Ausschreibung handelt oder nicht.

 

Nur aufgrund der konkreten Umstände des Einzelfalls konnte vorliegend von einer zweiten Einladung zum Vorstellungsgespräch abgesehen werden. Weil dieselbe Auswahlkommission des ArbG zuständig war und es sich um identische Stellenanforderungen handelte, war dem Einladungserfordernis durch das Abhalten des ersten Vorstellungsgesprächs bereits Genüge getan. ArbG sind daher gut beraten, dies als Ausnahmekonstellation zu werten, welche den Grundsatz der Verpflichtung zur Einladung bestätigt.

 

Nur der Vollständigkeit halber wird darauf hingewiesen, dass auch eine extensive Auslegung des Gesetzes nicht statthaft ist. Der Gesetzgeber hat sich bewusst dafür entschieden, nur öffentlichen ArbG die gegenständliche Verpflichtung aufzuerlegen. Hierdurch soll die Vorbildrolle des öffentlichen Dienstes betont werden. Das BAG hat daher bereits klargestellt, dass sich eine Ausdehnung des Einladungserfordernisses auf private ArbG verbietet (siehe zuletzt BAG 16.5.19, 8 AZR 315/18 mit weiteren Nachweisen).

 

Weiterführender Hinweis

  • Vor Entscheidung über Gleichstellungsantrag wird Schwerbehindertenvertretung nicht beteiligt: BAG in AA 20, 137
Quelle: Seite 3 | ID 46976272