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· Fachbeitrag · Sozialversicherung

Abgrenzung von Freiberuflern und abhängig Beschäftigten

von Horst Marburger, Geislingen

| Scheinselbstständigkeit bezeichnet ein Arbeitsverhältnis, bei dem ein laut Vertrag selbstständiger Auftragnehmer als Arbeitnehmer einzustufen ist und als solcher versicherungspflichtig der Einzugsstelle gemeldet werden muss. Für ihn sind die gleichen Sozialabgaben abzuführen wie für einen regulären Arbeitnehmer. Außerdem unterliegt seine Vergütung dem Lohnsteuerabzug. In der Praxis treten Scheinselbstständige überwiegend als freie Mitarbeiter auf. Die oftmals strittige Abgrenzung zwischen Arbeitnehmern und Freiberuflern (also Selbstständigen) hat im Sozialrecht erhebliche Auswirkungen. |

1. Kriterien für abhängige und selbstständige Tätigkeiten

Die Rechtsprechung, insbesondere der Sozialgerichte, hat einen Katalog von Indizien für bzw. gegen eine abhängige Beschäftigung erstellt. Entscheidend ist, welche dieser Indizien überwiegen. Eine selbstständige Tätigkeit liegt vor, wenn der Auftragnehmer über seine Arbeitskraft, die Gestaltung seiner Tätigkeit sowie seine Arbeitszeit im Wesentlichen frei verfügen kann und ein eigenes Unternehmerrisiko trägt.

 

Ein Unternehmerrisiko in diesem Sinn ist anzunehmen, wenn der Erfolg des eigenen wirtschaftlichen Einsatzes ungewiss ist, wenn also z. B. ‒ anders als bei Arbeitnehmern ‒ die Garantie eines Mindesteinkommens fehlt. Das Unternehmerrisiko ist andererseits durch größere Freiheiten gekennzeichnet. Dabei handelt es sich um Freiheiten in der Gestaltung des Arbeitsablaufs und der Bestimmung des Umfangs des Einsatzes der eigenen Arbeitskraft. Insofern kann etwa die Beschäftigung fremder Hilfskräfte von maßgeblicher Bedeutung für die Abgrenzung der selbstständigen von einer abhängigen Tätigkeit sein.

 

Zu den typischen Merkmalen unternehmerischen Handelns gehört ferner, dass Leistungen im eigenen Namen und auf eigener Rechnung statt im Namen und auf Rechnung des Auftraggebers erbracht werden. Weiterhin charakteristisch für eine selbstständige Tätigkeit sind eigenständige Entscheidungen über:

 

  • Einkaufs- und Verkaufspreise, Warenbezug,
  • Einstellung von Personal,
  • Einsatz von Kapital und eigener Maschinen,
  • die Zahlungsweise der Kunden (sofortige Barzahlung, Stundungsmöglichkeit, Einräumen von Rabatten),
  • Art und Umfang der Kundenakquisition,
  • Art und Umfang von Werbemaßnahmen für das eigene Unternehmen.

 

  • Zusammenfassung der maßgebenden Kriterien für die Abgrenzung von abhängiger und selbstständiger Arbeit
Abhängige Beschäftigung
Selbstständige Tätigkeit

persönliche Abhängigkeit

Unabhängigkeit

Eingliederung in den Betrieb

freie Verfügbarkeit über eigene Arbeitskraft

Weisungsgebundenheit bezüglich Zeit, Dauer, Art und Ort

keine Weisungsgebundenheit

Einzelanweisungen vom Arbeitgeber

freie Gestaltung der Tätigkeit

Aufträge können nicht abgelehnt werden

Aufträge können abgelehnt werden

Arbeitsvertrag

Werkvertrag gegen Rechnung

Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall

Unternehmerrisiko (denn Garantie eines Mindesteinkommens fehlt)

Urlaubsanspruch

Erfolg wird geschuldet, kein Urlaubsanspruch

Verbot, für andere Arbeitgeber tätig zu werden

Aufträge können auch von anderen Auftraggebern angenommen werden

Arbeitsmittel werden gestellt

eigene Arbeitsmittel werden eingesetzt/Ausführung der Tätigkeit auch in eigenen Räumen

Gehalts-/Lohnabrechnung wie bei anderen Arbeitnehmern

Vergütung nach Rechnungsstellung

Anspruch auf anderweitige Verwendung bei Ausfall/Wegfall von Aufträgen

kein Anspruch auf anderweitige Verwendung

kein Kapitaleinsatz im Betrieb

eigene Betriebsstätte

angemessene Entlohnung

wesentlich höhere Vergütung als für Arbeitnehmer

 

Das Vergütungskriterium wurde jüngst als weiteres Abgrenzungsmerkmal vom BSG (31.3.17, B 12 R 7/15 R) herangezogen. Bis zu diesem Urteil wurde einhellig die Ansicht vertreten, dass die wirtschaftliche Abhängigkeit vom Auftraggeber kein Indiz für bzw. gegen eine abhängige Beschäftigung sein könne. Denn in diesem Fall würde die Grenzziehung zwischen abhängiger Beschäftigung und selbstständiger Tätigkeit verwischt und die Entscheidung über die Versicherungspflicht erheblich erschwert und kaum noch vorhersehbar (BSG 25.1.79, 3 RK 69/78). Das BSG-Urteil vom 31.3.17 stellt eine wesentlich höhere Vergütung (Stundenhonorar) als ein wichtiges Indiz für eine selbstständige Tätigkeit heraus. Denn die höhere Vergütung erlaube dem Auftragnehmer ‒ im Urteilsfall ein Erziehungsbeistand für einen Träger der öffentlichen Jugendhilfe ‒ den Aufbau einer eigenen Altersversorgung sowie eine Vorsorge für Krankheitsfälle. Die Vergütungshöhe bleibt aber nur ein Indiz für die Abgrenzung von abhängiger und selbstständiger Tätigkeit.

2. Bedeutung vertraglicher Absprachen

Vertragliche Vereinbarungen sind bei der Beurteilung der Versicherungspflicht eines Beschäftigungsverhältnisses nicht allein ausschlaggebend. Es kommt vielmehr auf die tatsächliche Ausgestaltung der Zusammenarbeit an. Allerdings geben vertragliche Regelungen viele Anhaltspunkte für die Beurteilung. Bei bestehenden vertraglichen Vereinbarungen ist Klarheit zu schaffen. Eindeutige Bestimmungen vermeiden Missverständnisse zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern bzw. Vertragspartnern und im Verhältnis zu den Sozialversicherungsträgern. Ein wichtiger Grundsatz des Sozialversicherungsrechts lautet aber: Privatrechtliche Vereinbarungen, die zum Nachteil des Beschäftigten von sozialrechtlichen Vorschriften abweichen, sind nichtig. Dies wäre der Fall, wenn Selbstständigkeit vereinbart würde, eine solche aber nicht vorliegt.

 

PRAXISTIPP | Haben die Beteiligten ein Auftragsverhältnis auf selbstständiger Basis des Auftragsnehmers vereinbart, kommt dieser Absicht nur dann eine indizielle Bedeutung zu, wenn sich die übrigen Indizien für und gegen eine selbstständige Tätigkeit die Waage halten.

 

3. Arbeitnehmer in einer Nebenbeschäftigung

Es gibt viele Arbeitnehmer, die neben ihrer sozialversicherungspflichtigen Hauptbeschäftigung eine (abhängige) Nebenbeschäftigung bei einem anderen Arbeitgeber ausüben, die entweder ebenfalls versicherungspflichtig oder versicherungsfrei (z. B. Minijob oder eine kurzfristige Beschäftigung) ist. Übt jemand, der hauptberuflich als Arbeitnehmer beschäftigt ist, daneben eine selbstständige Tätigkeit aus, ist er in der Hauptbeschäftigung sozialversicherungspflichtig und in der Nebentätigkeit sozialversicherungsfrei.

 

Handelt es sich bei der Hauptbeschäftigung und der daneben ausgeübten selbstständigen Tätigkeit um praktisch gleichartige Tätigkeiten, wird von einer Mischtätigkeit gesprochen.

 

  • Beispiel

Ein Außendienstler ist für eine bestimmte Firma tätig. Gleichzeitig vertreibt er auf eigene Rechnung ein oder mehrere andere Produkte. Die Frage, ob diese Tätigkeit als selbstständige oder unselbstständig anzusehen ist, beantwortet sich danach, welche dieser beiden Arten von Erwerbstätigen das Erwerbsleben des Beschäftigten prägt. Nach Ansicht des BSG (24.10.78, 12 RK 58/76) ist es nicht zulässig, in Zweifelsfällen wegen des starken Gewicht der Sozialversicherung eher eine abhängige als eine selbstständige Tätigkeit anzunehmen.

 

4. Sonderfall: Selbstständige als Pflichtversicherte in der Rentenversicherung

Selbst wenn eine für einen Arbeitgeber tätige Person kein Arbeitnehmer, sondern ein Freiberufler ist, kann für diesen gleichwohl eine Versicherungspflicht in der Rentenversicherung infrage kommen (§ 2 S. 1 Nr. 9 SGB VI).

 

Versicherungspflichtig sind danach auch Personen, die

 

  • in Zusammenhang mit ihrer selbstständigen Tätigkeit regelmäßig keinen versicherungspflichtigen Arbeitnehmer beschäftigen und
  • auf Dauer und im Wesentlichen nur für einen Arbeitgeber tätig sind.

 

Hierbei handelt es sich um Personen, die trotz ihrer Selbstständigkeit in die gesetzliche Rentenversicherung einbezogen wurden, weil sie wie Arbeitnehmer schutzbedürftig sind (arbeitnehmerähnliche Selbstständige). Betroffene Selbstständige können sich von der Rentenversicherungspflicht befreien lassen, wenn sie Existenzgründer oder älter als 58 Jahre sind und bisher nicht versicherungspflichtig waren (§ 6 Abs. 1a SGB VI). Die hiernach Versicherungspflichtigen müssen die Rentenversicherungsbeiträge selbst zahlen.

5. Falsche Einschätzung des Mitarbeiterstatus

Um die erheblichen finanziellen und rechtlichen Risiken einer falschen Einschätzung des Mitarbeiterstatus zu vermeiden, sollte in Zwischenfällen auf das vom Gesetzgeber eingeführte Anfrageverfahren zurückgegriffen werden (§ 7a Abs. 1 SGB IV). Der für das Anfrageverfahren entwickelte Antragsvordruck ist im Internet zu finden unter: www.deutsche-rentenversicherung-bund.de.

 

  • (Schein-)Selbstständige Tätigkeit
Vorteile für den Arbeitgeber
Nachteile gegenüber einem Arbeitnehmer

keine Sozialversicherungsbeiträge (Arbeitgeberanteil)

keine sozialversicherungsrechtliche Absicherung wie für den Arbeitnehmer in der gesetzlichen

  • Rentenversicherung
  • Arbeitslosenversicherung *)
  • Unfallversicherung **)

 

*) Es kommt darauf an, wie lange eine selbstständige Tätigkeit nach Ende einer Beschäftigung als Arbeitnehmer gedauert hat.

**) Versicherungspflicht kraft Satzung des Trägers ist möglich, ebenso freiwillige Versicherung.

kein Lohnsteuerabzug

ESt-Nachzahlung am Ende des Jahres, laufende ESt-Vorauszahlungen

große Flexibilität für den Arbeitgeber

keine Arbeitnehmerschutzvorschriften:

  • kein Urlaub
  • keine Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall
  • keine Kündigungsfrist

(wie Arbeitgeber)

Nachteile für den Arbeitgeber

Risiko der Nachforderung von Sozialversicherungsbeiträgen (Arbeitgeber- und Arbeitnehmeranteile) für 4 Jahre einschließlich der Säumniszuschläge

Gefahr der Inanspruchnahme durch Arbeitgeber

Risiko der Nachforderung von Lohnsteuer

Strafverfahren wegen Vorenthaltung von Beiträgen zur Sozialversicherung (§ 266a StGB).

 

Gesetzlicher Krankenversicherungsschutz ist allenfalls wegen § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V (sonst nicht Versicherte) gegeben. Familienangehörige (Kinder, Ehefrau), die hauptberuflich selbstständig sind, haben keinen Anspruch auf Familienversicherung. Außerdem wird in diesen Fällen das Gesamteinkommen des Selbstständigen höher sein als die Grenze, bis zu der ein Anspruch aus der Familienversicherung besteht (2018: monatlich 435 EUR).

 

  • ABC der Sozialversicherungspflicht

Dieses ABC ist eine stark gekürzte Fassung der Anlage 5 zum Gemeinsamen Rundschreiben der Spitzenorganisationen der Sozialversicherung zum Anfrageverfahren zur Statusfeststellung von Erwerbstätigen vom 13.4.10 in der Fassung vom 8.11.17.

Beruf
Selbstständige Tätigkeit
Abhängige Beschäftigung

Ärzte, Zahnärzte, Praxisvertreter, Weiterbildungsassistenten

Bei Ärzten kommt es entscheidend darauf an, inwieweit sie in eine fremde Arbeitsorganisation eingegliedert sind. Diese Eingliederung kann nach ständiger Rechtsprechung des BSG insbesondere bei Diensten höherer Art zur funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess des Arbeitgebers verfeinert sein.

 

Vertreter eines niedergelassenen Arztes oder Zahnarztes, die bei Krankheit, Urlaub oder der Teilnahme des Praxisinhabers an Fortbildungen die Praxis weiterführen, sind dann nicht als sozialversicherungspflichtig anzusehen, wenn sie keinen Beschränkungen unterliegen, die über die Verpflichtung zur Benutzung der Praxisräume, zur Einhaltung der Sprechstunden und zur Abrechnung im Namen des Vertretenden hinausgehen.

Wegen der Eingliederung sind Ärzte in einem Explantationsteam, als Hubschrauberarzt, als Notarzt, als Notdienstarzt oder als Honorararzt regelmäßig abhängig beschäftigt. Die Arbeitsorganisation, an deren Arbeitsprozess diese Ärzte funktionsgerecht dienend teilnehmen, ist von Dritten vorgegeben.

 

Vorbereitungs-, Weiterbildungs- oder Entlastungsassistent sind bereits nach den ärztlichen/zahnärztlichen Zulassungsbestimmungen allein im Rahmen einer Beschäftigung als angestellter Arzt zulässig.

Ärztliche Leiter Rettungsdienst (ÄLRD)

Eine Mehrzahl der landesgesetzlichen Regelungen zum Rettungsdienst sieht zwischenzeitlich die Bestellung eines Ärztlichen Leiters Rettungsdienst vor. Die Aufgaben und Rechte der Institution ÄLRD sind jedoch nicht in allen Bundesländern einheitlich normiert. Bei der Tätigkeit eines ÄLRD nach den in Bayern geltenden landesrechtlichen Regelungen handelt es sich um ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis. Dies gilt gleichermaßen, wenn die Institution des ÄLRD auch in anderen Bundesländern vorgesehen ist und jeweils vergleichbare gesetzliche Regelungen gelten.

Dozenten/Lehrbeauftragte/Lehrer

Dozenten/Lehrbeauftragte an Universitäten, Hoch- und Fachhochschulen, Fachschulen, Volkshochschulen, Musikschulen sowie an sonstigen ‒ auch privaten ‒ Bildungseinrichtungen stehen regelmäßig nicht in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis zu diesen Schulungseinrichtungen, wenn sie mit einer von vornherein zeitlich und sachlich beschränkten Lehrverpflichtung betraut sind, weitere Pflichten nicht zu übernehmen haben und sich dadurch von den fest angestellten Lehrkräften erheblich unterscheiden.

 

Rentenversicherungspflicht nach § 2 S. 1 Nr. 1 SGB VI, wenn keine versicherungspflichtigen Arbeitnehmer beschäftigt werden.

Lehrer, die insbesondere durch Übernahme weiterer Nebenpflichten in den Schulbetrieb eingegliedert werden und nicht nur stundenweise Unterricht erteilen, stehen in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis.

Ernährungsberater

Ernährungsberater, die auf der Grundlage eines Partnervertrags Mitglieder für ein firmenspezifisches System zur zielkontrollierten Gewichtsabnahme werben und Mitglieder betreuen, in Gruppensitzungen Tipps und Informationen zur Erlangung bzw. Erhaltung eines Zielgewichts unter Verwendung firmenspezifischer Produkte zu vermitteln, haben zwar die Arbeitsleistung persönlich zu erbringen, sind jedoch in der Gestaltung ihrer Tätigkeit und der Bestimmung ihrer Arbeitszeit weisungsfrei. Eine abhängige Beschäftigung liegt demnach nicht vor.

Ein Ernährungsberater, der in einem nach dem SGB V zugelassenen Krankenhaus gegen eine feste Stundenvergütung in den Räumlichkeiten des Krankenhauses zu festgelegten Zeiten Vorträge vor Patienten des Krankenhauses hält oder für vom Krankenhaus zugeführte Patienten Einzelberatungen durchführt, ist abhängig beschäftigt.

Franchisenehmer

Ein Franchiseverhältnis kann sowohl im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses als auch einer selbstständigen Tätigkeit ausgeübt werden.

 

Bei der Franchise-Wirtschaft handelt es sich um einen heterogenen Wirtschaftszweig Daher ist auf die Besonderheiten eines jeden einzelnen Franchise-Systems abzustellen. Die Frage der Arbeitnehmereigenschaft des Franchisenehmers ist danach zu beurteilen, ob die Tätigkeit weisungsgebunden ausgeübt wird oder ob der Franchisenehmer seine Chancen auf dem Markt selbstständig und im Wesentlichen weisungsfrei suchen kann.

Hausvertrieb/Direktvertrieb (Homeservice)

Die Mitarbeiter im Außendienst der Direktvertriebsunternehmen sind in erster Linie verkäuferische Laien. Eine allgemeine Aussage zur versicherungsrechtlichen Beurteilung dieser Personen ist wegen der Vielfalt der Vertriebssysteme nicht möglich. Vielmehr wird eine Einzelfallprüfung im Rahmen einer Gesamtbetrachtung erforderlich. Bei einer hierarchischen Struktur muss teilweise von der Eingliederung in den Betrieb/die Organisation gesprochen werden. Letztlich müssen die Merkmale wie bei Handelsvertretern zur Beurteilung herangezogen werden.

Hebammen/Entbindungspfleger

Die Tätigkeit kann sowohl selbstständig als auch abhängig (Anstaltshebamme) ausgeübt werden. Einer Selbstständigkeit steht dabei nicht entgegen, wenn die Tätigkeit als Beleghebamme in einem Krankenhaus oder Entbindungsheim ausgeübt wird.

 

Rentenversicherungspflicht nach § 2 S. 1 Nr. 3 SGB VI bei Selbstständigkeit

Merchandiser, Platzie-rungshilfen, Regalauffüller

Ausnahmsweise kann eine selbstständige Tätigkeit angenommen werden, wenn nicht nur eigenverantwortlich über die Platzierung der Waren in den Regalen und dabei vor allem bei Saison- und Neuware über das Regallayout, also die Verteilung der Ware im Regal entschieden wird, sondern auch mit der jeweiligen Marktleitung für die absatzgünstige Positionierung der Ware Standorte ausgehandelt werden können, ohne deren Entscheidungsgewalt zu unterliegen. Zudem muss nach selbst verantworteter Absatzeinschätzung bestimmt werden können, wann vor allem welche Saisonware und wann im Übrigen Ware in welchem Umfang bestellt und wann im Falle nicht gängigen Absatzes Ware aus dem Sortiment herausgenommen wird. In derartigen Fällen liegt keine Einbindung in das Weisungsgefüge der Verbrauchermärkte vor.

In Warenhäusern und Supermärkten übernehmen bestimmte Personengruppen, die vorwiegend als Regalauffüller oder Platzierungshilfen bezeichnet werden, die Warenplatzierung, Regalpflege sowie Dispositionsaufgaben.

 

Umfasst das Tätigkeitsfeld auch verantwortungsvollere Aufgaben, angereichert mit größeren Möglichkeiten eigenverantwortlicher Gestaltung, hat sich die Bezeichnung Merchandiser etabliert. Zwischen dem Hersteller oder besonderen Serviceunternehmen und vornehmlich nicht hauptberuflich beschäftigten Personen (zum Beispiel Hausfrauen) werden Dienst- beziehungsweise Serviceverträge geschlossen.

 

Die als „freie Mitarbeiter“, „Rack-Jobber“ oder auch „Vertriebsbeauftragte“ bezeichneten Regalauffüller brauchen die von ihnen einzusortierenden Waren nicht zu erwerben. Gegebenenfalls kommt eine kurzfristige Lagerung ‒ soweit dies aufgrund der Warenbeschaffenheit möglich ist ‒ in Betracht.

 

Aufgrund der Eingliederung in den Betrieb, der bestehenden Weisungsgebundenheit zum Auftraggeber (entweder Warenhaus/Supermarkt oder Firma, die die Ware dem Warenhaus oder Supermarkt zur Verfügung stellt, zum Beispiel bei einem „Rack-Shop-System“) hat sich in der Rechtsprechung weit überwiegend die Auffassung durchgesetzt, dass ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis vorliegt.

Pflegekräfte (ambulante Pflege)

Die Erbringung sonstiger Pflegeleistungen ist sowohl selbstständig wie auch im Rahmen abhängiger Beschäftigung möglich.

 

Die Erbringung von Pflegeleistungen nach dem SGB XI ist für eine ambulante Pflegeeinrichtung allein im Rahmen eines Beschäftigungsverhältnisses rechtlich zulässig: Beinhalten die Pflegeaufträge Leistungen der häuslichen Pflegehilfe nach § 36 Abs. 1 S. 1 SGB XI, sind für die sozialversicherungsrechtliche Zuordnung der Tätigkeit die Vorschriften des SGB XI einschließlich nachrangiger Regelungen/Vereinbarungen maßgeblich. Dabei verlangen die gesetzlichen Vorgaben für die Erbringung häuslicher Pflegehilfe, dass die Pflegekräfte entweder von der Pflegekasse oder bei ambulanten Pflegeeinrichtungen, mit denen die Pflegekasse einen Versorgungsvertrag abgeschlossen hat, angestellt sind.

 

Bei regelmäßiger Erbringung von Pflegeleistungen für einen anderen Vertragspartner als den Patienten besteht ein Beschäftigungsverhältnis, wenn nicht besondere Umstände hinzutreten, die die Abhängigkeit der Pflegekraft im Einzelfall aufheben.

Pflegekräfte (stationäre Pflege)

Ein aktuelles Phänomen stellen „selbstständige“ Alten- oder Krankenpflegekräfte in den verschiedenen Ausformungen (zum Beispiel Anästhesieschwester/-pfleger, OP-Fachkräfte, Stationsschwester/-pfleger) dar, die in vielen Fällen durch Dienstleistungsunternehmen an stationäre Einrichtungen vermittelt werden, um dort gegebenenfalls zeitlich begrenzt Krankheits- oder Urlaubsvertretungen zu übernehmen oder sonstige außergewöhnliche Arbeitsbelastungen zu kompensieren. Zu dieser Berufsgruppe hat sich weit überwiegend die Auffassung durchgesetzt, dass diese Pflegekräfte zu den abhängig Beschäftigten gehören.

 

Selbstständig tätige Pflegekräfte, die überwiegend auf ärztliche Verordnung tätig werden, unterliegen nach § 2 S. 1 Nr. 2 SGB VI der Rentenversicherungspflicht, sofern sie im Zusammenhang mit ihrer selbstständigen Tätigkeit keinen versicherungspflichtigen Arbeitnehmer beschäftigen.

Propagandisten, Promotor, Verkaufsförderer

Die Berufsbezeichnung für sich sagt nichts über den sozialversicherungsrechtlichen Status aus. Die sozialversicherungsrechtliche Beurteilung hat daher nach den allgemeinen Grundsätzen zu erfolgen.

 

Der einem Kaufhaus gestellte Propagandist, der die Ware für Rechnung des Kaufhauses direkt anbietet oder verkauft, zählt aufgrund seiner Eingliederung in den Betrieb des Kaufhauses zu den abhängig beschäftigten Arbeitnehmern. Dies gilt gleichermaßen für sogenannte „Shop-in-Shop“ Verkäufer.

 

Propagandisten, die von ihrem Auftraggeber hergestellte Waren gegen Provision in Kaufhäusern für deren Rechnung anbieten und verkaufen, zählen grundsätzlich ebenfalls zu den abhängig Beschäftigten. Das ist insbesondere dann der Fall, wenn eine Mindestprovision vom Auftraggeber garantiert wird.

Promotoren, die in einem Kaufhaus für Produkte ihres Auftraggebers lediglich werben und weder ein Mindesthonorar noch einen pauschalen Aufwendungsersatz, sondern ausschließlich eine erfolgsabhängige Provision von ihrem Auftraggeber erhalten, dabei aber weder an Weisungen des Auftraggebers noch an solche des jeweiligen Kaufhauses gebunden sind, insbesondere ihre Arbeitszeit frei einteilen können, stehen nicht in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis.

 

Ausnahme: Erhalten die Promotoren hingegen eine erfolgsunabhängige feste Stundenvergütung oder Tagespauschale, überwiegen nach der jüngeren Rechtsprechung in der Gesamtwürdigung vermehrt die Merkmale für eine abhängige Beschäftigung.

Rettungssanitäter

Ehrenamtliche Rettungssanitäter werden bereits steuerrechtlich als Arbeitnehmer behandelt. Nichts anderes kann für die Sozialversicherung gelten. Die Anmerkungen zu Übungsleitern gelten sinngemäß.

Tagesmütter

Tagesmütter gehören grundsätzlich nicht zu den abhängig Beschäftigten. Die Übernahme der Betreuung der Kinder für Fremde ist regelmäßig nicht durch eine Weisungsabhängigkeit geprägt.

 

Hinweis: Selbstständig tätige Tagesmütter unterliegen der Rentenversicherungspflicht nach § 2 S. 1 Nr. 1 SGB VI, sofern sie im Zusammenhang mit ihrer selbstständigen Tätigkeit keinen versicherungspflichtigen Arbeitnehmer beschäftigen.

 

Insbesondere die Beaufsichtigung und Betreuung von Kindern im Haushalt der Eltern kann jedoch bei entsprechender Weisungsgebundenheit eine abhängige Beschäftigung sein.

Therapeuten (Ergotherapeuten, Physiotherapeuten, Krankengymnasten)

Physiotherapeuten, Krankengymnasten und ähnliche Berufsgruppen sind auch dann nicht abhängig beschäftigt, wenn sie wegen fehlender Zulassung nicht zur direkten Abrechnung der erbrachten Leistung mit den Krankenkassen berechtigt sind, aber mit dem Praxisinhaber einen Vertrag über die Tätigkeit als freier Mitarbeiter geschlossen haben. Das BSG hatte festgestellt, dass vertragliche Abreden für die Frage der Versicherungspflicht von Bedeutung sein können, insbesondere dann, wenn die Beziehungen der Beteiligten tatsächlich entsprechend der getroffenen Abreden gestaltet worden sind.

 

Physiotherapeuten/Krankengymnasten, die überwiegend auf ärztliche Verordnung tätig werden, unterliegen nach § 2 S. 1 Nr. 2 SGB VI der Rentenversicherungspflicht, sofern sie im Zusammenhang mit ihrer selbstständigen Tätigkeit keinen versicherungspflichtigen Arbeitnehmer beschäftigen.

Physiotherapeuten, Krankengymnasten und ähnliche Berufsgruppen zählen grundsätzlich zu den abhängig Beschäftigten, wenn sie über keine eigene Betriebsstätte verfügen, Arbeitsgeräte und -materialien durch den Praxisinhaber gestellt werden, sie nur für eine Praxis (einen Auftraggeber) arbeiten, sie keine Eigenwerbung betreiben und keine eigenen Rechnungen stellen. Werden darüber hinaus von den freiberuflich tätigen Mitarbeitern die gleichen Arbeiten verrichtet wie von den festangestellten Krankengymnasten, Physiotherapeuten oder ähnlichen Berufsgruppen, ist dies ebenfalls ein Indiz für eine abhängige Beschäftigung. Der Einbindung in eine Praxisorganisation steht dabei nicht entgegen, wenn die Tätigkeit überwiegend in Form von Hausbesuchen erbracht wird.

Übungsleiter

Die Beurteilung, ob ein Übungsleiter seine Tätigkeit als Selbstständiger oder in einem Beschäftigungsverhältnis ausübt, richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls. Kriterien für eine selbstständige Tätigkeit sind

 

Durchführung des Trainings in eigener Verantwortung; der Übungsleiter legt Dauer, Lage und Inhalte des Trainings selbst fest und stimmt sich wegen der Nutzung der Sportanlagen selbst mit anderen Beauftragten des Vereins ab;

 

der zeitliche Aufwand und die Höhe der Vergütung; je geringer der zeitliche Aufwand des Übungsleiters und je geringer seine Vergütung ist, desto mehr spricht für seine Selbstständigkeit.

 

Je größer dagegen der zeitliche Aufwand und je höher die Vergütung des Übungsleiters ist, desto mehr spricht für eine Eingliederung in den Verein und damit für eine abhängige Beschäftigung. Anhaltspunkte für die Annahme eines Beschäftigungsverhältnisses sind auch vertraglich mit dem Verein vereinbarte Ansprüche auf durchgehende Bezahlung bei Urlaub oder Krankheit sowie Ansprüche auf Weihnachtsgeld oder vergleichbare Leistungen.

 

Entscheidend für die versicherungsrechtliche Beurteilung ist in jedem Fall eine Gesamtwürdigung aller im konkreten Einzelfall vorliegenden Umstände.

Bei nebenberuflich beschäftigten Übungsleitern ist zu beachten, dass Einnahmen bis 2.400 EUR jährlich nach § 3 Nr. 26 EStG steuerfrei sein können. Insoweit liegt auch kein beitragspflichtiges Arbeitsentgelt vor (vergleiche § 1 Abs. 1 S. 1 Nr. 16 Sozialversicherungsentgeltverordnung).

 
Quelle: Seite 253 | ID 45281714