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· Fachbeitrag · Sozialversicherung

Freiberufler und gesetzliche Unfallversicherung

von Horst Marburger, Geislingen

| Die gesetzliche Unfallversicherung ist der Sozialversicherungszweig mit dem größten versicherten Personenkreis. Er gilt allgemein auch als der Versicherungszweig, der am wenigstens Probleme verursacht. Sehr lange Zeit wurde deshalb auch im Bereich der gesetzlichen Unfallversicherung nicht besonders viel reformiert und geändert. In den letzten Jahren ist dies aber anders geworden. Auch hier gab es Kostensteigerungen. Fusionen zahlreicher Unfallversicherungsträger waren die Folge. Der Beitrag setzt sich mit den Folgen für Freiberufler auseinander. |

1. Selbstständige als Versicherungspflichtige

Die gesetzliche Unfallversicherung ist, wie die anderen Sozialversicherungszweige auch, in erster Linie eine Versicherung der Arbeitnehmer. Rechtsgrundlage für die gesetzliche Unfallversicherung ist das SGB VII.

 

Für Selbstständige sieht das SGB VII sowohl die Pflichtversicherung als auch die freiwillige Versicherung als Möglichkeiten vor. Die Pflichtversicherung entsteht entweder kraft Gesetzes oder kraft Satzung. Dagegen ist bei der freiwilligen Versicherung immer ein schriftlicher Antrag erforderlich.

 

1.1 Versicherung kraft Gesetzes

Unter anderen sind folgende Gruppen gesetzlich unfallversichert:

 

  • Selbstständig oder unentgeltlich Tätige im Gesundheitswesen oder in der Wohlfahrtspflege (§ 2 Abs. 1 Nr. 9 SGB VII; vorbehaltlich der Befreiung in § 4 Abs. 3 SGB VII):
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  • Zum Gesundheitswesen gehören alle Tätigkeiten/Einrichtungen, die der menschlichen Gesundheit dienen, sowie dem Grundsatz nach auch das Veterinärwesen. Hier sind z. B. zu nennen: Hebammen, Masseure, nicht-ärztliche Psychotherapeuten, Logopäden, außerdem Krankenpfleger und Physiotherapeuten. Laut Rechtsprechung ferner: die freiberuflich tätige Krankenschwester, ein selbstständiger Fußpfleger, der nicht nur Fußkosmetik betreibt, außerdem der Betreiber eines Labors, das Blutuntersuchungen vornimmt.
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  • Laut Rechtsprechung werden unter Wohlfahrtspflege Leistungen für gesundheitlich oder wirtschaftlich notleidende oder gefährdete Menschen einschließlich der Verwaltungsarbeit verstanden. Hier sind der unfallversicherungsrechtliche und der steuerrechtliche Begriff gleichgestellt (vgl. Marburger, PFB 18, 225).
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  • Landwirtschaftliche Unternehmer sind nach § 2 Abs. 1 Nr. 5 SGB VII versicherungspflichtig. Das gilt auch für ihre im Unternehmen mitarbeitenden Ehegatten sowie für Familienangehörige, die im landwirtschaftlichen Unternehmen nicht nur vorübergehend mitarbeiten. Familienangehörige sind Verwandte bis zum dritten Grad, Verschwägerte bis zum zweiten Grad und Pflegekinder der Unternehmer oder ihre Ehegatten/Lebenspartner.

 

  • Versicherungspflicht besteht auch für Personen, die in einem landwirtschaftlichen Unternehmen in der Rechtsform von Kapital- oder Personenhandelsgesellschaften regelmäßig wie Unternehmer selbstständig tätig sind und für Personen, die ehrenamtlich in Unternehmen tätig sind, die unmittelbar der Sicherung, Überwachung oder Förderung der Landwirtschaft überwiegend dienen. Eine ehrenamtliche Tätigkeit in den Berufsverbänden der Landwirtschaft unterliegt ebenfalls der Versicherung.

 

  • Hausgewerbetreibende und Zwischenmeister sowie ihre mitarbeitenden Ehegatten und Lebenspartner (§ 2 Abs. 1 Nr. 5 SGB VII). Heimarbeiter sind dagegen als Beschäftigte versicherungspflichtig.

 

  • Versicherungspflicht besteht für selbstständige Küstenschiffer und Küstenfischer, die zur Besatzung ihres Schiffes gehören oder als Küstenfischer ohne Fahrzeug fischen. Voraussetzung ist, dass regelmäßig nicht mehr als vier Arbeitnehmer beschäftigt werden. Dem Versicherungsschutz unterstehen auch mitarbeitende Ehegatten und Lebenspartner.

 

Beachten Sie | Die Versicherungspflicht nach § 2 Abs. 1 Nr. 9 SGB VII ist vorrangig gegenüber dem Versicherungsschutz nach § 2 Abs. 1 Nr. 13 SGB VII (z. B. Helfer bei Unglücksfällen, Spender körpereigener Organe usw.). § 4 Abs. 3 SGB VII sieht mehrere Ausnahmen von der Versicherungspflicht nach § 2 Abs. 1 Nr. 9 SGB VII vor (vgl. dazu die Ausführungen unter Tz. 2).

 

1.2 Versicherung kraft Satzung

§ 3 SGB VII regelt die Versicherung kraft Satzung. Danach kann die Satzung des Unfallversicherungsträgers bestimmen, dass und unter welchen Voraussetzungen sich die Versicherung beispielsweise erstreckt auf:

 

  • Unternehmer und ihre im Unternehmen mitarbeitenden Ehegatten oder (gleichgeschlechtlichen) Lebenspartner (Unternehmerversicherung als Pflichtversicherung),

 

  • Personen, die sich auf der Unternehmensstätte aufhalten,

 

  • ehrenamtlich Tätige und bürgerschaftlich Engagierte.

 

Die Versicherung kann auf folgende Personen nicht erstreckt werden:

 

  • Unternehmer von nicht erwerbsmäßig betriebenen Einmann-Fischereien oder Imkereien und ihre im Unternehmen mitarbeitenden Ehegatten oder Lebenspartner,

 

  • Personen, die wegen einer vom Fischerei- oder Jagdausübungsberechtigten erteilten Erlaubnis als Fischerei- oder Jagdgast fischen oder jagen,

 

  • Reeder, die nicht zur Besatzung des Fahrzeugs gehören, und ihre im Unternehmen mitarbeitenden Ehegatten oder Lebenspartner

 

  • sowie auf Haushaltsführende.

2. Versicherungsfreiheit und Befreiung auf Antrag

§ 4 SGB VII sieht mehrere Personengruppen vor, die von der Versicherungspflicht befreit sind.

 

2.1 Befreiung wegen anderweitigem Versicherungsschutz

Hier sind solche Personen angesprochen, die bereits anderweitig gegen die Folgen von Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten geschützt sind. In erster Linie sind dies Beamte und sonstige Personen, für die beamtenrechtliche Unfallfürsorgevorschriften oder entsprechende Grundsätze gelten. Ehrenbeamte und ehrenamtliche Richter fallen nicht hierunter.

 

2.2 Befreiung von der Unternehmenspflichtversicherung

Von der Unternehmenspflichtversicherung (Pflichtversicherung kraft Gesetzes) sind Fischerei- und Jagdgäste befreit, ferner Unternehmer von Binnenfischereien und Imkereien. Befreit sind auch Unternehmer von Unternehmen, in denen ohne Bodenbewirtschaftung Nutz- und Zuchttiere zum Zwecke der Aufzucht, der Mast oder der Gewinnung tierischer Produkte gehalten werden. Voraussetzung für die Versicherungsfreiheit dieser Unternehmer ist aber, dass die Unternehmen nicht gewerbsmäßig betrieben werden und nicht Neben- oder Hilfsunternehmen eines anderen landwirtschaftlichen Unternehmens sind.

 

Befreit sind kraft Gesetzes auch die im Unternehmen mitarbeitenden Ehegatten oder Lebenspartner der Unternehmer. Das Gleiche gilt für Personen, die in diesen Unternehmen als Verwandte oder Verschwägerte bis zum zweiten Grad oder als Pflegekind der Unternehmer oder ihrer Ehegatten oder Lebenspartner unentgeltlich tätig sind.

 

2.3 Befreiung für im Gesundheitswesen Tätige

Unter 1. ist die Versicherungspflicht von Personen angesprochen worden, die im Gesundheitswesen oder in der Wohlfahrtspflege tätig sind (§ 2 Abs. 1 Nr. 9 SGB VII). § 4 Abs. 3 SGB VII sieht hier zahlreiche Ausnahmen von der Versicherungspflicht vor. Von der Versicherungspflicht nach § 2 Abs. 1 Nr. 9 SGB VII sind folgende Selbstständige befreit:

 

  • Ärzte und Zahnärzte
  • Tierärzte
  • Psychologische Psychotherapeuten, Kinder- und Jugendpsychotherapeuten
  • Heilpraktiker
  • Apotheker

 

2.4 Befreiung auf Antrag

§ 5 SGB VII sieht die Befreiung von der Versicherungspflicht auf Antrag des Betroffenen vor. Es geht dabei um eine Befreiung von der Unternehmenspflichtversicherung nach § 2 Abs. 1 Nr. 5 SGB VII. Befreit werden danach auf ihren Antrag Unternehmer landwirtschaftlicher Unternehmen bis zu einer Größe von 0,25 Hektar und ihre Ehegatten oder Lebenspartner. Die Befreiung ist unwiderruflich. Bei Spezialkulturen ist eine Befreiung nicht möglich.

3. Freiwillige Versicherung

Auf schriftlichen Antrag können sich nach § 6 SGB VII freiwillig versichern:

 

  • Unternehmer und ihre im Unternehmen mitarbeitenden Ehegatten oder Lebenspartner. Ausgenommen sind Haushaltsführende, Unternehmer von nicht gewerbsmäßig betriebenen Binnenfischereien, von nicht gewerbsmäßig betriebenen Unternehmen nach § 123 Abs. 1 Nr. 2 SGB VIII (Halten von Nutz- oder Zuchttieren ohne Bodenbewirtschaftung) und ihre Ehegatten und Lebenspartner sowie Fischerei- und Jagdgäste.

 

  • Personen, die in Kapital- oder Personenhandelsgesellschaften regelmäßig wie Unternehmer selbstständig tätig sind, weil sie durch ihre Stellung in der Personen- oder Kapitalgesellschaft einen beherrschenden Einfluss auf das Unternehmen ausüben können.

 

  • Gewählte oder beauftragte Ehrenamtsträger in gemeinnützigen Organisationen. Für sie kann auch die Organisation, für die sie tätig sind, oder ein Verband, in dem die Organisation Mitglied ist, den Antrag stellen.

 

  • Personen, die in Verbandsgremien und Kommissionen für Arbeitgeberorganisationen und Gewerkschaften sowie anderen selbstständigen Arbeitnehmervereinigungen mit sozial- oder berufspolitischer Zielsetzung (sonstige Arbeitnehmervereinigungen) ehrenamtlich tätig sind oder an Ausbildungsveranstaltungen für diese Tätigkeit teilnehmen,

 

  • Personen, die ehrenamtlich für Parteien i. S. des Parteiengesetzes tätig sind oder an Ausbildungsveranstaltungen für diese Tätigkeit teilnehmen.

 

Die freiwillige Versicherung beginnt mit dem Tag, der auf den Eingang des Antrags erfolgt. Sie erlischt, wenn der Beitrag oder Beitragsvorschuss binnen zweier Monate nach Fälligkeit nicht gezahlt worden ist. Eine Neuanmeldung bleibt so lange wirksam, bis der rückständige Beitrag oder Beitragsvorschuss entrichtet worden ist (vgl. zur Beitragszahlung unter Tz. 5).

4. Zuständige Unfallversicherungsträger

Träger der gesetzlichen Unfallversicherung (Unfallversicherungsträger) sind insbesondere die in der Anlage 1 zum SGB VII aufgeführten gewerblichen Berufsgenossenschaften, die Unfallkassen von Bund und Ländern, die Gemeindeunfallversicherungsverbände und Unfallkassen der Gemeinden. Rechtsgrundlagen hierzu sind die §§ 114 bis 120 SGB VII. Dort werden die Namen dieser Berufsgenossenschaften angeführt. Es handelt sich dabei um die Berufsgenossenschaften Rohstoff und chemische Industrie, Holz und Metall, Energie Textil Elektrik, Medienerzeugnisse, Nahrungsmittel und Gastgewerbe, Bauwirtschaft, Handel und Warenlogistik, Verkehrswirtschaft Post-Logistik-Telekommunikation, Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege sowie um die Verwaltungs-Berufsgenossenschaft.

 

Für die Versicherungspflicht selbstständig Tätiger nach § 2 Abs. 1 Nr. 9 SGB VII sind die Unfallversicherungsträger der öffentlichen Hand zuständig. Für die sonstigen Bereiche ist die Berufsgenossenschaft für Gesundheit und Wohlfahrtspflege zuständig. Unternehmer sind bei dem Versicherungsträger versichert, der für das Unternehmen seiner Art nach zuständig ist. Dabei richtet sich die örtliche Zuständigkeit des Unfallversicherungsträgers für ein Unternehmen nach dem Sitz des Unternehmens (§ 130 Abs. 1 SGB VII) hilfsweise der Wohnsitz oder gewöhnliche Aufenthaltsort des Unternehmers.

5. Mittelaufbringung zur gesetzlichen Unfallversicherung

Für die Aufbringung der Mittel (§§ 150 bis 187a SGB VII) gilt:

 

  • Freiwillig Versicherte tragen die Beiträge allein. Ansonsten zahlen die Unternehmer die Beiträge allein.

 

  • Berechnungsgrundlagen für die Beiträge sind: der Finanzbedarf (Umlagesoll), die Arbeitsentgelte der Versicherten und die Gefahrenklassen.

 

  • Das Arbeitseinkommen wird bis zur Höhe des Höchstjahresarbeitsverdienstes zugrunde gelegt. Dieser ergibt sich aus der Satzung des Unfallversicherungsträgers.

 

  • Die Gefahrklassen drücken den Grad der Unfallgefahr im Unternehmen aus. Sie ergeben sich aus dem Gefahrtarif. Dieser ist nach § 157 SGB VII vom Unfallversicherungsträger als autonomes Recht festzustellen.

 

  • Der Gefahrtarif wird nach Tarifstellen gegliedert, in denen Gefahrengemeinschaften nach Gefährdungsrisiken unter Berücksichtigung eines versicherungsmäßigen Risikoausgleichs gebildet werden. Der Gefahrtarif hat eine Geltungsdauer von höchstens sechs Kalenderjahren. Der Gefahrtarif und jede Änderung bedürfen der Genehmigung der Aufsichtsbehörde des Unfallversicherungsträgers (§ 158 SGB VII).

 

  • Der Unfallversicherungsträger veranlagt wegen § 159 SGB VII die Unternehmen für die Tarifzeit nach dem Gefahrtarif zu den Gefahrklassen.

 

Beachten Sie | Der Unfallversicherungsträger berechnet die Beiträge nach eigener Einschätzung der betrieblichen Verhältnisse, wenn der Unternehmer (hier z. B. der freiwillig Versicherte) die notwendigen Auskünfte nicht gibt. Treten Änderungen ein, hebt ein Unfallversicherungsträger den Veranlagungsbescheid mit Beginn des Monats auf, der der Änderungsmitteilung durch die Unternehmer (z. B. freiwillig Versicherter) folgt (§ 160 Abs. 1 SGB VII). Die Satzung des Unfallversicherungsträgers kann bestimmen, dass ein einheitlicher Mindestbeitrag erhoben wird (§ 161 SGB VII). Überhaupt sind bei den freiwillig Versicherten sowie bei versicherten Unternehmern die Satzungen der zuständigen Unfallversicherungsträger zu beachten.

6. Arbeitsunfälle

Den Begriff des Arbeitsunfalls regelt § 8 SGB VII. Danach sind Arbeitsunfälle Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz begründenden Tätigkeit. Unfälle sind zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen. Mit diesen Definitionen zum Arbeitsunfall gibt das Gesetz einen weitgespannten Rahmen vor. Es ist deshalb kein Wunder, dass sich die Sozialgerichtsbarkeit immer wieder mit dem Begriff des Arbeitsunfalls beschäftigen muss.

 

Die Frage, ob sich ein Unfall bei einer versicherten Tätigkeit zugetragen hat, lässt sich am einfachsten beim sogenannten reinen Betriebsunfall beantworten. Hier geht es darum, dass sich beispielsweise ein als Schreiner tätiger Arbeitnehmer an einer elektrischen Säge verletzt.

 

  • Kleines ABC der Arbeitsunfälle

Arbeits-/Mittagspause

Hier gilt das Prinzip, dass der Versicherungsschutz während der Einnahme einer Mahlzeit in einer Arbeitspause nur dann besteht, wenn besondere Umstände vorliegen. Diese Umstände müssen einen rechtlich wesentlichen Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit begründen.

 

  • An der Arbeitsstelle/im Betrieb: Allgemein wird das Bestehen eines solchen Umstands bejaht, wenn die Mahlzeit an der Arbeitsstelle oder innerhalb des Betriebs eingenommen wird. Der Weg zur Betriebskantine wird allgemein als versicherter Weg anerkannt, ebenso wie der Weg zur Toilette.

 

  • Außerhalb des Betriebs: Wird in einer Pause das Unternehmen verlassen, um in einer Gaststätte das Mittagessen einzunehmen, steht auch der Weg zur Gaststätte unter Unfallversicherungsschutz. Allerdings gilt dies nur, wenn der Weg zur Gaststätte nicht unverhältnismäßig lang ist.
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  • In diesem Zusammenhang ist zu erwähnen, dass das BSG einen Unfall als Arbeitsunfall auf einem Weg anerkannte, der so viel Zeit in Anspruch nahm, dass für die eigentliche Pause nur noch ein Zeitraum von 15 bis 20 Minuten verblieb. Das BSG billigte dem Versicherten einen Gestaltungsspielraum zu.
  • Nicht nur der Weg zur Essenseinnahme ist versichert. Benutzt der Versicherte die Mittagspause, um Lebensmittel, die zum alsbaldigen Verzehr bestimmt sind, einzukaufen, besteht ebenfalls Versicherungsschutz.
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  • Beachten Sie | Die Rechtsprechung verneint den Unfallversicherungsschutz, wenn ein Arbeitnehmer zur Einnahme des Mittagessens ein weit entferntes Lokal aufsucht, obwohl sich in nächster Nähe des Betriebs eine Gaststätte befindet oder eine entsprechende Betriebskantine vorhanden ist. Allerdings: Der Versicherte kann unter mehreren Gaststätten, die sich in Betriebsnähe befinden, auswählen. Der Aufenthalt in der Kantine oder Gaststätte ist ebenfalls nicht versichert. Das gilt auch für die Essenseinnahme selbst. Rechtsprechung und Unfallversicherungsträger sprechen hier von einer eigenwirtschaftlichen Tätigkeit.
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Dienst- und Geschäftsreisen

Da Dienst- und Geschäftsreisen betrieblichen Zwecken dienen, stehen sie selbstverständlich unter Unfallversicherungsschutz. Dieser erstreckt sich dabei auch auf Verrichtungen, die bei einer Tätigkeit am Betriebssitz den eigenwirtschaftlichen Interessen zuzurechnen wären. Die Dienst- oder Geschäftsreise steht selbst dann unter Unfallversicherungsschutz, wenn sie ins Ausland führt.

 

Gemeinschaftsveranstaltungen

Vorstehendes gilt auch, wenn sich der Unfall während einer betrieblichen Gemeinschaftsveranstaltung (z. B. einem Betriebsausflug) ereignet.

 

Selbstmord am Arbeitsplatz

Begeht ein Arbeitnehmer am Arbeitsplatz Selbstmord, bedeutet das nicht, dass ein Arbeitsunfall vorliegt.

 

Der Selbstmord kann allerdings die Folge eines früheren Arbeitsunfalls sein. In diesem Zusammenhang hat das Bundessozialgericht festgestellt, dass eine Selbsttötung schon dann rechtlich wesentlich durch einen Arbeitsunfall verursacht sein kann, wenn die Fähigkeit zur Willensbildung durch den (früheren) Arbeitsunfall beeinträchtigt war.

 

Übrigens ist es nicht notwendig, dass die Selbsttötung in einem unfallbedingten Zustand der Unzurechnungsfähigkeit ausgeübt wurde. Es reicht vielmehr vollständig aus, wenn die Willensfähigkeit beeinträchtigt worden ist.

 

Beachten Sie | Ist nicht nachweisbar, ob der Tod durch betriebsbezogene Umstände verursacht oder vorsätzlich herbeigeführt worden ist (Selbstmord, ohne Erfüllung der vorstehenden Voraussetzung), besteht kein Unfallversicherungsschutz. Die Ungewissheit darüber, ob der ursächliche Zusammenhang zwischen der versicherten Tätigkeit und dem schadensstiftenden Ereignis noch besteht, geht zulasten desjenigen, der die Leistung begehrt, hier also eines Hinterbliebenen.

 

Verbrechen

Wird der Versicherte dadurch verletzt oder getötet, dass seine Arbeitsstelle Ziel eines verbrecherischen Überfalls ist, liegt ein Arbeitsunfall vor.

Weg zur Arbeit/Heimweg

Liegen bei einem Unfall auf dem Weg zum Betrieb oder vom Betrieb nach Hause keine persönlichen Gründe vor, handelt es sich um einen Arbeitsunfall.

 

Beachten Sie | Wird der Weg von oder zur Arbeitsstätte unterbrochen und ereignet sich auf dem nun eingeschlagenen Abweg (Umweg) ein Unfall, liegt kein für die gesetzliche Unfallversicherung entschädigungspflichtiger Wegeunfall (vgl. die Ausführungen unter Tz. 8) vor. Eine Unterbrechung des versicherten Wegs kann durch einen Besuch, einen Spaziergang, durch Einkäufe oder Behördengänge entstehen. Dauert die Unterbrechung nicht länger als zwei Stunden und ereignet sich ein Unfall nach der Rückkehr zum üblichen Weg von oder zur Arbeitsstelle, liegt wieder ein versicherter Unfall vor.

 

7. Wegeunfälle

Die Wegeunfälle werden in § 8 Abs. 2 SGB VII behandelt. Zunächst wird vom „Zurücklegen des mit der versicherten Tätigkeit zusammenhängenden unmittelbaren Wegs nach und von dem Ort der Tätigkeit“ gesprochen. Der „unmittelbare“ Weg bedeutet nicht, dass es sich um den kürzesten Weg zu oder von der Arbeitsstätte handelt. Daher steht eine wegen ihrer größeren Verkehrssicherheit für das benutzte Verkehrsmittel gewählte weitere Wegstrecke zu oder von der Arbeitsstätte unter Versicherungsschutz.

 

Der geschützte Weg zur Arbeitsstätte beginnt ‒ auch bei Mehrfamilien- und Hochhäusern ‒ mit dem Verlassen des häuslichen Bereichs. Er beginnt demnach mit dem Durchschreiten der Außentür des Gebäudes.

 

  • Sonderfälle des Wegeunfalls

§ 8 Abs. 2 SGB VII sieht einige Sonderfälle des Wegeunfalls vor. Danach werden als versicherte Tätigkeiten auch angesehen:

 

  • Das Zurücklegen des von einem Weg nach und von dem Ort der Tätigkeit abweichenden Wegs, um
    • a) Kinder von Versicherten, die mit ihnen in einem gemeinsamen Haushalt leben, wegen ihrer beruflichen Tätigkeit oder der ihrer Ehegatten bzw. (gleichgeschlechtlichen) Lebenspartner, fremder Obhut anzuvertrauen oder
    • b) mit anderen Berufstätigen oder Versicherten gemeinsam ein Fahrzeug zu benutzen,

 

  • das Zurücklegen des von einem unmittelbaren Weg nach und von dem Ort der Tätigkeit abweichenden Wegs der Kinder von Personen, die mit ihnen in einem gemeinsamen Haushalt leben, wenn die Abweichung darauf beruht, dass die Kinder wegen der beruflichen Tätigkeit dieser Personen oder deren Ehegatten bzw. (gleichgeschlechtlichen) Lebenspartner fremder Obhut anvertraut werden,

 

  • das Zurücklegen des mit der versicherten Tätigkeit zusammenhängenden Wegs von und nach der ständigen Familienwohnung, wenn die Versicherten wegen der Entfernung ihrer Familienwohnung von dem Ort der Tätigkeit an diesem oder in dessen Nähe eine Unterkunft haben.

Bezüglich der Unterbringung von Kindern sieht § 8 Abs. 2 SGB VII bewusst keine Altersgrenze vor. Schließlich bedürfen gelegentlich auch ältere Kinder wegen körperlicher oder geistiger Behinderung fremder Obhut.

 

Beachten Sie | Eine Tiefgarage, die durch eine Verbindungstür den direkten Zutritt vom und zum Wohngebäude ermöglicht, bildet einen Teil des häuslichen Bereichs. In diesem Bereich besteht kein Unfallversicherungsschutz. Dies gilt selbst dann, wenn die Verrichtungen in der Garage der Zurücklegung des Arbeitswegs dienen. Aber: Garagen, die keinen Zugang zum Wohngebäude haben und deshalb erst nach dem Durchschreiten der Außentür des Wohngebäudes erreicht werden können, gehören nicht mehr zum häuslichen Bereich. Das bedeutet: Der Weg zur Garage steht bereits unter Unfallversicherungsschutz.

8. Berufskrankheiten

Das Recht der Berufskrankheiten wird in § 9 SGB VII geregelt. Danach sind Berufskrankheiten Krankheiten, die die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrats als Berufskrankheiten bezeichnet und die Versicherte infolge einer den Versicherungsschutz begründenden Tätigkeit erleiden.

 

Die Unfallversicherungsträger haben eine Krankheit, die nicht in der Rechtsverordnung bezeichnet ist oder bei der die dort bestimmten Voraussetzungen nicht vorliegen, wie eine Berufskrankheit als Versicherungsfall anzuerkennen, sofern im Zeitpunkt der Entscheidung nach neuen Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft die Voraussetzungen für eine Bezeichnung in der Berufskrankheiten-Verordnung (BKV) erfüllt sind.

 

Erkranken Versicherte, die infolge der besonderen Bedingungen ihrer versicherten Tätigkeit in erhöhtem Maße der Gefahr der Erkrankung an einer in der Rechtsverordnung genannten Berufskrankheit ausgesetzt waren, an einer solchen Krankheit oder können Anhaltspunkte für eine Verursachung außerhalb der versicherten Tätigkeit nicht festgestellt werden, wird vermutet, dass dies infolge der versicherten Tätigkeit verursacht worden ist.

 

Die Bundesregierung hat die Berufskrankheiten-Verordnung vom 31.10.97 erlassen, die inzwischen mehrfach geändert worden ist.

9. Leistungen nach Arbeitsunfall oder Berufskrankheit

Die Leistungen der gesetzlichen Unfallversicherung nach einem eingetretenen Versicherungsfall (Arbeitsunfall oder Berufskrankheit) sind sehr umfassend. Leistungen werden aber auch schon vor Eintritt eines Versicherungsfalls erbracht. Insbesondere ist hier an die Unfallverhütung der Unfallversicherungsträger zu denken. Als Grundsatz bestimmt hier § 14 SGB VII, dass die Unfallversicherungsträger mit allen geeigneten Mitteln für die Verhütung von Arbeitsunfällen, Berufskrankheiten, arbeitsbedingten Gesundheitsgefahren und für eine wirksame Erste Hilfe zu sorgen haben. Dabei sollen sie auch den Ursachen arbeitsbedingter Gefahren für Leben und Gesundheit nachgehen.

 

Beachten Sie | Bei der Verhütung arbeitsbedingter Gesundheitsgefahren arbeiten die Unfallversicherungsträger mit den Krankenkassen zusammen (vgl. dazu § 20b SGB V).

 

Die Leistungen der gesetzlichen Unfallversicherung nach Eintritt eines Versicherungsfalls werden in den §§ 26 bis 103 SGB VII geregelt. Dazu gehören:

 

  • Die Erstversorgung am Unfallort ist Bestandteil der Leistungsgruppe „Heilbehandlung“. Neben der Erstversorgung gehören hierzu die ärztliche und zahnärztliche Behandlung einschließlich der Versorgung mit Zahnersatz, die Versorgung mit Arznei-, Verband-, Heil- und Hilfsmitteln, häusliche Krankenpflege, Behandlung in Krankenhäusern und Rehabilitationseinrichtungen. Ferner werden hier Leistungen zur medizinischen Rehabilitation und Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben angesprochen. Diese umfassen auch die Kraftfahrzeughilfe, die Wohnungshilfe und Haushaltshilfe, außerdem die Übernahme von Kinderbetreuungskosten. Außerdem werden Leistungen bei Pflegebedürftigkeit vorgesehen.

 

  • Während der Heilbehandlung und der Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben werden auch Geldleistungen erbracht. Zu nennen ist hier insbesondere das Verletztengeld, das mit dem Krankengeld der gesetzlichen Krankenversicherung vergleichbar ist. Bei Maßnahmen zur Teilhabe am Arbeitsleben wird die Geldleistung als Übergangsgeld bezeichnet.

 

  • Im Übrigen werden Renten an Verletzte und Hinterbliebene erbracht. Bei Tod werden Sterbegeld, Überführungskosten und eine besondere Beihilfe gewährt. Die Verletztenrente wird als Voll- oder Teilrente gewährt. Die Höhe der Vollrente wird aus dem Jahresarbeitsverdienst errechnet. Die Vollrente, die bei Verlust der Erwerbsfähigkeit geleistet wird, beträgt 2/3 des Jahresarbeitsverdiensts. Die Teilrente wird in der Höhe des Prozentsatzes der Vollrente festgesetzt, der dem Grad der Minderung der Erwerbsfähigkeit entspricht.
Quelle: Seite 19 | ID 45543866