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· Fachbeitrag · Sozialversicherungsrecht

Neue sozialversicherungsrechtliche Aspekte bei Minijobs ‒ auch ein Thema für Stiftungen

von RAin und Fachanwältin für Steuer- und Sozialrecht Gabriele Ritter, Ritter&Partner mbB, Rechtsanwälte und Steuerberater, Wittlich

| Neue gesetzliche Regelungen in der Sozialversicherung zwingen Arbeitgeber, insbesondere die geringfügigen Beschäftigungsverhältnisse unter die Lupe zu nehmen. Der neue gesetzliche Mindestlohn beträgt seit dem 1.1.19 brutto 9,19 EUR je tatsächlich geleisteter Arbeitsstunde. Die Anhebung des Mindestlohns ist für die Einsatzzeiten der sog. Minijobber von Bedeutung. Gesetzliche Änderungen hat es auch zu der sog. Abrufarbeit gegeben. Für Arbeitgeber und damit auch für Stiftungen kann eine Nichtbeachtung der neuen gesetzlichen Bestimmungen teuer werden. |

1. Das zählt zu den Minijobs

Grundsätzlich werden zwei Arten von Minijobs (offiziell geringfügige Beschäftigung) unterschieden, und zwar die

  • geringfügig entlohnten und
  • die zeitlich begrenzten kurzfristigen Beschäftigungen.

 

Bei der geringfügig entlohnten Beschäftigung beträgt der durchschnittliche Verdienst weiter 450 EUR je Monat. Zu beachten ist, dass zusätzliche Entgelte wie z. B. in Aussicht gestelltes Urlaubs- und Weihnachtsgeld in die Durchschnittsberechnung miteinbezogen werden müssen.

 

Die Voraussetzungen für eine geringfügig entlohnte Beschäftigung sind in § 8 Abs. 1 Nr. 1 SGB IV geregelt. Die Versicherungsfreiheit in der Kranken-, Pflege- und Arbeitslosenversicherung ergibt sich aus § 7 SGB V, § 20 Abs. 1 SGB XI und § 27 Abs. 2 SGB III. Die Rentenversicherungspflicht sowie die Möglichkeit zur Befreiung ist in § 6 Abs. 1b SGB VI geregelt.

2. Auswirkungen auf geringfügig entlohnte Beschäftigungen

Für geringfügig entlohnte Beschäftigte bedeutet die Anhebung des Mindestlohns, dass ihre Arbeitsstunden ggf. reduziert werden müssen. Diejenigen, die den Mindestlohn erhalten und die 450-EUR-Grenze ausschöpfen, können ab 2019 statt 50,90 Stunden nur noch 48,96 Stunden arbeiten. Für 2020 reduziert sich die monatliche Arbeitszeit bei einem dann geltenden Mindestlohn von 9,35 EUR auf 48,13 Stunden.

 

Die Anhebung des Stundenlohns auf die Höhe des gesetzlichen Mindestlohns kann ‒ je nach vereinbarter Arbeitszeit ‒ also dazu führen, dass die 450-EUR-Grenze überschritten wird und ein sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis angenommen wird. Damit die 450-EUR-Grenze nicht überschritten wird, stehen Stiftungen folgende Maßnahmen zur Verfügung:

 

Checkliste / Damit beugt man Verletzungen der 450-EUR-Grenze vor

  • Verträge anpassen und Höhe der Arbeitszeiten vereinbaren
  • Änderung des Arbeitsvertrags mit Zustimmung des Arbeitnehmers
  • einseitige Änderungskündigung
  • Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses als Gleitzonenbeschäftigung
  • Möglichkeit der Entgeltumwandlung prüfen
 

Besondere Vorsicht ist bei Verträgen mit Subunternehmern oder Leiharbeitnehmern geboten. Bei Nichtbeachtung des MiLoG haftet der Auftraggeber bzw. Entleiher dem eingesetzten Arbeitnehmer für die Vergütung in Höhe des gesetzlichen Mindestlohns (§ 14 AEntG).

 

Für geringfügig Beschäftigte, die auf Abruf arbeiten, hat sich ‒ etwas versteckt ‒ eine weitere Änderung ergeben. Nach dem Teilzeit- und Befristungsgesetz (TzBfG) besteht seit dem 1.1.19 die gesetzliche Vermutung einer wöchentlichen Arbeitszeit von 20 Stunden, statt zuvor von 10 Stunden. Bestehen keine klaren Vorgaben zur wöchentlichen oder monatlichen Arbeitszeit, wird seit dem 1.1.19 eine vereinbarte Arbeitszeit von 20 Stunden vermutet. Unter Zugrundelegung des aktuell geltenden Mindestlohns von 9,19 EUR führt die Vermutung bei Annahme eines Wochenfaktors von 4,33 (Wochen pro Monat) zu einem Monatsgehalt von 794,47 EUR. Die Geringverdienergrenze wird damit wesentlich überschritten. In der Regel wird die gesetzliche Vermutung nicht widerlegt werden können, denn der Gesetzgeber fordert klare Vereinbarungen.

 

Die Folge der Fehleinschätzung ist für den Arbeitgeber teuer. Der Arbeitgeber wird zur Nachentrichtung der vollen Sozialversicherungsbeiträge verpflichtet, ohne dass dieser Erstattungsansprüche gegen den Arbeitnehmer hätte (mit Ausnahme der letzten drei Lohnabrechnungszeiträume, § 28g SGB IV). Dies gilt unabhängig davon, ob der Arbeitnehmer den Differenzbetrag nachfordert oder nicht, denn das Sozialversicherungsrecht geht vom Entstehungsprinzip aus, d.h. es kommt ausschließlich darauf an, ob der Arbeitnehmer einen Lohnanspruch hat. Ein Zufluss von Lohn ist sozialversicherungsrechtlich ‒ anders als im Lohnsteuerrecht ‒ nicht erforderlich.

3. Kurzfristige Beschäftigung

Eine kurzfristige Beschäftigung ist sozialversicherungsfrei, wenn sie im Kalenderjahr nicht mehr als drei Monate beziehungsweise 70 Arbeitstage ausgeübt wird und nicht berufsmäßig ist. Diese Zeitgrenzen sollten zum 1.1.19 wieder auf die alten Zeitgrenzen von zwei Monaten beziehungsweise 50 Arbeitstagen zurückgeführt werden. Die Regierung hat nun aber mit dem Gesetz zur Stärkung der Chancen für Qualifizierung und für mehr Schutz in der Arbeitslosenversicherung beschlossen, die aktuellen Zeitgrenzen fortzuführen. Somit gelten die Zeitgrenzen von drei Monaten beziehungsweise 70 Arbeitstagen nun dauerhaft ‒ auch bei kalenderjahrüberschreitenden Tätigkeiten.

 

Analog der Änderung beim kurzfristigen Minijob gelten die bisherigen Zeitgrenzen auch beim 450-EUR-Job dauerhaft weiter. Allerdings ist in diesen Fällen das Zeitjahr und nicht das Kalenderjahr als Prüfzeitraum maßgebend. Eine Überschreitung der monatlichen 450-EUR-Grenze ist daher bis zu maximal drei Monaten während eines Zeitjahres möglich, wenn ein vorübergehendes, unvorhersehbares Überschreiten der Entgeltgrenze, etwa durch eine Krankheitsvertretung, vorliegt. Eine Urlaubsvertretung oder eine im Vorfeld geplante Operation eines Beschäftigten ist dagegen kein unvorhersehbares Ereignis.

 

Für befristete Minijobs von weniger als einem Monat war bisher der Arbeitgeber verpflichtet, anhand der tatsächlichen Beschäftigungszeit eine anteilige Verdienstgrenze zu bestimmen. Dies ist aufgrund eines Urteils des BSG (5.12.17, B 12 R 10/15 R, Abruf-Nr. 199038) jetzt nicht mehr erforderlich. Die Entgeltgrenze von 450 EUR gilt unabhängig davon, ob die Beschäftigung den gesamten Monat oder nur an einigen Tagen im Monat ausgeübt wird. Diese Regelung betrifft im Übrigen beide Typen von Minijobs (450-EUR-Job und kurzfristige Beschäftigung).

 

Bei einem kurzfristigen Minijob muss der Arbeitgeber neben den Zeitgrenzen auch grundsätzlich die Berufsmäßigkeit prüfen. Dies ist aber nur noch notwendig, wenn das Arbeitsentge‒ unabhängig von der Beschäftigungsdauer ‒ den Monatswert von 450 EUR übersteigt.

4. Midijobs

Zum 1.7.19 wird die Gleitzone durch den Übergangsbereich abgelöst, § 20 Abs. 2 SGB IV. Damit verbunden ist vor allem die Erhöhung der monatlichen Entgeltobergrenze von 850 EUR auf 1.300 EUR. Bei einem regelmäßigen Arbeitsentgelt innerhalb dieses Übergangsbereichs von 450,01 EUR bis 1.300 EUR zahlen die Arbeitnehmer ‒ wie schon bei Anwendung der Gleitzonenregelungen ‒ reduzierte Beiträge zur Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung. Die von ihnen getragenen Beitragsanteile werden von einer reduzierten Bemessungsgrundlage berechnet. Die ermäßigten Rentenversicherungsbeiträge für die Arbeitnehmer werden nicht mehr zu geminderten Rentenansprüchen führen, § 70 Abs. 1a SGB VI. Infolgedessen konnte der bislang bei Gleitzonenfällen mögliche Verzicht auf Reduzierung des Arbeitnehmerbeitrags in der Rentenversicherung entfallen.

 

Im Zusammenhang mit der Einführung des Übergangsbereichs sind keine Besitzstandsregelungen geschaffen worden, die dafür sorgen würden, dass das bisherige Recht weiter anzuwenden wäre. Folglich werden ab dem 1.7.19 alle mehr als geringfügigen Beschäftigungen, deren regelmäßiges Arbeitsentgelt 1.300 EUR nicht überschreitet, von den Regelungen des neuen Übergangsbereichs erfasst.

5. Ehrenamt und Minijob

Die vorstehenden Regelungen haben keine Auswirkungen auf Ehrenamtler, soweit es sich tatsächlich um eine ehrenamtliche Tätigkeit handelt. Ob ein Beschäftigungsverhältnis vorliegt oder ein Ehrenamt ausgeübt wird, kann allerdings nur anhand einer Gesamtwürdigung aller maßgebenden Umstände des Einzelfalls beurteilt werden. Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) nimmt ehrenamtliche Tätigkeit an, wenn die Tätigkeit nicht der Sicherung oder Besserung der wirtschaftlichen Existenz dient, sondern Ausdruck einer inneren Haltung gegenüber Belangen des Gemeinwohls sowie den Sorgen und Nöten anderer Menschen ist. Hat also die ausgeübte Tätigkeit das Gemeinwohl zum Ziel und wird nicht aus finanziellem Interesse vorgenommen, handelt es sich i. d. R. um eine ehrenamtliche Tätigkeit. Dann besteht kein Beschäftigungsverhältnis und damit keine geringfügige Beschäftigung. Anders kann die Situation aber zu beurteilen sein, wenn dem Auftraggeber ein umfassendes Weisungsrecht zusteht. Grundsätzlich gilt für das Ehrenamt das Auftragsrecht. Dieses wird nicht verlassen, soweit sich notwendige Anweisungen des Auftraggebers mit den eigenen Zielen und Vorstellungen decken.

 

Soweit ehrenamtliche Tätigkeit vorliegt, besteht kein Anspruch auf den Mindestlohn. Werden allerdings Ehrenamts- (oder Übungsleiterpauschale) und Minijob untrennbar kombiniert, geht das BMAS davon aus, das insgesamt das MiLoG gilt. Der Mindestlohn gilt dann auch für den Teil der lohn- und sozialversicherungsfreien Pauschale.

 

Soweit eine ehrenamtliche Tätigkeit tatsächlich ein Beschäftigungsverhältnis darstellt, es insoweit aber an einer eindeutigen Regelung zur Arbeitszeit fehlt, gilt die eingangs dargestellte Vermutung, dass die Tätigkeit eine wöchentliche Arbeitszeit von 20 Stunden umfasst, die dann entsprechend den Mindestlohnkriterien der Sozialversicherung unterliegt.

6. Fazit und Konsequenzen

Die neuen gesetzlichen Regelungen bergen folglich viel Zündstoff für Betriebsprüfungen. Die Sozialversicherungen dürften sich in einer Vielzahl der Fälle auf sicherem Terrain bewegen, wenn klare Regelungen fehlen.

 

Ansprüche auf Beiträge verjähren, ähnlich wie die Lohnsteuer, vier Jahre nach dem Ablauf des Kalenderjahres, in dem sie fällig geworden sind. Ansprüche auf vorsätzlich vorenthaltene Beiträge verjähren allerdings erst nach 30 Jahren, während bei hinterzogener Lohnsteuer die Verjährungsfrist zehn Jahre, bei leichtfertiger Steuerverkürzung fünf Jahre beträgt.

 

Betriebsprüfungen durch den Rentenversicherungsträger haben nach der Rechtsprechung des BSG Kontrollfunktion. Sie sollen einerseits Beitragsausfälle verhindern, andererseits die Sozialversicherungsträger davor bewahren, dass aus der Annahme von Beiträgen für nicht versicherungspflichtige Personen Leistungsansprüche entstehen. Betriebsprüfungen haben deshalb keine auf die Zukunft gerichtete Schutzwirkung für den möglichen Arbeitgeber, d. h. wurden Sachverhalte als sozialversicherungsrechtlich „unkritisch“ beurteilt, hat diese Aussage keine Bindungswirkung für künftige Prüfungen.

 

Ferner kann ‒ zumindest in schwerwiegenden Fällen ‒ auch die Gemeinnützigkeit der Stiftung betroffen sein. Die Geschäftsleitung muss sich bei ihrer tatsächlichen Geschäftsführung nämlich an die verfassungsmäßige Ordnung halten, da die Rechtsordnung das gesetzestreue Verhalten aller Rechtsunterworfenen als selbstverständlich voraussetzt.

Quelle: Seite 57 | ID 45755751