Praxiswissen auf den Punkt gebracht.
logo
  • Meine Produkte
    Bitte melden Sie sich an, um Ihre Produkte zu sehen.
Menu Menu
MyIww MyIww

· Fachbeitrag · Sozialversicherungsrecht

Wahlrecht für Freiberufler in der gesetzlichen Krankenversicherung

von Horst Marburger, Geislingen

| Bereits 2016 hat der GKV-Spitzenverband mit der Veröffentlichung seiner Grundsätzlichen Hinweise zum Krankenkassenwahlrecht die Aufgabe übernommen, zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsanwendung bei der Umsetzung der Regelungen über das Krankenkassenwahlrecht den Krankenkassen Auslegungshinweise an die Hand zu geben. Die Hinweise sind darüber hinaus geeignet, auch anderen Interessierten ‒ und hier vor allem den Arbeitgebern ‒ nützliche Empfehlungen zu geben. Die Grundsätzlichen Hinweise wurden mit Datum vom 12.6.19 neu gefasst. |

1. Allgemein wählbare Krankenkassen

Das Krankenkassenwahlrecht spricht sowohl versicherungspflichtige als auch versicherungsberechtigte Personen an. Zu den Versicherungspflichtigen gehören in erster Linie die Arbeitnehmer, aber auch die zahlreichen weiteren Personengruppen, deren Versicherungspflicht im § 5 SGB V vorgeschrieben ist. Versicherungsberechtigt sind Personen, die zur freiwilligen Versicherung berechtigt sind, wie z. B. freiberuflich tätige Personen. Rechtsgrundlagen sind hier zum einen § 9 SGB V, zum anderen aber auch § 188 Abs. 4 SGB V (obligatorische Anschlussversicherung).

 

  • die AOK des Beschäftigungs- oder Wohnorts
  • jede Ersatzkasse
  • eine Betriebs- oder Innungskrankenkasse, wenn die Versicherten in einem Betrieb beschäftigt sind, für den eine Betriebs- oder Innungskrankenkasse (BKK oder IKK) besteht
  • eine BKK oder IKK, wenn die Satzung der BKK oder IKK das vorsieht (geöffnete BKK bzw. IKK)
  • die Deutsche Rentenversicherung Knappschaft-Bahn-See (Knappschaft)
  • die Krankenkasse, bei der vor Beginn der Versicherungspflicht oder Versicherungsberechtigung zuletzt eine Mitgliedschaft oder eine Versicherung nach § 10 SGB V (Familienversicherung) bestanden hat
  • die Krankenkasse, bei der der Ehegatte oder der Lebenspartner versichert ist.
 

Der GKV-Spitzenverband weist darauf hin, dass es hier aber auch Besonderheiten gibt:

 

  • So gibt es Personengruppen, die die Krankenkasse eines Elternteils wählen können. Es handelt sich hier zunächst um Personen, die in Einrichtungen der Jugendhilfe für eine Erwerbstätigkeit befähigt werden sollen und um Teilnehmer an Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben sowie bei Abklärungen der beruflichen Eignung oder Arbeitserprobung.

 

  • Das gilt auch für behinderte Menschen, und zwar für behinderte Menschen in anerkannten Werkstätten sowie für behinderte Menschen in Anstalten, Heimen oder gleichartigen Einrichtungen. Umfasst sind auch schwerbehinderte Menschen, die nach § 9 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 SGB V berechtigt sind, der gesetzlichen Krankenversicherung freiwillig beizutreten. Es gilt ferner für versicherungspflichtige Rentner und Rentenantragsteller.

 

  • Zusätzlich zu den allgemeinen Wahlrechten können Studenten (§ 5 Abs. 1 Nr. 9 SGB V) die AOK wählen, die für den Sitz der Hochschule örtlich zuständig ist. Die bereits erwähnten Versicherten, deren Mitgliedschaft sich im Rahmen der sog. obligatorischen Anschlussversicherung nach § 188 Abs. 4 SGB V fortsetzt, bleiben Mitglied der Krankenkasse, bei der zuletzt eine Pflichtversicherung oder eine Familienversicherung bestanden hat.

 

  • Versicherte nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V (Personen ohne anderweitigen Anspruch auf Absicherung im Krankheitsfall) werden Mitglied der Krankenkasse oder des Rechtsnachfolgers der Krankenkasse, bei der zuletzt eine ‒ ggf. schon viele Jahre zurückliegende ‒ Mitgliedschaft oder Familienversicherung bestanden hat. Waren sie zu keinem Zeitpunkt gesetzlich oder privat krankenversichert und sind sie nach ihrem Status der gesetzlichen Krankenversicherung zuzuordnen, können sie bei Eintritt der Versicherungspflicht ihre Krankenkasse frei wählen.

 

  • Die im Zuständigkeitsbereich der landwirtschaftlichen Krankenkasse Beschäftigten bzw. selbstständig Tätigen werden kraft Gesetzes bei dieser Krankenkasse versichert. Diese Personen haben kein Wahlrecht zu einer anderen Krankenkasse.

2. Ausübung des Krankenkassenwahlrechts

Rechtsgrundlage für die Ausübung des Krankenkassenwahlrechts, die dabei einzuhaltenden Fristen, die zu erstellenden Mitgliedsbescheinigungen oder Kündigungsbestätigungen und das erforderliche Meldeverfahren ist § 175 SGB V. Dabei sind die Grundsätze zur Ausübung des Krankenkassenwahlrechts für alle Versicherungspflichtigen und Versicherungsberechtigten weitgehend identisch geregelt.

 

2.1 Grundsätze

Nach § 175 Abs. 1 SGB V ist die Ausübung des Wahlrechts gegenüber der gewählten Krankenkasse vorzunehmen.

 

PRAXISTIPP | Die gewählte Krankenkasse darf die Mitgliedschaft nicht ablehnen oder die Erklärung des Versicherten nicht durch falsche oder unvollständige Beratung verhindern oder erschweren.

 

Das Wahlrecht kann nach Vollendung des 15. Lebensjahrs ausgeübt werden. Dabei ist zu beachten, dass derjenige, der das 15. Lebensjahr vollendet hat, Anträge auf Sozialleistungen stellen und verfolgen sowie Sozialleistungen entgegennehmen kann (§ 36 Abs. 1 SGB V ‒ Handlungsfähigkeit).

 

Bei den bereits erwähnten Verpflichtungen der gewählten Krankenkasse ist § 175 Abs. 2a SGB V zu beachten. Liegen der Aufsichtsbehörde der Krankenkasse Anhaltspunkte dafür vor, dass die Krankenkasse entgegen der obigen Verpflichtung eine Mitgliedschaft rechtswidrig abgeschlossen hat oder die Abgabe der Erklärung zur Krankenkassenwahl verhindert oder erschwert, hat sie diesen Anhaltspunkt unverzüglich (d. h. ohne schuldhaftes Zögern) anzugehen und die Krankenkasse zur Behebung einer festgestellten Rechtsverletzung und zur Unterlassung künftiger Rechtsverletzungen zu verpflichten.

 

Als rechtswidrig ist insbesondere eine Beratung durch die Krankenkasse anzusehen, die dazu führt, dass von der Erklärung ganz abgewichen wird oder diese nur unter erschwerten Bedingungen abgegeben werden kann. Die Verpflichtung der Krankenkasse ist mit der Androhung eines Zwangsgelds von bis zu 50.000 EUR für jeden Fall der Zuwiderhandlung zu verbinden.

 

Rechtsbehelfe gegen Maßnahmen der Aufsichtsbehörde haben keine aufschiebende Wirkung. Vorstandsmitglieder einer Krankenkasse, die vorsätzlich oder fahrlässig nicht verhindern, dass die Krankenkasse eine Mitgliedschaft rechtswidrig ablehnt oder die Abgabe der Erklärung verhindert oder erschwert, sind der Krankenkasse zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens als Gesamtschuldner verpflichtet. Die zuständige Aufsichtsbehörde hat nach Anhörung des Vorstandsmitglieds den Verwaltungsrat zu veranlassen, das Vorstandsmitglied in Anspruch zu nehmen, falls der Verwaltungsrat das Regressverfahren nicht bereits von sich aus eingeleitet hat.

 

2.2 Krankenkassenwahlrecht im Kündigungsverfahren

Die Ausübung des Krankenkassenwahlrechts im Kündigungsverfahren ist ein mehrstufiges Verfahren. Danach ist ein Krankenkassenwechsel möglich, wenn folgende Voraussetzungen kumulativ erfüllt sind:

 

  • Voraussetzungen für den Krankenkassenwechsel
  • Der Versicherte wählt die Krankenkasse unter Beachtung der Wahlmöglichkeiten.
  • Die 18-monatige (ab 1.1.21: 12-monatige) Bindungsfrist nach § 175 Abs. 4 S. 1 SGB V bei der bisherigen Krankenkasse ist erfüllt.
  • Die Mitgliedschaft wurde bei der bisherigen Krankenkasse fristgerecht beantragt.
  • Die bisherige Krankenkasse stellt unverzüglich, spätestens jedoch innerhalb von zwei Wochen nach Eingang der Kündigung, eine Kündigungsbestätigung aus und
  • die Mitgliedsbescheinigung der gewählten Krankenkasse wird der zur Meldung verpflichteten Stelle bzw. der bisherigen Krankenkasse (wenn keine zur Meldung verpflichtete Stelle ‒ wie etwa ein Arbeitgeber ‒ vorhanden ist), innerhalb der Kündigungsfristen vorgelegt.
 

Die vorstehend aufgeführten Voraussetzungen für die Ausübung des Krankenkassenwahlrechts im Kündigungsverfahren gelten nach den Grundsätzlichen Hinweisen des GKV-Spitzenverbands in den Fällen, in denen die Mitgliedschaft ununterbrochen besteht.

 

2.2.1 Eintritt eines sofortigen Kündigungsrechts

Tritt während der Kündigungsfrist ein Tatbestand ein, der zu einem sofortigen Kassenwahlrecht berechtigt, entfällt dadurch die Grundlage für ein Krankenkassenwahlrecht im Kündigungsverfahren und somit auch für eine ggf. zuvor ausgestellte Kündigungsbestätigung. Dann trifft die bisherige Krankenkasse eine Beratungspflicht, die über einen entsprechenden Hinweis in der Kündigungsbestätigung realisiert wird. Ein sofortiges Krankenkassenwahlrecht im vorstehenden Sinn bedeutet, dass eine wahlberechtigte Person eine neue Krankenkasse ohne Kündigung bei der bisherigen Krankenkasse wählen darf.

 

2.2.2 Unterbrechung der Mitgliedschaft

Das BSG (13.6.07, B 12 KR 19/06 R) hat festgestellt, dass bei erneutem Eintritt von Versicherungspflicht nach einer Unterbrechung der Mitgliedschaft ein neues Wahlrecht besteht, wenn die letzte Mitgliedschaft kraft Gesetz endete. Bei Wiedereintritt von Versicherungspflicht kann somit eine neue Krankenkasse ohne Vorlage einer Kündigungsbestätigung gewählt werden. Dabei spielt es keine Rolle, ob bei der bislang zuständigen Krankenkasse die Bindungsfrist bzw. die Mindestbindungsfristen für Wahltarife erfüllt sind.

 

Eine Unterbrechung i. d. S. liegt vor, wenn zwischen zwei Mitgliedschaften für mindestens einen Kalendertag eine Familienversicherung oder keine Versicherung in der gesetzlichen Krankenversicherung bzw. andere Versicherungspflichttatbestände (z. B. wegen einer privaten Krankenversicherung oder einer Krankenversicherung im Ausland) bestand. Zeiten eines nachgehenden Leistungsanspruchs nach § 19 Abs. 2 SGB V gelten ebenfalls als Unterbrechungen. Eine Unterbrechung kann auch auf einen Feiertag oder ein Wochenende fallen.

 

Keine Unterbrechung liegt vor, wenn sich ‒ ggf. unterschiedliche ‒ Versicherungspflichttatbestände nahtlos aneinanderschließen, sodass durchgehend Versicherungspflicht gegeben ist. Um eine Unterbrechung der Mitgliedschaft handelt es sich ebenfalls nicht, wenn auf das Ende eines Versicherungspflichttatbestands eine freiwillige Versicherung i. S. d. § 9 bzw. § 188 Abs. 4 SGB V folgt. Gleiches gilt, wenn eine freiwillige Mitgliedschaft wegen Eintritts einer Pflichtmitgliedschaft endet (§ 191 Nr. 2 SGB V). In diesen Fällen vollzieht sich ein Krankenkassenwechsel zwar auch sofort, jedoch unter Einhaltung der Mindestbindungsfrist bei der bisherigen Krankenkasse. Dagegen wird die obligatorische Anschlussversicherung nach § 188 Abs. 4 SGB V immer bei der letzten Krankenkasse begründet.

 

Es sind hier folgende Fälle möglich:

 

  • Fallunterscheidung
  • Erstmaliger Eintritt der Versicherungspflicht bzw. der Versicherungsberechtigung für Personen, die zuvor überhaupt nicht in der GKV versichert waren
  • Begründung einer Pflichtmitgliedschaft nach einer Unterbrechung der Versicherungspflicht für mindestens einen Tag
  • Begründung einer Pflichtmitgliedschaft im Anschluss an eine Familienversicherung
  • Begründung einer freiwilligen Versicherung nach § 9 SGB V im Anschluss an eine Familienversicherung oder nach einer Unterbrechung der Versicherung in der GKV (z. B. durch einen Auslandsaufenthalt)
 

2.3 Wahlerklärung des Mitglieds

Nach Auffassung des GKV-Spitzenverbands ist eine bestimmte Form der Wahlerklärung nach § 175 SGB V weder für versicherungspflichtige noch für versicherungsberechtigte Personen vorgesehen. Der GKV-Spitzenverband empfiehlt jedoch aus Gründen der Verfahrenssicherheit eine schriftliche Wahlerklärung. Allerdings ist die Schriftform verpflichtend, wenn die Wahlerklärung nach § 175 SGB V gleichzeitig die Funktion einer Beitrittserklärung i. S. d. § 188 Abs. 3 SGB V erfüllt (Beispiele: erstmalige Begründung einer freiwilligen Mitgliedschaft in der GKV oder bei der Begründung einer freiwilligen Mitgliedschaft im Anschluss an eine Familienversicherung bzw. Pflichtmitgliedschaft).

 

Die Wahlerklärungen der Versicherten sind einseitige, empfangsbedürftige Willenserklärungen, die dem öffentlichen Recht zuzuordnen sind. Sie werden dann nicht wirksam, wenn dem Empfänger der Wahlerklärung (der Krankenkasse) vor dem Zugang oder gleichzeitig ein Widerruf zugeht. In der Praxis wird allerdings davon ausgegangen, dass die Wahlerklärung bis zum Ende der Kündigungsfrist durch den Widerruf einer bzw. mehrerer Wahlerklärungen „korrigiert“ werden kann.

 

Sollte nach einer Kündigung das Wahlrecht mehrfach ausgeübt werden sein und werden aufgrund dessen der zur Meldung verpflichteten Stelle (insbesondere: Arbeitgeber) mehrere Mitgliedsbescheinigungen vorgelegt, gilt die Krankenkasse als gewährt, die der Versicherte der zur Meldung verpflichteten Stelle gegenüber benennt.

 

Ein Widerruf der Krankenkassenwahl nach dem Ende der Kündigungsfrist und damit nach Beginn der Mitgliedschaft bei der gewählten Krankenkasse ist dagegen ausgeschlossen.

 

Im Interesse der Versicherten hat sich die Praxis etabliert, wonach die neu gewählte Krankenkasse eine direkte Übermittlung der Mitgliedsbescheinigung an die zuständige Stelle übernimmt.

 

PRAXISTIPP | In diesem Zusammenhang ist auch zu beachten, dass Versicherte, die über mehr als eine zur Meldung verpflichtete Stelle verfügen (z. B. Mehrfachbeschäftigte), grundsätzlich allen zur Meldung verpflichteten Stellen eine Mitgliedschaftsbescheinigung vorzulegen haben. Ein Krankenkassenwechsel findet allerdings auch dann statt, wenn die Mitgliedsbescheinigung der neu gewählten Krankenkasse im Einzelfall lediglich einer der zur Meldung verpflichteten Stelle innerhalb der Kündigungsfrist vorgelegt wird.

 

3. Kündigung der Mitgliedschaft

Die Krankenkasse kann bei einer ununterbrochen bestehenden Pflicht- oder freiwilligen Mitgliedschaft nur gewechselt werden, wenn die Mitgliedschaft bei der bisherigen Krankenkasse wirksam gekündigt worden ist. Die abgewählte Krankenkasse hat dem Versicherten unverzüglich, spätestens innerhalb von zwei Wochen nach Eingang der Kündigung bei der Krankenkasse, eine Kündigungsbestätigung auszustellen. Die neu gewählte Krankenkasse darf die Mitgliedschaft im Rahmen des Kündigungsverfahrens ausnahmslos erst nach Vorlage der Kündigungsbestätigung der bisherigen Krankenkasse begründen. Der GKV-Spitzenverband verweist in diesem Zusammenhang auf das Urteil des BSG (9.11.11, B 12 KR 3/10 R) und fügt hinzu, dass nur dann, wenn ein sofortiges Wahlrecht besteht, eine Mitgliedschaft ohne Kündigungsbestätigung der vorherigen Krankenkasse begründet werden darf.

 

Eine Kündigung der Mitgliedschaft ist bis zum Ablauf des übernächsten Kalendermonats möglich. Gerechnet wird hiervon ab dem Monat, in dem das Mitglied die Kündigung erklärt.

 

Wird die Kündigung für eine Zeitpunkt ausgesprochen, zu dem ein Krankenkassenwechsel noch nicht möglich ist, weil beispielsweise die Bindungsfrist noch nicht abgelaufen ist, ist die Kündigung von der Krankenkasse entsprechend den Grundsätzen des § 140 BGB in eine Kündigung zum nächstmöglichen Zeitpunkt umzudeuten.

 

PRAXISTIPP | Versicherungspflichtige und freiwillig versicherte Mitglieder, die während der Kündigungsfrist keine neue Krankenkasse wählen, müssen ihre Kündigung nicht widerrufen, da sich die Mitgliedschaft bei ihrer bisherigen Krankenkasse automatisch fortsetzt.

 

Versicherungspflichtige und freiwillig versicherte Mitglieder, die nach einer Kündigung eine Wahlerklärung gegenüber einer Krankenkasse abgegeben haben, aber bei ihrer bisherigen Krankenkasse verbleiben wollen, haben ihre Kündigung innerhalb der Kündigungsfrist zurückzunehmen, damit diese Mitgliedschaft fortgesetzt werden kann. Der GKV-Spitzenverband führt hier weiter aus, dass die die Mitgliedschaft fortsetzende Krankenkasse innerhalb der Kündigungsfrist die zur Meldung verpflichtete Stelle informiert. Ergänzend dazu hat der Versicherte seine gegenüber der anderen Krankenkasse abgegebene Wahlerklärung zu widerrufen. Dieses Verfahren gilt auch dann, wenn der Versicherte Wahlerklärungen gegenüber mehreren Krankenkassen abgegeben hat.

 

PRAXISTIPP | Der Widerruf der Kündigung durch den Versicherten sollte aus Gründen der Verfahrenssicherheit schriftlich erfolgen. Allerdings ist ein Widerruf der Kündigung nach dem Ende der Kündigungsfrist und damit nach Beginn der Mitgliedschaft bei der gewählten Krankenkasse ausgeschlossen.

 

Erhebt die Krankenkasse nach § 242 Abs. 1 SGB V erstmals einen Zusatzbeitrag oder erhöht sie ihren Zusatzbeitragssatz, kann die Kündigung der Mitgliedschaft bis zum Ablauf des Monats erklärt werden, für den der Zusatzbeitrag erstmals erhoben oder erhöht wird (§ 175 Abs. 4 SGB V). Die Krankenkasse hat spätestens einen Monat vor diesem Zeitpunkt ihre Mitglieder in einem gesonderten Schreiben auf das Kündigungsrecht, aber auch auf die Übersicht des GKV-Spitzenverbands zu den Zusatzbeitragssätzen der Krankenkassen hinzuweisen. Überschreitet der neu erhobene oder der erhöhte Zusatzbeitragssatz den durchschnittlichen Zusatzbeitragssatz (2020: 1,1 %), so sind die Mitglieder auf die Möglichkeit hinzuweisen, in eine günstigere Krankenkasse zu wechseln. Kommt die Krankenkasse ihrer Hinweispflicht gegenüber einem Mitglied verspätet nach, gilt eine erfolgte Kündigung als in dem Monat erklärt, für den der Zusatzbeitrag erstmalig erhoben oder erhöht wird.

 

PRAXISTIPP | Zu beachten ist in diesem Zusammenhang auch die Sonderregelung des § 175 Abs. 3a SGB V. Bei Schließung oder Insolvenz einer Krankenkasse haben nämlich Versicherungspflichtige spätestens innerhalb von sechs Wochen nach Zustellung des Schließungsbescheids oder der Stellung des Insolvenzantrags der zur Meldung verpflichteten Stelle eine Mitgliedsbescheinigung vorzulegen.

 

4. Bindung an die Krankenkassenwahl

Abschn. 7 der Grundsätzlichen Hinweise beschäftigt sich mit der 18-monatigen Bindungsfrist. Das MDK-Reformgesetz hat § 175 Abs. 4 SGB V mit Wirkung ab dem 1.1.21 geändert, sodass ab diesem Zeitpunkt die Bindungsfrist 12 Monate beträgt. Zu beachten ist hier in erster Linie § 175 Abs. 4 S. 1 SGB V. Ist z. B. bei einem Arbeitgeberwechsel die Bindungsfrist noch nicht erfüllt, besteht kein sofortiges Krankenkassenwahlrecht und daher beginnt auch keine neue Bindungsfrist. Durch den Widerruf einer Kündigung wird ebenfalls keine neue Bindungsfrist ausgelöst.

 

Die Bindungsfrist ist nach den Ausführungen in den Grundsätzlichen Hinweisen des GKV-Spitzenverbands ein Zeitraum von 18 zusammenhängenden Zeitmonaten und berechnet sich von dem Zeitpunkt, an dem die Mitgliedschaft bei der gewählten Krankenkasse beginnt. Der Zeitpunkt der Ausübung der Krankenkassenwahl oder der Kündigung bei der bisherigen Krankenkasse ist für den Beginn der Bindungsfrist nicht von Bedeutung. Etwaige Unterbrechungen der Mitgliedschaft (z. B. Familienversicherung oder nachgehender Leistungsanspruch nach § 19 Abs. 2 SGB V) führen zur Beendigung der allgemeinen Bindungsfrist. Darüber hinaus endet die allgemeine Bindungsfrist mit Ablauf von 18 Monaten.

 

Wird im Anschluss an eine Pflichtmitgliedschaft eine Familienversicherung nach § 10 SGB V begründet, steht die Bindungsfrist an die bisherige Krankenkasse nicht entgegen. Das bedeutet, dass sich der Versicherte über einen Angehörigen ‒ ggf. bei einer anderen Krankenkasse ‒ familienversichern kann, obwohl er zum Zeitpunkt des Endes der Mitgliedschaft kraft Gesetzes seit der Ausübung des Wahlrechts noch keine 18 Monate bei seiner bisherigen Krankenkasse Mitglied gewesen ist.

 

Die Krankenkassen können gemäß § 175 Abs. 4 S. 9 SGB V in ihren Satzungen vorsehen, dass die Frist nicht eingehalten werden muss, wenn eine Mitgliedschaft bei einer anderen Krankenkasse der gleichen Kassenart begründet werden soll. Nach Ansicht des GKV-Spitzenverbands soll diese Regelung u. a. den Besonderheiten von Krankenkassen mit regional begrenzten Kassenbezirken Rechnung tragen. Andernfalls müssten die Mitglieder dieser Krankenkassen, wenn sie ein Beschäftigungsverhältnis außerhalb des Bezirks ihrer Krankenkasse begründen oder ihren Wohnort dorthin verlegen, bis zur Erfüllung der Bindungsfrist bei dieser Krankenkassen versichert bleiben, und zwar auch dann, wenn diese am neuen Wohn- oder Beschäftigungsort keine Geschäftsstelle unterhält.

5. Vordrucke

§ 175 Abs. 6 SGB V beinhaltet einen gesetzgeberischen Auftrag an den GKV-Spitzenverband zur Festlegung eines einheitlichen Verfahrens und von Vordrucken für die Meldungen und Mitgliedsbescheinigungen bei Umsetzung des § 175 SGB V. Soweit in diesem Zusammenhang die Inhalte der Meldungen auf der Seite der zur Meldung verpflichteten Stellen anlässlich der Ausübung des Krankenkassenwahlrechts angesprochen sind, besteht hierzu nach Auffassung des GKV-Spitzenverbands in seinen Grundsätzlichen Hinweisen kein Regelungsbedarf. Vielmehr gelten die Bestimmungen der Datenerfassungs- und ‒übermittlungsverordnung (DEÜV).

 

Zur Organisation des Verfahrens des Krankenkassenwechsels auf der Seite der Krankenkassen bedarf es aber einer einheitlichen Gestaltung der gesetzlichen vorgesehenen Mitgliedsbescheinigungen und Kündigungsbestätigungen. Daher hat der GKV-Spitzenverband folgende Vordrucke festgelegt:

 

  • Mitgliedsbescheinigung zur Vorlage bei der zur Meldung verpflichteten Stelle nach § 175 Abs. 2 S. 1 oder S. 3 SGB V (Anlage 1 zu den Grundsätzlichen Hinweisen),
  • Kündigungsbestätigung zur Vorlage bei der gewählten Krankenkasse nach § 175 Abs. 4 S. 3 SGB V (Anlage 2 zu den Grundsätzlichen Hinweisen),
  • Mitgliedsbescheinigung nach § 175 SGB V zur Vorlage bei der bisherigen Krankenkasse (Anlage 3 zu den Grundsätzlichen Hinweisen).

 

Der verbindliche Charakter der Vordrucke bezieht sich auf ihre Mindestinhalte. Dieser verbindliche Charakter schließt jedoch einen gewissen gestalterischen Spielraum der Krankenkasse nicht aus, sofern das Grundkonzept sowie die festgeschriebenen Mindestinhalte erhalten bleiben. Als Identifikationsmerkmal ist in den Vordrucken stets eine einheitliche Krankenversichertennummer nach § 290 SGB V zu verwenden.

6. Ausblick

Der Entwurf eines „Faire-Kassenwahl-Gesetzes“ sollte Änderungen bei den wählbaren Krankenkassen bringen (vgl. Tz. 1). Insbesondere war eine bundesweite Öffnung aller AOKs vorgesehen. Eine Verwirklichung dieser Pläne hätte bedeutet, dass Versicherungspflichtige und Versicherungsberechtigte jede AOK im Bundesgebiet hätten wählen dürfen. Allerdings ist dieses Vorhaben insbesondere am Widerstand der Länder und der AOKs gescheitert. Der erwähnte Gesetzentwurf ist nunmehr in „Fairer-Kassenwettbewerb-Gesetz“ umbenannt worden. Kernstück dieses Entwurfs ist die Reform des Finanzausgleichs (Risikostrukturausgleich).

Quelle: Seite 135 | ID 46298078