· Fachbeitrag · St. Galler Nachfolgemodell
Fairness und Gerechtigkeit als Gestaltungsaspekt bei familieninterner Unternehmensnachfolge ‒ Teil 2
von Dr. Frank Halter, St. Gallen und Prof. Dr. Swen Bäuml, Ingelheim am Rhein
| „Fairness und Gerechtigkeit“ sind bei einer familieninternen Nachfolge nicht nur ein Thema der „Software“ im Rahmen der Prozessbegleitung (vgl. Teil 1 des Beitrags). Diese Aspekte werden auch bei der steuerlich-rechtlichen Umsetzung der im familiären Entscheidungsprozess gefundenen Lösungen relevant. Die „Hardware“ in Gestalt von Schenkungs- und Erbverträgen, von Familienstatuten und gesellschaftsvertraglichen Regelungen ist das, was bleibt und mehrere Generationen überdauern sollte. Im zweiten Teil werden daher nun ausgewählte steuerliche und rechtliche Lösungsansätze für die optimale familieninterne Nachfolge bei der „Feinschliff Müller AG“ präsentiert. |
1. Relevante Aspekte der Ausgangslage der Fallstudie
Aus Sicht der „Hardware“ können die im o. g. Teil 1 dargestellten Erwartungen beider Generationen der Familie Müller wie folgt zusammengefasst werden:
1.1 Die Elterngeneration
Susanne Müller (62) und Hans Müller (58) als Eltern ist ihre finanzielle Absicherung im Alter auch nach einer Übergabe des zu 100 % Hans Müller gehörenden Betriebsvermögens wichtig. Vor diesem Hintergrund kann die Übergabevariante aus Sicht der Eltern nicht beliebig sein.
Für die finanzielle Absicherung zunächst unbeachtlich erscheint, ob die Übergabe familienintern („Family-Buy-Out“) erfolgt oder ob es zu einer externen Lösung kommt ‒ z. B. einen teilweisen oder auch vollständigen Verkauf an die beiden langjährigen Projektleiter Marco Freitag und Gerth Meier („Management-Buy-Out“). Der Verkauf an Dritte wäre bei einem gut etablierten Unternehmen wie der Feinschliff Müller AG ebenfalls denkbar.
Solange es nicht zu einem vollständigen Verkauf des Unternehmens kommt, sind allerdings der Fortbestand und der wirtschaftliche Erfolg der Feinschliff Müller AG wesentlich für die Versorgungssicherheit der Eltern. Daher setzt Hans Müller hier auf ein strenges Leistungsprinzip und favorisiert die Übergabe zumindest der Führung in die „fähigsten Hände“. Dabei präferiert er zunächst eine familieninterne Lösung.
Weiterhin wichtig ist der Elterngeneration, alle Kinder versorgt zu wissen. Aufgrund der gesundheitlichen Einschränkungen der Tochter Johanna kommt dem Bedürfnisprinzip in der Familie Müller ‒ als anzunehmender und ggf. zu moderierender Konsens aller Generationen ‒ ein besonderes Gewicht zu.
1.2 Die Töchter der Familie Müller
Die drei Töchter Johanna (37), Marianne (35) und Céline (30) haben unterschiedliche Erwerbs- und Lebensbiographien.
Johanna arbeitet seit 16 Jahren trotz gesundheitlicher Einschränkungen zumindest in Teilzeit im Unternehmen mit. Während sie verheiratet ist und drei noch minderjährige Kinder hat, sind die beiden Schwestern unverheiratet und kinderlos. Die jüngste Schwester Céline ist seit fünf Jahren im elterlichen Unternehmen und hat einen Erfolg versprechenden Geschäftsbereich aufgebaut. Die mittlere Schwester Marianne hat sich in einem gepachteten Landgasthof seit Jahren als Unternehmerin erfolgreich bewiesen und steht vor der Entscheidung, ob sie nun im Familienunternehmen mitwirken will.
Marianne und Céline sind sich einig, dass die Persönlichkeitsstruktur der ältesten Schwester Johanna eine gemeinsame Führungsnachfolge im Unternehmen nicht zulässt, was jedoch nicht zwingend eine Gleichbehandlung auf Ebene der Eigentumsnachfolge ausschließt.
2. Relevante Werkzeuge des Steuerrechts für Familie Müller
Für die Abbildung der in Rede stehenden Bedürfnisse, Erwartungen und Herausforderungen enthält der „Werkzeugkasten“ der steuerlich-rechtlichen Gestaltungsberatung Unterschiedliches, was in „richtigera“ Kombination zum erfolgreichen Nachfolgekonzept für die Familie Müller führen sollte.
2.1 (Innerfamiliäres) Freibetragsmanagement
Um das Familienvermögen möglichst ungeschmälert zu übertragen und damit die wesentliche Ertragsquelle „Feinschliff Müller AG“ nicht unnötig zu schwächen, wäre bei einer innerfamiliären Eigentumsnachfolge ein optimales Freibetragsmanagement geboten. Dies auch vor dem Hintergrund, dass für Schenkung- und Erbschaftsteuerzwecke der Verkehrswert des Unternehmens anstelle etwaiger Buch- oder Bilanzwerte anzusetzen ist. Das sog. vereinfachte Ertragswertverfahren (§§ 199 ff. BewG) sieht dabei einen Kapitalisierungsfaktor von 13,75 auf die Durchschnittserträge der letzten drei abgeschlossenen Wirtschaftsjahre vor Übertragung vor, was tendenziell einen im Marktvergleich überhöhten Wert ergibt!
Jeder der Töchter steht in der Steuerklasse I (§ 15 ErbStG) im Verhältnis zu jedem Elternteil ein persönlicher Freibetrag von 400.000 EUR alle zehn Jahre zu (§ 16 ErbStG). Angenommen, die persönlichen Freibeträge sind nicht bereits durch Vorschenkungen ganz oder teilweise aufgebraucht (§ 14 ErbStG), würden alleine die drei Töchter bei einer Übertragung der Geschäftsanteile an der Feinschliff Müller AG ein persönliches Freibetragsvolumen von 1,2 Mio. EUR im Verhältnis zum Vater zustehen.
GESTALTUNGSTIPP | Sollte die Unternehmensbewertung für die Feinschliff Müller AG einen höheren Wert ergeben oder die persönlichen Freibeträge bereits ganz oder teilweise durch Vorschenkungen aufgebraucht sein, könnte Hans Müller überlegen, auch die drei Enkel Marco (16), Marta (14) und Paula (12) bereits als Minderjährige durch Anteilsschenkungen zu bedenken. Schließlich stehen auch jedem Enkelkind im Verhältnis zum Großvater je 200.000 EUR persönlicher Freibetrag alle zehn Jahre zu. |
Für Hans Müller ist dies allerdings aus mehrerlei Gründen keine Option. Zum einen ist er der Überzeugung, dass diejenigen, die die Verantwortung tragen, auch die Geschäftsanteile und Stimmrechte alleine haben sollten, zum anderen will er den Gesellschafterkreis seines Unternehmens möglichst klein und in einer Generation halten, um die Schlagkraft auf Inhaberseite nicht unnötig zu verkomplizieren. Dafür nimmt er in Kauf, dass er die Steueroptimierung unter Einbeziehung der Enkel aus der Hand gibt.
Zudem hat Hans Müller das Thema Verteilungsgerechtigkeit im Hinterkopf: Dadurch, dass nur Johanna Kinder hat, könnte eine Schenkung an diese drei Enkel zu einer Ungleichverteilung von Geschäftsanteilen zwischen den drei Geschwisterstämmen führen. Aus Sicht von Hans Müller ein zu vermeidendes Konfliktpotenzial. Auch wäre eine Lösung im Falle etwaiger nachgeborener Enkel ‒ gleich aus welchem Geschwisterstamm ‒ schwieriger.
Eine gesplittete Schenkung von Teilen seiner Geschäftsanteile und die zeitliche Streckung der Schenkungen an eine oder mehrere Töchter um mehr als zehn Jahre, um jeweils innerhalb der Freibeträge zu bleiben, kommt für Hans Müller auch nicht in Betracht. Er will trotz seines recht jungen Alters (58) und der statistischen Lebenserwartung (vgl. Anlage zu § 14 BewG), die noch mehrere 10-Jahreszeiträume vorsieht, einen sauberen Schnitt bei der Übergabe.
Eine weitere Möglichkeit zur besseren Ausnutzung der Freibeträge bringt der Steuerberater der Familie Müller ins Spiel. Er schlägt vor, dass Hans Müller zunächst Geschäftsanteile im Rahmen des persönlichen Freibetrags von 500.000 EUR alle zehn Jahre an seine Ehefrau Susanne überträgt und diese dann wiederum an die Kinder im Rahmen ihrer vorweggenommenen Erbfolge weiter schenkt.
PRAXISTIPP | Solange Susanne frei entscheiden darf, ob und wann sie weiter überträgt, ist selbst innerhalb kurzer Fristen eine solche Kettenschenkung seitens der Finanzrechtsprechung anerkannt. Damit könnte das sonst brachliegende Freibetragsvolumen von 1,2 Mio. EUR der drei Kinder gegenüber der Mutter zumindest teilweise genutzt werden. Auch dies könnte noch optimiert werden, wenn Hans Müller im Rahmen eines Zugewinnausgleichs nach § 5 Abs. 2 ErbStG steuerfrei mehr als „nur“ 500.000 EUR Geschäftsanteile auf Susanne überträgt. |
2.2 Übertragung unter Vorbehaltsnießbrauch
Hinsichtlich der finanziellen Absicherung der Eheleute Müller muss noch bedacht werden, dass nach (hoffentlich) erfolgreicher familieninterner Übergabe des Unternehmens kein „Kaufpreis“ als Gegenleistung zufließen würde; zugleich wären sie von der wesentlichen Ertragsquelle für ihren Lebensunterhalt getrennt. Insofern wäre ein (teilweiser) externer Verkauf (Management-Buy-Out oder an Dritte) womöglich attraktiver, auch wenn für die Betriebsveräußerung Einkommensteuer auf den Veräußerungsgewinn anfiele. Hier wäre auch zu beachten, dass Hans Müller aufgrund des vollendeten 55. Lebensjahres in den Genuss der §§ 16, 34 EStG käme.
Dieses Problem ließe sich auch bei einer familiären Lösung in den Griff bekommen. Denn auch bei einer Schenkung der Geschäftsanteile an die Töchter unter Vorbehalt eines lebenslangen Nießbrauchs wäre die finanzielle Absicherung gewährleistet. Der Vorbehaltsnießbrauch würde eine vollständige oder quotale Partizipation an den ausschüttungsfähigen Erträgen der AG ermöglichen, die Geschäftsanteile hätte aber bereits die nächste Generation inne.
Zugleich könnte sich Hans Müller im Rahmen des Nießbrauchs noch Stimmrechte vorbehalten. Dann könnte er weiter seine Erfahrung einbringen und damit die künftige Ertragskraft stützen. Der Kernbereich der Gesellschafterrechte müsste der bzw. den Töchtern aber exklusiv zustehen ‒ z. B. die Entscheidungen in Sachen Verkauf, Geschäftsaufgabe, Liquidation.
Mit diesem Vorschlag können sich die Eheleute Müller anfreunden, vermeidet diese Lösung doch die externe Nachfolge, sichert die finanzielle Grundlage im Alter und gibt Hans Müller die Möglichkeit, als Nießbraucher die Geschicke „seines“ Unternehmens noch ein wenig zu begleiten. Parallel dazu soll ein Beirat etabliert werden, dessen Vorsitz Hans Müller innehaben wird. Seine Frau Susanne befürwortet diese Entwicklung, die auch den Prozess des Loslassens für ihren Ehemann erleichtert.
Steuerlich hat der Vorbehaltsnießbrauch noch den Charme, dass dessen auf die statistische Lebenszeit von Hans Müller kapitalisierter Wert (§§ 14 ‒ 16 BewG) von dem gegebenenfalls steuerpflichtigen Erwerb steuermindernd abzuziehen ist (vgl. auch § 10 Abs. 5, 6 ErbStG). Damit könnte auch ein die persönlichen Freibeträge übersteigender Unternehmenswert teilweise kompensiert werden, sodass die Schenkung der Geschäftsanteile „passgenau“ durch die persönlichen Freibeträge aufgefangen werden könnte.
MERKE |
|
3. Weitere erbschaft-/schenkungsteuerliche Aspekte
Neben der tendenziell überhöhten Unternehmensbewertung mit einem Faktor von 13,75 spielt bei der Übergabe auch das im Betrieb befindliche, aber dennoch nicht steuerbegünstigte sog. Verwaltungsvermögen eine Rolle (vgl. § 13b Abs. 4 ErbStG). Dazu zählen u. a. Grundstücke und Gebäude, die nicht eigenbetrieblich genutzt, sondern an Dritte vermietet oder verpachtet werden, Beteiligungen an Kapitalgesellschaften von nicht mehr als 25 %, Wertpapiere und auch Finanzmittel, wie z. B. Forderungen aus Lieferungen und Leistungen der Feinschliff Müller AG.
Die Eheleute Müller sind erleichtert, als nach den Berechnungen des Steuerberaters das vorhandene Verwaltungsvermögen innerhalb der zulässigen (und damit steuerlich begünstigungsfähigen) Bagatellgrenze von 10 % des Wertes des begünstigten Betriebsvermögens liegt. Insoweit sind dann nach den Erkenntnissen des Steuerberaters bei einer schenkweisen Übergabe auch die sog. sachlichen Steuerbefreiungen der §§ 13a, 13b ErbStG anwendbar, mithin
- die Regelverschonung (= 85 %-Freistellung des begünstigten Betriebsvermögens; § 13a Abs. 1 ErbStG),
- die 100 %-Optionsverschonung (= 100 %-Freistellung des begünstigten Betriebsvermögens; § 13a Abs. 10 ErbStG) sowie
- der gleitende Abzugsbetrag von 150.000 EUR des § 13a Abs. 2 ErbStG für Klein- und Mittelunternehmen.
Die deutlich schärferen Regelungen für sog. Großerwerbe ab 26 Mio. EUR je Erwerber (sog. Abschmelzmodell, § 13c ErbStG und sog. Verschonungsbedarfsprüfung, § 28a ErbStG) sind vorliegend nicht relevant, da der Wert des begünstigten Betriebsvermögens der Feinschliff Müller AG darunter liegt (vgl. auch Bäuml/Bauer in: Bäuml [Hrsg.], Rechtliche und steuerliche Aspekte der Nachfolgegestaltung, NWB-Sonderheft 2019, 1 ff.).
MERKE |
|
4. Konkrete Überlegungen zum Nachfolgekonzept
Im Laufe des Nachfolgeprozesses und als Erkenntnis aus den Gesprächen mit seiner Frau, den Töchtern wie auch dem Steuerberater kommt Hans Müller zu dem Schluss, dass er das für die Führung der Feinschliff Müller AG bevorzugte Leistungsprinzip umsetzen kann, ohne auf Ebene der Verteilungsgerechtigkeit das Gleichheitsprinzip aufgeben zu müssen.
4.1 Variante 1: Eigentumsnachfolge durch alle drei Töchter
Hans Müller sieht als gangbaren Weg, alle drei Töchter zu gleichen Teilen am Eigentum durch quotale Übertragung der Geschäftsanteile zu beteiligen. Im Rahmen der Gesellschafterversammlung und der Gesellschafterverantwortung hält er auch die unmittelbare Zusammenarbeit seiner Töchter Marianne und Céline mit Johanna für zumutbar, auch wenn diese für das operative Tagesgeschäft nach der klaren Positionierung der beiden jüngeren Schwestern gegen Johanna ausscheidet. Die Risiken einer wechselseitigen Blockade wären bei jeweils einem Drittel der Stimmrechte vernachlässigbar.
Beachten Sie | Voraussetzung ist allerdings, dass der ohnehin neu zu fassende Gesellschaftsvertrag der Feinschliff Müller AG entsprechende Mehrheitserfordernisse vorsieht und z. B. Quoren mit 75 % vermeidet.
GESTALTUNGSTIPP | Um die Situation weiter zu entschärfen, hätte Hans Müller noch die Beteiligung seiner beiden Projektleiter Marco Freitag und Gerth Meier in der Hinterhand, die als Gesellschafter mit z. B. jeweils 5 % eine zusätzliche Incentivierung erfahren würden. Schließlich würde Hans Müller sich bei den Schenkungen an die Töchter jeweils einen Teil der Stimmrechte im Wege des Vorbehaltsnießbrauchs sichern und könnte hierüber moderierenden und erforderlichenfalls mäßigenden Einfluss geltend machen. |
Auf Ebene der Führungsnachfolge will Hans Müller aus Verantwortung gegenüber dem Unternehmen, den Mitarbeitern, aber auch zur Absicherung seiner Erträge aus dem Nießbrauch das Leistungsprinzip durchsetzen. Mit Blick auf die eingeschränkte Gesundheit von Johanna sieht er hier in der Führungsrolle nur die Töchter Marianne und Céline. Sollte Marianne ihren Karriereweg außerhalb des Familienunternehmens sehen, bliebe ihr die Gesellschafterrolle und Céline würde die Geschäftsführung übernehmen.
Den beiden erfahrenen Führungskräften Marco Freitag und Gerth Meier würde aber in allen Varianten eine wichtige Funktion und Verantwortung zukommen, entweder als Gesellschafter-Geschäftsführer oder als angestellte Geschäftsführer.
Mit Unterstützung eines Moderators wollen die Eltern das Gespräch mit Johanna suchen, um ihr trotz der Nichtberücksichtigung in der Führungsnachfolge die familiäre Wertschätzung zu zeigen und die Entscheidungsgründe zu vermitteln. Vor allem wären Johanna und ihre Familie aber finanziell über die Erträge als Mitgesellschafter abgesichert und eine separate Versorgungslösung nicht erforderlich.
4.2 Variante 2: Eigentumsnachfolge nur durch eine oder zwei Töchter
Nicht zuletzt in Abhängigkeit von der Bereitschaft Johannas, sich auf die skizzierte Variante 1 positiv einzulassen, können sich die Eheleute Müller auch vorstellen, die Eigentumsnachfolge nur mit Marianne und Céline zu lösen. Die Führungsnachfolge soll aber wie bei Variante 1 gestaltet werden.
GESTALTUNGSTIPP | Um die auf lange Sicht nicht gewünschte Ungleichverteilung der Geschäftsanteile zwischen den drei Geschwisterstämmen zu vermeiden, könnte Hans Müller auch die dem „Stamm Johanna“ zustehenden Anteile zunächst zurückbehalten und z. B. bei Erreichen der Volljährigkeit oder bei Abschluss einer Ausbildung/eines Studiums jeweils an die drei Enkel Marco, Marta und Paula unter Auslassung ihrer Mutter übertragen. |
Um bis dahin das potenzielle Vorversterbensrisiko aufzufangen, würde Hans Müller ‒ abweichend von der gesetzlichen Erbfolge ‒ eine entsprechende Nachlassregelung vorsehen und ‒ auf Anraten seines Steuerberaters ‒ auch eine Testamentsvollstreckung hierfür vorsehen.
Johanna soll auf Wunsch der Eltern vermögensmäßig abgesichert werden. Da die Eltern nicht über signifikantes Privatvermögen außerhalb der Feinschliff Müller AG verfügen, werden die Schenkungen an die beiden Schwestern mit der Auflage verbunden, der ältesten Schwester aus den ausschüttungsfähigen Erträgen des Unternehmens ‒ gestreckt über mehrere Jahre und je nach wirtschaftlicher Situation ‒ Kompensationszahlungen zu leisten.
Um die in die Geschäftsanteile nachfolgenden Töchter finanziell hierfür in die Lage zu versetzen, will Hans Müller seinen Vorbehaltsnießbrauch nur quotal vorsehen. Im Falle des Versterbens der Eheleute Müller soll zudem nach dem Letztversterbenden das noch vorhandene Privatvermögen an Johanna als Erbin gehen. Im Gegenzug soll Johanna auf die (spätere) Geltendmachung eines etwaigen Pflichtteilsanspruchs verzichten.
Beachten Sie | Damit würde auch vermieden, dass neuerlich signifikantes (erbschaftsteuerpflichtiges) Vermögen auf Ebene der Eltern angesammelt wird. Eine zusätzliche finanzielle Absicherung neben dem Nießbrauch erhält Hans Müller als Vorsitzender des neu gegründeten Unternehmensbeirats, dessen Vorsitz er sich auf Lebenszeit vorbehält.
5. Nachhaltige Lösung und Blick in die Zukunft
Die Nachfolgesituation in der Familie Müller ist eine Gemengelage aus beruflich-finanziellen Positionierungen und Erwartungen aller Familienmitglieder, streng am Leistungsprinzip orientierter Unternehmenslogik und Unternehmerverantwortung, gesetzlichen Vorgaben und Leitplanken sowie emotionaler und familiärer Wertschätzung und Verhaltenslogik ‒ und insofern typisch. Die Unterstützung durch neutrale, frei von Eigeninteressen agierenden Moderatoren und Beratern („Trusted Advisor“) kann hier die unterschiedlichen Ebenen und Persönlichkeiten strukturieren und versachlichen. Das Ziel einer an den Gerechtigkeitskriterien ausgerichteten Nachfolgelösung ist erstrebenswert, denn nur so lassen sich nachhaltig tragfähige Lösungen erarbeiten.
Um die Nachhaltigkeit über die Generationen zu stärken, will Hans Müller gemeinsam mit der gesamten Familie ein Familienstatut erarbeiten, in dem die gemeinsame Familien- und Unternehmensgeschichte, die gemeinsamen Werte und Prinzipien wie auch die gemeinsamen materiellen wie auch immateriellen Ziele zusammengefasst werden. Dieses soll mit Erreichen der Volljährigkeit auch durch die jeweiligen Enkel mitunterzeichnet und von jeder Generation weiterentwickelt werden. Das Familienstatut soll den nur die Gesellschafter bindenden Gesellschaftsvertrag der Feinschliff Müller AG als Symbol des familiären Überbaus ergänzen.
Zu den Autoren | Dr. Frank Halter ist Autor des St. Galler Nachfolge-Modells sowie weiterer Publikationen und hat viel Erfahrung in der Begleitung von Familien in deren Nachfolgeprozessen; vgl. auch www.sgnafo-modell.ch und www.sgnafo-praxis.ch. Prof. Dr. Swen Bäuml, Wirtschaftsjurist/Steuerberater, Zertifizierter Family Officer (FvF), ist Inhaber der auf Unternehmerfamilien und Familienunternehmen spezialisierten Beratungsgesellschaft „INFOB ‒ Prof. Dr. Bäuml“ in Ingelheim am Rhein. Seine Schwerpunkte sind die Organisations- und Strukturberatung von Unternehmerfamilien und -vermögen sowie die steuerlich-rechtliche Nachfolgeberatung; vgl. auch www.in-fob.de.