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· Fachbeitrag · Steuererklärung

Auszahlungen aus Lebensversicherungen: So minimieren Sie Steuerzahlungen (Teil 1)

von Dipl.-Finanzwirt, M.A. (Taxation), Daniel Denker, Oldenburg und Dipl.-Finanzwirt Marvin Gummels, Hage, www.steuer-webinar.de

| Deutsche Bürger haben im Jahr 2020 mehr als 82 Mrd. Euro an Auszahlungen aus Lebensversicherungsverträgen erhalten. So steht es in Statista.de. Da stellt sich schnell die Frage, wieviel netto unterm Strich eigentlich übrigbleibt. Die Finanzamts-Praxis zeigt, dass oft zu viel versteuert wird. SSP macht Sie deshalb mit den wichtigsten Spielregeln vertraut, nennt Ihnen typische Besteuerungsfehler und zeigt, wie Sie sich zu viel gezahlte Steuern vom Finanzamt zurückholen können. |

Die Besteuerungs-Grundsätze

Erträge aus kapitalbildenden Lebensversicherungen gehören zu den Einkünften aus Kapitalvermögen (§ 20 Abs. 1 Nr. 6 EStG). Steuerpflichtig ist dabei ‒ im Erlebensfall oder bei Rückkauf des Vertrags bei Rentenversicherungen mit Kapitalwahlrecht ‒ der Unterschiedsbetrag zwischen der Versicherungsleistung und der Summe der gezahlten Beiträge. Haben Sie den Anspruch auf die Versicherungsleistung entgeltlich erworben, treten die Anschaffungskosten an die Stelle der entrichteten Beiträge (§ 20 Abs. 1 Nr. 6 S. 3 EStG).

 

Die Versteuerung hängt von unterschiedlichen Faktoren ab

Bei der Versteuerung müssen Sie unterscheiden, ob es sich um Alt- oder Neuverträge handelt, wie lange die Vertragslaufzeit war und welches Lebensjahr Sie bei der Auszahlung der Erträge vollendet haben. Daraus können sich unterschiedliche Folgen ergeben.

Bei Altverträgen ist 100-prozentige Steuerbefreiung möglich

Durch das Alterseinkünftegesetz ist § 20 Abs. 1 Nr. 6 EStG mit Wirkung ab dem 01.01.2005 neu gefasst worden. Haben Sie Ihren Vertrag davor abgeschlossen, kann eine vollständige Steuerbefreiung greifen. Für diese Altverträge gilt zwar, dass außerrechnungsmäßige und rechnungsmäßige Zinsen aus den Sparanteilen dem Grunde nach im vollen Umfang steuerpflichtig sind. Aber: Die Zinsen sind steuerfrei, wenn sie mit Beiträgen verrechnet werden oder erst nach Ablauf von zwölf Jahren seit dem Vertragsabschluss an Sie ausgezahlt werden. Einzelheiten regelt das BMF-Schreiben vom 25.11.2004 (Az. IV C 1 ‒ S 2252 ‒ 405/04, Abruf-Nr. 050116).

 

Wichtig | Von der Steuerbefreiung können Sie nicht profitieren, wenn Sie die Ansprüche aus der Versicherung abgetreten haben und der Tilgung der Sicherheit eines Darlehens dienen, dessen Finanzierungskosten Betriebsausgaben oder Werbungskosten (z. B. bei Vermietung und Verpachtung) sind (sog. Police-Darlehen, § 10 Abs. 2 S. 2 EStG i. d. F. 31.12.2004).

Hier ist eine 50-prozentige Steuerbefreiung möglich

Handelt es sich um einen nicht begünstigten Vertrag (Abschluss nach dem 31.12.2004), können Sie ggf. trotzdem von einer Steuerbegünstigung profitieren.

 

Die zwei denkbaren vertraglichen Konstellationen

Hier kommt es auf die Laufzeit des Vertrags, das Datum des Vertragsabschlusses und Ihr vollendetes Lebensalter im Zeitpunkt der Auszahlung an:

 

  • Verträge mit Abschluss zwischen 01.01.2005 und 31.12.2011: Wird die Versicherungsleistung nach Vollendung Ihres 60. Lebensjahrs und nach Ablauf von zwölf Jahren seit dem Vertragsabschluss ausgezahlt, ist die Hälfte des Unterschiedsbetrags steuerfrei.

 

  • Verträge mit Abschluss ab dem 01.01.2012: Mit Schreiben vom 06.03.2012 hat das BMF die Voraussetzung des Lebensalters ‒ wegen der Anhebung des Mindestrentenalters ‒ angehoben. Seitdem muss man mindestens das 62. Lebensjahr vollendet haben, um von der 50-prozentigen Steuerbefreiung profitieren zu können. Wird die Versicherungsleistung also nach Vollendung Ihres 62. Lebensjahrs und nach Ablauf von zwölf Jahren seit dem Vertragsabschluss ausgezahlt, ist die Hälfte des Unterschiedsbetrags steuerfrei. Einzelheiten entnehmen Sie dem BMF-Schreiben vom 06.03.2012 (Az. IV C 3 ‒ S 2220/11/10002, Abruf-Nr. 227653).

 

Wichtig | Für gewisse Neuverträge ab dem 01.04.2009 müssen weitere Vo-raussetzungen erfüllt sein. Mehr erfahren Sie in Teil 2 des Beitrags in der Mai-Ausgabe.

 

Steuervergünstigung nur mittels Steuererklärung erreichbar

Die hälftige Steuerfreistellung ist in § 20 Abs. 1 Nr. 6 S. 2 EStG geregelt. Was weithin unbekannt ist: Sie müssen die Steuerbefreiung in Ihrer Einkommensteuererklärung selbst geltend machen. Die Banken bzw. Versicherungen behalten auf den gesamten Bruttoertrag 25 Prozent Kapitalertragsteuer nebst Solidaritätszuschlag und ggf. Kirchensteuer ein (§ 43 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 S. 1 und 2 EStG).

 

Mit dem Einbehalt der Steuerbeträge ist grundsätzlich Abgeltungswirkung eingetreten (§ 43 Abs. 5 EStG). Da die Erträge regelmäßig den Sparer-Pauschbetrag bzw. Freistellungsauftrag von 801 bzw. 1.602 Euro (Zusammenveranlagung) übersteigen, kommt es zu einer Steuerbelastung. Ob es sich um begünstigte Erträge handelt, können Sie in der Regel der Steuerbescheinigung der Bank bzw. des Versicherungsunternehmens entnehmen.

 

Die hälftige Steuerfreistellung machen Sie geltend

  • in den Einkommensteuererklärungen 2021 und 2020 jeweils in der Anlage KAP, Zeile 30
  • in der Einkommensteuererklärung 2019 in Anlage der KAP, Zeile 23.

 

Was Sie sonst noch zur Hälftebesteuerung wissen sollten

Auch wenn Sie in den Genuss der Hälftebesteuerung kommen, müssen Sie wissen, dass Versicherungsunternehmen immer vom vollen Unterschiedsbetrag 25 Prozent Kapitalertragsteuer einbehalten (§ 43 Abs. 1 Nr. 4 EStG). Dieser Betrag ist höher als der, den Sie eigentlich ans Finanzamt abführen müssen. Um die zu hohe Besteuerung zu glätten, müssen Sie also in der Anlage KAP beantragen, dass nur der halbe Unterschiedsbetrag Ihrem persönlichen Steuersatz unterworfen wird (§ 32d Abs. 2 Nr. 2 EStG).

 

Vereinfachter Steuerbelastungsvergleich

Die Reduzierung der Steuerbelastung zeigt folgende vereinfachte Tabelle (ohne Solidaritätszuschlag und Kirchensteuer):

 

Bruttoertrag

10.000 Euro

10.000 Euro

10.000 Euro

./. Steuerfreier Teil 50 %

0 Euro (keine Anlage KAP)

5.000,00 Euro

5.000,00 Euro

./. Sparerpauschbetrag

801,00 Euro

801,00 Euro

801,00 Euro

= Steuerpflichtiger Ertrag

9.199,00 Euro

4.199,00 Euro

4.199,00 Euro

x Steuersatz

25 %

35 %

42 %

= Steuerbelastung

2.299,75 Euro

1.469,65 Euro

1.763,58 Euro

Nettobetrag

7.700,25 Euro

8.530,35 Euro

8.236,42 Euro

Steuerlicher Vorteil

830,10 Euro

536,17 Euro

 

 

Erläuterung: Dieses vereinfachte Beispiel zeigt die Steuerbelastungsdifferenzen eindeutig auf. Bei einem Grenzsteuersatz von 35 Prozent ergibt sich ein Vorteil in Höhe von 830,10 Euro gegenüber einer Nichterklärung auf der Anlage KAP. Dabei gilt: Je niedriger der individuelle Grenzsteuersatz, desto höher die Steuerersparnis. Doch selbst wenn Sie einen Grenzsteuersatz von 42 Prozent haben sollten, ergibt sich für Sie noch eine Steuerersparnis (im Beispiel ein Vorteil von 536,17 Euro gegenüber einer Nichterklärung).

 

Da im Rahmen von Auszahlungen von Lebensversicherungen der Sparer-Pauschbetrag (bzw. der Freistellungsauftrag) häufig um ein Vielfaches überschritten wird, lohnt sich daher regelmäßig eine Eintragung auf der Anlage KAP.

 

ZWISCHENFAZIT | Die Praxis zeigt, dass viele Steuerbürger aufgrund der abgeltenden Steuerwirkung mit 25 Prozent keine Anlage KAP im Rahmen ihrer Steuererklärung abgeben. Prüfen Sie daher genau, ob Sie eine begünstigte Auszahlung aus einem Versicherungsvertrag im Sinne des § 20 Abs. 1 Nr. 6 EStG erhalten haben, und eine evtl. vorgenommene Besteuerung über die Anlage KAP mindern können. Ob Sie einen begünstigten Vertrag haben, muss für jeden Einzelfall beurteilt werden. Die entsprechenden Informationen liefert Ihnen SSP in Teil 2 in der Mai-Ausgabe.

 
Quelle: Seite 6 | ID 48019507