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· Fachbeitrag · Steuerrecht

BMF legt Referentenentwurf zur Reform des Grundsteuer- und Bewertungsrechts vor

von OAR a. D. Alfred Kruhl, Sankt Augustin

| Bundesfinanzminister Olaf Scholz hat am 9.4.2019 den Referentenentwurf zur Reform der Grundsteuer vorgelegt und diesen zwecks Abstimmung an die übrigen Ressorts verschickt. Der Entwurf beinhaltet insbesondere die Eckpunkte für die Reform des Grundsteuer- und Bewertungsrechts, auf die sich Bund und Länder ‒ mit Ausnahme von Bayern ‒ Anfang Februar dieses Jahres verständigt haben. Der folgende Beitrag befasst sich mit den wesentlichen Punkten des BMF-Vorschlags und vermittelt Eigentümern, Mietern und Unternehmern eine Vorstellung davon, was sie nach derzeitigem Stand vom Gesetzgeber zu erwarten haben. |

 

Die Vorgaben des BVerfG

Der vom BMF vorgelegte Entwurf muss die Vorgaben des Urteils des BVerfG (BVerfG 10.4.18, 1 BvL 11/14, 1 BvR 889/12, 1 BvR 639/11, 1 BvL 1/15, 1 BvL 12/14) berücksichtigen und ein verfassungsfestes Gesetz im parlamentarischen Verfahren zur Verabschiedung bringen. Der Erste Senat des BVerfG hat entschieden, dass die Regelungen des BewG zur Einheitsbewertung von Grundvermögen in den „alten“ Bundesländern seit Beginn des Jahres 2002 mit dem allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) unvereinbar sind. Das Festhalten an dem Hauptfeststellungszeitpunkt von 1964 führe zu gravierenden und umfassenden Ungleichbehandlungen bei der Bewertung von Grundvermögen, für die es keine ausreichende Rechtfertigung gebe. Mit dieser Begründung hat das BVerfG die entsprechende Vorschrift für verfassungswidrig erklärt. Gleichzeitig hat der Senat bestimmt, dass der Gesetzgeber spätestens bis zum 31.12.2019 eine Neuregelung beschließen muss, damit die Grundsteuer weiterhin von den Kommunen erhoben werden kann. Bis zu diesem Zeitpunkt dürfen die verfassungswidrigen Regelungen weiter angewandt werden. Für die administrative Umsetzung hat das BVerfG eine Frist bis spätestens 31.12.2024 gesetzt.

 

Folgende Grundsätze hat das BVerfG in der Begründung seiner Entscheidung herausgestellt:

 

  • Grundsatz der Lastengleichheit
  • Gleichheitsrechtlicher Ausgangspunkt im Steuerrecht ist der Grundsatz der Lastengleichheit. Die Steuerpflichtigen müssen diesem Grundsatz entsprechend durch ein Steuergesetz rechtlich und tatsächlich gleichmäßig belastet werden. Dabei belässt der Gleichheitssatz dem Gesetzgeber einen weitreichenden Entscheidungsspielraum sowohl bei der Auswahl des Steuergegenstands als auch bei der Bestimmung des Steuersatzes.

 

  • Wertverzerrungen durch Verzicht auf Hauptfeststellungen
  • Die Aussetzung einer erneuten Hauptfeststellung der Einheitsbewertung über einen längeren Zeitraum ‒ wie in den der Entscheidung zugrunde liegenden Verfahren geschehen ‒ führt systembedingt in erheblichem Umfang zu Ungleichbehandlungen durch ungleiche Bewertungsergebnisse. Der Gesetzgeber hat den Zyklus der periodischen Wiederholung von Hauptfeststellungen, nachdem er ihn erst 1965 wieder aufgenommen hatte, nach der darin auf den 1.1.1964 bezogenen Hauptfeststellung ausgesetzt und seither nicht mehr aufgenommen. Dies führte in zunehmendem Maße zu Wertverzerrungen innerhalb des Grundvermögens.

 

  • Unterschiedliche Entwicklungen von Einheits- und Verkehrswerten
  • Im Laufe der Jahre haben sich unterschiedliche Entwicklungen von Einheits- und Verkehrswerten ergeben. Die aus der Überdehnung des Hauptfeststellungszeitraums folgenden flächendeckenden, zahlreichen und erheblichen Wertverzerrungen bei der Einheitsbewertung des Grundvermögens führen zu entsprechenden Ungleichbehandlungen bei der Erhebung der Grundsteuer.

 

  • Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers
  • Der Verzicht auf neue Hauptfeststellungen dient zwar der Vermeidung eines besonderen Verwaltungsaufwands. Hierfür steht dem Gesetzgeber zwar ein erheblicher Gestaltungsspielraum zur Verfügung. Dieser deckt aber nicht die Inkaufnahme eines dysfunktionalen Bewertungssystems. Erweist sich eine gesetzliche Regelung als in substanziellem Umfang grundsätzlich gleichheitswidrig, können weder ein Höchstmaß an Verwaltungsvereinfachung noch die durch eine solche Vereinfachung weitaus bessere Kosten-/Nutzenrelation zwischen Erhebungsaufwand und Steueraufkommen dies auf Dauer rechtfertigen.

 

  • Typisierung und Pauschalierung
  • Gründe der Typisierung und Pauschalierung rechtfertigen ebenfalls nicht die Aussetzung der Hauptfeststellung und ihre Folgen. Die Wertverzerrungen sind keinesfalls auf atypische Sonderfälle oder vernachlässigbare Korrekturen in Randbereichen beschränkt. Sie betreffen vielmehr die Wertfeststellung im Kern, sind in weiten Bereichen zum Regelfall geworden und nehmen mit der fortschreitenden Dauer des Hauptfeststellungszeitraums an Zahl und Ausmaß zu.

 

  • Fehlende Rechtfertigungsgründe
  • Weder eine gemessen am Verkehrswert generelle Unterbewertung des Grundvermögens noch die vermeintlich absolut geringe Belastungswirkung der Grundsteuer vermögen die Wertverzerrungen zu rechtfertigen. Die Wertverzerrungen können entgegen der Auffassung der Bundesregierung und einiger Ländervertreter schließlich auch nicht durch Nachfeststellungen oder Wertfortschreibungen und auch nicht durch Anpassungen der Grundsteuerhöhe über die Hebesätze verfassungsrechtlich kompensiert werden.

 

Zum Inhalt des Referentenentwurfs

Nach den Plänen des BMF soll die Grundsteuer rechtssicher und aufkommensneutral reformiert werden. Eine verfassungsfeste Neubewertung muss dazu führen, dass die tatsächliche Wertentwicklung der Grundstücke seit 1935 (in den neuen Bundesländern) bzw. 1964 (in den alten Bundesländern) aktualisiert wird. Eine weitere Zielvorstellung ist, dass das Grundsteueraufkommen insgesamt nicht steigt, sondern die derzeitigen Einnahmen aus der Grundsteuer mit jährlich rd. 14 Mrd. EUR gesichert werden (Aufkommensneutralität). Zur Umsetzung dieser Vorgaben haben sich Bund und Länder ‒ mit Ausnahme von Bayern ‒ Anfang Februar 2019 auf sog. Eckpunkte zur Reform des Grundsteuer- und Bewertungsrechts geeinigt, die nunmehr auch Eingang in den Referentenentwurf gefunden haben. Danach sind für die Berechnung der künftigen Grundsteuer folgende Elemente von Bedeutung:

 

  • Bodenrichtwerte
  • Ausgangspunkt für die Bewertung von Grund und Boden sind die sog. Bodenrichtwerte. Der Bodenrichtwert ist eine in der Grundbesitzbewertung bekannte und erprobte Kenngröße, die nach geltendem Recht für Zwecke der Erbschaft-/Schenkungsteuer sowie der Grunderwerbsteuer verwendet wird. Diese Daten sind derzeit ‒ mit Ausnahme in Baden-Württemberg ‒ über das System BORIS online abrufbar. Ihre Nutzung stellt sicher, dass sich unterschiedliche Lagen in der Wertberechnung widerspiegeln. Ermittelt werden diese Werte in der Regel flächendeckend für das gesamte Gemeindegebiet auf der Grundlage der Kaufpreissammlung durch örtlich zuständige Gutachterausschüsse. Die Aktualität der Daten ergibt sich daraus, dass sie zumindest zum Ende jedes zweiten Kalenderjahres zu ermitteln sind. Sofern Bodenrichtwerte in Einzelfällen nicht vorliegen, können die Finanzbehörden den Bodenwert aus vergleichbaren Flächen ermitteln. Durch die Einrichtung von größeren Bodenrichtwertzonen und die Zugrundelegung von Durchschnittssätzen soll das Verfahren noch weiter vereinfacht werden. Die Finanzverwaltung kann ergänzende Vorgaben zur Bestimmung der Größe der Bodenrichtwertzonen nach § 196 Abs. 1 BauGB festlegen. Für Kommunen, deren mittleres Bodenwertniveau unter dem Landesdurchschnitt „Wohnen“ liegt, kann optional das für die Kommune jeweils ermittelte „mittlere Bodenwertniveau“ als „Ortsdurchschnittswert“ angesetzt werden (De-minimis-Regelung).

 

  • Baujahr
  • Das Baujahr ist für die Ermittlung des Grundstückswerts ein weiteres notwendiges Bewertungsmerkmal. Für Gebäude aus Baujahren vor 1948 genügt aus Vereinfachungsgründen in der Erklärung die Angabe „Gebäude erbaut vor 1948“.

 

  • Durchschnittliche Nettokaltmiete
  • Zur Ermittlung der Bemessungsgrundlage bei Wohngrundstücken wird an die aus dem sog. Mikrozensus des Statistischen Bundesamtes (StaBu) abgeleiteten durchschnittlichen Nettokaltmieten (Mieten aus dem Mikrozensus, nach Mietstufen gestaffelt) angeknüpft. Im Rahmen der Mikrozensuserhebungen ermittelt das StaBu alle vier Jahre u. a. Daten zur Wohnsituation der Bürger. Hieraus lassen sich für jedes Bundesland Durchschnittsmieten ermitteln, die wiederum nach sonstigen baulichen Merkmalen (z. B. Wohnflächen- und Baujahresgruppen) und in sechs unterschiedlichen Mietniveaustufen differenziert werden sollen. Hierbei ist zu beachten, dass auch für große Städte (z. B. Berlin, Hamburg, München und Stuttgart) nur eine Mietstufe ausgewiesen wird. Insgesamt lässt sich dadurch einfach und transparent für jede Bewertungseinheit anhand von Wohnlage, Gebäudeart, Wohnfläche und Baujahr die durchschnittliche Nettokaltmiete ableiten. Damit einhergehend kann ein realitätsgerechter Wert eines Grundstücks ermittelt werden. Im Ergebnis wird hierdurch erreicht, dass beispielsweise für eine ältere Wohnung in einer strukturschwachen Kommune nicht zu hohe Werte festgesetzt werden.

 

  • Die Zugrundelegung von Durchschnittswerten führt dazu, dass die besonders hohen Preissteigerungen bei Immobilien, die einige Städte in den letzten Jahren erlebt haben, sich nicht unmittelbar auf die vom Einzelnen zu zahlende Grundsteuer auswirken. Damit werden unverhältnismäßig hohe Belastungen vermieden, ohne dass die vom BVerfG geforderte relations- und realitätsgerechte Bewertung gefährdet wird.

 

  • Für Fälle, in denen die zu zahlende Miete niedriger als die statistische Durchschnittsmiete ist, ist eine Korrekturkomponente vorgesehen: Überlässt der Eigentümer dem Mieter Grundstücke oder Grundstücksteile, deren Miete bis zu 30 % unterhalb der durchschnittlichen Nettokaltmiete liegen, wird die tatsächlich vereinbarte Nettokaltmiete angesetzt. Dabei sind jedoch 70 % der statistischen Miete zu berücksichtigen.

 

  • Die auf diese Art ermittelte Durchschnittsmiete gilt für alle Wohnarten, d. h., sowohl für vermieteten Wohnraum als auch für selbst genutzte Immobilien. Dieser einheitliche Ansatz garantiert, dass vergleichbare Wohneinheiten in einer Wohnlage auch gleich bewertet werden.

 

  • Geschäftsgrundstücke
  • Abweichend von der Regelung für Wohngrundstücke werden für vermietete Geschäftsgrundstücke keine statistischen Daten erhoben, die für die Bewertung genutzt werden könnten. Deshalb wird bei dieser Grundstücksart auf die tatsächlich vereinbarte Miete zurückgegriffen. Bei selbstgenutzten (reinen) Geschäftsgrundstücken wird dagegen künftig auf die ortsübliche Vergleichsmiete abgestellt, sofern sie ermittelbar ist. In allen anderen Fällen ‒ also z. B. auch bei Grundstücken, die teils geschäftlich, teils zu Wohnzwecken genutzt werden ‒ wird anstelle des Ertragswertverfahrens auf ein gegenüber dem geltenden Recht vereinfachtes Sachwertverfahren als Auffanglösung zurückgegriffen, das für die Wertermittlung insbesondere auf die Herstellungskosten abstellt. Hierfür sind statt über 30 Angaben nur 8 erforderlich.

 

  • Senkung der Steuermesszahl
  • Die Reform soll aufkommensneutral gestaltet werden. Um dieses Ziel sicherzustellen, beträgt die Steuermesszahl, die unter Berücksichtigung vorstehender vier Punktionen auf den ermittelten Einheitswert anzusetzen ist, nach einer ersten groben Schätzung 0,325 ‰. Dieser Prozentsatz entspricht somit nur noch einem Zehntel des alten Wertes. Die Steuermesszahl soll nach Grundstücksarten differenziert und für die jeweiligen Grundstücksarten regelmäßig überprüft und ggf. angepasst werden.

 

  • Land- und forstwirtschaftlich genutzter Grundbesitz
  • Für die Grundsteuer A für die Land- und Forstwirtschaft wird ein Ertragswertverfahren entsprechend dem Gesetzentwurf des Bundesrats (BR-Drs. 515/16) eingeführt. Die Bewertung von land- und forstwirtschaftlich genutztem Grundbesitz unterliegt dem bisher praktizierten Verfahren, d. h., diese Flächen werden bereits nach geltendem Recht nach dem sog. typisierten Ertragswert bewertet, der ‒ anders als bei Wohn- und Geschäftsgrundstücken ‒ stets einem realitätsgerechten Wert entspricht.

 

  • Unbebaute baureife Grundstücke
  • Die Kommunen können von der Option Gebrauch machen, auf unbebaute baureife Grundstücke einen eigenen Hebesatz (Grundsteuer C) zu erheben. Damit soll unter bestimmten Voraussetzungen ein Anreiz für den Bau neuer Wohnungen geschaffen und der Bodenspekulation entgegengewirkt werden.

 

  • Schutz für sozial schwache Mieter
  • Um sozial schwache Mieter zu schützen, ist für Wohnungsbaugesellschaften in der Hand von Gebietskörperschaften, Wohnungsbaugenossenschaften und gemeinnützigen Wohnungsbaugesellschaften ein Abschlag vorgesehen.

 

  • Auswirkungen auf Länderfinanzausgleich
  • Für die Auswirkungen auf den Länderfinanzausgleich soll eine Lösung erarbeitet werden.

 

Die Reformpläne in der Kritik

Anfang Februar dieses Jahres stellte Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) der Öffentlichkeit ein Kompromissmodell vor, auf das sich Bund und Länder ‒ nach Aussage des Ministers ‒ geeinigt hätten. Ob diese Aussage eine Verfälschung der tatsächlichen Gegebenheiten oder reiner Zweckoptimismus war, sei dahingestellt. Vertreter Bayerns haben jedenfalls bei Bekanntwerden der Pläne sofort Vorbehalte angemeldet. Nach Darstellung von BM Scholz flössen zur Berechnung der neuen Grundsteuer nur wenige, vergleichsweise einfach festzustellende Größen in die Bemessungsgrundlage ein. Für das vom BVerfG beanstandete Modell seien mehr als 30 Faktoren für die Berechnung notwendig gewesen, für das Reformvorhaben reichten dagegen fünf bis acht Parameter aus. Die meisten dieser Daten lägen bereits vor. Außerdem kämen z. T. Pauschalierungen zur Anwendung, die das Verfahren erheblich vereinfachten und kleinteilige Einzelfallbewertungen überflüssig machten. Darüber hinaus sollten künftig die digitalen Möglichkeiten bei der Datenerhebung und -bearbeitung genutzt werden.

 

Auch nach einem Treffen des Bundesfinanzministers mit seinen Länderkollegen blieb Bayern bei seiner ablehnenden Haltung. Bayerns Finanzminister Albert Füracker (CSU) erklärte: „In der jetzt vorgesehenen Ausgestaltung ist das Grundsteuer-Reformmodell für Bayern auf keinen Fall zustimmungsfähig“. BM Scholz äußerte sich dagegen zuversichtlich. Zuletzt feilten beide Seiten noch einmal an den Reformvorschlägen. Mitte April sprach Scholz von einem „vernünftigen Ergebnis“ und erklärte die Konsultationen mit den Ländern für beendet. „Wir haben ein Gesprächsergebnis erzielt, das eine gute Grundlage ist für die Arbeiten, die jetzt noch anstehen“, meinte er.

 

Unterstützt wurden die Pläne von Scholz von Hessens FM Thomas Schäfer (CDU). Er nannte den Kompromiss „administrierbar und händelbar“. Das vorliegende Modell sei deutlich weniger bürokratisch. „Wir fassen nicht mehr jedes Grundstück an, wir erheben nicht mehr jede einzelne Miete“, erklärte Schäfer. Scholz kündigte einen Gesetzentwurf an und stellte fest: Es sei „völlig okay, dass zu diesem Zeitpunkt nicht jeder schon von der Lösung überzeugt ist“. Die Diskussionen gingen auch im Gesetzgebungsverfahren noch weiter.

 

Bayern blieb bei seiner ablehnenden Haltung. Die CSU setzt auf ein Flächenmodell, bei dem die Steuerhöhe pauschal gemäß der Fläche berechnet wird. FM Füracker übte erneut scharfe Kritik an Scholz. „Dass auf dieser Grundlage ein Gesetzentwurf vorgelegt wird, lehne ich strikt ab“, erklärte er. Nicht einmal die verfassungsrechtlichen Bedenken seien bislang ausgeräumt worden. Scholz zeige „leider keinerlei Bereitschaft, in Richtung einer Einfach-Grundsteuer zu gehend“, so Füracker (alle Zitate aus „General-Anzeiger“ Bonn, 15.3.19).

 

Auch die Wirtschaft sieht die Reformvorschläge des BMF nicht nur positiv. Deren Sprecher erklärte, für die Unternehmen stehe im Vordergrund, dass es mit der Neuregelung nicht zu einer höheren Steuerbelastung komme, dass die Einnahmen aus der Grundsteuer für die Gemeinden auf dem aktuellen Niveau stabilisiert würden und vor allem, dass es nicht zu einem weiteren bürokratischen Aufwand komme. Das vorgeschlagene BMF-Modell greife im Vergleich zu dem von der Wirtschaft vorgeschlagenen (einfacheren) Flächenmodell auf viel mehr Daten zu, die insbesondere die Unternehmen liefern müssten. Hier bestehe die Sorge vor erheblichen bürokratischen Belastungen. Der Wirtschaftsrat der CDU vertritt die Auffassung, die Reform der Grundsteuer müsse ein einfach zu handhabendes und auf bekannten Informationen bestehendes Flächenmodell ermöglichen, das mindestens aufkommensneutral ausgestaltet werden sollte („General-Anzeiger“ 6.4.19).

 

Nachdem FM Scholz den Referentenentwurf am 9.4.2019 an seine Kabinettskollegen verschickt hatte, droht der Streit zu eskalieren: Die CSU, aber auch die Unionsfraktion, dringt auf eine Öffnungsklausel, die es den Bundesländern erlauben würde, die Grundsteuer nur nach den Flächen von Grundstück und Gebäude zu erheben. „Scholz spielt russisch Roulette“, erklärte CDU-Finanzpolitiker Fritz Güntzler in der „FAZ“ am 9.4.19 und ergänzte: „Der Minister will mit dem Kopf durch die Wand“. In der „FAZ“ vom 10.4.19 warnte Unionsfraktionsvize Andreas Jung BM Scholz: „Ohne Länder-Öffnungsklausel stimmen wir der Reform nicht zu.“ Wenn ein Land das wolle, sollte es eine eigene Regelung machen können. Das sei ohne Grundgesetz-Änderung möglich und in der Sache konsequent. Denn zwischen Kiel und Konstanz gebe es viele Unterschiede. Schon heute sei die Grundsteuer mit Hebesätzen zwischen 0 und fast 1.000 % keine Einheitssteuer. Sein Resümee: „Der Vorschlag von Scholz ist nicht abgestimmt und damit kein Entwurf der Koalition.“

 

Schlussfolgerungen

Das bisherige System, nach dem die Grundsteuer bislang ermittelt wurde, wird auch nach Umsetzung der Reform beibehalten. Das bedeutet, dass die Grundsteuer weiterhin in folgenden Arbeitsschritten ermittelt wird: Bewertung des Grundvermögens und Anwendung der Steuermesszahl bis zur Erteilung des Grundsteuermessbescheids erfolgen durch die Finanzämter, Anwendung des Hebesatzes auf den Grundsteuermessbetrag und Festsetzung der Grundsteuer ist Sache der Kommunen.

 

Die radikale Absenkung der Steuermesszahl ist Voraussetzung für die angestrebte Aufkommensneutralität der Grundsteuer, d. h., das bundesweite Gesamtaufkommen der Grundsteuer soll trotz höherer Grundstückswerte mit rd. 14 Mrd. EUR weitgehend konstant bleiben. Diese Zielvorgabe berücksichtigt, dass das Grundsteueraufkommen der einzelnen Kommunen sich nach den ersten beiden Berechnungsschritten ‒ Feststellung der neuen Einheitswerte und Anwendung der Steuermesszahl ‒ verändern wird. Von dem Verhalten der Kommunen hängt es hingegen ab, ob sie durch die Anpassung der Hebesätze die Aufkommensneutralität in ihren Gemeinden sicherstellen. Eine Garantie für das erwünschte Verhalten der Kommunen gibt es nicht. Im Ergebnis könnte die Reform zu Belastungssprüngen insbesondere in den Großstädten führen, in denen die Immobilienpreise und Mieten besonders stark gestiegen sind. Es wird auf der Seite der Immobilienbesitzer und Mieter Gewinner und Verlierer geben.

 

Im Gesetzgebungsverfahren dürfte noch heftig um die beste Lösung gerungen werden. Die Reform wird die parlamentarischen Hürden nur dann nehmen, wenn alle drei Koalitionsparteien und 16 Bundesländer den Erfolg wollen. Zu hoffen bleibt, dass die vorhandenen nervösen Spannungen zwischen den Koalitionspartnern nicht dazu führen, dass die Reform verspätet verabschiedet wird. Denn durch das Urteil des BVerfG sind die Kontrahenten an einen engen Zeitplan gebunden, der sie letztlich zu einem vernunftorientierten Handeln zwingt.

 

Nach dem Zeitplan des BMF sollte sich nach erfolgter Ressortabstimmung noch im April das Bundeskabinett mit dem Gesetzentwurf befassen. Dieser Termin ist wegen weiterem Abstimmungsbedarfs hinfällig geworden. Bis Redaktionsschluss ist eine Behandlung im Kabinett nicht erfolgt.

 

In einem Symposium wird zuvor geprüft, ob die vom Koalitionspartner geforderte Öffnungsklausel rechtlich überhaupt möglich ist. Entsprechende Regelungen in Bundesgesetzen betreffen meistens nur Detailfragen, aber nicht wie in diesem Fall eine zentrale Regelung. Sollte gar eine Grundgesetzänderung notwendig sein, dürfte die dafür notwendige Mehrheit nicht zustande kommen; denn 15 von 16 Bundesländern unterstützen die Pläne von Scholz prinzipiell, abgesehen von Kritik an einzelnen Punkten. Befürchtungen, es handele sich bei seinem Reformvorschlag um ein bürokratisches Monster, wies der Bundesfinanzminister zurück. Die Berechnung sei schließlich „vollständig digitalisierbar“.

Quelle: Seite 459 | ID 45866304