· Fachbeitrag · Steuerrecht
Zurückweisung von Bevollmächtigten
von Rechtsassessor Dr. Matthias Gehm, Limburgerhof und Speyer
| Die Finanzverwaltung muss in bestimmten Fällen einen Bevollmächtigten zurückweisen. Die Entscheidung steht nicht im Ermessen der Finanzverwaltung und hat weitreichende Folgen für den Zurückgewiesenen und den Steuerpflichtigen, etwa wenn der Bevollmächtigte Steuererklärungen abgegeben haben sollte. Dieser Beitrag gibt einen Überblick über den wichtigsten Zurückweisungsgrund, den nach § 80 Abs. 7 AO. |
Die Zurückweisungsmöglichkeiten der Abgabenordnung
Die Abgabenordnung bietet in § 80 AO drei Möglichkeiten, einen Bevollmächtigten zurückzuweisen:
- Mangels Befugnis: Soweit ein Bevollmächtigter geschäftsmäßig Hilfe in Steuersachen leistet, ohne dazu befugt zu sein, ist er nach § 80 Abs. 7 AO mit Wirkung für alle anhängigen und künftigen Verwaltungsverfahren des Vollmachtgebers im Zuständigkeitsbereich der Finanzbehörde zurückzuweisen. Die Zurückweisung ist dem Vollmachtgeber und dem Bevollmächtigten bekannt zu geben. Die Finanzbehörde ist befugt, andere Finanzbehörden über die Zurückweisung des Bevollmächtigten zu unterrichten.
- Mangels Fähigkeit zum Vortrag: Zurückweisungen mangels Fähigkeit zum Vortrag nach § 80 Abs. 8 AO sind bei Angehörigen der steuerberatenden und rechtsberatenden Berufe, wie sich aus § 80 Abs. 8 AO ergibt, nicht zulässig (Gerlach, NWB OAAAA-88458, Tz. VI.2.; Rätke in: Klein, AO Komm., 15. Aufl. 20, § 80, Rz. 92; Schneider in: Schwarz/Pahlke, AO Komm., § 10 [Stand: 31.3.17], Rz. 77).
- Sonderregelung für Beistände: Entsprechend der Regelung des § 80 Abs. 7 AO bzw. § 80 Abs. 8 AO enthält § 80 Abs. 9 AO Bestimmungen zur Zurückweisung von Beiständen i. S. v. § 80 Abs. 6 AO, die keine Bevollmächtigten sind (Rätke in: Klein, AO Komm., 15. Aufl. 20, § 80, Rz. 100 ff.; BFH 19.10.16, II R 44/12, BStBl II 17, 797).
Zurückweisung mangels Befugnis zur Hilfe in Steuersachen
f„Zweck von § 80 Abs. 7 AO ist es, die Allgemeinheit vor sachunkundiger und unzuverlässiger Hilfe in Steuersachen durch geschäftsmäßig handelnde Personen zu schützen. Die geschäftsmäßige Hilfe in Steuersachen soll nur solchen Personen anvertraut werden, welche die nötige Sachkunde besitzen und nach ihrer persönlichen Eignung hinreichende Gewähr für die einwandfreie Behandlung steuerlicher Angelegenheiten bieten“ (FG Sachsen 23.7.14, 2 K 80/14, unter Bezugnahme auf BFH 22.3.94, VII R 58/93, BFH/NV 95, 7; BFH 28.2.18, II R 3/16, BFH/NV 18, 990).
Die Regelung des § 80 Abs. 7 AO verstößt nicht gegen die Berufsfreiheit des Art. 12 GG bzw. die Grundfreiheit der Art. 18, 49, 54 und 56 AEUV ‒ allgemeines Diskriminierungsverbot, Niederlassungsfreiheit bzw. -recht, Dienstleistungsfreiheit (BFH 28.2.18, II R 3/16, BFH/NV 18, 990).
Befugnis zur Hilfeleistung in Steuersachen
Die Zurückweisung nach § 80 Abs. 7 AO knüpft daran an, ob der Bevollmächtigte i. S. v. § 80 Abs. 1 AO befugt ist, Hilfe in Steuersachen zu leisten. Mehrere Begriffe sind hierfür zentral:
- Steuersachen i. S. v. § 80 Abs. 7 AO i. V. m. § 1 StBerG sind alle Angelegenheiten, die unmittelbar oder mittelbar mit der Verwirklichung von Steuertatbeständen oder Steuerstraf- und Steuerordnungswidrigkeitentatbeständen zu tun haben. Ferner gehören dazu sonstige von Bundes- oder Landesfinanzbehörden verwaltete Angelegenheiten, soweit für diese durch Bundes- oder Landesgesetz der Finanzrechtsweg eröffnet ist“. Auch Kindergeldangelegenheiten sind Steuersachen (BFH 28.2.18, II R 3/16; Schneider in: Schwarz/Pahlke, AO Komm., § 10 [Stand: 31.3.17], Rz. 66).
- Geschäftsmäßige Hilfe: Aus § 5 StBerG ergibt sich, dass nur bestimmte Personen zur selbstständigen geschäftsmäßigen Hilfe in Steuersachen befugt sind. Geschäftsmäßiges Hilfeleisten bedeutet ein nicht nur gelegentliches Hilfeleisten i. S. v. § 1 StBerG, auf eine Hauptberuflichkeit oder Entgeltlichkeit kommt es dabei, wie sich aus § 2 2 StBerG ergibt, hingegen nicht an (v. Wedelstädt, NWB UAAAB-17522, Tz. III.; Rätke in: Klein, AO Komm., 15. Aufl. 20, § 80, Rz. 66; Schneider in: Schwarz/Pahlke, AO Komm., § 10 [Stand: 31.3.17], Rz. 70).
- Befugnis: Dabei wird zwischen der unbeschränkten Befugnis zur Hilfeleistung gemäß § 3 StBerG und zur gegenständlich beschränkten Hilfeleistung nach § 4 StBerG unterschieden. Insbesondere Steuerberater, Steuerbevollmächtigte, Rechtsanwälte, Wirtschaftsprüfer und vereidigte Buchprüfer haben die unbeschränkte Befugnis zur Hilfeleistung, nicht jedoch Bilanzbuchhalter (FG Sachsen 23.7.14, 2 K 580/14). Die Befugnis zur beschränkten Hilfeleistung haben etwa Lohnsteuerhilfevereine in den Grenzen des § 4 Nr. 11 StBerG (v. Wedelstädt, NWB UAAAB-17522, Tz. III.). Die Berechtigung zur unbeschränkten Hilfe kann aber bei Steuerberatern entfallen, wenn beispielsweise nicht die entsprechende Berufshaftpflichtversicherung besteht (§ 46 Abs. 2 Nr. 3 StBerG).
Vorübergehende gelegentliche Hilfe und die Ausnahmen nach § 6 StBerG
Mit § 3a StBerG gibt es die Befugnis zur vorübergehenden und gelegentlichen Hilfeleistung in Steuersachen auf dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland. Diese Befugnis bezieht sich auf Personen, welche in der EU oder dem EWR niedergelassen und dort befugt sind zur geschäftsmäßigen Hilfe in Steuersachen (v. Wedelstädt, NWB UAAAB-17522, Tz. III., zur Vereinbarkeit der Regelung mit Unionsrecht vgl. Rätke in: Klein, AO Komm., 15. Aufl. 20, § 80, Rz. 69 f. und EuGHG 17.12.15, C-342/14, DStRE 16, 120). Der Umfang der Befugnisse richtet sich nach dem Recht des Niederlassungsstaates (BFH 28.2.18, II R 3/16, BFH/NV 18, 990; Rätke in: Klein, AO Komm., 15. Aufl. 20, § 80, Rz. 68).
Des Weiteren sind die Ausnahmen vom Verbot zur unbefugten Hilfeleistung in Steuersachen nach § 6 StBerG zu beachten. Hier sind die Erstellung von wissenschaftlichen Gutachten und reine Buchungsvorgänge zu nennen. Nicht erlaubt sind jedoch die Erstellung von Umsatzsteuervoranmeldungen (v. Wedelstädt, NWB UAAAB-17522, Tz. III.; BFH 7.6.17, II R 22/15, BStBl II 17, 973; FG Baden-Württemberg 30.10.19, 4 K 1715/18, EFG 20, 571; FG Sachsen 23.7.14, 2 K 580/14, im Hinblick auf Bilanzbuchhalter, hierzu auch Rätke in: Klein, AO Komm., 15. Aufl. 20, § 80, Rz. 72). Das Fertigen von Lohnsteuerabrechnungen und Lohnsteueranmeldungen fällt hingegen unter § 6 Nr. 4 StBerG (FG Baden-Württemberg 30.10.19, 4 K 1715/18, EFG 20, 571; FG Sachsen 23.7.14, 2 K 580/14; Rätke in: Klein, AO Komm., 15. Aufl. 20, § 80, Rz. 71; Schneider in: Schwarz/Pahlke, AO Komm., § 10 [Stand: 31.3.17], Rz. 68).
Keine Ermessensentscheidung bei Zurückweisung
Die Zurückweisung nach § 80 Abs. 7 AO hat zwingend zu erfolgen, insofern hat die Finanzbehörde kein Ermessen (v. Wedelstädt, NWB UAAAB-17522, Tz. II.; Schneider in: Schwarz/Pahlke, AO Komm., § 10 [Stand: 31.3.17], Rz. 71; Rätke in: Klein, AO Komm., 15. Aufl. 20, § 80, Rz. 75; Gerlach, NWB OAAAA-88458, Tz. VI.1.). Aufgrund des StModernG v. 18.7.16 (BGBl I 16, 1679) sind die diesbezüglichen Ausnahmen für Notare und Patentanwälte aufgehoben worden (Rätke in: Klein, AO Komm., 15. Aufl. 20, § 80, Rz. 75).
Bei der Untersagung nach § 7 StBerG hat die Finanzverwaltung hingegen Ermessen (FG Sachsen 23.7.14, 2 K 580/14).
Bekanntgabe der Zurückweisung
Nach § 80 Abs. 7 2 AO ist die Zurückweisung dem Bevollmächtigten und dem Vollmachtgeber bekannt zu geben. Daraus wird abgeleitet, dass sie erst wirksam ist, wenn sie beiden Personen zugegangen ist (Rätke in: Klein, AO Komm., 15. Aufl. 20, § 80, Rz. 78).
Reichweite und Anfechtungsmöglichkeit
Hat sich die Finanzverwaltung entschlossen, einen Bevollmächtigten zurückzuweisen, stellt sich die Frage nach der Reichweite dieser Entscheidung und den Anfechtungsmöglichkeiten.
Reichweite der Zurückweisung
Wie sich aus § 80 Abs. 7 1 AO ergibt, hat die Zurückweisung Wirkung für alle anhängigen und zukünftigen Verwaltungsverfahren des Vollmachtgebers im Zuständigkeitsbereich der zurückweisenden Finanzbehörde. Insoweit kann der Bevollmächtigte noch für andere Vollmachtgeber gegenüber dieser Behörde und gegenüber anderen Finanzämtern auch für den Bevollmächtigten auftreten (Rätke in: Klein, AO Komm., 15. Aufl. 20, § 80, Rz. 76; Schneider in: Schwarz/Pahlke, AO Komm., § 10 [Stand: 31.3.17], Rz. 72; BFH 18.1.17, II R 33/16, BStBl II 17, 663; a.A. v. Wedelstädt, NWB UAAAB-17522, Tz. II). Die Zurückweisung bezieht sich nur auf das jeweilige Verfahren und den jeweiligen Verfahrensabschnitt (FG Niedersachsen 4.8.16, 6 K 113/16).
Eine umfangreiche Zurückweisung ist nur bei der Untersagung der Tätigkeit nach § 7 Abs. 1 Nr. 1 StBerG möglich (FG Niedersachsen 4.8.16, 6 K 113/16), allerdings führt diese Zurückweisung nicht dazu, dass die Verfahrenshandlungen des Bevollmächtigten unwirksam sind (Rätke in: Klein, AO Komm., 15. Aufl. 20, § 80, Rz. 77).
Da die Zurückweisung nach § 80 Abs. 7 3 AO auch anderen Finanzbehörden mitgeteilt werden darf, ist aber sowieso damit zu rechnen, dass eine solche weitere Kreise zieht.
Anfechtungsmöglichkeit
Die Zurückweisung nach § 80 Abs. 7 AO ist ein Verwaltungsakt, gegen den mit dem Einspruch bzw. der Anfechtungsklage vorgegangen werden kann (Schneider in: Schwarz/Pahlke, AO Komm., § 10 [Stand: 31.3.17], Rz. 84; BFH 19.10.16, II R 44/12, BStBl II 17, 797; FG Köln 12.2.20, 7 K 2827/13; FG Köln 22.11.18, 4 K 278/18, EFG 19, 474; FG Köln 22.11.18, 4 K 2652/17, EFG 19, 480; FG Niedersachsen 14.9.17, 6 K 438/16; v. Wedelstädt, NWB UAAAB-17522, Tz. II).
Befugt zum Einspruch bzw. zur Anfechtung sind der Vollmachtgeber und der Bevollmächtigte (Rätke in: Klein, AO Komm., 15. Aufl. 20, § 80, Rz. 81).
Eine vorbeugende Feststellungsklage soll bezüglich der Zurückweisung unzulässig sein, sodass nur konkret die bereits erlassene Zurückweisung angreifbar ist (FG Niedersachsen 25.7.19, 6 K 298/18).
Rechtsfolgen und Sanktionen
Im Zusammenhang mit Rechtsfolgen und Sanktionen ist vor allem an die Rechtsfolgen für Verfahrenshandlungen und Steuerbescheide zu denken, aber auch an die Möglichkeit eines Ordnungswidrigkeitsverfahrens für den zurückgewiesenen Bevollmächtigten und weitere zivilrechtliche Folgen.
Rechtsfolgen für die Verfahrenshandlungen
Verfahrenshandlungen, die der Bevollmächtigte, welcher nicht zur Hilfeleistung in Steuersachen befugt ist, vor seiner Zurückweisung vorgenommen hat, bleiben wirksam (Nr. 6 AEAO zu § 80; Gerlach, NWB OAAAA-88458, Tz. VI.4.).
Danach vorgenommene Verfahrenshandlungen sind hingegen nach § 80 Abs. 10 AO unwirksam. Das bedeutet beispielsweise, dass vom Bevollmächtigten nicht mehr fristwahrend Einspruch für seinen Mandanten eingelegt werden kann (Rätke in: Klein, AO Komm., 15. Aufl. 20, § 80, Rz. 110).
Der maßgebliche Zeitpunkt ist dabei, wann dem Bevollmächtigen wie dem Vollmachtgeber die Zurückweisung bekannt gegeben wurden (Rätke in: Klein, AO Komm., 15. Aufl. 20, § 80, Rz. 110; Schneider in: Schwarz/Pahlke, AO Komm., § 10 [Stand: 31.3.17], Rz. 73).
Erlangt der Bevollmächtigte nach der Zurückweisung die Berechtigung, Hilfe in Steuersachen zu leisten (wieder), so heilt dies nicht den Mangel der Verfahrenshandlung (BFH 28.2.18, II R 3/16, BFH/NV 18, 990; BFH 18.1.17, II R 3/14, BFH/NV 17, 619; BFH 18.1.17, II R 48/14, BFH/NV 17, 622; BFH 18.1.17, II R 6/14, BFH/NV 17, 621; BFH 18.1.17, II R 33/16, BStBl II 17, 663; Schneider in: Schwarz/Pahlke, AO Komm., § 10 [Stand: 31.3.17], Rz. 83; a. A. Rätke in: Klein, AO Komm., 15. Aufl. 20, § 80, Rz. 110 über § 131 AO folgt eine Heilung).
Rechtsfolgen für Steuerbescheide
Das FG Hamburg vertritt die Rechtsauffassung, dass ein Steuerbescheid nicht nach § 125 Abs. 1 AO nichtig ist, der aufgrund einer Steuererklärung ergeht, die ein nicht zur Hilfeleistung in Steuersachen befugter Bevollmächtigter abgegeben hat, welcher von der Finanzverwaltung nicht zuvor nach § 80 Abs. 7 AO zurückgewiesen worden war. Denn nur die von ihm nach dem Zeitpunkt der Zurückweisung vorgenommenen Verfahrenshandlungen sind nach § 80 Abs. 10 AO unwirksam. Auch ist der Steuerbescheid wegen dieses Umstands nicht rechtswidrig (FG Hamburg 30.7.20, 2 K 12/19).
Da nach der Rechtsprechung des BFH eine Steuererklärung ohne die gesetzlich vorgeschriebene Unterschrift zwar unwirksam ist, dieser Mangel aber wiederum unbeachtlich ist, wenn auf eine solche Steuererklärung ein wirksamer Steuerbescheid ergeht (BFH 28.2.02, V R 42/01, BStBl II 02, 642), wird man hieraus m. E. herleiten dürfen, dass entsprechend der Steuerbescheid auch dann wirksam ist, wenn die Zurückweisung vor Abgabe der Erklärung durch den Bevollmächtigten erfolgte.
Sanktionen
Wer unbefugt Hilfe in Steuersachen leistet, begeht eine Ordnungswidrigkeit nach § 160 StBerG, die mit einer Geldbuße bis zu 5.000 EUR geahndet werden kann und für deren Ahndung die Bußgeld- und Strafsachenstelle des Finanzamts gemäß § 164 StBerG zuständig ist (v. Wedelstädt, NWB UAAAB-17522, Tz. IV.). Sofern Gebühren nach StBVV von solchen Personen ihrem Mandanten abverlangt werden, kann sich zudem die Frage stellen, ob zum Nachteil des Mandanten ein Betrug gemäß § 263 StGB begangen wurde.
Wenn Anhaltspunkte vorliegen, dass die unbefugte Hilfeleistung in Steuersachen fortgesetzt wird, hat die Finanzbehörde die Steuerberaterkammer über den Ausgang des Bußgeldverfahrens nach § 10a StBerG zu informieren (v. Wedelstädt, NWB UAAAB-17522, Tz. IV.). Zudem besteht nach § 140 StBerG die Möglichkeit, wenn gegen ein Vertretungsverbot verstoßen wird, einen Steuerberater aus dem Beruf auszuschließen.
Zivilrechtliche Folgen
Wegen Nichtigkeit des Beratungsvertrags besteht kein Anspruch auf Honorar (Besau/Bell, NWB 12, 1544, 1547 f. m.w.N.). Zudem macht sich der Beauftragte regresspflichtig, wenn dem Auftraggeber beispielsweise ein Schaden derart eintritt, dass aufgrund der Zurückweisung ein Rechtsbehelf unzulässig ist.